1 Thema des Forschungsprojektes: „Einfluss der Resektion des Primärtumors auf die metachrone Metastasierung des kolorektalen Karzinoms im orthotopen Mausmodell“ Bösartige Tumoren des Dick- und Enddarms gehören mit 412.000 Neuerkrankungen und 207.000 Todesfällen pro Jahr zu den häufigsten Krebserkrankungen in Europa. Der Tumor selbst ist meist chirurgisch gut zu entfernen, bildet jedoch in ca. 30-50% der Fälle bei Diagnosestellung oder im Intervall Tochtergeschwulste (sog. Metastasen) vor allem in der Leber aus. Obwohl auch diese oft noch chirurgisch entfernt werden können, ist die Prognose bei Auftreten solcher Fernmetastasen deutlich verschlechtert. Im Falle einer metastasierten Krebserkrankung rückt dann die systemische Therapie durch Chemotherapie oder zielgerichtete Therapieformen (z.B. Antikörper oder sog. „Kleine Moleküle“) in den Mittelpunkt. Jedes neue Medikament, das bei Patienten angewendet werden soll, muss vor Erprobung am Patienten und anschließender Zulassung durch die nationalen Zulassungsbehörden (in Deutschland die Europäische Arzneimittelagentur bzw. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) in der Zellkultur und danach im Tier auf Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet werden. Das klassische Tiermodell zur Testung von onkologischen Medikamenten ist hierbei das subkutane Flankenmodell: Den Tieren werden Zellen der betreffenden Tumorentität in die Flanke unter die Haut injiziert. Der sich daraufhin unter der Haut entwickelnde Tumor wird dann mit der zu testenden Substanz behandelt und die Größenentwicklung bzw. Wachstumsverlangsamung durch die Therapie nachverfolgt. Trotz der unbestrittenen Vorteile dieses Modells (Einfachheit, sehr gute Reproduzierbarkeit, vergleichsweise geringe Belastung für die Tiere) halten wir es insbesondere beim kolorektalen Karzinom für unzureichend: Was durch dieses Modell nachgestellt werden kann, ist nur das Wachstum des Primärtumors; die Metastasierung, die aus oben beschriebenen Gründen beim Darmkrebs deutlich wichtiger für die Prognose der Patienten ist als der Primärtumor, kann nicht simuliert werden. Somit kann mit Daten aus dem Flankenmodell keine Aussage über den Einfluss einer Substanz auf die Metastasierung getroffen. Ein Paradoxon, da systemisch wirksame Substanzen gerade in der metastasierten Situation verabreicht werden, während beim lokalisierten Tumorleiden vor allem die Chirurgie die zentrale Rolle spielt. So kommt es auch, dass es inzwischen Hinweise gibt, dass eine wichtige Klasse von zielgerichteten Wirkstoffen, den sogenannten Angiogeneseinhibitoren (insbesondere den Inhibitoren des Vascular Endothelial Growth Factors), die bereits bei Tausenden von Patienten mit Darmkrebs eingesetzt wurden, die Metastasierung verschiedener Tumoren eher fördern denn verhindern. Mithin ist es unumgänglich, bessere Modelle des kolorektalen Karzinoms zu entwickeln, die in der Lage sind, die Tumorzellausschwemmung und Metastasierung möglichst kliniknah nachzustellen. 2 Die naheliegende Herangehensweise ist in diesem Fall die Injektion der Tumorzellen an den natürlichen Ort des Tumorwachstums, in diesem Fall den Dickdarm. Die so entstehenden Tumoren haben das gleiche Blutabstromgebiet wie im Patienten und metastasieren deshalb zuverlässig in die Leber sowie nachfolgend in die Lunge. In unserem Labor haben wir im vergangenen Jahr erfolgreich ein solches Modell etabliert. Hierbei injizieren wir unter dem Operationsmikroskop 1 Million Tumorzellen in die Wand des Dickdarms. Dabei verwenden wir eine spezielle Injektionspumpe, die es ermöglicht, die Zellen, die in einem Volumen von 20 μl gelöst sind, über einen Zeitraum von 60 sec (also ca. 330 nl/s) gleichmäßig zu injizieren. Nach ca. 1-2 Wochen entwickeln die Tiere makroskopisch sichtbare Tumoren, nach etwa 6-8 Wochen treten Lymphknoten- sowie Leber- und Lungenmetastasen auf. Eine Besonderheit unseres Modells ist, dass wir in der Lage sind, zirkulierende Tumorzellen (CTC) im Blut der Tiere nachzuweisen, zu quantifizieren und genetisch zu charakterisieren. Diese CTC sind in den letzten Jahren immer mehr in den Focus der onkologischen Forschung gerückt, mehrere Arbeiten u.a. aus unserer Gruppe konnten ihre wichtige prognostische Bedeutung im Darmkrebspatienten belegen. So läuft derzeit bei uns ein Versuch im orthotopen Kolonkarzinommodell, das die genetischen Unterschiede zwischen Tumorzelle im Primärtumor und zirkulierender Tumorzelle untersucht. Da der Primärtumor im Patienten fast immer chirurgisch entfernt wird und die Metastasen oft Monate bis Jahre nach der primären TumorOperation auftreten, wollen wir nun einen Schritt weiter gehen und auch die chirurgische Entfernung des Tumors in unser Modell mit aufnehmen. Hierfür sollen zu vorab festgelegten Zeitpunkten (Tag 20, 30 und 40 nach Tumorzellimplantation) die Tiere erneut operiert und der Tumor samt dem tumortragenden Darmabschnitt entfernt werden. Eventuell sichtbare Lymphknotenmetastasen werden dabei analog zur Operation beim Patienten ebenfalls entfernt. Wir erwarten, dass die Tiere nach frühen Operationen zu einem hohen Prozentsatz keine Metastasen mehr entwickeln, also als geheilt gelten können. Bei später operierten Tieren ist zu erwarten, dass sie aufgrund der im Blut vorhandenen zirkulierenden Tumorzellen trotz Entfernung des Primärtumors Metastasen in Leber und Lunge entwickeln werden. Die Technik der chirurgischen Tumorentfernung bei Mäusen ist in unserem Labor bereits etabliert. Gelingt es uns, dieses Modell so zu etablieren, dass wir die Tiere zu einem bestimmten Zeitpunkt operieren, nach dem sie in 30-50% der Fälle dennoch Metastasen entwickeln, ist es uns gelungen, die klinische Situation mit maximaler Realitätsnähe nachzustellen. Mit einem derartigen Modell wird es dann möglich sein Substanzen zu testen, die nach („adjuvant“) oder sogar vor („neoadjuvant“) der Tumoroperation gegeben werden können, um eine spätere Metastasierung zu verhindern. Somit wäre es erstmals möglich, systemische Therapien des Kolonkarzinoms in einem Tiermodell zu untersuchen, das auch der klinischen Situation entspricht; die Ergebnisse solcher Untersuchungen wären dadurch um ein vielfaches valider als die Daten aus heutigen Tiermodellen. Die apparative Ausstattung und das Know-How sind bereits komplett in unserer Arbeitsgruppe vorhanden. Verbrauchsmaterialien und Versuchstiere (incl. Versuchstierhaltung) werden vollständig aus laufenden Sachmitteln gedeckt. Wir beantragen daher von der Heidelberger Stiftung Chirurgie Fördermittel in Höhe von EUR 1000,- / Monat 3 über ein Jahr (Gesamtsumme EUR 12.000,-) für einen Gastwissenschaftler, der dieses Projekt verantwortlich durchführen und das Modell etablieren soll.