Knochenmetastase

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METASTASEN DES KNOCHENS
Synonyme
Skelettmetastasen, Skelettfiliae, sekundär blastomatöse Läsionen (SBL)
Schlüsselwörter
Metastasen, Knochen, Tumor
Definition
Eine Knochenmetastase ist eine Fernabsiedelung eines malignen Primärtumors im Knochen.
Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie
Knochenmetastasen entstehen in aller Regel als Folge einer hämatogenen Tumorzellaussaat. Die
Veränderungen des betroffenen Knochens sind Folge der Fähigkeit von Tumorzellen, ortsständige
Osteoklasten (osteolytische Metastasen) oder Osteoblasten (osteoblastische Metastasen) zu
aktivieren, die ihrerseits Knochensubstanz entweder auflösen oder neu bilden. Die Tumorzellen
selbst sind mit wenigen Ausnahmen nicht in der Lage, Knochen zu zerstören oder neu zu bilden.
Klassifikation
Pathologisch-anatomische Klassifikation
Osteolytische Metastasen
Osteoblastische Metastasen
Gemischt osteolytisch/osteoblastische Metastasen
TNM-Klassifikation
Chirurgisches Staging-System nach Enneking et al. (1980)
Klassifikation des neurologischen Defizits bei Para- und Tetraplegie nach Frankel et al. (1979)
Medizinische Schlüsselsysteme
ICD-10-GM 2007
C79.5 Sekundäre bösartige Neubildung des Knochens und des Knochenmarkes
Anamnese
Spezielle Anamnese
• Primärtumorerkrankung, Stadium, Verlauf und bisherige Behandlung
• Schmerzen: Lokalisation, Ausstrahlung, Dauer, Intensität, Belastungsabhängigkeit,
Tagesrhythmus
• Funktionseinschränkung, Funktionsausfälle
• Tumorprogresszeichen (z.B. Gewichtsverlust, paraneoplastische Symptomatik)
Allgemeine Anamnese: Begleiterkrankungen, Medikamente
Sozialanamnese
Diagnostik
Bestimmung des Tumorstadiums.
Klinische Diagnostik
•
•
•
•
Allgemeine klinische körperliche Untersuchung (Cave patholog. Fraktur!)
Beurteilung der Beweglichkeit
Ggf. primärtumorspezifische zusätzliche Fachuntersuchung
Neurologische Untersuchung
Apparative Diagnostik
Notwendige apparative Untersuchungen
• Röntgenaufnahme in 2 Ebenen der betroffenen Region (alternativ CT mit Rekonstruktion)
• Bei langen Röhrenknochen vor OP: Röntgenaufnahme mit beiden angrenzenden Gelenken
• Bei Lokalisation im Bereich der Wirbelsäule: Röntgenaufnahme der gesamten Wirbelsäule
• MRT und/oder CT bei Lokalisation im Bereich der Wirbelsäule oder des Beckens
• MRT zur Beurteilung des extraossären Tumoranteils
Weitere apparative Untersuchungen
• MRT und/oder CT bei Lokalisation im Bereich der Extremitäten
• Ganzkörperskelettszintigraphie (ggf. SPECT), –MRT, –CT oder PET im Rahmen des
Stagings
• Sonographie
• Labor: u.a. Tumormarker, Serum- und Urinimmunelektrophorese
• Apparative neurophysiologische Diagnostik
• Bei unbekanntem Primärtumor und/oder Solitärherd: Biopsie zur histologischen
Diagnosesicherung (soweit z.B. keine neurologische Notfallsituation besteht) unverzichtbar!
PET-CT zur Primumsuche
Liegt keine sofortige Operationsindikation vor (z.B. akute neurologische Symptomatik), ist die
Natur der Erkrankung (Histologie) und die Ausdehnung (solitär Knochen, multipel Knochen,
viszeral) vor der weiteren Operationsplanung zu klären.
Häufige Differentialdiagnosen
•
•
Primärer Knochen-oder Weichteiltumor inklusive eines Multiplen Myeloms oder Lymphoms
Osteomyelitis
Klinische Scores
Karnofsky-Index (1967)
Therapie
Prinzipiell ist die Therapieplanung interdisziplinär vorzunehmen!
