September 2014

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September 2014
DIE THEMEN
Seite
Teil A: Aktuelle Informationen
Teil B: Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1
2 - 28
29 - 51
und 2 EStG; voraussichtlich dauernde
Wertminderung, Wertaufholungsgebot
Teil C: Nutzung eines betrieblichen Elektro- und
Hybridelektrofahrzeugs für private Fahrten
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Teil A
Teil A: Aktuelle Informationen
INHALT
Seite
1.
Außerordentliche Einkünfte beim Wechsel von unselbständiger zu
selbständiger Tätigkeit ............................................................................................. 3
2.
Automatischer Kirchensteuerabzug – die neuesten Entwicklungen bei
Gesellschafter-Geschäftsführern ............................................................................. 5
3.
Elektronische Kontoauszüge (Erlass) ..................................................................... 7
4.
Pension neben Gehalt – Beschlüsse der Verwaltung in Baden-Württemberg..... 8
5.
Regelungsinhalt einer Anrufungsauskunft – Zufluss bei Zeitwertkonto .............. 8
6.
Kein Werbungskostenabzug für Vorfälligkeitsentschädigungen ....................... 11
7.
Unangemessener Fahrzeugaufwand eines Freiberuflers .................................... 13
8.
Der BFH kippt die Ausnahmeregelung zur Abgeltungsteuer .............................. 16
9.
Steuerliche Behandlung des Betreuungsgelds .................................................... 21
10. Splittingtarif für Alleinerziehende .......................................................................... 22
11. Wechsel der Gewinnermittlungsart bei Einbringungen nach § 24 UmwStG
und Realteilungen ................................................................................................... 22
12. Beginn der Verzinsung bei Nichtinvestition (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG n.F.) ....... 23
13. Neuregelung zur Änderung der strafbefreienden Selbstanzeige ........................ 26
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1.
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Teil A
Außerordentliche Einkünfte beim Wechsel von unselbständiger
zu selbständiger Tätigkeit;
BFH-Urteil vom 08.04.2014 – IX R 33/13
Im Skript 4/2014, Teil B, haben wir das BMF-Schreiben vom 01.11.2013, BStBl I S. 1326,
zur steuerlichen Behandlung von Entlassungsabfindungen dargestellt. Danach setzt das
Vorliegen einer steuerbegünstigten Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 i.V. mit § 34 Abs. 1
EStG u.a. voraus, dass es durch die Entschädigung zu einer Zusammenballung von
Einkünften kommt. Dies kann dann bejaht werden, wenn
1. die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte Entschädigung die
bis zum Ende des VZ entgehenden Einnahmen, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte übersteigt (Zusammenballung stets erfüllt),
oder
2. im VZ des Zuflusses der Entschädigung kommt es insgesamt zu einer über die normalen Verhältnisse hinausgehenden Zusammenballung von Einkünften. In diesem
Fall müssen also die Einkünfte nach § 19 EStG im Jahr der Zahlung der Entlassungsabfindung höher sein als die Einkünfte nach § 19 EStG im Vorjahr (ggf. unter Einbeziehung von Arbeitslosengeld).
Der BFH hat dazu jetzt im Urteil vom 08.04.2014 – IX R 33/13 einen Fall entschieden, in
dem ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Dienstverhältnisses eine Abfindung erhielt
und danach selbständige Einkünfte erzielte.
1.1
Sachverhalt
Der Kläger war bis zum 31.01.2009 als Angestellter nichtselbständig tätig. Im Jahr 2006
erhielt er einen Bruttoarbeitslohn i.H. von 129.687 €, im Jahr 2007 i.H. von 146.247 € und
im Jahr 2008 i.H. von 139.834 €. Daneben erzielte er als Rechtsanwalt Einkünfte aus
selbständiger Arbeit i.H. von ./. 1.935 € im Jahr 2006, i.H. von 3.310 € im Jahr 2007 sowie
i.H. von ./. 20.195 € im Jahr 2008. Für Januar 2009 erhielt er vom Arbeitgeber ein Gehalt
i.H. von 10.787 €.
Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und
dem Kläger zum 31.01.2009 beendet. Wegen der Beendigung und zum Ausgleich für den
Verlust des sozialen Besitzstandes zahlte der Arbeitgeber dem Kläger im Streitjahr eine
Abfindung i.H. von 43.000 €.
Ab Februar 2009 übte der Kläger in vollem Umfang eine selbständige Rechtsanwaltstätigkeit aus und erzielte im Streitjahr hieraus Einkünfte i.H. von 5.100 €. Daneben erhielt er
von der Bundesagentur für Arbeit einen steuerfreien Gründungszuschuss für den Zeitraum
vom 01.02.2009 bis 31.10.2009 i.H. von 2.094 € monatlich sowie für den Zeitraum vom
01.11.2009 bis 30.04.2010 i.H. von 300 € monatlich.
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Teil A
Finanzamt und FG lehnten die vom Kläger für die Abfindung beantragte Tarifermäßigung
nach § 34 EStG ab, da es an der erforderlichen Zusammenballung von Einkünften im
Streitjahr fehlt.
1.2
Leitsatz des BFH
Es liegen keine außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG vor, wenn
der Steuerpflichtige im Streitjahr unter Einbeziehung der Entschädigung lediglich Beträge
erhält, die er bei ungestörtem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ohnehin erhalten hätte. Dies gilt auch dann, wenn er nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses eine
selbständige Tätigkeit ausübt.
1.3
Entscheidungsgründe
Der BFH hält an seiner Spruchpraxis fest, wonach für eine Entlassungsabfindung die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG nur in Betracht kommt, wenn ein „zusammengeballter“ Zufluss vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 25.08.2009 – IX R 3/09, BStBl 2010 II S. 1030;
vom 27.01.2010 – IX R 31/09, BStBl 2011 II S. 28). Davon ist auszugehen, wenn der
Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte (Anmerkung: Fallgruppe 1 des BMF-Schreibens vom 01.11.2013, a.a.O.)
Diese Vergleichsberechnung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, sofern keine atypische Gehaltsentwicklung festzustellen ist. Sie gilt aber dann
nicht, wenn die Einnahmesituation des Vorjahres durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen.
Danach sind die im Abfindungsjahr insgesamt erzielten Einnahmen (= Ist-Größe) der Vorjahresvergleichsgröße (= Soll-Größe; unterstellter Wert bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses) gegenüberzustellen.
Übersteigt die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht, ist das
Merkmal der Zusammenballung von Einkünften nur erfüllt, wenn der Steuerpflichtige weitere Einnahmen bezieht, die er bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht bezogen
hätte (vgl. BMF-Schreiben vom 01.11.2013, a.a.O., Rz 10; zweite Fallgruppe).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nicht die Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Art der vereinnahmten Einkünfte im Streitjahr maßgebend, sondern die potenziell progressionssteigernde Wirkung der tatsächlich bezogenen Einkünfte.
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Teil A
Danach war im Ergebnis die Tarifermäßigung zu versagen, da beim Vergleich der Einkünfte aus dem Vorjahr mit den infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielten Einkünften des Streitjahres der Kläger im Streitjahr unter Einbeziehung der Entschädigung
lediglich Beträge erhalten hatte, die er bei ungestörtem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ohnehin erhalten hätte. Es ist insoweit auch unerheblich, dass der Kläger nach der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat.
2.
Automatischer Kirchensteuerabzug – die neuesten Entwicklungen bei Gesellschafter-Geschäftsführern
Im Skript 06/2014 haben wir über die für Ausschüttungen ab dem Jahr 2015 vorzunehmende Regel- bzw. Anlassabfrage berichtet und darauf hingewiesen, dass grundsätzlich
in allen Fällen und insbesondere auch bei Kapitalgesellschaften durch den Mandanten
eine Zulassung zur Verfahrensabfrage und auch eine Regelabfrage vorzunehmen ist. Zwischenzeitlich formierte sich die Kritik an dem Verfahren, insbesondere in Fällen von
GmbHs mit lediglich einem Gesellschafter bzw. konfessionslosen Gesellschaftern. Das
BZSt hat dazu auf seiner Homepage (vgl. www.bzst.de unter der Rubrik „Steuern National“) nunmehr weitergehende ergänzende und auch vereinfachende Aussagen aufgenommen:
Muss auch eine Ein-Mann-GmbH die Kirchensteuermerkmale für ihren GesellschafterGeschäftsführer beim BZSt abfragen?
Es bleibt im Grundsatz dabei, dass eine Ein-Mann-GmbH jedes Jahr eine Regelabfragevornehmen muss Auf diese Art und Weise soll aus Verwaltungssicht sichergestellt werden,
dass der sechsstellige Religionsschlüssel, der dem Steuerpflichtigen zugewiesen ist, immer aktuell ist. Das Argument, dass der Alleingesellschafter-Geschäftsführer über seine
Kirchenzugehörigkeit selbst am besten Bescheid wisse, lässt die Verwaltung nicht gelten.
Allerdings hat sich insoweit eine Vereinfachung ergeben, als das BZSt in seiner jüngsten
Überarbeitung des Fragenkatalogs zur automatischen Kirchensteuererhebung ausführt,
dass eine Kapitalgesellschaft, die nicht beabsichtigt, im Folgejahr eine kapitalertragsteuerpflichtige Ausschüttung vorzunehmen, aktuell von einer Registrierung und Zulassung zum
elektronischen Kirchensteuerabzugsverfahren Abstand nehmen kann (vgl. die nachfolgenden Aussagen).
Muss sich eine Kapitalgesellschaft, die im Folgejahr keine kapitalertragsteuerpflichtigen
Ausschüttungen plant, dennoch zum Kirchensteuerabzugsverfahren zulassen und registrieren lassen?
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Teil A
Nein. Zwar weist das BZSt darauf hin, dass jeder Kirchensteuerabzugsverpflichtete in der
Lage sein muss, bei einer kapitalertragsteuerpflichtigen Auszahlung die Kirchensteuer einzubehalten. Allerdings – und das ist die neue Aussage – kann in den Fällen, in denen eine
Ausschüttung sehr unwahrscheinlich ist, eine Registrierung und Zulassung zum automatischen Kirchensteuerabzug an der Einkunftsquelle unterbleiben (sog. Vereinfachungsregelung).
Wann ist eine Ausschüttung im vorgenannten Sinn unwahrscheinlich? Das BZSt nennt
hier beispielhaft die Fälle, in denen die aktuelle Ertragslage keine Ausschüttung zulässt
oder Verlustvorträge oder das Ausschüttungsverhalten der Vorjahre nach normalem
Geschäftsverlauf eine Ausschüttung im Folgejahr nicht erwarten lassen. Jedoch muss die
Gesellschaft in diesen Fällen von den kirchensteuerpflichtigen Gesellschaftern vorab das
Einverständnis einholen, dass „im Fall eines Falles“, wenn also doch eine unverhoffte
Ausschüttung erfolgt, eine Anlassabfrage beim BZSt eingeholt werden darf und auf diese
Art und Weise dann die Kirchensteuererhebung an der Einkunftsquelle sichergestellt wird.
Müssen Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtete jedes Jahr zwingend an der Regelabfrage
teilnehmen?
Ja. Allerdings ist eine Abfrage dann nicht erforderlich, wenn zum Zeitpunkt der Regelabfrage feststeht, dass im Folgejahr keine Ausschüttungen vorgenommen werden.
Diese Aussage betrifft Fälle, in denen aufgrund des Gesellschaftsvertrages die Ausschüttung von Gewinnen ausgeschlossen ist (z.B. Vereinbarung, dass in den ersten drei Geschäftsjahren keine Ausschüttung erfolgen darf). Auch eine Komplementär-GmbH einer
GmbH & Co. KG, die aufgrund ihrer Ausgestaltung niemals Gewinne ausschütten wird,
kann erfasst sein.
Diese Aussage des BZSt ergänzt die in der Vorfrage dargestellten Vereinfachungsregelungen und liefert weitere Anwendungsbeispiele, in denen eine Regelabfrage nicht notwendig ist. Allerdings ist es hier – in Abgrenzung zur Vereinfachungsregelung in der Vorfrage – nicht notwendig, die Zustimmung der Gesellschafter zur Anlassabfrage einzuholen.
Muss sich eine Ein-Mann-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer konfessionslos ist
oder keiner kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, dennoch zum automatischen Kirchensteuerabzugsverfahren zulassen und registrieren lassen?
Nein. Eine Zulassung zum Abruf der Kirchensteuermerkmale ist nicht erforderlich. Dies
deshalb, weil vorliegend sicher auszuschließen ist, dass Kirchensteuer abzuführen ist.
Ändert sich die Konfessionszugehörigkeit zugunsten einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft, ist eine Registrierung und Zulassung zum automatischen Kirchen-
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Teil A
steuerabzugsverfahren zwingend. Entsprechendes gilt, wenn zur Gesellschaft weitere Gesellschafter hinzutreten.
Hinweis:
Nach wie vor ist nicht bekannt, welche Folgen die Verwaltung als „Strafmaßnahmen“ ergreifen will, wenn eine Regelabfrage nicht vorgenommen wurde. Der u.a. in diesem Zusammenhang diskutierte Ausschluss beim Verfahren zur elektronischen Kapitalertragsteueranmeldung bzw. die Sanktionierung ggf. mit Verspätungszuschlägen lässt sich derzeit
noch nicht verifizieren. Unter Berücksichtigung der o.g. Ausnahmetatbestände (die von der
Finanzverwaltung zunächst faktisch nicht nachprüfbar sind!) dürfte es jedenfalls möglich
sein, die Registrierung und anschließende Abfrage noch kurz vor der Ausschüttung vorzunehmen. Ein entsprechender Zeitpuffer für die Durchführung der Registrierung sollte dabei
aber auf jeden Fall eingeplant werden.
3.
Elektronische Kontoauszüge (Erlass)
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben die Frage erörtert, ob an
elektronische Kontoauszüge höhere Anforderungen gestellt werden, als an elektronische
Rechnungen, die z.B. per E-Mail (ggf. mit Bilddatei- oder Textdokumentenanhang) oder
De-Mail, per Computer-Fax oder Faxserver, per Web-Download oder per EDI übermittelt
werden.
Hintergrund ist eine Forderung der Deutschen Kreditwirtschaft zur steuerrechtlichen Anerkennung des elektronischen Kontoauszugs als Buchungsbeleg, der z.B. als PDFDokument als Anhang per E-Mail oder Web-Download übermittelt wird.
Nach dem Ergebnis der Erörterungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der
Länder können ab sofort elektronische Kontoauszüge als Buchungsbeleg anerkannt werden, wenn der elektronische Kontoauszug bei Eingang vom Steuerpflichtigen auf seine
Richtigkeit geprüft und dieses Vorgehen dokumentiert/protokolliert wird.
Hinweise:
x
x
Nach Verwaltungsauffassung gilt die Aufbewahrungsdauer der Daten zu den elektronischen Kontoauszügen von zehn Jahren auch in Fällen eines Bankwechsels. Für
elektronische Kontoauszüge gelten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung,
insbesondere die Sicherstellung der Unveränderbarkeit ab Eingang beim Steuerpflichtigen.
Die Bankenverbände haben angeboten, dass die Kunden innerhalb der Aufbewahrungsfristen für ihre elektronischen Kontoauszüge jederzeit von der Bank eine Zweitschrift erhalten können, so dass zu keinem Zeitpunkt die Gefahr besteht, dass im
Rahmen einer Betriebsprüfung fehlende Auszüge nicht nachgeliefert bzw. bei Verdachtsfällen diese nicht durch die Zweitschrift entkräftet werden können.
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4.
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Teil A
Pension neben Gehalt – Beschlüsse der Verwaltung in BadenWürttemberg
Mit Urteil vom 23.10.2013 – I R 60/12, GmbHR 2014 S. 495, hat der BFH seine bisher
nicht im BStBl veröffentlichte Rechtsprechung (Urteil vom 05.03.2008 – I R 12/07, GmbHR
2008 S. 663) bestätigt, wonach ein Nebeneinander von Pension und Aktivgehalt zu einer
verdeckten Gewinnausschüttung führt (vgl. Skript 6/2014). Bereits seinerzeit hatte der
BFH entschieden, dass die Parallelzahlung von Pension und laufendem Gehalt nicht mit
dem Fremdvergleich vereinbar sei und die Pensionszahlung deshalb zu einer vGA führe.
Die Finanzverwaltung in Baden-Württemberg hat nun entschieden, dieser Rechtsprechung
für solche Fälle zu folgen, in denen der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer das in
der Zusage vereinbarte Pensionsalter nach dem 31.05.2014 erreicht.
Wichtig:
Für Altfälle (Pensionsbeginn bei Erreichen des Pensionsalters bis zum
31.05.2014) hält sie gleichwohl an ihrer Übergangsregelung fest, wonach ein
Nebeneinander von Aktivbezügen und Pension nicht zu einer vGA führt.
Damit ist die Übergangsregelung in Baden-Württemberg ausgelaufen, nach der bei einem Pensionsbeginn vor Veröffentlichung des BFH-Urteils die gleichzeitige Zahlung von
Pension und Aktivgehalt nicht beanstandet wurde.
