Lässt sich Krebs aushungern? Dipl. oec. troph. Ulrike Gonder Hünstetten (Taunus) www.ugonder.de, [email protected] Krebsdiäten sollen das Tumorwachstum hemmen bzw. die Krebserkrankung heilen. Ihre Wirksamkeit ist durch Studien nicht belegt. Einige Krebsdiäten haben eine Zusammensetzung, wie sie für eine gesunderhaltende und krebspräventive Ernährung empfohlen wird ... Zu meiden sind meist Zucker, Weißmehlprodukte, Margarine, .... und Alkohol. Keinesfalls durchgeführt werden sollten Fastenkuren, mit denen der Tumor ausgehungert werden soll oder einseitige, zur Mangelernährung führende oder Mangelernährung verstärkende Ernährungsformen. Was kann eine „gute“ Ernährung leisten?       lebensnotwendige Stoffe gesundheitsförderliche Stoffe Darmflora gesund halten gesundes „inneres Milieu“ Genuss und Lebensfreude Krebsabwehr unterstützen  keine Wunder bewirken!  bietet große Chance!!! 3 Stoffwechselveränderungen bei Tumorerkrankungen Proteinstoffwechsel      P-Umsatz  P-Abbau Muskulatur  P-Synthese Leber  N-Bilanz negativ ... Lipidstoffwechsel      Lipidabbau  Lipidoxidation  Lipogenese  Blutlipide  ... Kohlenhydratstoffwechsel  Glukoseumsatz   Glukoseoxidation   anaerobe Glycolyse und Laktatbildung   Insulin   Insulinresistenz   Glukoseintoleranz   Glycogenolyse   Gluconeogenese aus Protein  Was also tun?  Protein   (hochwertige) Fette   Kohlenhydrate  mod. n. Bertz, H, Zürcher, G.: Ernährung und Onkologie, Schattauer 2014 Krebs: sehr früh Insulinresistenz Je insulinresistenter der Mensch und je mehr Kohlenhydrate gegessen werden, umso höher steigen (postprandial) die Blutzucker- und Insulinspiegel d. h.: Kohlenhydrate = Risiko für Insulinresistente  Übergewicht  Fettstoffwechselstörungen  Diabetes  Krebs Fett und Brustkrebs: die Hypothese Bingham, S, Eboli. E: Nature 2004/Vol.4/S.206-215 Obst, Gemüse, fettarme Kost und Prognose Pierce, JP et al: JAMA 2007;298:289-298  3.088 Patientinnen (18-70 Jahre), Laufzeit 7,3 Jahre,  Diätgruppe (1.537): viel Obst und Gemüse, max. 20 En% Fett  keinerlei Effekt auf Wiederauftreten und Lebenserwartung 9 Brustkrebs, Hyperinsulinämie und Prognose  prospektive Kohortenstudie, 512 Patientinnen  hohe Nüchtern-Insulinspiegel  Prognose  Goodwin, PJ et al: J Clin Oncology 2002/Vol.20/S.42-51  Patientinnen in Remission  geringes HbA1c Krone, CA, Ely, JT: Integrative Cancer Therapy 2005/Vol.4/S.25-31  79 diabetische vs. 158 nichtdiabetische BrCa Diabetikerinnen  Tumorstadium , -größe , häufiger Hormonrezeptor-negativ Wolf, I et al: Europ J Cancer 2006/Vol.42/S.1077-1082  Patientinnen mit Metabolischem Syndrom  3fach höheres Wiederauftreten Pasanisi, P et al: Int J Cancer 2006/Vol.119/S.236-238 10 Für niedrige Insulin- und Glukosespiegel: LOGIsch essen  abwechslungsreich LOGI  hohe Nährstoffdichte = Phytoöstrogene  reichlich  falls gewünscht, niedrige LOw Energiedichte  gute Fettqualität Glycemic  geringere and Kohlenhydratmenge, bessere KH-Qualität Insulinemic  höhere Proteinzufuhr  kaum Diet Zwischenmahlzeiten wegen guter Sättigung  individuell abzustimmen nach Prof. Dr. David Ludwig, Harvard-Universitätsklinik; modifiziert mit Erlaubnis des Autors Nährstoffzufuhr mit 2200 kcal Tagesplänen: DGE vs LOGI 335 % Vitamin A (Retinoläqu.) Vitamin D Vitamin E 342 % Vitamin C Vitamin B1 Vitamin B2 Vitamin B6 Vitamin B12 410 % Niacin (Niacinäqu.) Panthothensäure DG E Biotin Folsäure Natrium * Kalium * 764 % Calcium Magnesium Eisen Zink Fluor Jod Ballaststoffe 0 * DGE: Na:K = 5,7; LOGI: Na:K = 1,4; 50 100 150 200 Prozent der DGE-Zufuhrempfehlung 250 300 Omega-3-Fettsäuren pflanzliche      Raps Walnuss Hanf Leinsamen daraus hergestellte Öle Algen (DHA) tierische  Fisch (v.a. fette Kaltwasserfische)  Krustentiere  Wildfleisch  Fleisch, Milch und Eier von Weidetieren  Krillöl 13 Omega-3-Fettsäuren: v.a. EPA und DHA Anti-Krebswirkung  hemmen (in vitro) die Proliferation von Krebszellen  hemmen (in vivo) das Krebswachstum  Mensch: verbessern Chemotherapieeffekt, Lebensqualität und Stoffwechselfunktionen Anti-Kachexiewirkung  EPA (>1,5 g/d)  Abnahme gebremst  Gewichtszunahme  besserer Appetit  „lean body mass“ steigt  Lebensqualität steigt antikatabol / anabol, immunstimulierend, entzündungshemmend, Cytokine , apoptotisch, antiproliferativ, antiangiogenetisch z.B. Colomer: Brit J Nutr 2007/97/823-831, Spencer: Eur J Cancer 2009;45:2077-2086, Bougnoux: Br J Cancer 2009;101:1978-1985, Murphy: Br J Cncer 2011;105:1469-1473 14 Ziele der Ernährungstherapie nach E. Holm, 2003     Therapie unterstützen / Ansprechrate bessern Mangelernährung vermeiden Gewichtsverlust vermeiden / reduzieren Lebensqualität erhöhen / erhalten „metabolisch adaptierte“ Ernährung  Stoffwechsel der gesunden Gewebe fördern  Tumorstoffwechsel möglichst nicht stimulieren, evtl. hemmen  metabolische Abweichungen des Tumors zurückdrängen 15 Ketogene Diät  sehr fettreiche  kalorien- und eiweißbilanzierte  sehr kohlenhydratarme Ernährungsform bei der die Leber aus Fetten Ketone bildet:  alternativer „Brennstoff“,  entzündungshemmend,  gesunde Zellen schützend, vermutlich auch krebshemmend Die Keto-Pyramide mittlere Kohlenhydratmengen (ca. 10 g/100 g) nur in geringer Menge geeignet, Portionen berechnen mäßige Kohlenhydratmengen (ca. 3-7 g/100 g) in begrenzter Menge geeignet, Portionen berechnen eiweiß- und fettreich, praktisch kohlenhydratfrei täglich verzehren, für jede Mahlzeit geeignet bei großen Mengen Eiweiß berechnen sehr kohlenhydratarm (< 3 g/100 g) und/oder sehr fettreich täglich verzehren, für jede Mahlzeit geeignet Copyright: systemed 2013 Warum sollte eine KH-arme Diät in der Krebstherapie helfen? Bessere Versorgung des „Wirtes“  Energiegewinn über vermehrte Fettsäureverbrennung & Ketone!  Entzündungshemmende, neuroprotektive Wirkungen der Ketone  evtl. direkte antitumorigene Effekte der Ketone Schlechtere Versorgung des Tumors  Glukosespitzen und hohe Insulinspiegel werden vermieden  weniger Glykolyse  weniger Laktat Kämmerer, U 2012 Ergebnis: 5 dieser schwerst erkrankten Menschen hielt die ketogene Diät 12 Wochen lang ein und erreichte den Zustand einer „stable disease“. 5 von 9 Patienten:  26 Tage, 5 en% KH  Stabilisierung oder Teilremission (PET-Scan)  korreliert mit Ketose  Insulin gesenkt  kein Zusammenhang zu Gewichtsabnahme oder Kaloriendefizit Fazit: Es gibt keine Krebsdiät, Tumoren lassen sich nicht „aushungern“! Worauf kommt es an?  dass es gut schmeckt!  alle nötigen Nährstoffe  Vielfalt & Qualität  gesundheitsförderliche Stoffe  Frische & traditionelle Zubereitung  bei Mangel ggf. Ergänzung  in Absprache mit Therapeuten  körperliche Aktivität (Insulinsensitivität) und Sonnenlicht (Vitamin D) Was sollte vermieden werden?  