Knochenmetastasen sind nach heutigem Kenntnisstand zwar als Zeichen der Generalisation einer
Erkrankung zu verstehen. Stadien- und tumorabhängig kann durch einen resezierenden Ansatz
(R0) die Prognose der Patienten verbessert werden. Insbesondere solitäre Metastasen von
Schilddrüsenkarzinomen oder Nierenzellkarzinomen sind hier zu erwähnen.
Das lokal resezierende Vorgehen kann weiterhin gerade bei Patienten mit schlechtem Ansprechen
eventueller Tumorresiduen auf eine Strahlentherapie (Nierenzellkarzinom) die Rate lokaler
Folgekomplikationen durch Tumorrezidive deutlich senken. Metastasen von Karzinomen mit
schlechter Prognose (z.B. Bronchialkarzinome) sollten hingegen durch ein möglichst wenig
invasives Vorgehen behandelt werden. Metastasen von Karzinomen mit bekanntermaßen gutem
Ansprechen auf eine lokale Strahlentherapie (Mammakarzinom) sind ggf. konservativ oder
intraläsional mit nachfolgender Radiatio zu behandeln. Resezierende Ansätze können aber im
Einzelfall auch aufgrund der oft sehr langen Überlebenszeiten von Vorteil sein. Dies ist hier immer
bei der Wahl geeigneter operativer Techniken und Instrumentarien zu berücksichtigen.
Ziele sind:
• Schmerzreduktion
• Funktionserhalt (Prävention von Frakturen und/oder Myelokompression)
• Funktionswiederherstellung (Stabilisation von eingetretenen Frakturen und/oder
Beseitigung einer
• Myelokompression)
• Prävention eines lokalen Metastasenrezidives
• Kuration in Einzelfällen
Konservative Therapie
Therapiemöglichkeiten:
• Lokale Radiatio
• Systemische Chemotherapie ggf. in Kombination mit lokal adjuvanten Maßnahmen
• Hormontherapie
• Ggf. Embolisation von Tumorgefäßen
• Radionuklidtherapie
• Weitere (z.B. Radiofrequenzablation, Kryotherapie etc.)
Operative Therapie
Die Situation des tumorkranken Patienten mit behandlungspflichtigen Skelettmetastasen ist in
folgender
Weise charakterisiert:
•
•
•
•
Oft erheblicher Schmerzzustand
Eingetretene oder drohende pathologische Fraktur
Bei Wirbelsäulenbefall: eingetretene oder drohende Myelonkompression mit bestehendem
oder
drohendem neurologischem Defizit
Mehr oder weniger ausgeprägte Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes durch
generalisiertes
Tumorleiden
Allgemeine Indikationskriterien
o Neurologisches Defizit: Ausmaß, Geschwindigkeit der Entwicklung, Dauer des Bestehens
o Stabilität klassifiziert in: erhalten, bedroht, aufgehoben
o Histologie des Primärtumors
o Resultate und Risiken nichtoperativer Behandlungsverfahren
o Schmerzcharakteristik
o
o
o
Allgemeinzustand des Patienten, Begleitrisiken
Prospektive Überlebenszeit (Disseminationsgrad, Progress)
Lokalbefund
Angesichts der schweren Beeinträchtigung eines Tumorpatienten durch eine bereits eingetretene
pathologische Fraktur entscheidet über die Indikation zur Operation neben der prospektiven
Überlebenszeit vor allem die Frage, ob der Patient den vorgesehenen Eingriff überstehen wird und
eine Verbesserung der Prognose oder der Lebensqualität erwartet werden kann.
In folgenden Situationen besteht eine Operationsindikation:
•
Lokalisation im Bereich der Extremitäten
o Manifeste Fraktur eines langen Röhrenknochens
o Drohende Fraktur (z.B. Mirels-Score >=9)
o Prognostische Erwägungen
•
Lokalisation im Bereich der Wirbelsäule
o Therapieresistente Schmerzen
o Progrediente neurologische Symptomatik
o Instabilität oder drohende Gefährdung des Myelons
o Ggf. Orientierung an prognostischen Scores (z.B. Tomita, Tokuhashi, Bauer)
o Prognostische Erwägungen
Standardoperationsverfahren
Ziele sind Stabilisierung/Stabilitätserhalt, Gelenkfunktionserhalt/Wiederherstellung, lokale
Tumorkontrolle (Rezidivvermeidung) und ggf. Prognoseverbesserung. Resezierende und
nichtresezierende Verfahren müssen dabei sorgfältig hinsichtlich ihrer zu erwartenden
onkologischen und Lokalrezidiv-vermeidenden wie auch funktionalen Vor- und Nachteilen
abgewogen werden.