5.
Regelungsinhalt einer Anrufungsauskunft – Zufluss bei Zeitwertkonto; BFH vom 27.02.2014 – VI R 23/13
Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall
die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind (Lohnsteueranrufungsauskunft).
Es handelt sich insoweit um ein gängiges Absicherungsinstrument für den Arbeitgeber, um
kostenfrei eine insoweit verbindliche Auskunft des Betriebsstättenfinanzamts zu erhalten,
ob er für Lohnbestandteile einen Lohnsteuerabzug vornehmen muss oder nicht, um
dadurch sein Haftungsrisiko zu minimieren. Allerdings entfaltet die Anrufungsauskunft
für das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers keine Bindungswirkung (vgl.
auch BMF-Schreiben vom 18.02.2011, BStBl I S. 213).
Der BFH hat im Urteil vom 27.02.2014 – VI R 23/13 zum Regelungsinhalt einer Lohnsteueranrufungsauskunft Stellung genommen, bei dem es letztlich um die Frage ging, ob Gutschriften auf einem Zeitwertkonto bei Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern zu einem
Lohnzufluss führen. Mit BMF-Schreiben vom 17.06.2009, BStBl I S. 1286, hat die Finanzverwaltung hierzu entschieden, dass Gutschriften auf Zeitwertkonten bei Organen von Kapitalgesellschaften zu einem sofortigen lohnsteuerlichen Zufluss führen. Damit sollten
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die sog. „Arbeitszeitkontenmodelle“ auch für Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften ihre steuerliche Attraktivität verlieren.
5.1
Sachverhalt
Die X-GmbH beabsichtigte, ihren Mitarbeitern einschließlich der organschaftlichen Vertreter die Einrichtung eines flexiblen Arbeitszeitmodells anzubieten.
Sie beantragte im Vorfeld die Erteilung einer Lohnsteueranrufungsauskunft gemäß § 42e
EStG. Das Finanzamt erteilte unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 17.06.2009,
BStBl I S. 1286, daraufhin u.a. die Auskunft, ein Zeitwertkonto könne für alle Arbeitnehmer
eingerichtet werden. Allerdings führe bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organ einer
Körperschaft bestellt seien, die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn. Die Errichtung von Zeitwertkonten sei bei diesen Arbeitnehmern nicht anzuerkennen, weil sie mit dem Aufgabengebiet eines Organs einer Körperschaft nicht vereinbar
seien. Entsprechendes gelte für Arbeitnehmer, die von der Körperschaft beschäftigt würden, deren beherrschende Gesellschafter sie seien.
Gegen die erteilte Anrufungsauskunft legte die GmbH Einspruch ein. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
5.2
Leitsätze des BFH
1. Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft eine Regelung dahin, wie die
Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt gegenwärtig beurteilt.
2. Entsprechend diesem Regelungsgehalt überprüft das FG die Auskunft sachlich nur
daraufhin, ob der Sachverhalt zutreffend erfasst und die rechtliche Beurteilung nicht
evident fehlerhaft ist
5.3
Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte den ggf. auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch des Arbeitgebers
auf Erteilung einer Auskunft über die Anwendung lohnsteuerrechtlicher Vorschriften. Dieser Anspruch bezieht sich nicht nur darauf, dass der Arbeitgeber förmlich zu bescheiden
ist. § 42e EStG vermittelt vielmehr einen Anspruch darauf, dass die Anrufungsauskunft
inhaltlich richtig ist.
Damit kann der Arbeitgeber auch die Sicherheit über die zutreffende Rechtslage erlangen
und lohnsteuerliche Rechte und Pflichten in einem besonderen Verfahren im Voraus (ggf.
gerichtlich) verbindlich feststellen lassen, wodurch sich bereits im Vorfeld Konflikte zwischen Betriebsstättenfinanzamt und dem Arbeitgeber vermeiden lassen. Denn es wäre mit
den Grundsätzen eines fairen Verfahrens schwerlich vereinbar, dem vom Fiskus in die
Pflicht genommenen Arbeitgeber, der mit dem Inhalt einer Anrufungsauskunft nicht einverstanden ist, anheim zu stellen, die Lohnsteuer zunächst (rechtswidrig) einzubehalten und
abzuführen, den einschlägigen Rechtsschutz jedoch erst später durch Anfechtung ent-
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sprechender Lohnsteuer- bzw. Haftungsbescheide zu suchen (BFH-Urteil vom 30.04.2009
– VI R 54/07, BStBl 2010 II S. 996).
Daraus ergibt sich auch, dass der Arbeitgeber eine erteilte Anrufungsauskunft nach den
allgemeinen Regeln anfechten und Verpflichtungsklage erheben kann, um eine Auskunft darüber zu erlangen, ob und inwieweit im Einzelfall Vorschriften über die Lohnsteuer
anzuwenden sind. Die daran anknüpfende inhaltliche Überprüfung durch das FG beschränkt sich allerdings nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Beurteilung des dargestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.
Der Regelungsinhalt erschöpft sich bei einer Lohnsteueranrufungsauskunft allerdings darin, wie die Finanzbehörde einen ihr zur Prüfung gestellten typischerweise hypothetischen
Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig beurteilt. Die Lohnsteuerauskunft entscheidet aber weder über den Einkommensteueranspruch noch setzt sie die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers fest, da das Lohnsteuerabzugsverfahren nur ein Vorauszahlungsverfahren mit vorläufigem Charakter darstellt. Auch wird der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Lohnsteuer entsprechend der ihm
erteilten Auskunft zu berechnen und abzuführen.
Daher bedarf es aber keiner umfassenden rechtlichen Beurteilung der der Anrufungsauskunft materiell rechtlich zugrunde liegenden Frage. Vielmehr ist aufgrund des vorläufigen Charakters des Lohnsteuerabzugsverfahrens für die Gerichte nur zu untersuchen, ob
das Betriebsstättenfinanzamt mit der Mitteilung über die gegenwärtige Einschätzung der
Rechtslage den Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren genügt hat.
So sieht der BFH im Ergebnis auch unter dem Aspekt eines „fairen“ Verfahrens damit
auch für das Finanzamt keine Verpflichtung, eine Auskunft zu erteilen, die offensichtlich
nicht mit dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung – soweit sie von der
Finanzverwaltung angewandt wird, d.h. kein Nichtanwendungserlass besteht – in Einklang
steht.
Einer umfassenden inhaltlichen Überprüfung durch das FG bedarf es nicht.
5.4
Praxishinweise
Die Entscheidung zeigt auf, dass zwar ein Anspruch auf Erteilung einer Anrufungsauskunft besteht, deren (aus Sicht des Arbeitgebers) gewünschter Inhalt aber nicht erzwungen werden kann, sofern das Arbeitgeberfinanzamt sich an die geltende Rechtslage hält.
Dies gilt gleichwohl auch für den Fall, dass die Verwaltung wegen eines Erlasses sich der
Anwendung (anderslautender) BFH-Rechtsprechung widersetzt bzw. eine Rechtsfrage
bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist.
In diesem Fall stellt sich also verfahrenstechnisch die Folge ein, dass zwar Lohnsteuer
einzubehalten wäre, gleichwohl aber die streitige Rechtsfrage z.B. auch im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmer geklärt werden kann bzw. muss. Eine
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Anrufungsauskunft ersetzt daher nicht unbedingt eine verbindliche Auskunft, da das Finanzamt letztlich nicht gehindert ist, trotz erteilter Anrufungsauskunft im Veranlagungsverfahren dann eine andere Auffassung zu vertreten. Eine vergleichbare Problematik
stellt sich auch in den Übertragungen von Pensionsverpflichtungen. Auch hier könnte
z.B. im Rahmen der Anrufungsauskunft geklärt werden, dass kein steuerpflichtiger Lohnzufluss vorliegt (z.B. § 3 Nr. 55 EStG). Gleichwohl kann aber im Veranlagungsverfahren
diese Auskunft „ausgehebelt“ werden.
Da die erteilte Auskunft danach der Rechtsprechung nicht widersprach, genügte sie den
Anforderungen an eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG. Damit konnte eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten für die Klägerin günstigen Lohnsteueranrufungsauskunft keinen Erfolg haben.
In der Rechtsfrage selbst, ob nämlich bei Gesellschafter-Geschäftsführern bzw. Organen
von Kapitalgesellschaften die Verwaltungsauffassung trägt, wonach in diesen Fällen ein
sofortiger Zufluss von Gehalt bei Gutschrift angenommen werden kann, herrscht damit
allerdings noch keine endgültige Klarheit. Die hierzu anhängigen Revisionsverfahren (Az.
des BFH: VI R 19/12, VI R 25/12, VI R 26/12; Vorinstanzen: Urteil des Hess. FG vom
19.01.2012 – 1 K 250/11, EFG 2012 S. 1243; Urteil des Niedersächsischen FG vom
16.02.2012 – 14 K 202/11, EFG 2012 S. 1397, und Urteil des FG Düsseldorf vom
21.03.2012 – 4 K 2834/11 AO, EFG 2012 S. 1400) sind zwar alle entschieden, aber stützen sich durchweg auf die formalen Aspekte der Anrufungsauskunft. Derzeit ist kein weiteres Revisionsverfahren bekannt.
Neben der Frage des Lohnzuflusses stellt sich im Übrigen noch die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung. Diese hat die Finanzverwaltung bisher zurückgestellt,
weil in ihren Augen das Modell besser mit dem Lohnzufluss „bekämpft“ werden konnte.
Sollte der BFH den Lohnzufluss verneinen, kommt die vGA-Frage aber wieder aufs Tapet.
Immerhin vertritt Gosch (= Vorsitzender Richter des zuständigen KSt-Senats im BFH!) die
Auffassung, dass eine vGA vorliegt (vgl. Gosch, KStG, § 8 Tz. 591).
6.
Kein Werbungskostenabzug für Vorfälligkeitsentschädigungen;
BFH vom 11.02.2014 – IX R 42/13
6.1
Sachverhalt
A veräußerte im Jahr 2010 ein im Jahr 1999 erworbenes und seitdem zur Erzielung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutztes Mietwohngrundstück. Nach dem
Veräußerungsvertrag war er zur lastenfreien Übertragung des Grundstücks verpflichtet. Im
Zuge der Ablösung der aus dem Erwerb noch valutierenden Restschulden von ca.
50.000 € bezahlte er an die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H. von ca. 3.500 €.
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Diese Vorfälligkeitsentschädigung machte er im Jahr 2010 als Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.
6.2
Leitsatz des BFH
Löst ein Steuerpflichtiger seine Darlehensschuld vorzeitig ab, um sein bisher vermietetes
Objekt lastenfrei übereigenen zu können, kann er die dafür an den Darlehensgeber zu entrichtende Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung abziehen.
6.3
Entscheidungsgründe
Zwar umfasst der Begriff der Schuldzinsen auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung, da es sich hierbei um ein Nutzungsentgelt für
das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital handelt.
Allerdings handelt es sich wirtschaftlich gesehen um eine Folge der auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Darlehensvertrages. Diese vertragliche Änderung
sieht der BFH als „auslösendes Moment“ für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung
an und damit auch einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des
Grundstücks. Dieser Zusammenhang mit der Veräußerung überlagert einen auch gleichsam mit der Vermietungstätigkeit im Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Zusammenhang.
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist damit durch die Grundstücksveräußerung veranlasst,
denn A hatte die Darlehensschuld vorzeitig abgelöst, um das veräußerte Grundstück lastenfrei übereignen zu können. In diesem Fall tritt der durch die Änderung des Darlehensvertrages begründete wirtschaftliche Zusammenhang mit der einkommensteuerrechtlich
unerheblichen Vermögensumschichtung an die Stelle der Veranlassung der Darlehensaufnahme durch die frühere Einkunftsart.
Danach ist wie folgt zu differenzieren:
x
x
Erfolgt die Veräußerung der Immobilie innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 EStG, so ist die Vorfälligkeitsentschädigung bei der Ermittlung des privaten Veräußerungsgewinns als Veräußerungskosten abziehbar.
Bei Veräußerung nach Ablauf der Veräußerungsfrist ist die Vorfälligkeitsentschädigung auch nicht ersatzweise als Werbungskosten im Zusammenhang mit der bisherigen Vermietungstätigkeit als (nachträgliche) Werbungskosten abziehbar.
Der BFH distanziert sich in dieser Entscheidung auch von seinem früheren Urteil, in dem
er ausnahmsweise den Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen als Finanzierungskosten
bei Erwerb eines neu erworbenen Mietobjektes steuerlich zum Abzug zuließ (vgl. BFHUrteil vom 14.01.2004 – IX R 34/01, BFH/NV 2004 S. 1091 m.w.N.).
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Teil A
Hinweis:
Auch die zwischenzeitlich fortentwickelte Rechtsprechung zum nachträglichen Werbungskostenabzug für Schuldzinsen bei Schuldüberhängen nach Ablauf der Veräußerungsfrist (BFH-Urteile vom 20.06.2012 – IX R 67/10, BStBl 2013 II S. 275; und vom
08.04.2014 – IX R 45/13, DStR 2014, 996; vgl. Skript 07/2014 S. 31) rechtfertigt nach Auffassung des BFH keinen Werbungskostenabzug. Denn im Streitfall hat A keine anderweitige, steuerrechtlich bedeutsame Erwerbsgrundlage angeschafft und überdies konnte er
die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehende Darlehensverbindlichkeit vollständig
durch den Veräußerungserlös tilgen. In diesem Fall endet aber der Zusammenhang mit
der Einkunftsart.
Damit verbleibt es im Ergebnis bei der bereits im Urteil vom 23.09.2003 – IX 20/02, BStBl
II S. 57, aufgezeigten steuerlichen Beurteilung.
7.
Unangemessener Fahrzeugaufwand eines Freiberuflers;
BFH-Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 20/12
Seit jeher beschäftigt den steuerlichen Praktiker die Frage, ob die Aufwendungen für des
Deutschen liebstes Spielzeug (das Auto) im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit auch
dann zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen sind, wenn gleichwohl ersichtlich ist, dass
das Fahrzeug nicht nur aus vernünftigen kaufmännischen Erwägungen heraus unterhalten
wird, sondern gleichsam auch der sog. „Fun-Faktor“ nicht unerheblich die Anschaffung
beeinflusst hat. In diesem Fall stellen sich drei Fragen:
1. Gehört das Fahrzeug überhaupt zum Betriebsvermögen (notwendig oder gewillkürt)?
2. Wie ist der Privatanteil zu ermitteln?
3. Ist der Betriebsausgabenabzug für die betrieblich gefahrenen Kilometer ggf. der
Höhe nach begrenzt (§ 4 Abs. 5 EStG)?
Bereits bisher hat das FG Baden-Württemberg im Urteil vom 28.02.2011, 6 K 2473/09 einen „Oldtimer-Fall“ über § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG (Aufwendungen für Jagd, Fischerei, Motorjachten oder ähnliche Zwecke) steuerlich gelöst und den Betriebsausgabenabzug für die AfA für einen Oldtimer versagt.
7.1
Sachverhalt
T betrieb einer Tierarztpraxis und erzielte in den Streitjahren daraus Einkünfte i.H. von ca.
300.000 €. Als betriebliches Fahrzeug unterhielt der Kläger einen VW Multivan, dessen
privaten Nutzungsanteil er anhand der 1 %-Regelung versteuerte. Bis Oktober 2005 nutzten er zusätzlich einen Porsche Boxster S, den er ebenfalls als Betriebsvermögen behan-
09/2014
14
Teil A
delte. Ab Oktober 2005 leaste er als Ersatz für den Porsche einen Ferrari Spider (Sportwagen mit 400 PS). Die Mietsonderzahlung im Oktober 2005 betrug 15.000 €, die ab Dezember 2005 beginnenden 36 Leasingraten betrugen ca. 1.960 €. Für das Fahrzeug führte
er ein Fahrtenbuch, aus dem sich im Jahr 2005 eine Gesamtfahrleistung i.H. von 550 km
ergab. Davon entfielen 104 km auf den Besuch einer Kollegin wegen eines Narkosegeräts,
die übrigen Fahrten dienten der Unterhaltung des Fahrzeugs (Überführung, Tanken, Reifenwechsel).
Im Jahr 2006 fuhr T mit dem Ferrari insgesamt 3.794 km, wobei 3.456 km auf neun Fahrten zu weiter entfernten Fortbildungsveranstaltungen entfielen. Weitere betriebliche Fahrten wurden nicht unternommen. Im Jahr 2007 betrug die Gesamtfahrleistung 2.387 km,
wovon 2.113 km betrieblich veranlasst waren (Fortbildungsveranstaltungen).
Die Gesamtkosten betrugen im Jahr 2005: 28.290 €, im Jahr 2006: 35.977 € und 2007:
33.714 €. Den Privatanteil ermittelte er durch ein Fahrtenbuch und machte den danach
verbleibenden betrieblichen Anteil als Betriebsausgaben geltend.