Exzesse aller Art  Supplemente ohne Beratung  Mangelzustände Wie kann das aussehen?  Kohlenhydratreduzierte, nährstoffreiche Kost, z. B. LOGI  ggf. ketogene Kost – aber richtig! 21 Eine ketogene Diät ist eine  sehr fettreiche  kalorien- und eiweißbilanzierte  sehr kohlenhydratarme Ernährungsform Acetyl-CoA & niedriger Insulinspiegel Ketogenese in der Leber „Ketonkörper“ alternativer „Brennstoff“, v.a. ZNS, entzündungshemmend, gesunde Zellen schützend, vermutlich auch krebshemmend Ziel der Ernährungstherapie nach E. Holm, 2003  Wirtsstoffwechsel fördern  Tumorstoffwechsel nur minimal stimulieren, besser hemmen  metabolische Abweichungen des Tumors zurückdrängen  Empfindlichkeit gegenüber Therapien erhöhen  „metabolisch adaptierte“ Ernährung, die  Stoffwechsel des Patienten und  Stoffwechsel des Tumors berücksichtigt deutlich mehr Fett und Protein, deutlich weniger KH 24 Insulin, IGF = Wachstumsfaktoren  Insulin und IGF  Wachstumsfaktor, in gesunden Geweben und in Tumorgewebe  Tumorzellen  z.T. mehr Rezeptoren als gesunde  bei hohen Insulinspiegeln ein Vorteil Giovannucci, E: Cancer, Causes and Control 1995/Vol.6/S.164-179 Macaulay, VM: Brit J Cancer 1992/Vol.65/S.311-320 25 Hyperinsulinämie und Brustkrebs  Tumorgewebe Affinität zu  Rezeptoren mit starker Insulin und IGF  Insulin und IGF Östrogen  synergistisch mit  Insulin und IGF (Leber)  senken SHBG-Bildung  Hyperinsulinämie bei hohen  Brustkrebsrisiko steigt IGF1-Spiegeln  senkt IGF- Hankinson, SE et al: Lancet 1998/Vol.351/S.1393-1396 Weiderpass, E et al: Int J Cancer 1997/Vol.71/S.360-363 Augustin, LSA et al: Annals Oncology 2001/Vol.12/S.1533-1538 Romieu, I et al: Cancer Epidemiol Biomarker Prev 2004/Vol.13/S.1283-1289 Goodwin, PJ et al: J Clin Oncology 2002/Vol.20/S.42-51 Bindungsproteine  verschlechtert Prognose 26 Sojaverzehr und Prognose: China! Shu, XO et al: JAMA 2009;302:2437-2443  Shanghai Breast Cancer Survival Study  5.042 Patientinnen (20-75 J.)  4 Interviews  Sojaprotein  Soja-Isoflavone  Gesamt- und Brustkrebssterblichkeit  Wiederauftreten von Brustkrebs  3,9 Jahre Follow-up  444 Todesfälle  534 erneute Krebsfälle höchster Sojaproteinverzehr  Gesamtmortalität HR 0,71 (95% CI 0,54-0,92)  Wiederauftreten 0,68 (95% CI 0,54-0,87)  Tamoxifen, Rezeptorstatus kein Einfluss  4-Jahres-Mortalität: 10,3 vs. 7,4%  4-Jahres-Recurrence: 11,2 vs. 8,0% Tumor-Kachexie: Pathophysiologie Insulinresistenz Tisdale, Nature Reviews Cancer, 2002 LMF: lipid mobilizing factor APP: acute phase protein Bitte nicht verwechseln! Ketose = physiologisch Ketoazidose = pathologisch zugleich: Blutzucker sehr hoch, pH arteriell < 7,35 Hyperkaliämie, Patient schwach, müde mod. n. Newport, M: Alzheimer vorbeugen und behandeln. 2012 Fasten? Warburg-Effekt: Krebszellen „gären“  viel Laktat vorhanden, d.h., es wird Glukose vergoren  Krebszellen: auch wenn genug Sauerstoff vorhanden ist  schützt sie vor radikalischen Angriffen (Mitochondrien)  ineffizient: Glukosebedarf / -verbrauch 20- bis 30fach größer als bei Oxidation  schädlich: Laktat zerstört umliegendes Gewebe, -> Glukoneogenese Otto Warburg (1883-1970) Copyright Fotos: systemed Verlag Lünen Ketogene Ernährung: Speck & Eier-Diät? Ernährung und Krebs: Welche Erkenntnisse gibt es? „… eine stürmische Odyssee durch ein Meer von Inkonsistenzen…“ Walter Willett