Nichtresezierende intraläsionale Verfahren (Verbundosteosynthesen, intramedulläre Kraftträger)
sind so z.B. gut geeignet in der Therapie gelenkferner Läsionen, der (tumor-)endoprothetische
Ersatz wird eher im gelenknahen Bereich zum Einsatz kommen. Generell sind dabei die
Indikationsgrenzen für gelenknahe Frakturen bei strahlensensiblen Tumoren wie z.B. dem
Mammakarzinom auch auf intraläsional implantierte konventionelle Prothesen (ggf. Langschaft)
oder intraläsionale Verfahren wie intramedulläre oder extramedulläre Kraftträger ausdehnbar.
Wenig strahlensensible Läsionen, wie das Nierenzellkarzinom sollten in Abhängigkeit von der
Prognose auch bei gelenkfernen Läsionen reseziert (R0) werden. Gerade Rezidive dieser
Läsionen nach Nagelungen können die Lebensqualität des Patienten erheblich beeinträchtigen
oder bei nicht resezierten isolierten Läsionen die Prognose deutlich verschlechtern. Im Bereich der
Wirbelsäule muß die Wahl des operativen Zuganges (dorsal/ventral) wie auch die Wahl der
Spondylodesestrecke ebenfalls die Prognose des Patienten berücksichtigen.
Minimalinvasive Verfahren (z.B. Vertebroplastien, Radiofrequenzablationen, perkutane
Knochenzementauffüllung etc.) können bei strahlensensiblen Tumoren oder bei Patienten in nicht
narkosefähigen Allgemeinzustand eine Ergänzung des operativen Instrumentariums sein. Bei
hypervaskularisierten Tumoren wird die präoperative Embolisation in Abhängigkeit von Lokalisation
und OP-Verfahren empfohlen.
Patientenaufklärung
Risiken und Komplikationsmöglichkeiten sind abhängig von Lokalisation der Metastasen und
gewähltem Operationsverfahren. Das Vorliegen einer Patientenverfügung ist zu dokumentieren.
Prognose
•
•
•
Die Prognose quoad vitam ist im hohem Maß von der Histologie des Primärtumors
abhängig.
Die Prognose wird gravierend verschlechtert durch zusätzlich vorhandene viszerale
Metastasen.
Die interdisziplinäre Therapie entscheidet über die Qualität der verbleibenden Lebenszeit.
•
Die Verfahrenswahl (z.B. resezierendes Vorgehen bei isolierten Metastasen des
Nierenzellkarzinoms) kann das Risiko eines Lokalrezidives reduzieren und ggf. die
Prognose verbessern.
Anhang
Klassifikation des neurologischen Defizites nach Frankel
A motorisch und sensibel komplett
B motorisch komplett, sensibel inkomplett
C motorisch inkomplett, funktionell "nutzlos"
D motorisch inkomplett, "brauchbare" Restfunktion (häufig gehfähig)
E keine neurologische Symptomatik
Karnofsky-Index
Normale Aktivität möglich,
eine spezielle Pflege
notwendig
Arbeitsunfähigkeit besteht.
Überwiegend elbständige
Versorgung zu Hause
möglich, nterschiedliches Maß
von ilfsbedürftigkeit.
Selbstversorgung unmöglich,
professionelle Hilfe oder
Krankenhauspflege
notwendig.
Möglicherweise rascher
Krankheitsprogreß.
Normalzustand, keine Krankheitszeichen
100 %
Normale Aktivität möglich, geringere Krankheitssymptome
vorhanden
Normale Aktivität mit etwas Anstrengung möglich,
Krankheitszeichen vorhanden
Selbstversorger. Normalaktivität oder Arbeitsfähigkeit
jedoch nicht gegeben.