Während das Finanzamt zunächst nur 1 € als Betriebsausgaben je betrieblich gefahrenen
Kilometer zum Abzug zuließ, erhöhte das FG den Wert auf 2 €.
7.2
Entscheidung des BFH
Der BFH sah zunächst das Fahrzeug (gemeint wohl das Nutzungsrecht an dem Leasingfahrzeug) als zum Betriebsvermögen gehörend an. Ein Leasingfahrzeug gehört danach
zum Betriebsvermögen, wenn die Grundmietzeit wie hier 36 Monate beträgt oder wenn es
zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird.
Da die durch das Fahrtenbuch nachgewiesen Kfz-Kosten als betrieblich veranlasst anzusehen sind, kann die darauf aufbauende Frage der Unangemessenheit nach § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 7 EStG nicht die betriebliche Veranlassung nach § 4 Abs. 4 EStG in Abrede
stellen. Die gesetzliche Regelung begrenzt lediglich die abzugsfähigen Aufwendungen
auf das angemessene Maß.
Nah § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG dürfen andere als die in den Nrn. 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, soweit
sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind, den
Gewinn nicht mindern.
Darunter fallen Aufwendungen, die durch persönliche Motive des Steuerpflichtigen mitveranlasst sind, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen ist. Sinn
und Zwecke dieser Vorschrift ist es nämlich auch, unangemessenen betrieblichen Repräsentationsaufwand nicht bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen.
09/2014
15
Teil A
Die Angemessenheit ist danach zu prüfen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls
auf sich genommen hätte.
Dabei sind folgende Faktoren mit einzubeziehen: Größe des Unternehmens, Höhe des
längerfristigen Umsatzes und Gewinns, Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den
Geschäftserfolg des Unternehmens, Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben.
Auf dieser Grundlage bejahte der BFH die Kostenbegrenzung insbesondere aufgrund der
geringen betrieblichen Nutzung (insgesamt nur 20 Tage) sowie der Beschränkung auf wenige Fahrten für Fortbildungszwecke und wegen des fehlenden Einsatzes für die berufstypischen tierärztlichen Tätigkeiten. Der Luxussportwagen diene Repräsentations- sowie
privaten Affektionswerten seines Nutzers und demnach nicht vorrangig betrieblichen Interessen.
Als Maßstab für den angemessenen Teil des Betriebsausgabenabzugs sieht der BFH die
Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers „in derselben Situation“ des
Steuerpflichtigen. Unter diesem Blickwinkel könne der angemessene Teil der Betriebsausgaben unter Rückgriff auf durchschnittliche Fahrtkostenberechnungen in Internetforen
geschätzt werden. Der BFH beanstandete nicht die vom FG als Vergleichsmaßstab ermittelten Betriebskosten eines PKW für aufwändigere Modelle der Oberklasse (BMW, Mercedes Benz). Das FG hatte zum Vergleich das teuerste Fahrzeug dieser Gruppe (einen Mercedes 600 SL) mit einem Durchschnittswert von 2 € je Kilometer zugrunde gelegt.
Hinweis:
Dem Mandanten ist also zur Vorsicht anzuraten, wenn er die Aufwendungen für sein privates Hobby über den Betriebsausgabenabzug „sozialisieren“ möchte. Es deckt sich allerdings mit der bisherigen Verwaltungsauffassung, dass vergleichbare Aufwendungen – im
jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Besonderheiten – ggf. der Höhe nach zu begrenzen sind. Eine pauschale Aussage, wonach ein Kilometersatz bis zur Höhe von 2 € damit auf jeden Fall als angemessen angesehen werden
kann, lässt sich aber der Entscheidung des BFH nicht entnehmen. Der BFH respektiert
aber auch, dass ein Unternehmer die Freiheit besitzt, sich einen teuren Sportwagen zu
leisten und mit diesem auch seine betrieblichen Zwecke zu verfolgen. Er wendet allerdings
entgegen dem FG Baden-Württemberg in diesen Fällen im Zweifel nicht § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 4 EStG, sondern Nr. 7 der Vorschrift an.
09/2014
16
8.
Der BFH kippt die Ausnahmeregelung zur Abgeltungsteuer
8.1
Ausgangslage
Teil A
Seit dem Jahr 2009 sieht § 32d Abs. 1 EStG grundsätzlich vor, dass private Kapitalerträge
abgeltend mit 25 % - im Regelfall bereits im Rahmen des Steuerabzugs (vgl. § 43 Abs. 5
EStG) - besteuert werden.
§ 32d Abs. 2 EStG regelt jedoch Ausnahmefälle, in denen aus der Sicht des Gesetzesgebers ein Abgeltungsteuersatz nicht eingreifen soll, sondern die Erträge dem regulären
Tarif unterliegen sollen (sog. Standardmissbrauchsfälle).
Nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG sind bei einander nahestehenden Gläubigern und Schuldnern, soweit beim Schuldner die Zinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Inland abzugsfähig sind, beim Empfänger der Zinsen diese zum tariflichen
Steuersatz zu versteuern. Die Verwaltung hat das „Nahestehen“ in ihrem BMF-Schreiben
vom 09.10.2012, BStBl I S. 953, Rz. 136, bisher angenommen, wenn die Person auf den
Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte
Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der
Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser
Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Sofern
Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO oder an einem
Personenunternehmen der Steuerpflichtige und/oder ein Angehöriger beteiligt ist, so soll
ein derartiges Verhältnis vorliegen.
Im Regelfall versagte die Verwaltung damit bei allen Angehörigendarlehen den Abgeltungsteuertarif. Motiviert war diese Aussage dadurch, dass verhindert werden sollte „dass
ein Ehegatte die Zinsen für eine Angehörigendarlehen als Betriebsausgaben abzieht und
damit seine dem regulären Tarif unterliegenden Einkünfte vermindert, während der die
Zinsen vereinnahmende Ehepartner hierfür nur den Abgeltungsteuertarif „bezahlt“.
Der zweite Hauptanwendungsfall der Ausnahmeregelung sind Gesellschafterdarlehen
(vgl. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Danach sind auch Zinsen, die ein zu
mindestens 10 % beteiligter Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (oder eine diesem
nahestehende Person) von dieser erhält, selbst dann wenn die Darlehenskonditionen und
insbesondere auch der Zinssatz einem Fremdvergleich standhalten, generell vom Abgeltungsteuertarif ausgenommen.
Diese Regelungen waren von Anfang an umstritten.
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8.2
17
Teil A
Die Entscheidungen des BFH zu Angehörigendarlehen
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hat nun mit drei Urteilen jeweils vom 29.04.2014 –
VIII R 9/13, VIII R 44/13 und VIII R 35/13 entschieden, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht schon deshalb nach § 32d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen ist, weil Gläubiger und Schuldner der
Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO sind. Damit hat er die enge Verwaltungslinie
bei den Angehörigendarlehen deutlich entschärft.
Sachverhalt VIII R 35/13:
Die Klägerin veräußerte ihre Beteiligung an einer KG an ihren Bruder. Im Gesellschaftsvertrag war hinsichtlich der Modalitäten der Kaufpreiszahlung geregelt, dass
der Kaufpreis in drei gleichen Raten zu zahlen war. Das Auseinandersetzungsguthaben war ab dem Tag des Ausscheidens mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite
der Hausbank zu verzinsen und zu besichern. Die Stundungsvereinbarung wurde
wie gesellschaftsvertraglich vereinbart vollzogen. Der Bruder zahlte seiner Schwester im Streitjahr 2009 zuzüglich zu der ersten und zweiten Rate des Kaufpreises
Stundungszinsen i.H. von ca. 40.000 €.
Sachverhalt VIII R 44/13
Der Kläger schloss im Jahr 2008 mit der Klägerin und den volljährigen Kindern
schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen ab. Die Darlehen dienten der Anschaffung eines an fremde Dritte vermieteten Gebäudes. Der
Erwerb und die Vermietung des Gebäudes erfolgte durch eine von den Darlehensnehmern gegründete GbR. Zur Sicherung der Darlehen traten die Darlehensnehmer
dem Kläger die Mietüberschüsse aus dem finanzierten Objekt ab. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Tilgung der Darlehen
wurde nicht getroffen. Im gleichen Jahr gewährte der Kläger der Klägerin ein weiteres Darlehen für den Erwerb des Anteils an einer von der GbR vermieteten Eigentumswohnung. Auf die Besicherung des Darlehens wurde in dem schriftlichen Darlehensvertrag verzichtet, da das Objekt nicht mit Grundpfandrechten belastet war.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge i.H. von ca.
10.000 €. Das Finanzamt unterwarf die Zinsen dem tariflichen Einkommensteuersatz.
Sachverhalt VIII R 9/13:
Die Kläger schlossen in den Jahren 2007 und 2008 mit ihrem Sohn und ihren volljährigen Enkeln schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen
ab. Die unbesicherten Darlehen dienten der Anschaffung fremdvermieteter Objekte
durch die Darlehensnehmer. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädi-
09/2014
18
Teil A
gung wurde nicht getroffen. Die Kläger erzielten im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge i.H. von ca. 28.000 €.
In allen drei Fällen versagten die Finanzämter den niedrigeren Abgeltungsteuersatz, weil
Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen“ seien.
8.2.1
Entscheidungen des BFH (zusammengefasst)
Der BFH sieht in der Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem Steuersatz von 25 % gegenüber den progressiv besteuerten Einkunftsarten keinen Verfassungsverstoß. Der Gesetzgeber sei nicht gehindert, das „Finanzkapital“ dadurch zu erfassen,
dass er alle Kapitaleinkünfte an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet,
die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert.
Zwar ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander
nahe stehende Personen“ sind. Darunter könnten – wie von der Verwaltung bisher angenommen – allerdings auch Darlehensverhältnisse zwischen Angehörigen i.S. des § 15
AO fallen. Der Begriff des Nahestehens ist allerdings im EStG nicht gesetzlich definiert.
Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 AStG lehnt der BFH hier jedoch aufgrund des
unterschiedlichen Regelungszwecks der Norm ab.
Der gesetzliche Tatbestand ist nach Auffassung des BFH nach dem Willen des Gesetzgebers dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein solches Näheverhältnis nur dann
zu bejahen sei, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb
der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Danach sei ein
lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu
begründen. Eine enge Auslegung des Ausschlusstatbestandes hält der BFH auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
In allen Urteilsfällen hielten die Darlehensverträge einem Fremdvergleich stand, daher
kann nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine
Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entsteht (Betriebsausgabenabzug zum vollen Tarif, Zinseinnahmen mit Abgeltungsteuersatz), da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft begründen.
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8.2.2
19
Teil A
Praxishinweise
Der BFH hat damit u.E. faktisch die Anwendung des tariflichen Steuersatzes für Angehörigendarlehen (als auch Erträge aus typisch stillen Gesellschaften) gekippt und gesteht in
diesen Fällen den Abgeltungsteuersatz auf Empfängerseite zu. Zwar hat der BFH sich in
der Entscheidung u.a. darauf gestützt, dass die Darlehensverhältnisse einem (modifizierten) Fremdvergleich standhalten. Der BFH lässt insoweit aber den Gesetzgeber (und
auch den Praktiker) im Regen stehen, in dem er nämlich sagt, dass in diesen Fällen allein
aufgrund des Nahestehens der Abgeltungsteuertarif nicht versagt werden kann. Die interessante Frage ist allerdings, in welchen Fällen § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG überhaupt noch eingreift. Hier zitiert er lediglich die Gesetzesbegründung, wonach dies zu bejahen sei, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der
Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Es muss
sich mithin um eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs handeln. Dies sei jedoch – so der BFH – bei Angehörigendarlehensverhältnissen in
der Regel gerade nicht der Fall.
8.3
Gesellschafterdarlehen
Während sich der BFH bei den Angehörigendarlehen weitestgehend zum Abgeltungsteuersatz bekannt hat, hielt er dagegen bei den Gesellschafterdarlehen (§ 32d Abs. 2
Buchst. b EStG) in den Urteilen vom 29.04.2014 – VIII R 23/13 und vom 14.05.2014 – VIII
R 31/11 die Anwendung des tariflichen Steuersatzes dem Grunde nach für gerechtfertigt.
8.3.1
Sachverhalt BFH-Urteil vom 29.04.2014 VIII R 23/13
Der Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Im Jahr 2000
schloss er mit dieser einen schriftlichen Vertrag über die Gewährung eines ungesicherten
Darlehens i.H. von 300.000 € ab (Zinssatz 6 %). Die Auszahlung des Darlehens erfolgte
nach Bedarf. Das Darlehen valutierte am 31.12.2009 i.H. von 272.000 €. Der Kläger erzielte daraus im Streitjahr 2009 Zinsen i.H. von ca. 16.000 €.
Das Finanzamt unterwarf die Zinserträge der tariflichen Einkommensteuer (§ 32d Abs. 2
Nr. 1 Buchst. b EStG).
8.3.2
1.
Leitsätze des BFH
Der gesonderte Steuertarif für Kapitaleinkünfte gemäß § 32d Abs. 1 EStG gilt nach
dem eindeutigen Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist.
09/2014
20
Teil A
2.
Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Buchst. b EStG verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG,
da bei einer Begünstigung einer Gesellschafterfremdfinanzierung das wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers, durch die Einführung eines Abgeltungsteuersatzes die Standortattraktivität Deutschlands im internationalen Wettbewerb für private Anleger zu erhöhen, verfehlt würde.
3.
Die Beteiligungsgrenze von mindestens 10 % an der Schuldnerin der Kapitaleinkünfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie jedenfalls nicht willkürlich ist.
8.3.3
Begründung des BFH
Der BFH stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf das wirtschaftspolitische Ziel
der Abgeltungsteuer. Die Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu den durch den
Abgeltungsteuersatz begünstigten Steuerpflichten findet danach ihre Rechtfertigung darin,
dass bei der Finanzierung einer im Inland ansässigen GmbH keine Gefahr bestehe, dass
Kapital in das niedrig besteuerte Ausland verlagert wird. Da durch die Einführung des Abgeltungsteuersatzes gerade solche Verlagerungen verhindert werden sollten, würde durch
eine Privilegierung der (inländischen) Gesellschafterfremdfinanzierung das gesetzgeberische Ziel verfehlt. Die Anwendung des regulären Steuertarifs führe damit nicht zu einer
Ungleichheit, sondern stelle im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
eine größere Gleichheit her.
Auch die Beteiligungsgrenze von 10 % sah der BFH nicht als willkürlich an, da bei diesem Beteiligungsumfang in einem gewissen Maße auf das Verhalten der Gesellschaft eingewirkt werden kann, um durch eine Fremdfinanzierung von dem Abgeltungsteuersatz zu
profitieren.
8.3.4
Sachverhalt BFH-Urteil vom 14.05.2014 – VIII R 31/11
Die Klägerin gewährte einer GmbH, an der ihre Tochter und ihre Enkelkinder zu jeweils
mehr als 10 % beteiligt waren, ein festverzinsliches Darlehen. Das Finanzamt unterwarf
die daraus erzielten Zinsen dem tariflichen Steuersatz, da der Abgeltungsteuersatz nach
§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ausgeschlossen werden, weil die Klägerin eine
den Anteilseignern „nahe stehende Person“ sei.
8.3.5
Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte in dieser Entscheidung die in den Urteilen vom 29.04.2014 aufgestellten Grundsätze und wendete sie auch auf diesen Fall an. Danach können die von der Klägerin erzielten Kapitalerträge dem Abgeltungsteuersatz unterworfen werden, da nach dem
Willen des Gesetzgebers auch in Fällen der Darlehensgewährung durch eine dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nahe stehenden Person ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreicht, um ein Näheverhältnis
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21
Teil A
zu begründen. Erforderlich sei vielmehr, dass eine der Vertragsparteien einen beherrschenden oder außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben kann
oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen
hat. Dies konnte im vorliegenden Fall nicht bejaht werden, so dass eine missbräuchliche
Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs für die Kapitaleinkünfte nicht
gegeben war.
9.
Steuerliche Behandlung des Betreuungsgelds
Das Betreuungsgeld (Volksmund: „Herdprämie“) ist eine Geldleistung des Staates an die
Eltern, die sich in Vollzeit der Erziehung ihrer Kinder widmen. Es ist für Eltern gedacht, die
bewusst keine Kindertagesstätte in Anspruch nehmen möchten, obgleich seit August 2013
ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr besteht. Das Betreuungsgeld beträgt ab dem 01.08.2014 150 Euro im Monat.
Das Betreuungsgeld ist ebenso wie das Elterngeld steuerfrei. Anders als das Elterngeld
wird es aber nicht in den Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG einbezogen, da es
sich nicht um eine Lohnersatzleistung handelt und auch nicht mit anderen dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Lohnersatzleistungen vergleichbar ist. Das Betreuungsgeld
verfolgt sozialpolitische Zwecke.
