BOTTA gg Italien NL 1998, S. 66 (NL 98/2/7) BOTTA gegen Italien Urteil vom 24. Februar 1998 Behindertengerechte Einrichtungen und Recht auf Privatleben Art. 8 EMRK Art. 14 EMRK Sachverhalt: Der Bf. leidet an einer körperlichen Behinderung. Bei einem Badeurlaub im Jahr 1990 stellte er fest, dass der Strand nicht behindertengerecht eingerichtet war. In einem Schreiben an den Bürgermeister wies er auf diesen gesetzwidrigen Zustand hin. Im Jahr darauf machte der Bf. erneut Urlaub in diesem Ort. Der Strand befand sich im selben Zustand wie im Jahr zuvor. Der Bf. erhob daraufhin gegen den Minister für Handelsschifffahrt, den Hafendirektor sowie den Bürgermeister und den Vizebürgermeister Anklage wegen Unterlassens einer amtlichen Pflicht gemäß dem ital. Strafgesetz. Die Verfahren wurden eingestellt. Rechtsausführungen: n Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 8 EMRK (hier: Recht auf Privatleben) und von Art. 8 EMRK iVm. Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). n Zur Anwendbarkeit von Art. 8 EMRK: Privatleben iSv. Art. 8 EMRK umfasst die körperliche und geistige Unversehrtheit des Einzelnen. Die Achtung des Privatlebens umfasst das Recht, Kontakte zu anderen Menschen zu pflegen. Ziel von Art. 8 EMRK ist der Schutz des Einzelnen vor willkürlichen Eingriffen von Behörden. Der Staat hat hier grundsätzlich eine Unterlassenspflicht, jedoch können positive Verpflichtungen hinzukommen, beispielsweise Maßnahmen, die die Achtung des Privatlebens selbst im Bereich der Beziehungen Einzelner untereinander schützen. Für die Feststellung einer solchen Verpflichtung muss eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den Interessen des Einzelnen vorgenommen werden. Eine positive Verpflichtung dieser Art besteht dann, wenn zwischen den vom Bf. verlangten Maßnahmen und seinem Privatund/oder Familienleben ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein solcher konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Art. 8 EMRK ist nicht anwendbar (einstimmig). n Zur Anwendbarkeit von Art. 14 EMRK: Art. 14 EMRK ergänzt die anderen materiellen Vorschriften der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle. Diese Vorschrift hat keine selbständige Bedeutung, da ihre Wirkung sich allein auf den Genuss der Rechte und Freiheiten, die durch jene Vorschriften garantiert sind, bezieht. Wenngleich die Anwendung von Art. 14 EMRK nicht notwendigerweise eine Verletzung jener Vorschriften voraussetzt - insofern ist auch diese Vorschrift autonom -, ist für ihre Anwendung kein Raum, wenn die Streitfrage nicht in den Bereich einer oder mehrerer anderer Vorschriften fällt. Da Art. 8 EMRK nicht anwendbar ist, ist auch Art. 14 EMRK nicht anwendbar (einstimmig). Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 15.10.1996 keine Verletzung von Art. 8 EMRK (24:6 Stimmen) und keine Verletzung von Art. 8 EMRK iVm. Art. 14 EMRK (einstimmig) festgestellt. P.R. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format). file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/98_2/98_2_07.htm[03.03.2010 17:32:51] BOTTA gg Italien file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/98_2/98_2_07.htm[03.03.2010 17:32:51]