Gelegentliche Hilfe notwendig, jedoch fast selbständig.
90 %
80 %
70 %
60 %
Hilfsbedürftigkeit in größerem Umfang gegeben,
medizinische Hilfe oft notwendig.
Erhebliche Beeinträchtigung durch Krankheitsverlauf.
Spezielle medizinische und soziale Hilfe notwendig.
Schwere Beeinträchtigung, Krankenhauspflege indiziert,
eine unmittelbare vitale Bedrohung.
Schwerstkrank, Kankenhaus-flege notwendig, aktiv unterstützende Therapie notwendig
Moribund, rascher Kankheitsprogress
50 %
Tod
0%
40 %
30 %
20 %
10 %
Frakturrisiko metastasenbefallener Röhrenknochen nach Mirels
Score
Faktor
Lokalisation
Schmerz
Läsion
Größe
1
Obere Extremität
Gering
Osteoblastisch
< 1/3 der kortikalen
Zirkumferenz
2
Untere Extremität
Mäßig
Gemischt
1/3 - 2/3 der
kortikalen
Zirkumferenz
Score >=9 Punkte: Hohes Frakturrisiko, OP-Indikation gegeben!
3
Peritrochantär
Schwer
Osteolytisch
> 2/3 der kortikalen
Zirkumferenz
Tomita Score
Punkte
1
2
4
Prognostische Faktoren
Primärtumor
Langsam wachsend (Brust,
Schilddrüse etc.)
Mäßig wachsend (Niere,
Uterus etc.)
Schnell wachsend (Lunge,
Magen etc.)
Therapieziele und operative Maßnahmen
Punkte
Behandlungsziel
2-3
Langfristige lokale Kontrolle
4-5
Mittelfristige lokale Kontrolle
6-7
Kurzzeitpalliation
8-10
Endstadium
Viszerale
Metastasen*
Dissemination
Knochen**
Solitär
Behandelbar
Multiple
Nicht behandelbar
Operative Strategie
Weite oder marginale Resektion
Marginale oder intraläsionale Resektion
Palliative Chirurgie
Unterstützende Maßnahmen
*Keine viszerale Metastasen = 0 Punkte
** Knochenmetastasen inkl. spinaler Metastasen
Tokuhashi-Score
Allgemeinbefinden
(Karnofsy-Index)
Anzahl der extraspinalen
ossären Metastasen
Anzahl der
Wirbelmetastasen
Metastasen der großen
inneren Organe
Primärtumor
Neurologie
Schlecht (10–40%)
Moderat (50–70%)
Gut (80–100%)
>3
1–2
1
>3
1–2
1
Resektabel
Nichtresektabel
Keine Metastasen
– Lunge, Magen, Ösophagus, Pankreas, Blase,
Osteosarkom
– Leber, Gallenblase
– Undefiniert, Sonstige
– Niere, Uterus
– Rektum
– Schilddrüse, Brust, Prostata, Karzinoid
Komplett (Frankel A,B)
Inkomplett (Frankel C, D)
Keine (Frankel E)
Erwartete Prognose
Punktwert bis 8
Punktwert 9–11
Punktwert <12
<6 Monate
6 Monate bis 1 Jahr
:>1 Jahr
Therapeutische Maßnahmen:
Punktwert 0–8
Punktwert 9–11
Punktwert 12–15
Nichtoperative Maßnahmen
Palliative, operative Maßnahmen: Laminektomie + Stabilisierung,
ggf. R2-Resektion
R0/R1-Resektion mit Wirbelkörperersatz/Stabilisierung
Score nach Bauer
Prognose von Patienten mit Knochenmetastasen
Charakteristik
Fehlen von viszeralen Metastasen
Fehlen einer pathologischen Fraktur
Eine solitäre Skelettmetastase
Primärtumor ist nicht Lunge
Primärtumor ist Mamma, Niere, Lymphom
oder Myelom
Prognose
4-5 Punkte
2-3 Punkte
0-1 Punkte
Punktwert
1
1
1
1
1
1-Jahresüberlebensrate von
50%
1-Jahresüberlebensrate von
25%
Prognose < 6 Monaten
0
1
2
0
1
2
0
1
2
0
1
2
0
1
2
3
4
5
0
1
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