Im Regelfall besteht der Anspruch auf Betreuungsgeld vom ersten Tag des 15. Lebensmonats bis maximal zum 36. Lebensmonat des Kindes. Die Bezugszeit von längstens
22 Lebensmonaten schließt damit nahtlos an die vierzehnmonatige Rahmenbezugszeit für
das Elterngeld an. Elterngeld und Betreuungsgeld können somit nur nacheinander – und
nicht zeitlich parallel – bezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn auf die Partnermonate
verzichtet wurde. Lebensmonate des Kindes werden vom Geburtsdatum ausgehend berechnet.
Haben die Eltern das ihnen zustehende Elterngeld bereits vollständig in Anspruch genommen und damit verbraucht, kann Betreuungsgeld ausnahmsweise schon vor dem
15. Lebensmonat des Kindes bezogen werden. Der Bezug von Betreuungsgeld endet allerdings auch in diesen Fällen nach 22 Monaten und somit vor dem 36. Lebensmonat des
Kindes. Solange noch ein theoretischer Anspruch auf Elterngeld (zum Beispiel der Partnermonate) besteht, ist ein vorzeitiger Bezug von Betreuungsgeld nicht möglich.
Das Betreuungsgeld wird unabhängig von der Erwerbstätigkeit der Eltern gezahlt; es
kommt lediglich darauf an, ob das Kind privat (Verwandte, Au-pair) betreut wird. Wird eine
außerfamiliäre Kinderbetreuung in Anspruch genommen, kann das Betreuungsgeld nur
gezahlt werden, wenn es sich nicht um eine öffentlich bereitgestellte Tageseinrichtung oder öffentlich finanzierte Tagesmütter handelt. Der Besuch von Eltern-Kind-Gruppen, PE-
09/2014
22
Teil A
KiP-Gruppen (Prager Eltern-Kind-Programm) sowie privat finanzierter Kinderkrippen und
Tagesmütter ist unschädlich.
10.
Splittingtarif für Alleinerziehende
In den Medien war vor einiger Zeit zu hören, das deutsche Steuerrecht benachteilige alleinerziehende Mütter und Väter, indem ihnen das Ehegattensplitting versagt werde,
wodurch es zu höheren Abgaben als bei kinderlosen Paaren mit Alleinverdiener komme.
In seinem Urteil vom 06.05.2013 – 7 K 114/10 hat das Niedersächsische Finanzgericht
entschieden, dass die Besteuerung Alleinerziehender nicht gegen das Grundgesetz verstoße. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete, wesentlich Gleiches
gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu handeln. Da es sich bei einer Halbfamilie
gegenüber einer Ehe um eine andere Lebensform und damit um ungleiche Sachverhalte
handele, liege kein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss vor.
Hiergegen hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt (Az. III R 62/13).
Sie können sich im Einspruchsverfahren auf dieses Verfahren berufen. Die Einsprüche
ruhen dann nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO; Aussetzung der Vollziehung wird nicht gewährt.
11.
Wechsel der Gewinnermittlungsart bei Einbringungen nach § 24
UmwStG und Realteilungen
Im Skript 10/2013, S. 521, haben wir Sie bereits über das BFH-Urteil vom 11.04.2013 – III
R 32/12, BStBl 2014 II S. 242, informiert. In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass
bei der Realteilung einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft, die ihren Gewinn durch
Einnahmen-/Überschussrechnung ermittelt, keine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz nebst Übergangsgewinnermittlung besteht, wenn die Buchwerte fortgeführt werden und die Mitunternehmer unter Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung durch
Einnahmen/-Überschussrechnung ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen weiterbetreiben.
Außerdem hatten wir im Skript 04/2013 S. 191, auf das BFH-Urteil vom 04.12.2012 – VIII
R 41/09, BStBl 2014 II S. 288, hingewiesen. Mit diesem Urteil hat der BFH entschieden,
dass ausstehende Honorarforderungen, die sich der Einbringende vertraglich ausdrücklich zurückbehält, nicht in die Ermittlung des Übergangsgewinns eingehen. Die Forderungen stellen sog. Restbetriebsvermögen des Einbringenden dar und sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern.
Inzwischen sind beide BFH-Urteile im Bundessteuerblatt veröffentlicht und werden daher
auch von der Verwaltung allgemein angewendet.
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23
Teil A
Dies bedeutet, dass
x
x
sowohl in Einbringungsfällen nach dem UmwStG als auch in Realteilungsfällen
nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ein Übergang von der Einnahmen-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht erforderlich ist, wenn der Vermögensübergang zu
Buchwerten erfolgt,
die bei einer Einbringung über Buchwerten zur Ermittlung des Einbringungsgewinns
erforderliche Übergangsgewinnermittlung sich nur auf die tatsächlich eingebrachten
Wirtschaftsgüter erstreckt, mit der Folge, dass zurückbehaltenen Forderungen im
Restbetriebsvermögen verbleiben und nicht in das Privatvermögen des Einbringenden entnommen werden müssen.
Die Aussagen in Rz. 20.08 i.V.m. der Rz. 24.03 des UmwSt-Erlass vom 11.11.2011, BStBl
I S. 1314 und in R 4.5 (6) EStR 2012 sind damit insoweit überholt.
12.
Beginn der Verzinsung bei Nichtinvestition (§ 7g Abs. 3 Satz 4
EStG n.F.)
BMF-Schreiben vom 15.08.2014
12.1
Die bisherige Verwaltungslinie:
In Rz 72 des BMF-Schreibens vom 08.05.2009 war dargestellt, dass die Korrektur eines
IAB in den Fällen des § 7g Abs. 3 EStG (Nichtinvestition) im Abzugsjahr nicht auf einem
rückwirkenden Ereignis beruht. Die Aufgabe der Investitionsabsicht sei vielmehr ein steuerliches „Nichts“. Und ein „Nichts“ sei kein rückwirkendes Ereignis. Deshalb war ein gesetzlicher Ausschluss der Regelung des § 233a Abs. 2a AO nach Verwaltungsauffassung
nicht notwendig. Der Verzinsungszeitraum für die nachträgliche Gewinnerhöhung sollte
also 15 Monate nach Ablauf des Jahres der Bildung (und jetzigen rückwirkenden Auflösung) des IAB beginnen.
12.2
Abweichende Rechtsprechung:
Der BFH hat in seinem Urteil vom 11.07.2013 – IV R 9/12, DStR 2013 S. 1891, aber entschieden, dass es sich im Fall der Rückgängigmachung eines IAB nach § 7g Abs. 3 EStG
(Aufgabe der Investitionsabsicht bzw. Ablauf des Investitionszeitraums) um ein rückwirkendes Ereignis handelt. Demnach sei § 233a Abs. 2a AO anwendbar. Eine Verzinsung
der Steuernachforderung erfolgt folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem
die Auflösung des IAB wegen Nichtinvestition bzw. Aufgabe der Investitionsabsicht verursacht war und damit in der Praxis regelmäßig nicht.
Diese Sichtweise widerspricht der bisherigen Verwaltungsauffassung, wonach die Verzinsung ab dem 15. Monat nach Ablauf des Jahres der Inanspruchnahme des IAB erfolgt.
09/2014
12.3
24
Teil A
Reaktion des Gesetzgebers:
Die Vorschrift des § 7g Abs. 3 EStG wurde deshalb durch das AmtshilfeRLUmsG (= sog.
„Nichtanwendungsgesetz“) um einen Satz 4 ergänzt. Danach ist – wie bereits in § 7g
Abs. 4 Satz 4 EStG – die Anwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO nunmehr ausdrücklich
gesetzlich ausgeschlossen. Dies soll nach § 52 Abs. 1 EStG ab dem VZ 2013 gelten.
12.4
Neue Verwaltungsanweisung zur Abwicklung der Altfälle
In dem BMF-Schreiben vom 15.08.2014 (bei Drucklegung noch nicht veröffentlicht) hat die
Finanzverwaltung nun zu Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Rechtsprechung
bzw. Gesetzesänderung Stellung genommen. Ergänzend dazu hat die OFD Karlsruhe in
der Verfügung vom 25.08.2014, S 218.3b/13 – St 135/St 313 einige weitergehende Aussagen vorgenommen:
12.4.1 Zeitliche Anwendung des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG:
Die gesetzliche Neuregelung ist für IAB anzuwenden, die für nach dem 31.12.2012 endende Wirtschaftsjahre erstmals in Anspruch genommen werden. Bei Land- und
Forstwirten ist eine zeitanteilige Betrachtung im Kalenderjahr 2013 vorzunehmen.
Beispiel
Frau B hat in ihrem Einzelunternehmen einen IAB für die Anschaffung von beweglichem
Anlagevermögen zutreffend gebildet.
a) Die Bildung erfolgte im VZ 2009 und muss aufgrund einer Nichtinvestition im VZ 2012
rückabgewickelt werden.
b) Die Bildung erfolgte im VZ 2010 und muss aufgrund einer Nichtinvestition im VZ 2013
rückabgewickelt werden.
c) Die Bildung erfolgte im VZ 2013 und muss aufgrund einer Nichtinvestition im VZ 2016
rückabgewickelt werden.
Frage
Ist die Neuregelung des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG anwendbar?
Lösung
a) Nein. Der Investitionszeitraum endet zum 31.12.2012. Damit liegen die zeitlichen Voraussetzungen für die Anwendung von § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG nicht vor. Rz 72 des BMF-Schreibens vom 08.05.2009 ist aufgehoben und damit
auch nicht anwendbar. Wurde die geänderte Steuerfestsetzung 2009 bis zum 31.03.2014
vorgenommen, sind keine Zinsen festzusetzen.
b) Die Auflösung des IAB erfolgt nun aufgrund einer Nichtinvestition bis zum VZ 2013.
Dennoch ist § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG nach der aktuellen Verwaltungsentscheidung auch in
diesem Fall noch nicht anwendbar. Die Verzinsung beginnt ab dem 01.04.2015.
c) Ja. § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG ist anwendbar. Damit kommt
es zu einer rückwirkenden Zinsfestsetzung ab dem 01.04.2015.
09/2014
25
Teil A
Sofern also gegen den Zinsbescheid in Altjahren Einspruch eingelegt wurde, kann in diesen Fällen eine Abhilfe erfolgen.
12.4.2 Verfahrensrechtliche Fragen in Feststellungsfragen
Sofern gegen einen Feststellungsbescheid (ggf. gesondert und einheitlich) Einspruch
eingelegt wurde, mit dem eine Ergänzung dieses Bescheides um Aussagen zur Verzinsung geltend gemacht wird, wird darin ein Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheides gesehen.
In diesem Ergänzungsbescheid sind dann vom Finanzamt Aussagen über das Vorliegen
eines rückwirkenden Ereignisses nachzuholen, was selbst wieder einen Grundlagenbescheid für die Zinsfestsetzung darstellt.
Ein Ergänzungsbescheid kann zudem noch innerhalb der Feststellungsfrist beantragt
und erlassen werden. Maßgeblich für die Dauer der Feststellungsfrist ist hier die Frist für
die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO und somit gilt die Jahresfrist nach § 239
Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz i.V. mit § 181 Abs. 1 Satz 1 und § 169 AO.
12.4.3 Sonderproblem Zinsen zur Gewerbesteuer
Wurde beim Finanzamt auch gegen den Gewerbesteuermessbescheid Einspruch eingelegt, ist dieser nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO zu ändern. Der Bescheid wird in diesem Fall
um die Feststellung zu ergänzt, dass die Erhöhung des GewSt-Messbetrags infolge der
Nichtinvestition auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht. Damit
kann die Gemeinde die entsprechende Zinsfestsetzung berichtigen.
Wurde bei der Gemeinde gegen den Gewerbesteuerbescheid Einspruch eingelegt, so ist
der Rechtsbehelf nach § 357 Abs. 2 Satz 2 AO als ordnungsgemäß gegen den Gewerbesteuermessbescheid eingelegt anzusehen. Auch in diesem Fall wird das Finanzamt tätig
und nimmt eine entsprechende ergänzende Feststellung zum Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses vor.
Wurde allerdings weder gegen den Gewerbesteuermessbescheid noch gegen den Gewerbesteuerbescheid Einspruch eingelegt, so ist eine Änderung der Zinsfestsetzung zur
Gewerbesteuer nicht möglich. In diesem Fall greift also kein Grundlagen-Folgebescheidverhältnis.
09/2014
13.
Teil A
26
Neuregelung zur Änderung der strafbefreienden Selbstanzeige;
Referentenentwurf des BMF eines Gesetzes zur Änderung der AO
und des EG-AO vom 27.08.2014
Uli und Alice lassen grüßen: Nachdem sich die Finanzminister der Länder am 27.03.2014
darauf verständigten, die Regeln für die umstrittene strafbefreiende Selbstanzeige bei
Steuerhinterziehung nochmals deutlich zu verschärfen, hat nunmehr das BMF am
27.08.2014 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung
und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung auf der Homepage veröffentlicht. Der
Kabinettsbeschluss ist für den 24.09.2014 vorgesehen, so dass das Gesetz voraussichtlich noch im Jahr 2014 im Bundesgesetzblatt veröffentlich werden kann.
Im Einzelnen sieht der Entwurf bisher folgende Eckpunkte vor:
x
Absenkung der Grenze für strafbefreiende Nacherklärung – Erhöhung des Zuschlags
Bisher ist nach § 370 Abs. 2 Nr. 3 AO eine strafbefreiende Selbstanzeige nur bis zu einem
Hinterziehungsbetrag von 50.000 € möglich. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag diese
Grenze, verbleibt es zwar grundsätzlich bei der Strafbarkeit, von der Verfolgung der Straftat wird jedoch abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten Frist die hinterzogenen Steuern entrichtet und einen Zuschlag i.H. von 5 % bezahlt (§ 398a AO).
Die Grenze von 50.000 € soll mit Wirkung ab 2015 auf 25.000 € abgesenkt werden. Zudem muss gleichzeitig ein Zuschlag entrichtet werden, der ebenfalls nach oben angepasst wird (§ 398a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a-c AO-E). Der Zuschlag soll sich künftig wie folgt
staffeln:
x
Hinterziehungsbetrag
Zuschlag
bis 100.000 €
10 %
mehr als 100.000 € bis 1 Mio. €
15 %
mehr als 1 Mio. €
20 %
Pflicht zur Entrichtung von Steuern und Hinterziehungszinsen
Zudem ist künftig erforderlich, dass nicht nur die Steuern innerhalb der gesetzten Frist entrichtet werden, sondern auch die Hinterziehungszinsen (§ 235 AO; ggf. einschließlich der
auf diese angerechneten Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO) i.H. von 6 %. Bei bestimmten Jahres-Steuerfestsetzungen (z.B. ESt, KSt, USt, GewSt) greift bei Steuernachzahlungen verschuldensunabhängig daneben auch die allgemeine Verzinsungsregelung
des § 233a AO ein. Nach § 235 Abs. 4 AO werden diese Nachzahlungszinsen auf die Hinterziehungszinsen angerechnet (Problem der Doppelverzinsung).
09/2014
27
Teil A
Bei Umsatzsteuervoranmeldungen (nicht jedoch Umsatzsteuerjahreserklärung) und Lohnsteueranmeldungen soll die Straffreiheit allerdings nicht davon abhängen, dass auch zeitgleich mit der hinterzogenen Steuer die Zinsen entrichtet werden (§ 373 Abs. 2a Satz 1
AO).
x
Weiterer Sperrgrund für die strafbefreiende Selbstanzeige: „besonders schwerer
Fall“
In den bereits bisher definierten besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung
(§ 370 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 AO) wird ein weiterer Sperrgrund für die Selbstanzeige geschaffen. Ein besonders schwerer Fall liegt z.B. vor, wenn der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.
Auch in diesen Fällen ist ein Absehen von der Verfolgung in besonderen Fällen unter den
Voraussetzungen des § 398a AO möglich.
x
Berichtigungszeitraum künftig 10 Jahre
Bisher gilt nur für Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung eine zehnjährige
strafrechtliche Verjährungsfrist (§ 376 Abs. 1 AO i.V. mit § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5
AO). In allen anderen Fällen tritt die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 4
StGB derzeit nach fünf Jahren nach der Tatbeendigung ein.
Nunmehr soll für alle Fälle der Steuerhinterziehung die strafrechtliche Verjährungsfrist
auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Damit sind auch in Fällen der einfachen Steuerhinterziehung die hinterzogenen Steuern für zehn Jahre rückwirkend nachzuerklären.
Damit erübrigt sich die Problematik, dass die Finanzverwaltung die bereits strafrechtlich
verjährten, aber steuerlich noch offenen Altjahre oftmals nur im Rahmen einer Schätzung
abarbeiten konnten. Hier wird nunmehr ein Gleichklang zwischen Straf- und Steuerrecht
hinsichtlich der Verjährungsregelung erzielt und das Finanzamt erhält damit auch die Angaben für die Jahre, die sie bisher oftmals schätzen musste.
x
„Entschärfung“ bei Steueranmeldungen
Das durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführte Vollständigkeitsgebot (§ 371
Abs. 1 AO) führte gerade bei Umsatzsteuervor- und Lohnsteueranmeldungen zu Verwerfungen. So konnte z.B. eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 01 nicht als wirksame Selbstanzeige gewertet werden, wenn bereits Umsatzsteuervoranmeldungen für das
Jahr 02 falsch abgegeben wurden und diese in der Jahreserklärung 01 nicht gleichzeitig
korrigiert werden.
