Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/dossier/metastasierung-vontumoren/ Metastasierung von Tumoren Die Gefährlichkeit einer Krebserkrankung hängt in hohem Maße von der Fähigkeit der Tumorzellen zur Metastasierung ab. Das heißt ihrer Ausbreitung und Ansiedlung in anderen Organen des Körpers, wo sie Sekundärtumoren bilden. Es ist diese Fähigkeit der Krebszellen, die eine Behandlung so schwierig macht. Oft wird der Krebs nicht an den Symptomen des Primärtumors, sondern erst am Wachstum von Sekundärtumoren erkannt. Die Metastasierung von Krebszellen ist der Grund, warum eine Früherkennung so wichtig ist. Wenn der Krebs entdeckt und entfernt werden kann, bevor die Metastasierung eingesetzt hat, stehen die Chancen auf eine vollständige Heilung gut. Wenn die Zellen sich vom Primärtumor gelöst haben und an anderen Stellen im Körper wachsen, ist die Behandlung viel schwieriger, und die meisten Personen mit Metastasen sterben irgendwann an dem Krebs. Unterschiedliche Krebsformen unterscheiden sich stark in ihrem Metastasierungspotenzial. Zwar hängt der Grad der Bösartigkeit eines Tumors auch von der Zellteilungsrate ab und vom Ort, wo er wächst (und mehr oder weniger leicht nachzuweisen ist); der wichtigste Faktor ist jedoch, wie leicht sich die Tumorzellen vom Primärtumor ablösen und Metastasen bilden können. Das spiegelt sich auch in der Statistik beim Vergleich von Erkrankungs- und Sterbefällen für die einzelnen Krebsarten wider. Neue Fälle von Krebserkrankungen und krebsbedingte Todesfälle in Deutschland Ort des (Primär-)Tumors Lunge Brust Kolon und Rektum Prostata Pankreas Magen Ovarien Nieren und efferenter Harnleiter Ösophagus Krebsbedingte Todesfälle Neue Fälle von 2004 Krebserkrankungen 2004 Männer Frauen Männer Frauen 28.820 11.026 32.850 11.026 17.592 57.230 13.748 14.034 37.250 36.000 11.135 58.570 6.412 6.596 6.320 6.620 6.276 5.197 11.000 7.780 5.479 9.660 4.140 1.987 10.750 6.500 3.476 1.071 3.880 1.050 1 Uterus (Corpus) 2.553 11.700 Zervix 1.660 6.190 Malignes Melanom der Haut 1.256 1.037 6.520 8.380 Alle malignen Tumoren (ohne 110.745 98.079 230.500 206.000 Nicht-Melanom-Hautkrebs) Quelle: Cancer in Germany 2003-2004; Incidence and Trends (Robert Koch Institute Berlin) Die Tabelle zeigt die besondere Bösartigkeit von Lungen- und Pankreaskrebs; bei ihnen ist die Zahl der Todesfälle annähernd so hoch wie die Zahl der Neuerkrankungen. Diese Krebsformen bilden leicht Metastasen und sind zudem schwer zu entdecken. Haben die Tumoren bereits Metastasen gebildet, ist eine dauerhafte Heilung nicht mehr zu erreichen. Das Prostatakarzinom hingegen, die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Männern, führt wegen seines langsamen Wachstums und seiner geringeren Neigung zur Metastasierung relativ seltener zum Tode. Bei Brustkrebs, der häufigsten Krebserkrankung der Frau, und ähnlich beim Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) konnte die Zahl der Todesfälle vor allem deswegen gesenkt werden, weil der Krebs dank der so genannten Vorsorgeprogramme (eigentlich Früherkennungsuntersuchungen) oftmals nachgewiesen und therapiert werden kann, bevor er Metastasen bilden konnte. Die, gemessen an der Zahl der Erkrankungen, relativ niedrige Zahl von Todesfällen beim Malignen Melanom der Haut, dem Schwarzen Hautkrebs, liegt ebenfalls daran, dass man den Krebs wegen seiner exponierten Position früh erkennt. Tatsächlich ist das Melanom häufig ein hochgradig metastasierender Tumor, der eine schlechte Prognose aufweist, wenn er die inneren Organe befallen hat. Schema eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms mit Lymphknotenmetastasen © Roche Relativ oft (in zwei bis zehn Prozent aller Patienten mit der Diagnose Krebs) werden ein oder mehrere Metastasen gefunden, ohne dass die Ärzte wissen, wo der Primärtumor liegt. Man spricht dann vom CUP-Syndrom („cancer of unknown primary"). Oft zeigen genauere oder nachträgliche Untersuchungen, dass der ursprüngliche Tumorherd in der Lunge oder im Pankreas gesessen hat, also besonders stark metastasierenden Krebsarten. In vielen Fällen