Um hier für die Praxis Rechtssicherheit zu schaffen, ist für die Umsatzsteuervoranmeldung, soweit es sich nicht um eine Jahresanmeldung handelt, und die Lohnsteueranmel-
09/2014
28
Teil A
dung, eine Regelung vorgesehen, die eine Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot und der
Tatentdeckung vorsieht (§ 371 Abs. 2a AO-E). Eine korrigierte und verspätete Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteueranmeldung gilt zukünftig wieder als wirksame Teilselbstanzeige. Zudem muss die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Vorjahr nicht auch
Berichtigungen für die Umsatzsteuervoranmeldungen des laufenden Jahres umfassen.
x
Hinausschieben der steuerlichen Anlaufhemmung für nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge (§ 170 Abs. 6 AO-E):
Die Neuregelung soll gewährleisten, dass für bestimmte ausländische Kapitalerträge (aus
nicht EU-Staaten bzw. nicht am Auskunftsverkehr teilnehmenden Staaten), die den deutschen Finanzbehörden nachträglich bekannt werden, durch ein Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist eine Steuerfestsetzung noch über einen längeren Zeitraum
hinweg erfolgen kann. Hier geht es offensichtlich um Kenntniserlangungen der Finanzbehörde durch z.B. CD-Ankäufe. Die Festsetzungsfrist soll in diesen Fällen frühestens mit
Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzverwaltung bekannt
werden, spätestens jedoch 10 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer
entstanden ist, beginnen.
x
Ausweitung der Sperrgründe (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d AO-E):
Die Sperrgründe für eine Selbstanzeige werden insoweit ausgedehnt, als dass eine strafbefreiende Selbstanzeige in der Zeit nicht möglich ist, in der ein Amtsträger zur Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG), Lohnsteuer-Nachschau (§ 42g EStG) oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist. Dieser Sperrgrund
greift jedoch nur ein, wenn der Amtsträger sich als solcher ausgewiesen hat. Führt die
Nachschau zu keinen Ergebnissen, entfällt der Sperrgrund mit Beendigung der Nachschau
(z.B. Verlassen des Ladenlokals oder der Geschäftsräume).
x
Vorgesehene zeitliche Anwendung
Die gesetzlichen Neuregelungen sollen grundsätzlich ab dem 01.01.2015 in Kraft treten.
§ 170 Abs. 6 AO soll für alle am 01.01.2015 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen
gelten.
09/2014
29
Teil B
Teil B: Teilwertabschreibung gem.
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG; voraussichtlich dauernde Wertminderung, Wertaufholungsgebot
BMF vom 16.07.2014, IV C 6 – S 2171- b/09/10002, DB 2014 S. 1710
1.
Einführung
Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG
grundsätzlich geändert. Seit 1999 sind zum einen Teilwertabschreibungen nur noch bei
einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulässig und zum anderen wurde das bis
dahin bestehende Wertbeibehaltungswahlrecht durch ein striktes Wertaufholungsgebot
ersetzt.
Die Finanzverwaltung nahm zu dieser Gesetzesänderung Stellung und erläuterte ausführlich die Begriffe „Voraussichtlich dauernde Wertminderung“ und „Wertaufholungsgebot“
x
x
für die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Umlaufvermögens im BMFSchreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000 S. 372, und
für die Bewertung der Verbindlichkeiten im BMF-Schreiben vom 12.08.2002,
BStBl I 2002 S. 793.
In der Zwischenzeit bekam der BFH mehrmals Gelegenheit, zu diesen Bewertungsfragen
Stellung zu nehmen und zu entscheiden. Wie zu erwarten war, übernahm der BFH nicht in
allen Fällen die Auffassung der Finanzverwaltung, sondern wich in den drei nachfolgenden
Fällen davon ab:
¾ BFH vom 26.09.2007, BStBl II 2009 S. 294, zur Frage des Vorliegens einer voraussichtlich dauernden Wertminderung bei börsennotierten Aktien, die als
Finanzanlage gehalten werden. Die Finanzverwaltung reagierte mit einer prinzipiellen Anwendung dieser Entscheidung (BMF vom 26.03.2009, BStBl I 2009
S. 514). Darüber hinaus war dieses BMF-Schreiben auch auf Investmentfonds,
die als Finanzanlagen im Betriebsvermögen gehalten werden, entsprechend anzuwenden.
09/2014
30
Teil B
¾ BFH vom 08.06.2011, BStBl II 2012 S. 716, zur Frage der voraussichtlich dauernden Wertminderung bei festverzinslichen Wertpapieren im Umlaufvermögen. Die Finanzverwaltung hat diese Entscheidung grundsätzlich angewendet
(BMF vom 10.09.2012, BStBl I 2012 S. 939).
¾ BFH vom 21.09.2011, DB 2012 S. 91, wiederum zur Frage des Vorliegens einer
voraussichtlich dauernden Wertminderung bei börsennotierten Aktien, die als
Finanzanlage gehalten werden. Der BFH präzisierte in diesem Urteil seine Entscheidung vom 26.09.2007, a.a.O.
Die Finanzverwaltung nahm diese Entscheidung zum Anlass, die Fragen zur Teilwertabschreibung bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung und zum Wertaufholungsgebot unter Berücksichtigung der neuen BFH-Rechtsprechung in einem neuen BMFSchreiben vom 16.07.2014, a.a.O., insgesamt neu darzustellen. Aus diesem Grund wurde
das bisherige BMF-Schreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000 S. 372, mit sofortiger Wirkung aufgehoben (Rn. 40).
Dieses neue BMF-Schreiben wird nachfolgend im Einzelnen besprochen. Die angegebenen Randnummern (Rn.) beziehen sich auf dieses BMF-Schreiben.
2.
Ermittlung des Teilwerts
Rn. 3 verweist auf die Anweisungen in R 6.7 ff. EStR und EStH und bedeutet u.a., dass
der Teilwert nur im Wege der Schätzung nach den Verhältnissen des Einzelfalls ermittelt
werden kann und zur Ermittlung des niedrigeren Teilwerts – widerlegbare – Teilwertvermutungen bestehen.
Ferner verweist Rn. 3 auf R 6.8 Abs. 2 EStR, wonach der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren retrograd ermittelt werden kann. Bei dieser Ermittlung des Teilwerts ist
vom erzielbaren Verkaufspreis auszugehen. Wird dabei bei rentabel geführten Betrieben
der Verkaufspreis bewusst nicht kostendeckend kalkuliert (z.B. bei Werbeaktionen im
Lebensmitteleinzelhandel), ist eine Teilwertabschreibung nach dem BFH-Urteil vom
29.04.1999, BStBl 1999 II S. 68, nicht zulässig (Rn. 3).
Praxishinweis:
Die Nachweispflicht für den niedrigeren Teilwert liegt beim Stpfl. Dieser trägt auch die Darlegungslast und Feststellungslast für eine voraussichtlich dauernde Wertminderung
(Rn. 4).
31
09/2014
Teil B
Ist am darauffolgenden Bilanzstichtag der Teilwert zwar höher als am vorangegangenen
Bilanzstichtag, liegt der Teilwert aber immer noch unter den Anschaffungskosten (u.U. ./.
AfA), ist im Rahmen des Wertaufholungsgebots nachzuweisen, dass und in welchem Umfang der Teilwert weiterhin unter der Bewertungsobergrenze liegt.
3.
Voraussichtlich dauernde Wertminderung
3.1
Begriff
Die grundsätzliche Definition des Begriffs „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ in
Rn. 6 ist gegenüber dem alten BMF-Schreiben vom 25.2.2000, a.a.O. unverändert und
lautet:
Die Wertminderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Stpfl. hiermit aus
der Sicht am Bilanzstichtag aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft zu rechnen hat. Aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns
müssen mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit sprechen. Grundsätzlich ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen,
wenn der Wert des Wirtschaftsguts die Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils der voraussichtlichen Verweildauer im Unternehmen
nicht erreichen wird.
Beachte: Wertminderungen aus besonderem Anlass, z.B.
x
x
Katastrophen oder
technischer Fortschritt
sind regelmäßig von Dauer.
Werterhellende Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Handelsbilanz (bzw. bis zur Aufstellung der Steuerbilanz, falls eine Handelsbilanz
nicht zu erstellen ist) sind zu berücksichtigen.
Neu aufgenommen wurde in Rn. 6 der Satz:
Davon zu unterscheiden sind Erkenntnisse, die einer Wertbegründung nach
dem Bilanzstichtag entsprechen.
09/2014
32
Teil B
Eine neue Rechtslage ist dadurch nicht eingetreten, denn die Unterscheidung zwischen
Werterhellung und Wertbegründung ist bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens seit Jahrzehnten zu beachten. Der Hinweis im neuen BMF-Schreiben ist
aus Sicht der Finanzverwaltung angebracht, weil der BFH in seinen Entscheidungen die
Definitionen der beiden Begriffe neu ausgelegt hat. Einzelheiten hierzu werden bei den
jeweiligen Wirtschaftsgütern besprochen (s. unten).
Die vom BFH bereits im Urteil vom 27.11.1974, BStBl II 1975 S. 294, genannte Feststellung, wonach für die Beurteilung eines voraussichtlich dauernden Wertverlustes zum Bilanzstichtag der Eigenart des betreffenden Wirtschaftsguts eine maßgebliche Bedeutung
zukommt, hat der BFH in seinen Entscheidungen vom 26.09.2007, BStBl II 2009 S. 294,
und vom 24.10.2012, BStBl II 2013 S. 162, bestätigt (Rn. 7).
3.2
Abnutzbares Anlagevermögen
Nach § 252 Abs. 3 Satz 3 HGB ist auch in der Handelsbilanz aller Kaufleute (Einzelunternehmen, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften) eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert nur zulässig, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist. Diese liegt nach der überwiegenden Meinung in der
handelsrechtlichen Literatur (Schubert/Andrejewski/Roscher in Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 313 m.w.N.) vor, wenn die zum Abschlussstichtag eingetretene
Wertminderung voraussichtlich mindestens die halbe Restnutzungsdauer bestehen bleibt
(Rn. 8).
Nach der unveränderten Auffassung der Finanzverwaltung kann bei der Bewertung der
Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens in der Steuerbilanz – wie bei der
Bewertung in der Handelsbilanz – von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung
ausgegangen werden, wenn der Wert des jeweiligen Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag
mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert
liegt. Der BFH hat diese Auffassung bestätigt (BFH vom 29.04.2009, BStBl II 2009
S. 899).
Die Bestimmung der – verbleibenden – Nutzungsdauer richtet sich nach den amtlichen
AfA-Tabellen.
Bei Gebäuden gilt die Besonderheit, dass sich die – verbleibende Nutzungsdauer – nach
§ 7 Abs. 4 und 5 EStG richtet.
Die halbe Restnutzungsdauer ist auch dann maßgebend, wenn der Stpfl. beabsichtigt, das
Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern
(BFH vom 29.04.2009, BStBl II 2009 S. 899).
09/2014
33
Teil B
Beispiel 1
Die A-GmbH hat eine Maschine im Januar 2013 zu Anschaffungskosten von 100.000 €
erworben. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt nach der amtlichen AfATabelle 10 Jahre. Die jährliche lineare AfA nach § 7 Abs. 1 EStG beträgt folglich
10.000 €. Am 31.12.2014 beträgt der nachgewiesene Teilwert (= beizulegender Wert
in der Handelsbilanz) nur noch 30.000 €. Die Restnutzungsdauer beträgt noch acht
Jahre (vgl. Beispiel 1 in Rn. 9).
Lösung
Der planmäßige Buchwert zum 31.12.2014 beträgt 80.000 €. Es liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung der Maschine vor, weil die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist, da der Wert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag am 31.12.2014
bei planmäßiger Abschreibung erst nach fünf Jahren (= 31.12.2019) und damit erst
nach mehr als der Hälfte der Restnutzungsdauer (1/2 von 8 Jahren = 4 Jahre) erreicht
wird. Folglich muss in der Handelsbilanz zum 31.12.2014 nach § 253 Abs. 3 HGB der
niedrigere beizulegende Wert von 30.000 € angesetzt werden; in der Steuerbilanz
zum 31.12.2014 kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG der niedrigere Teilwert angesetzt
werden. Das Wahlrecht in der Steuerbilanz kann unabhängig vom Wertansatz in der
Handelsbilanz vorgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; BMF vom 12.03.2010,
BStBl I 2010 S. 239, Rn. 15).
Beispiel 2
Wie Beispiel 1, der Teilwert (= beizulegender Wert) beträgt jedoch am 31.12.2014
noch 50.000 € (vgl. Beispiel in Rn. 10).
Lösung
Am Bilanzstichtag 31.12.2014 liegt keine voraussichtlich dauernde Wertminderung
vor, da der Wert des Wirtschaftsguts bei planmäßiger Abschreibung von jährlich
10.000 € schon nach drei Jahren (= 31.12.2017) und damit früher als nach mehr als
der Hälfte der Restnutzungsdauer erreicht wird. Folglich ist die Maschine sowohl in der
Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz zum 31.12.2014 zwingend mit dem Buchwert von 80.000 € zu bewerten.
Beispiel 3
Wie Beispiel 2, jedoch beabsichtigt die A-GmbH, die Maschine bereits im Laufe des
Jahres 2016 zu veräußern.
Lösung
Wie Beispiel 2, weil die Absicht des Stpfl., das Wirtschaftsgut vor Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern, nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil
vom 29.04.2009, a.a.O.) nicht berücksichtigt werden darf.
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34
Teil B
Beispiel 4
Die B-GmbH & Co. KG erwarb im Januar 2002 ein Gebäude zu Anschaffungskosten
von 500.000 €. Der Antrag auf Baugenehmigung für dieses Gebäude erfolgte 1980.
Die Restnutzungsdauer des Gebäudes beträgt noch (mindestens) 60 Jahre. Die KG
schreibt das Gebäude nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG mit jährlich 2 % = 10.000 € in
ihrer Handelsbilanz (zulässig; s. Schubert/Andrejewski/Roscher in Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 402) und in ihrer Steuerbilanz (zwingend) ab. Der planmäßige Buchwert zum 31.12.2014 beträgt 370.000 €. Am 31.12.2014 beträgt der
nachgewiesene Teilwert (= beizulegender Wert in der Handelsbilanz) nur noch
200.000 €.
Lösung
Am Bilanzstichtag 31.12.2014 liegt keine voraussichtlich dauernde Wertminderung
vor, da der Wert des Gebäudes bei planmäßiger Abschreibung von jährlich 10.000 €
schon nach 17 Jahren (= 31.12.2031) und damit früher als nach mehr als der Hälfte
der Restnutzungsdauer von 18,5 Jahren (50 ./. 13 = 37 Jahre, davon ½) erreicht wird.
Folglich ist das Gebäude sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz
zum 31.12.2014 zwingend mit dem Buchwert von 370.000 € zu bewerten.
Die tatsächliche Restnutzungsdauer von 60 Jahren ist unbeachtlich.
Beispiel 5
Wie Beispiel 4, jedoch wurde der Antrag auf Baugenehmigung erst 1990 gestellt und
der Wert des Gebäudes beträgt am 31.12.2014 nur noch 100.000 €. Die KG schreibt
das Gebäude in ihrer Handelsbilanz und Steuerbilanz deshalb nach § 7 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 EStG mit jährlich 3 % = 15.000 € ab. Der planmäßige Buchwert zum 31.12.2014
beträgt deshalb nur 305.000 €.
Lösung
Es liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung des Gebäudes vor, weil die
Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist, da der Wert des Gebäudes zum Bilanzstichtag am 31.12.2014 bei planmäßiger Abschreibung erst nach 14 Jahren (=
31.12.2028) und damit erst nach mehr als der Hälfte der Restnutzungsdauer (1/2 von
20 1/3 Jahren = 10 1/6 Jahre) erreicht wird. Folglich muss in der Handelsbilanz zum
31.12.2014 nach § 253 Abs. 3 HGB der niedrigere beizulegende Wert von 100.000 €
angesetzt werden; in der Steuerbilanz zum 31.12.2014 kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 1
EStG der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Das Wahlrecht in der Steuerbilanz
kann ebenfalls unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz vorgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; BMF vom 12.03.2010, BStBl I 2010 S. 239, Rn. 15).
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35
Teil B
Beispiel 6
Wie Beispiel 1, die GmbH hat jedoch im Januar 2013 zu Anschaffungskosten von
100.000 € ein Gebäude erworben, dessen Restnutzungsdauer im Zeitpunkt des Erwerbs nachgewiesen nur noch 10 Jahre betragen hat.
Lösung
Es ergibt sich dieselbe Lösung wie im Beispiel 1, weil die AfA für das Gebäude nach
§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG mit jährlich 10 % = 10.000 € anzusetzen ist und die Restnutzungsdauer am 31.12.2014 nur noch 8 Jahre beträgt.
3.3
Nicht abnutzbares Anlagevermögen
Für die Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren Anlagevermögens ist grundsätzlich darauf
abzustellen, ob die Gründe für eine niedrigere Bewertung voraussichtlich anhalten werden
(Rn. 11).
3.3.1 Grundstücke
Die Voraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung haben sich bei unbebauten
Grundstücken nicht geändert. Die beiden Beispiele im ursprünglichen BMF-Schreiben vom
25.02.2000, a.a.O. wurden deshalb nahezu unverändert in das neue BMF-Schreiben vom
16.07.2014, a.a.O. übernommen (Rn. 12 und 13). Eine weitere Besprechung an dieser
Stelle ist deshalb nicht erforderlich.
3.3.2 Festverzinsliche Wertpapiere des Anlagevermögens
Finanzanlagen des Anlagevermögens sind – wie die anderen Vermögensgegenstände des
Anlagevermögens – in der Handelsbilanz nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB zwingend mit
dem niedrigeren beizulegenden Wert anzusetzen, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist. Darüber hinaus können nach § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB (nur) bei Finanzanlagen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen auch bei einer
voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung vorgenommen werden.
Für eine dauerhafte Wertminderung ist nach überwiegender handelsrechtlicher Literaturmeinung auf tatsächliche Substanzverluste oder verschlechterte Zukunftsaussichten
abzustellen. Die BFH-Rechtsprechung, welche auf den steuerrechtlichen Teilwert abstellt,
ist auf die Handelsbilanz nicht übertragbar (Schubert/Andrejewski/Roscher in Beck`scher
Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 314, verweisend auf HFA, IDW FN 2012, S. 321f). Bezüglich Gründen für eine vorübergehende Wertminderung siehe Grottel/Kreher in
Beck`scher Bilanzkommentar zu § 253 HGB, Rn. 352 und IDW RS VFA 2 Tz. 19.
Steuerrechtlich hat sich auch bei diesen Wirtschaftsgütern die Rechtslage nicht geändert.
Die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung wurde vom BFH bestätigt (BFH vom
08.06.2011, BStBl II 2012 S. 716).
09/2014
36
Teil B
Zum Vergleich mit den festverzinslichen Wertpapieren des Umlaufvermögens wird hier
das Beispiel 4 der Rn. 14 besprochen, das gegenüber dem Beispiel 4 im alten BMFSchreiben unverändert ist.
Beispiel 7
Einzelunternehmer A hat festverzinsliche Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von vier
Jahren, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, zum Wert
von 102 % des Nennwerts erworben. Die Wertpapiere werden bei Fälligkeit zu 100 %
des Nennwerts eingelöst. Aufgrund einer nachhaltigen Änderung des Zinsniveaus unterschreitet der Börsenkurs den Einlösebetrag zum Bilanzstichtag auf Dauer und beträgt zum Bilanzstichtag nur noch 98 % (vgl. Beispiel 4 in Rn. 14).
Lösung
Unabhängig davon, ob eine voraussichtlich dauernde oder nur eine vorübergehende
Wertminderung vorliegt, kann nach § 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB in der Handelsbilanz der niedrigere beizulegende Wert von 98 % angesetzt werden. Sofern und soweit
eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt, muss in der Handelsbilanz der
niedrigere beizulegende Wert angesetzt werden.
Steuerrechtlich kann dagegen eine voraussichtlich dauernde Wertminderung nur bis
zu einem Börsenkurs von 100 % vorliegen, weil festverzinsliche Wertpapiere am Fälligkeitstag zum Nennwert von 100 % eingelöst werden. Der niedrigere Börsenkurs von
98 % ist für Einzelunternehmer A nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend und
kann nicht angesetzt werden. A hat somit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein Wahlrecht,
die Wertpapiere mit den Anschaffungskosten von 102 % oder dem niedrigeren Teilwert
von 100 % anzusetzen. Das Wahlrecht kann unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz vorgenommen werden.
3.3.3 Börsennotierte Aktien
Die Finanzverwaltung wendet nun die neue BFH-Rechtsprechung an.
Danach ist bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens von einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter
denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet.
Bei einer vorangegangenen Teilwertabschreibung ist für die Bestimmung der Bagatellgrenze der Bilanzansatz am vorangegangenen Bilanzstichtag maßgeblich.
Der Teilwert einer Aktie kann nur dann nicht nach dem Kurswert (zuzüglich der im Falle
eines Erwerbs anfallenden Erwerbsnebenkosten) bestimmt werden, wenn aufgrund konkreter und objektiv überprüfbarer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Börsenkurs den tatsächlichen Anteilswert nicht widerspiegelt (BFH vom 21.09.2011, DB 2012 S.
91). Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn der Kurs durch Insidergeschäfte beeinflusst (ma-
09/2014
37
Teil B
nipuliert) wurde oder über einen längeren Zeitraum kein Handel mit den zu bewertenden
Aktien stattfand (Rn. 15).
Die vom BFH aufgestellten Grundsätze zur Teilwertabschreibung von börsennotierten Aktien gelten auch bei aktien-indexbezogenen Wertpapieren, die an einer Börse gehandelt
werden und nicht zum Nennwert zurückgezahlt werden.
Bei den bis zum Tag der Bilanzaufstellung eintretenden Kursänderungen handelt es
sich um wertbeeinflussende (wertbegründende!) Umstände, die die Bewertung der Aktien
zum Bilanzstichtag grundsätzlich nicht berühren.
Praxishinweise:
x Steuerrechtliche Sonderregelungen stehen einer Teilwertabschreibung
nicht entgegen. So dienen z.B. die Regelungen der § 3 Nr. 40 EStG und
§ 3c Abs. 2 EStG der Umsetzung des Teileinkünfteverfahrens. Die Teilwertabschreibung als solche bleibt hiervon unberührt, ist aber nur zu 60 %
steuerwirksam.
x Bei Körperschaften ist die Vornahme einer Teilwertabschreibung auf börsennotierte Aktien in der Steuerbilanz nicht sinnvoll, da die Teilwertabschreibung in jedem Fall nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG außerbilanziell hinzuzurechnen wäre. Eine spätere Zuschreibung (oder ein Veräußerungsgewinn) wäre dann zwar nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei, würde aber zum
Ansatz der 5 %-Pauschale führen (sog. „Zuschreibungsfalle“).
Beispiel 8
Die A-GmbH hat im Oktober 2013 10.000 Aktien der börsennotierten X-AG zum Preis
von 100 € je Stück einschließlich Nebenkosten erworben. Die Aktien (Beteiligung
12 %) sind als langfristige Kapitalanlage dazu bestimmt, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Der Kurswert der Aktien veränderte sich bis zum Jahresende nicht.
Die GmbH hat deshalb zum Bilanzstichtag am 31.12.2013 die Aktien in ihrer Handelsbilanz und in ihrer Steuerbilanz zutreffend mit den Anschaffungskosten einschließlich
Nebenkosten von 1.000.000 € aktiviert (vgl. Beispiel 5 in Rn. 16 – 16d).
a) Im Jahr 2014 schwankt der Kurs der Aktien zwischen 70 € und 100 € je Stück. Am
Bilanzstichtag 31.12.2014 beträgt der Börsenpreis der Aktie 75 €. Am Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2015) beträgt der Börsenpreis ebenfalls 75 €.
Lösung
Handelsrechtlich ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, weil der Wert der Aktie um mehr als 20 % unter den Anschaffungskosten
09/2014
38
Teil B
liegt (Grottel/Kreher in Beck`scher Bilanzkommentar zu § 253 HGB, Rn. 352). In
der Handelsbilanz der GmbH zum 31.12.2014 sind die Aktien folglich nach § 253
Abs. 3 Satz 3 HGB zwingend mit dem niedrigeren beizulegenden Wert von
750.000 € zu aktivieren (zuzüglich Nebenkosten).
Steuerrechtlich liegt nach der nunmehr anzuwendenden BFH-Rechtsprechung
ebenfalls eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, da der Kursverlust im
Vergleich zu den Anschaffungskosten am Bilanzstichtag 31.12.2014 mehr als 5 %
beträgt. Die GmbH hat in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2014 ein Wahlrecht und
kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Aktien entweder mit den Anschaffungskosten
von 1.000.000 € oder mit dem niedrigeren Teilwert von 750.000 € aktivieren (zuzüglich Nebenkosten).
Wegen § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ist der GmbH zu empfehlen, die Aktien mit den
Anschaffungskosten von 1.000.000 € zu aktivieren. Die Teilwertabschreibung wäre
nämlich nach dieser Vorschrift wieder außerbilanziell hinzuzurechnen.
b) Wie a). Am Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2015) beträgt der Wert 92 €.
Lösung
Die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag ist als wertbegründender Umstand
anzusehen und bleibt damit bei der Bewertung der Aktien zum 31.12.2014 außer
Betracht. Es ergibt sich somit dieselbe Lösung wie im Beispiel a).
c) Wie a). Am Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2015) beträgt der Wert 60 €.
Lösung
Da die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag unerheblich ist und bei der Bewertung der Aktien nicht berücksichtigt werden kann, ergibt sich dieselbe Lösung
wie im Beispiel a).
d) Der Kurs der Aktien schwankt im Jahre 2014 zwischen 70 € und 100 € je Stück.
Am Bilanzstichtag 31.12.2014 beträgt der Börsenpreis 98 € und am Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2015) 80 €.
Lösung
Sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich liegt nur eine vorübergehende
Wertminderung vor, weil der Kursverlust im Vergleich zu den Anschaffungskosten
nicht mehr als 5 % beträgt. Die Erkenntnisse zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung der Bilanz bleiben bei der Feststellung der voraussichtlich dauernden Wertminderung unberücksichtigt.
09/2014
39
Teil B
In der Handelsbilanz können die Aktien trotz vorübergehender Wertminderung
nach § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB mit dem niedrigeren beizulegenden Wert von
980.000 € aktiviert werden.
In der Steuerbilanz sind die Aktien dagegen zwingend mit den Anschaffungskosten von 1.000.000 € zu bewerten, weil eine Teilwertabschreibung nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulässig ist.
3.3.4 Anteile an Investmentfonds, die als Finanzanlage im Anlagevermögen gehalten werden
Die zur Bewertung von börsennotierten Aktien im Anlagevermögen aufgestellten Grundsätze sind entsprechend auf im Anlagevermögen gehaltene Investmentanteile an Publikums- und Spezial-Investmentvermögen anzuwenden, wenn das Investmentvermögen
überwiegend in börsennotierten Aktien als Vermögensgegenstände investiert ist (vgl. BFH
vom 21.09.2011, DB 2012 S. 94).
Das führt dazu, dass diese Wirtschaftsgüter nicht mehr mit dem Rücknahmepreis (s. BMF
vom 05.07.2011, BStBl I 2011 S. 735), sondern grundsätzlich mit dem Börsenkurs anzusetzen sind.
Das Investmentvermögen ist dann überwiegend in börsennotierten Aktien investiert, wenn
mehr als 50 % seines Wertes zum Bilanzstichtag in Aktien investiert ist.
Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse beim Investmentvermögen am Bilanzstichtag des Anlegers. Unerheblich ist, ob der zu bewertende Investmentanteil selbst börsennotiert ist (Rn. 17).
Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
ist folglich auszugehen, wenn der Preis, zu dem der Investmentanteil erworben werden
kann (Ausgabepreis zuzüglich der ggf. anfallenden Erwerbsnebenkosten), zu dem jeweils
aktuellen Bilanzstichtag um mehr als 5 % (sog. Bagatellgrenze) unter die Anschaffungskosten gesunken ist (Rn. 18).
x
Hinweis:
Bei der Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen einer Teilwertabschreibung auf Investmentanteile auf das zu versteuernde Einkommen eines betrieblichen Anlegers sind
§ 8 Abs. 3 InvStG und das BMF-Schreiben vom 18.08.2009, BStBl I 2009 S. 931,
Rz. 162 ff. zu beachten (Rn. 19).
09/2014
40
Teil B
3.3.5 Forderungen im Anlagevermögen
Bei den Forderungen gelten dieselben Grundsätze wie bei den festverzinslichen Wertpapieren und den börsennotierten Aktien.
Beispiel 9
Einzelunternehmer B hat eine Forderung aus einem Kredit im Nennwert von 100.000 €
an die Z-GmbH & Co. KG. Wegen unerwarteter Zahlungsausfälle ist die KG im Laufe
des Wirtschaftsjahrs notleidend geworden. Am Bilanzstichtag kann die Forderung des
B deshalb nur in Höhe von 20 % bedient werden. Bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung stellt die KG wider Erwarten eine Sicherheit in Höhe von 30 % der Forderung (vgl.
Beispiel 6 in Rn. 20).
Lösung
Sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, da mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur mit einem Zahlungseingang von 20 % gerechnet werden kann. Zwar gewinnt die Forderung bis zum
Zeitpunkt der Bilanzaufstellung durch die Gestellung der Sicherheit nachträglich an
Wert. Dieses – nach dem Bilanzstichtag eingetretene – Ereignis ist jedoch als wertbegründend anzusehen und daher als zusätzliche Erkenntnis nicht zu berücksichtigen.
In der Handelsbilanz des B ist die Forderung folglich nach § 253 Abs. 3 HGB zwingend mit dem niedrigeren beizulegenden Wert von 20 % zu bewerten. Hätte nur eine
vorübergehende Wertminderung vorgelegen, hätte B in seiner Handelsbilanz ein Wahlrecht gehabt.
In der Steuerbilanz hat B dagegen ein Wahlrecht. Weil eine voraussichtlich dauernde
Wertminderung vorliegt, kann B nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Forderung entweder
mit den Anschaffungskosten von 100 % oder mit dem niedrigeren Teilwert von 20 %
bewerten. Das Wahlrecht kann nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz ausgeübt werden.
Hinweis:
Die Lösung würde sich in der Steuerbilanz nicht ändern, wenn die Forderung des B
zum Umlaufvermögen gehören würde, weil sich die Bewertung ebenfalls nach § 6
Abs. 1 Nr. 2 EStG richtet. In der Handelsbilanz dagegen müsste die Forderung des
Umlaufvermögens nach § 253 Abs. 4 HGB auch bei einer nur vorübergehenden
Wertminderung zwingend mit dem niedrigeren beizulegenden Wert von 20 % bewertet
werden.
Anmerkung:
Der auf der Unverzinslichkeit einer im Anlagevermögen oder Umlaufvermögen gehaltenen Forderung beruhende Wert ist steuerrechtlich keine voraussichtlich dauernde
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41
Teil B
Wertminderung und rechtfertigt deshalb nach Rn. 21 keine Teilwertabschreibung (BFH
vom 24.10.2012, BStBl II 2013 S. 162).
Mit anderen Worten, unverzinsliche Forderungen sind nicht mit dem abgezinsten Barwert, sondern unabhängig von ihrer (Rest-)Laufzeit stets mit dem Nennwert (= Anschaffungskosten) zu aktivieren.
Dagegen sind unverzinsliche Forderungen des Umlaufvermögens in der Handelsbilanz mit dem abgezinsten Barwert anzusetzen (Schubert/Roscher in Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 592).
3.4 Umlaufvermögen
3.4.1 Allgemeine Grundsätze
Die grundsätzlichen Ausführungen zur Bewertung der Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind im alten und neuen BMF-Schreiben identisch und lauten (Rn. 23 alt bzw.
Rn. 22 neu):
Die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind nicht dazu bestimmt, dem
Betrieb auf Dauer zu dienen. Sie werden stattdessen regelmäßig für den Verkauf oder den Verbrauch gehalten. Demgemäß kommt dem Zeitpunkt der
Veräußerung oder Verwendung für die Bestimmung einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung eine besondere Bedeutung zu. Hält die Minderung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz oder dem vorangegangenen
Verkaufs- oder Verbrauchszeitpunkt an, so ist die Wertminderung voraussichtlich von Dauer. Zusätzliche werterhellende Erkenntnisse bis zu diesen Zeitpunkten sind in die Beurteilung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag einzubeziehen.
Beispiel 10
Einzelunternehmer A hat am 29.12.2013 Waren für 10.000 € eingekauft. Der übliche
Verkaufspreis der Ware beträgt 14.000 €. Am 30.12.2013 fällt der Einkaufspreis der
Ware auf 9.500 €. Am 02.01.2014 veräußert A die Ware zum Preis von 14.000 €. Am
03.01.2014 erhöht sich der Einkaufspreis der Ware von 9.500 € auf 9.900 €. Im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung liegt der Einkaufspreis der Ware bei 10.200 €.
Lösung
Der Marktpreis = Teilwert der Ware beträgt am 31.12.2013 nur noch 9.500 €. Es liegt
eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, weil die Wertminderung bis zum
Zeitpunkt der Veräußerung der Ware (= 02.01.2014) anhält. Die Wertaufholung am
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42
Teil B
03.01.2014 stellt keine zu berücksichtigende Werterhellung dar. Der Preis der Ware
am Bilanzstichtag ist nicht maßgebend, weil die Ware bereits vor diesem Tag veräußert wurde.