bleibt die Suche nach dem Primärtumor jedoch erfolglos. Wenn die Metastasen sich auf einen begrenzten Organbereich beschränken, wird man versuchen, sie chirurgisch oder durch fokussierte Strahlentherapie zu entfernen; das kann mit modernsten Geräten wie dem LaserSkalpell auch ohne tiefgreifende Operation erfolgen. Sind bereits mehrere Organe betroffen, 2 bleibt oft nur eine Behandlung mit Krebsmedikamenten (meist eine Chemotherapie ), die relativ unspezifisch das Zellwachstum im ganzen Körper hemmen. Die Charakterisierung von Krebszellen mithilfe der Molekulardiagnostik hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Der Nachweis zelltypspezifischer Marker, besonders von Zelloberflächenrezeptoren, ist ein wichtiges Kriterium, um Metastasen und den Primärtumor zu identifizieren. In einigen Fällen konnten daraus spezifische Therapien entwickelt werden, die auch gegen Metastasen wirksam sind. So ist der gegen den Oberflächenrezeptor HER-2/neu gerichtete monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin) zur Therapie von metastasiertem Brustkrebs zugelassen, wenn der Rezeptor auf den Krebszellen überexprimiert ist, was bei einem Drittel bis einem Viertel der Patientinnen zutrifft. Der gegen den „Epidermal Growth Factor Receptor" (EGFR) gerichtete Antikörper Cetuximab (Erbitux) wird bei Dickdarmkrebs eingesetzt, um die Invasion der Tumorzellen in gesundes Gewebe und die Bildung von Metastasen zu hemmen. Gegenwärtig laufen klinische Studien, um diesen therapeutischen Antikörper auch bei anderen Krebsarten wie dem nicht-kleinzelligen Lungenkrebs einzusetzen. Metastasierende Krebszellen können nur dann zu bedrohlichen Tumoren auswachsen, wenn sie über den Blutstrom ausreichend ernährt werden. Zu diesem Zweck induzieren die Krebszellen die Bildung neuer Blutgefäße (Angiogenese); ein Faktor dabei ist die Bildung und Ausschüttung des „Vascular Endothelial Growth Factor“ (VEGF). Eingriffe in die Interaktion der Tumorzellen mit den Zellen der Blut- und Lymphgefäßwände, besonders die Blockierung der Tumorangiogenese etwa durch Inhibitoren der VEGF-Signalkette, sind ein intensiv untersuchter therapeutischer Ansatz. Dazu gehört der therapeutische Antikörper Bevacizumab (Avastin), der bei metastasiertem Kolonkarzinom eingesetzt wird und bereits jetzt zu den bestverkauften biotechnologisch hergestellten Medikamenten überhaupt gehört. In den letzten Jahren haben sich die Hinweise verdichtet, dass die große Masse von Krebszellen eines Primärtumors nicht zur Metastasenbildung fähig ist. Vielmehr scheint dafür eine sehr kleine Zellpopulation verantwortlich zu sein, sogenannte Tumorstammzellen, die sich ähnlich wie adulte Stammzellen lebenslang erneuern können. Diese Tumorstammzellen zeigen oft Resistenz gegen Chemo- und Radiotherapie, durch die der Großteil der Tumorzellen zerstört wird. Das erklärt die Beobachtung, dass es oft nach anfangs erfolgreicher Behandlung später zu Rückfällen und Metastasen kommt, bei denen die vorherige Therapie versagt. In jüngster Zeit sind experimentelle Ansätze entwickelt worden, mit denen das Konzept der Krebsstammzellen und Metastasen-indizierenden Krebsstammzellen geprüft werden kann. Damit eröffnen sich Möglichkeiten für die gezielte Suche nach neuen Medikamenten, mit denen metastasierende Tumoren, die für die weitaus meisten Krebstodesfälle verantwortlich sind, wirksam bekämpft werden können. 3 Dossier 20.04.2009 EJ © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH Weitere Artikel in diesem Dossier 14.12.2015 Cathepsin L: Den Stress im Tumor überwinden 11.05.2015 Lungenkrebs: MTSS1 als Indikator für drohende Metastasierung? 04.07.2013 Experimenteller Nachweis von Metastasen-Stammzellen 08.04.2013 Die erste große Zellwanderung 26.03.2012 Krebstherapie führt über den Sekretionsweg 29.06.2009 Alternative Eiweißstrukturen und Brustkrebs 22.06.2009 Gestreute Melanomzellen früher und sicherer erkennen 22.06.2009 Neue wichtige Auslöser für die Wanderung von Krebszellen 11.05.2009 Metastasen-induzierende Krebsstammzellen 27.04.2009 Mechanismen der Tumor-Gefäß-Interaktion 23.04.2009 4