3.4.2 Börsennotierte Aktien
Zu den Anschaffungskosten der Aktien gehören handelsrechtlich nach § 255 Abs. 1 HGB
und steuerrechtlich der Kurswert der Aktien einschließlich der Nebenkosten.
Unabhängig davon, ob die Wertminderung der Aktien des Umlaufvermögens am Abschlussstichtag voraussichtlich von Dauer oder nur vorübergehend ist, sind diese Aktien in
der Handelsbilanz nach § 253 Abs. 4 HGB zwingend mit dem niedrigeren Börsenkurs zu
bewerten.
Dem gesunkenen Börsenkurs der Wertpapiere des Umlaufvermögens sind handels- und
steuerrechtlich die anteilig abgeschriebenen Anschaffungsnebenkosten hinzuzurechnen,
wenn am Abschlussstichtag keine Verkaufsabsicht besteht (Schubert/Roscher in
Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 609 – 611).
Besteht dagegen am Abschlussstichtag die Absicht der Veräußerung, sind die Wertpapiere in der Handelsbilanz mit dem niedrigeren Börsenkurs – ohne anteilige Anschaffungsnebenkosten – und abzüglich zu erwartender Verkaufsspesen zu bewerten. Für die
Bewertung in der Steuerbilanz gilt dies zumindest dann entsprechend, wenn es sich um
Wertpapiere handelt, die „überflüssig“ sind (Schubert/Roscher in Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB, Rn. 604).
In der Steuerbilanz sind die Aktien nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auch bei einer
Wertminderung grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung können die Aktien nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
EStG mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden.
Das bedeutet, die Frage, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt, ist nur
für die Bewertung in der Steuerbilanz von Bedeutung.
Entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, wonach allgemeine Marktentwicklungen, z.B. Kursschwankungen von börsennotierten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, zusätzliche Erkenntnisse sind und als solche in die Beurteilung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag einzubeziehen sind (Rn. 23 alt), enthält das neue BMF-Schreiben in Rn. 22 folgenden Satz:
Kursänderungen bei börsennotierten Aktien nach dem Bilanzstichtag und
bis zum Tag der Bilanzaufstellung sind – im Gegensatz zur bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung – als wertbegründender Umstand nicht zu berücksichtigen (BFH vom 21.09.2011, DB 2012 S. 91).
Daraus ergibt sich: Nicht nur der Begriff des Teilwerts ist für Wertpapiere des Anlagevermögens und Umlaufvermögens gleich. Auch bezüglich der Frage der Dauerhaftigkeit einer
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43
Teil B
Kursminderung kann keine Unterscheidung mehr getroffen werden, denn Kursänderungen
nach dem Bilanzstichtag sind unabhängig davon, ob sie zu einer weiteren Wertminderung
oder zu einer Werterhöhung führen, bei der Bewertung in der Steuerbilanz nicht mehr zu
berücksichtigen.
Praxishinweis:
Steuerrechtliche Sonderregelungen stehen einer Teilwertabschreibung nicht
entgegen. So dienen z.B. die Regelungen der § 3 Nr. 40 EStG und § 3c Abs. 2
EStG der Umsetzung des Teileinkünfteverfahrens. Die Teilwertabschreibung
als solche bleibt auch bei den Aktien im Umlaufvermögen hiervon unberührt.
Beispiel 11
Die GmbH hat im Oktober 2013 1.000 Aktien der börsennotierten X-AG zum Preis von
100 € je Stück einschließlich Nebenkosten erworben. Die Aktien sind keine langfristige
Kapitalanlage. Der Kurswert der Aktien veränderte sich bis zum Jahresende nicht. Die
GmbH hat deshalb zum Bilanzstichtag am 31.12.2013 die Aktien in ihrer Handelsbilanz
und in ihrer Steuerbilanz zutreffend mit den Anschaffungskosten einschließlich Nebenkosten von 100.000 € aktiviert (vgl. Beispiel 8 in Rn. 25 – 25b).
a) Im Jahr 2014 schwankt der Kurs der Aktien zwischen 85 € und 100 € je Stück. Am
Bilanzstichtag 31.12.2014 beträgt der Börsenpreis der Aktie 90 €. Am Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2015) beträgt der Börsenpreis 93 €, jeweils einschließlich
anteilig abgeschriebener Anschaffungsnebenkosten.
Lösung
In der Handelsbilanz der GmbH zum 31.12.2014 sind die Aktien unabhängig davon, ob eine voraussichtlich dauernde oder nur eine vorübergehende Wertminderung vorliegt, nach § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB zwingend mit dem Börsenkurs einschl. anteilig abgeschriebener Anschaffungsnebenkosten zum 31.12.2014 von
90.000 € zu aktivieren.
Steuerrechtlich liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, da der
Kursverlust im Vergleich zu den Anschaffungskosten am Bilanzstichtag 31.12.2014
mehr als 5 % beträgt. Die GmbH hat in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2014 ein
Wahlrecht und kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG die Aktien entweder mit den
Anschaffungskosten von 100.000 € oder mit dem niedrigeren Teilwert von 90.000 €
aktivieren. Die Kursänderung nach dem Bilanzstichtag bis zum Tag der Bilanzaufstellung ist – unabhängig, ob sie zu einer weiteren Wertminderung oder zu einer
Werterhöhung führt – bei der Bewertung nicht mehr zu berücksichtigen
09/2014
44
Teil B
b) Wie a), jedoch beträgt der Börsenpreis am 31.12.2014 98 €.
Lösung
Sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich liegt nur eine vorübergehende
Wertminderung vor, weil der Kursverlust im Vergleich zu den Anschaffungskosten
nicht mehr als 5 % beträgt. Die Erkenntnisse zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung der Bilanz bleiben bei der Feststellung der voraussichtlich dauernden Wertminderung unberücksichtigt.
In der Handelsbilanz müssen die Aktien nach § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB mit dem
niedrigeren Börsenkurs von 98.000 € aktiviert werden.
In der Steuerbilanz sind die Aktien dagegen zwingend mit den Anschaffungskosten von 100.000 € zu bewerten, weil eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 EStG nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulässig
ist.
3.4.3 Festverzinsliche Wertpapiere
Alle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens sind in der Handelsbilanz nach
§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB zwingend mit dem niedrigeren Börsenkurs anzusetzen, unabhängig davon, ob die Wertminderung voraussichtlich von Dauer oder nur vorübergehend ist. Kursschwankungen wegen Änderung des Zinsniveaus stellen grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde, wohl aber eine vorübergehende Wertminderung dar.
In der Steuerbilanz sind die festverzinslichen Wertpapiere nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1
EStG auch bei einer Wertminderung grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung können sie nach § 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden.
Bei festverzinslichen Wertpapieren, die eine Forderung in Höhe des Nominalwerts der
Forderung verbriefen, fehlt es in der Regel an einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Dies gilt auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören.
Eine Teilwertabschreibung unter den Nennwert allein wegen gesunkener Kurse ist regelmäßig nicht zulässig, wenn kein Bonitäts- und Liquiditätsrisiko hinsichtlich der Rückzahlung der Nominalbeträge besteht und die Wertpapiere bei Endfälligkeit zu ihrem Nennbetrag eingelöst werden können (Rn. 23 unter Hinweis auf BFH vom 08.06.2011, BStBl II
2012 S. 716).
Der BFH begründet seine unterschiedliche Rechtsprechung der Bewertung der Aktien
und der festverzinslichen Wertpapiere wie folgt:
09/2014
45
Teil B
Bei Aktien fehlt es daran, dass deren spätere Veräußerung oder Einlösung zu
einem bestimmten Wert sichergestellt ist; der Inhaber einer im Wert gesunkenen Aktie muss vielmehr damit rechnen, dass der Wertverlust auf Dauer anhalten oder sich noch vergrößern wird. Die für die Behandlung festverzinslicher Wertpapiere ausschlaggebende Überlegung, dass diese bei Endfälligkeit
zu ihrem Nennwert eingelöst werden können, greift daher bei Aktien nicht, was
eine unterschiedliche Handhabung beider Bereiche rechtfertigt.
Beispiel 12
Einzelunternehmer A hält im Umlaufvermögen festverzinsliche Wertpapiere im Nennwert von 50.000 €, die er für 102 % = 51.000 € erworben hat und die bei Fälligkeit zu
100 % = 50.000 € eingelöst werden. Aufgrund einer Änderung des Zinsniveaus beträgt
der Börsenkurs dieser festverzinslichen Wertpapiere am Bilanzstichtag 31.12.2013 nur
noch 98 % = 49.000 €. Bis zum Tag der Bilanzaufstellung (15.03.2014) hat sich der
Börsenkurs auf 99 % = 49.500 € erholt (vgl. Beispiel 7 in Rn. 24).
Lösung
Die Verschlechterung des Zinsniveaus stellt handelsrechtlich zumindest eine vorübergehende Wertminderung dar. Deshalb müssen diese Wertpapiere in der Handelsbilanz zum 31.12.2013 nach § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB zwingend mit dem niedrigeren
Börsenkurs von 49.000 € aktiviert werden.
Steuerrechtlich kommt der Tatsache, dass die festverzinslichen Wertpapiere im Umlaufvermögen gehalten werden, bei der Beurteilung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung keine besondere Bedeutung zu. Wie auch bei festverzinslichen Wertpapieren des Anlagevermögens ist in der Steuerbilanz eine Teilwertabschreibung nur um 1.000 € auf 100 % = 50.000 € zulässig, weil die Wertpapiere bei
Endfälligkeit zum Nennwert eingelöst werden.
Beispiel 13
Wie Beispiel 12; A erfährt jedoch am 14.01.2014, dass die Gesellschaft, die die festverzinslichen Wertpapiere herausgegeben hat, Anfang Dezember 2013 in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Es ist davon auszugehen, dass diese Schwierigkeiten voraussichtlich nicht mehr behoben werden können und A bei Endfälligkeit der festverzinslichen Wertpapiere nur noch mit einer Rückzahlung von 20 % = 10.000 € rechnen
kann.
Lösung
Sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, weil die Wertminderung nicht auf das Kursniveau, sondern auf
die Zahlungsschwierigkeiten zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass A von diesen Zah-
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46
Teil B
lungsschwierigkeiten erst im Januar 2014 erfahren hat, stellt eine Wertaufhellung dar,
weil die Zahlungsschwierigkeiten bereits am Bilanzstichtag 31.12.2013 vorgelegen haben.
In der Handelsbilanz zum 31.12.2013 sind die festverzinslichen Wertpapiere deshalb
nach § 253 Abs. 4 Satz 2 HGB zwingend mit dem niedrigeren beizulegenden Wert
von 10.000 € zu aktivieren.
In der Steuerbilanz zum 31.12.2013 sind die festverzinslichen Wertpapiere nach § 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zwar grundsätzlich mit den Anschaffungskosten von 51.000
€ zu aktivieren. Da jedoch eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt, kann
A die festverzinslichen Wertpapiere in der Steuerbilanz zum 31.12.2013 nach § 6
Abs. Nr. 2 Satz 2 EStG wahlweise mit dem niedrigeren Teilwert von 10.000 € aktivieren.
4.
Wertaufholungsgebot
4.1
Grundsätze
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG sind Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zum Anlagevermögen des Stpfl. gehört haben, in den folgenden Wirtschaftsjahren mit den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten abzüglich AfA anzusetzen, es sei denn, der Stpfl. weist nach,
dass auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ein niedrigerer Teilwert
angesetzt werden kann.
Dies gilt nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG für Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren Anlagevermögens und des Umlaufvermögens entsprechend.
Die Finanzverwaltung führt zu dieser gesetzlichen Vorschrift in Rn. 26 – unverändert gegenüber der bisherigen Regelung – Folgendes aus:
Aufgrund des Wertaufholungsgebots ergibt sich der Wertansatz eines Wirtschaftsguts für
jeden Bilanzstichtag aus dem Vergleich der um die zulässigen Abzüge geminderten Anschaffungskosten oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle tretenden Werts als
der Bewertungsobergrenze und dem niedrigeren Teilwert als der Bewertungsuntergrenze.
Hat sich der Wert des Wirtschaftsguts nach einer vorangegangenen Teilwertabschreibung
wieder erhöht, so ist diese Betriebsvermögensmehrung bis zum Erreichen der Bewertungsobergrenze steuerlich zu erfassen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die konkreten Gründe für die vorherige Teilwertabschreibung weggefallen sind.
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47
Teil B
Praxishinweis:
Ist die Wertminderung nur noch vorübergehend, fällt die Zulässigkeit der Teilwertabschreibung in vollem Umfang weg! Das Wertaufholungsgebot greift ein.
Auch eine Erhöhung des Teilwerts aus anderen Gründen führt zu einer Korrektur des Bilanzansatzes (z.B. der Stpfl. kann oder will eine dauernde Wertminderung nicht nachweisen).
Praxishinweis:
Das bedeutet, die Finanzverwaltung wendet den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB in diesen Fällen nicht an! In Ausnahmefällen, z.B. im Zusammenhang mit Verlustabzügen, ist allerdings nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF vom 12.03.2010, BStBl I 2010 S. 239,
Rn. 15) zu prüfen, ob eine willkürliche Gestaltung vorliegt (s. auch Schubert/Andrejewski/Roscher in Beck`scher Bilanzkommentar, § 253 HGB Rn.
316).
Gleiches gilt auch, wenn die vorherige Teilwertabschreibung steuerlich nicht oder nicht
vollständig wirksam wurde, z.B. wegen steuerlichen Sonderregelungen in § 3 Nr. 40 EStG
und § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG (Rn. 28). Diese Regelungen dienen der Umsetzung
des Teileinkünfteverfahrens. Die Teilwertabschreibung als solche und das Wertaufholungsgebot bleiben hiervon unberührt.
4.2
Nachweispflicht
Ebenfalls unverändert sind die Ausführungen der Finanzverwaltung zur Nachweispflicht
(Rn. 27).
Danach hat der Stpfl. grundsätzlich die Bewertungsobergrenze anhand geeigneter Unterlagen (historische Anschaffungskosten oder Herstellungskosten) nachzuweisen. Vor allem
bei unbebauten Grundstücken kann auf die beim zuständigen Grundbuchamt vorliegenden
notariellen Verträge zurückgegriffen werden. Können die historischen Anschaffungskosten
oder Herstellungskosten nicht nachgewiesen werden, gilt der Buchwert, der in der ältesten
noch vorhandenen Bilanz als Anfangswert für die Wirtschaftsgüter ausgewiesen ist, als
Bewertungsobergrenze, es sei denn, die Finanzbehörde legt – z.B. auf Grund der dort
vorhandenen Unterlagen – eine höhere Bewertungsobergrenze dar.
09/2014
5.
48
Teil B
Verbindlichkeiten
Im bisherigen BMF-Schreiben vom 25.02.2000, a.a.O. sind die Verbindlichkeiten nicht
aufgeführt, dafür im BMF-Schreiben vom 12.08.2002, BStBl I 2002 S. 793. Die dortigen
Ausführungen wurden nahezu unverändert in Rn. 29 – 35 des neuen BMF-Schreibens
aufgenommen und an dieser Stelle noch einmal dargestellt.
5.1
Grundsätze
Verbindlichkeiten sind grundsätzlich mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen (§ 5
Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Nach der Spezialvorschrift in § 6
Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Bewertung der Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren
Anlagevermögens und Umlaufvermögens) anzusetzen (Rn. 29).
Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten ist grundsätzlich der Kurswert zum Zeitpunkt des
Entstehens der Verbindlichkeit maßgebend, denn dieser stellt die Anschaffungskosten dar.
Nur unter der Voraussetzung einer voraussichtlich dauernden Erhöhung des Kurswertes
kann an den nachfolgenden Bilanzstichtagen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Satz 2
EStG der höhere Wert angesetzt werden (Rn. 30).
Eine voraussichtlich dauernde Erhöhung des Kurswerts einer Verbindlichkeit liegt nur
bei einer nachhaltigen Erhöhung des Wechselkurses gegenüber dem Kurs bei Entstehung
der Verbindlichkeit vor. Die Änderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Stpfl. hiermit
aus der Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft rechnen muss.
Es müssen aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr Gründe für
als gegen eine Nachhaltigkeit sprechen.
Wichtig:
Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von jedenfalls 10
Jahren haben, begründet ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich
keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung.
Begründung:
Die Währungsschwankungen werden in der Regel ausgeglichen (Rn. 31 unter
Hinweis auf BFH vom 23.04.2009, BStBl II 2009 S. 778, und BFH vom
08.06.2011, BStBl II 2012 S. 716).
09/2014
49
Teil B
Hinweis:
Nach Auffassung der Finanzverwaltung in Baden-Württemberg ist davon auszugehen, dass sich Währungsschwankungen bei einer Darlehensrestlaufzeit
von mehr als einem Jahr ausgleichen können.
Folglich kann allenfalls in Fällen, in denen das Fremdwährungsdarlehen am
Bilanzstichtag eine Restlaufzeit von weniger als einem Jahr hat, eine Teilwertzuschreibung (Erhöhung des Passivpostens) nach dem Kurswert zum Bilanzstichtag erfolgen (s. Arge-Manuskript 07/2014 S. 7).
Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten!
Auf den Devisenmärkten übliche Wertschwankungen berechtigen nicht zu einem höheren Ansatz der Verbindlichkeit (Rn. 32; s. auch BMF vom 12.08.2002, BStBl I 2002
S. 793).
5.2
Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs
Derartige, zum Umlaufvermögen gehörende, Verbindlichkeiten liegen unter folgenden
Voraussetzungen vor (Rn. 34 unter Hinweis auf BFH vom 31.10.1990, BStBl II 1991
S. 471):
x
x
x
Ihr Entstehen hängt wirtschaftlich eng mit einzelnen bestimmbaren, nach Art des Betriebs immer wiederkehrenden und nicht die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens betreffenden laufenden Geschäftsvorfällen zusammen.
Dieser Zusammenhang bleibt bis zur Tilgung der Verbindlichkeit erhalten.
Die Verbindlichkeit wird innerhalb der nach Art des laufenden Geschäftsvorfalls allgemein üblichen Frist getilgt.
Dem Zeitpunkt der Tilgung oder Entnahme der Verbindlichkeit für die Bestimmung einer
voraussichtlich dauernden Werterhöhung kommt – entsprechend der Bewertung der
Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (s. Rn. 22 und Tz. 3.4.1) – eine besondere Bedeutung zu (Rn. 33).
Hält bei diesen Verbindlichkeiten eine Wechselkurserhöhung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Handelsbilanz (bzw. bis zur Aufstellung der Steuerbilanz, wenn keine Handelsbilanz zu erstellen ist) oder dem vorangegangenen Tilgungszeitpunkt oder Entnahmezeitpunkt an, ist davon auszugehen, dass die Werterhöhung voraussichtlich von
Dauer ist.
50
09/2014
Teil B
Zusätzliche Erkenntnisse bis zu diesen Zeitpunkten, z.B. Wechselkursschwankungen
auf Devisenmärkten, sind – anders als bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens
und Umlaufvermögens – zu berücksichtigen (Rn. 35).
¾ Diese Regelung entspricht (abgesehen von der Bewertung von Aktien) sinngemäß der
Bewertung der Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens!
¾ Das Beispiel 10 in Tz. 3.4.1 gilt entsprechend.
5.3 Folgen
Die Ausführungen in Rn. 29 – 35 ersetzen das bisherige BMF-Schreiben vom
12.08.2002, BStBl I 2002 S. 793. Dieses bisherige BMF-Schreiben wurde mit sofortiger
Wirkung ersatzlos aufgehoben. Eine Rechtsänderung ist dadurch nicht eingetreten!
6.
Zeitliche Anwendung
6.1
Grundsätze
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2008 enden, sind bei der Vornahme der steuerrechtlichen Teilwertabschreibung die Grundsätze des
BMF-Schreibens vom 12.03.2010, BStBl I 2010 S. 239
(Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung; Änderung des § 5 Abs. 1 EStG
durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 15.05.2009, BStBl I 2009 S. 650).
zu beachten (Rn. 36).
6.2
Bewertung festverzinslicher Wertpapiere im Umlaufvermögen
Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 08.06.2011, BStBl II 2012 S. 716, zur Bewertung
von festverzinslichen Wertpapieren im Umlaufvermögen sind
¾ spätestens in der ersten auf einen Bilanzstichtag nach dem 22.10.2012 (Tag der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 08.06.2011, a.a.O.) aufzustellenden Bilanz anzuwenden (Rn. 37).
¾ Dafür wurde das BMF-Schreiben vom 10.09.2012, BStBl I 2012 S. 939, mit sofortiger
Wirkung aufgehoben. Zu beachten ist, dass nach diesem aufgehobenen BMFSchreiben die geänderte BFH-Rechtsprechung frühestens in der ersten nach dem
08.06.2011 (Tag der Entscheidung) aufzustellenden Bilanz berücksichtigt werden
09/2014
51
Teil B
kann. Dieser Termin bleibt in allen Fällen, in denen die neue Rechtsprechung bereits
angewendet wurde, bestehen.
Aber: Bei künftigen Betriebsprüfungen, in denen die Bilanzen nach dem 08.06.2011,
aber vor dem 23.20.2012 aufgestellt worden sind, können die Grundsätze des neuen
BMF-Schreibens nicht erstmals berücksichtigt werden.
6.3 Anteile an Investmentfonds, die als Finanzanlage im Anlagevermögen
gehalten werden
Bei der Teilwertabschreibung von Anteilen an Investmentfonds, die überwiegend in börsennotierten Aktien als Vermögensgegenstände investiert sind und die als Finanzanlage
im Anlagevermögen gehalten werden, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet (Rn. 38), wenn bei einer Teilwertabschreibung vor dem 01.01.2015 noch die Regelungen des – ebenfalls aufgehobenen – BMF-Schreibens vom 05.07.2011, BStBl I
2011 S. 735, Anwendung finden, wonach bei der Ermittlung des niedrigeren Teilwerts der
Rücknahmepreis zu Grunde zu legen ist.
6.4
Andere Wirtschaftsgüter
Die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, soweit § 176 AO einer Änderung nicht entgegensteht.
09/2014
52
Teil C
Teil C: Nutzung eines betrieblichen
Elektro- und Hybridelektrofahrzeugs für private Fahrten
BMF vom 05.06.2014, BStBl I 2014 S. 835
1.
Vorbemerkung
Durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013
(BStBl I 2013 S. 802) wurde § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2013 um Sonderregelungen für Elektrofahrzeuge und extern aufladbare
Hybridelektrofahrzeuge ergänzt. Zu dieser gesetzlichen Regelung ist das o.a. BMFSchreiben vom 05.06.2014 ergangen. Über die Gesetzesänderung haben wir bereits im
Arge-Manuskript 07/2013 S. 324 berichtet.
2.
Definitionen
2.1
Elektrofahrzeug
Dies ist ein Kfz, das ausschließlich durch einen Elektromotor betrieben wird, der ganz oder
überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern (z.B.
Schwungrad mit Generator oder Batterie) oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern (z.B. wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle) gespeist wird.
Praxishinweis:
Nach dem Verzeichnis des Kraftfahrtbundesamtes (Stand: Juni 2012) weisen
die Codierungen 0004 und 0015 im Feld 10 der Zulassungsbescheinigung
ein Elektrofahrzeug aus.
2.2
Hybridelektrofahrzeuge
Dies ist ein extern aufladbares Hybridfahrzeug, das zum Zwecke des mechanischen Antriebs aus folgenden Quellen im Fahrzeug gespeicherte Energie/Leistung bezieht:
x
x
Betriebskraftstoff,
Speichereinrichtung für elektrische Energie/Leistung (z.B. Batterie, Kondensator,
Schwungrad mit Generator).
53
09/2014
Teil C
Praxishinweis:
Nach dem Verzeichnis des Kraftfahrtbundesamtes (Stand: Juni 2012) weisen
die Codierungen 0016 bis 0019 und 0025 bis 0031 im Feld 10 der Zulassungsbescheinigung ein Hybridelektrofahrzeug aus.
3.
Pauschale Ermittlung des privaten/pauschalen Nutzungswerts
3.1
Ermittlung des maßgebenden Listenpreises
Bemessungsgrundlage bei den Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen zur Ermittlung
x
x
x
des Entnahmewerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG,
der nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG oder
des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 EStG
ist nach Rn. 2 der
Inländische Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung
+ Kosten für Sonderausstattungen einschließlich USt
./. pauschaler Abschlag wegen Kosten für das Batteriesystem
Maßgebender Listenpreis für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge
¾ Abrundung auf volle Hundert Euro (Rn. 4)
Diese Minderung der Bemessungsgrundlage ist ab dem 1. Januar 2013 für die Kfz anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2023 angeschafft, geleast oder zur Nutzung überlassen werden – Rn. 12 (§ 52 Abs. 1 und Abs. 16 Satz 11 EStG).
Der pauschale Abschlag ist der Höhe nach wie folgt begrenzt (Rn. 3):
Anschaffungsjahr/
Jahr der Erstzulassung
Minderungsbetrag in Euro/kWh
der Betriebskapazität
Höchstbetrag in Euro
2013 und früher
500
10.000 €
2014
450
9.500 €
2015
400
9.000 €
50
5.500 €
….
2022
54
09/2014
Teil C
Werden die Kfz gebraucht erworben, richtet sich der Minderungsbetrag nach dem Jahr
der Erstzulassung.
Praxishinweis:
Der kWh-Wert kann Feld 22 der Zulassungsbescheinigung entnommen werden.
Beispiel 1
Einzelunternehmer A hat in 2014 ein Elektrofahrzeug (Bruttolistenpreis 45.000 €) mit
einer Batteriekapazität von 16,3 kWh erworben. Die betriebliche Nutzung beträgt 60 %.
Lösung
Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG:
Bruttolistenpreis
./. pauschaler Abzug (16,3 kWh x 450 € =)
45.000 €
7.335 €
Maßgebender Listenpreis
37.665 €
Abrundung auf volle 100 €
37.600 €
Nutzungsentnahme monatlich 1 % =
376 €
Beispiel 2
Wie Beispiel 1, aber der Listenpreis beträgt 109.150 €, die Batteriekapazität 26 kWh.
Lösung
Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG:
Bruttolistenpreis
./. pauschaler Abzug (26 kWh x 450 € = 11.700 €), höchstens
109.150 €
9.500 €
Maßgebender Listenpreis
99.650 €
Abrundung auf volle 100 €
99.600 €
Nutzungsentnahme monatlich 1 % =
996 €
Beachte:
Die pauschale Minderung der Bemessungsgrundlage ist nur dann vorzunehmen, wenn der
Listenpreis die Kosten des Batteriesystems beinhaltet. Wird das Batteriesystem nicht zusammen mit dem Kfz angeschafft, sondern ist für dessen Überlassung ein zusätzliches
55
09/2014
Teil C
Entgelt, z.B. In Form von Leasingraten zu entrichten, kommt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht in Betracht (Rn. 5).
Aber: Diese zusätzlichen Entgelte sind grundsätzlich als Betriebsausgabe abzugsfähig.
Beispiel 3
B hat in 2014 ein Elektrofahrzeug (Bruttolistenpreis 25.640 €) mit einer Batteriekapazität von 16 kWh erworben. Für die Batterie hat B monatlich zusätzlich eine Miete von
79 € zu zahlen. Die betriebliche Nutzung beträgt 60 %.
Lösung
Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG:
Bruttolistenpreis, abgerundet auf volle 100 €
25.600 €
Nutzungsentnahme monatlich 1 % =
256 €
Die monatliche Miete von 79 € ist in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig.
Aus Vereinfachungsgründen ist es auch zulässig, die Nutzungsentnahme ausgehend vom
Listenpreis für das Kfz mit Batteriesystem zu berechnen, wenn das gleiche Kfz am Markt
jeweils mit oder ohne Batteriesystem angeschafft werden kann.
Beispiel 4
Wie Beispiel 3, B könnte das Kfz auch zusammen mit dem Batteriesystem erwerben.
Der Bruttolistenpreis beträgt in diesem Fall 31.640 €.
Lösung
Bruttolistenpreis
./. pauschaler Abzug (16 kWh x 450 € =)
31.640 €
7.200 €
Maßgebender Listenpreis
24.360 €
Abrundung auf volle 100 €
24.300 €
Nutzungsentnahme monatlich 1 % =
243 €
Die monatliche Miete von 79 € ist in voller Höhe als Betriebsausgabe abzugsfähig.
2.3
Begrenzung der pauschalen Wertansätze (sog. Kostendeckelung)
Sind die Gesamtkosten des Kfz niedrig, so dass eine Kostendeckelung in Betracht kommt,
so ist bei der Ermittlung der Gesamtkosten nicht die tatsächliche AfA anzusetzen. Vielmehr sind zur Berechnung der AfA die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kfz um den
09/2014
56
Teil C
pauschalen Abschlag zu mindern. Dieser geminderte AfA-Betrag ist bei den Gesamtkosten zu erfassen (Rn. 7).
Enthalten die Anschaffungskosten keinen Anteil für das Batteriesystem und ist für die
Überlassung der Batterie ein zusätzliches Entgelt zu entrichten (s. Beispiel 3), sind die
für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Gesamtkosten nicht nur um dieses zusätzlich entrichtete Entgelt, sondern auch um vom Stpfl. zu tragende Reparaturkosten oder Wartungspauschalen für das Batteriesystem sowie um spezielle Batterieversicherungsbeiträge zu mindern (Rn. 8).
4.
Ermittlung des tatsächlichen privaten/individuellen Nutzungswerts
Werden die Entnahme, die nicht abziehbaren Betriebsausgaben oder der geldwerte Vorteil
mit den auf die jeweilige Nutzung entfallenden Aufwendungen bewertet und enthalten die
Anschaffungskosten für das Kfz einen Anteil für das Batteriesystem, ist die Bemessungsgrundlage für die AfA um die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in pauschaler Höhe festgelegten Beträge zu mindern (Rn. 9).
Beispiel 5
B hat im Januar 2013 ein Elektrofahrzeug mit Batteriekapazität von 16 kWh für
36.000 € erworben (Nutzungsdauer 6 Jahre, Bruttolistenpreis 43.000 €). Betriebliche
Nutzung lt. ordnungsgemäß geführtem Fahrtenbuch 83 %. Die Gesamtkosten für das
Kfz haben im Jahr 2013 14.000 € betragen. Darin enthalten sind u.a. AfA (6.000 €),
Kfz-Versicherung (1.000 €) und Stromkosten (900 €).
Lösung
Die Nutzungsentnahme beträgt nicht 17 % von 14.000 € = 2.380 €.
Für die Ermittlung der Gesamtkosten sind die Anschaffungskosten um den pauschal
ermittelten Minderungsbetrag von 8.000 € (16 kWh x 500 €) zu mindern. Die bei den
Gesamtkosten anzusetzende AfA beträgt folglich nur 1/6 von (36.000 € ./. 8.000 € =)
28.000 € = 4.666,67 €. Die Gesamtkosten sind um 1.333,33 € auf 12.666,67 € zu mindern. Die Nutzungsentnahme beträgt davon 17 % = 2.153,33 €.
Wird die Batterie gemietet oder geleast, sind entsprechend Rn. 8 (s. oben Tz. 3.2) die
Gesamtkosten um dieses zusätzlich entrichtete Entgelt zu mindern (Rn. 10).
Beispiel 6
Wie Beispiel 5, B hat jedoch das Batteriesystem des Elektrofahrzeugs nicht erworben,
sondern zahlt für die Batterie monatlich 79 € (= 948 € jährlich). Die Anschaffungskosten des Kfz haben deshalb nur 28.000 € betragen, der Bruttolistenpreis beträgt nur
35.000 €. Bei einer AfA von 1/6 von 28.000 € = 4.666,67 € ergeben sich Gesamtkosten
für das Kfz von (14.000 € ./. 1.333,33 € + 948 € =) 13.614,67 €.
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Teil C
Lösung
Die Gesamtkosten von 13.614,67 € sind um die Miete von 948 € auf 12.666,67 € zu
mindern. Die Nutzungsentnahme beträgt wie im Beispiel 5 davon 17 % = 2.153,33 €.
Das bedeutet, dass die monatliche Miete für die Batterie von 79 € in voller Höhe als
Betriebsausgabe abzugsfähig ist.
Wird das Kfz nicht erworben, sondern gemietet bzw. geleast und beinhalten die Miet-/
Leasinggebühren auch die Kosten des Batteriesystems, sind diese aufzuteilen. Die anteilig auf das Batteriesystem entfallenden Miet-/Leasinggebühren mindern die Gesamtkosten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (Rn. 11) bestehen keine Bedenken, wenn als
Aufteilungsmaßstab hierfür das Verhältnis zwischen dem Listenpreis einschließlich der
Kosten für das Batteriesystem und dem um den pauschalen Abschlag geminderten Listenpreis angesetzt wird.
Beispiel 7
Wie Beispiel 5, B hat das Kfz nicht erworben, sondern entrichtet eine monatliche Leasingrate von 400 €. Die Gesamtkosten betragen nur (14.000 € ./. 8.000 € + 4.800 € =)
10.800 €.
Lösung
Die Gesamtkosten sind für die Ermittlung der Nutzungsentnahme um die in den Leasingraten enthaltene anteilige Miete für das Batteriesystem zu kürzen. Dabei ist maßgebend das Verhältnis
Listenpreis
43.000 €
Listenpreis ./. pauschaler Abschlag (43.000 € ./. 8.000 €)
35.000 € = 18,6 %
Die Gesamtkosten von 10.800 € sind um 18,6 % der Leasingraten von 4.800 € =
892,80 € auf 9.907,20 € zu mindern. Die Nutzungsentnahme beträgt davon 17 % =
1.684,22 €.
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