ROI – Reihe für Osnabrücker Islamstudien 7 Das Strafrecht des klassischen islamischen Rechts Mit einem Vergleich zwischen der islamischen und der modernen deutschen Strafrechtslehre Bearbeitet von Ali Türkmenoglu 1. Auflage 2013. Buch. 238 S. Hardcover ISBN 978 3 631 63559 9 Format (B x L): 14,8 x 21 cm Gewicht: 430 g Recht > Europarecht , Internationales Recht, Recht des Auslands > Recht des Auslands > Ausländisches Recht: Islamisches Recht schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 13 E IN L E IT U N G Ü berall a u f der W elt, selbst in den kulturell und dem okratisch am w eitesten entw ickelten G esellschaften begingen und begehen M enschen im m er w ieder Straftaten. G leichzeitig arbeiten Rechtsgelehrte seit Jahrhunderten w eltw eit an K onzepten, die diese Straftaten einerseits verhindern und andererseits in angem essener W eise sanktionieren sollen. D urch die revolutionären E ntw icklungen der letzten Jahre auf dem G ebiet der Kom m unikationstechnologie ist es für W issenschaftler, aber auch für interessierte Laien sehr viel einfacher geworden, sich über die diesbezüglichen V orstellungen und E rfahrungen anderer G esellschaften zu informieren. Dies setzt allerdings zum indest die entsprechenden Sprachkenntnisse voraus. D a die grundlegenden W erke des islam ischen Rechts praktisch nur in arabischer Sprache vorliegen, ist es hierzulande einer M inderheit vorbehalten, sich anhand von Prim ärquellen ein authentisches Bild zu verschaffen. A ndererseits besteht ein großes Inform ationsbedürfnis, einerseits w egen der internationalen politischen Entwicklungen, andererseits aufgrund der Tatsache, dass M uslim e unterschiedlicher H erkunft einen nicht unerheblichen und stetig w achsenden A nteil an der deutschen Bevölkerung bilden. Die vorliegende A rbeit befasst sich anhand der klassischen Fiqh-Literatur der bedeutendsten R echtsschulen m it dem islam ischen Strafrecht. Die Beschäftigung m it diesem Them a bietet die G elegenheit, a u f zahlreiche im W esten vorhandene diesbezügliche M issverständnisse einzugehen und ein klareres B ild hiervon zu zeichnen. V iele M enschen in den w estlichen Ländern verbinden m it dem B egriff „Scharia“ die V orstellung von drakonischen Strafen, w ie die der Steinigung von Ehebrechern, des A bhackens der H and eines Diebes etc. K aum bekannt ist die Tatsache, dass es sich bei der Scharia - der B egriff bedeutet ursprünglich „W eg zur T ränke“ - um eine um fassende Glaubenslehre und ein M odell der rechten Lebensführung handelt. Sie ist also kein Corpus des geltenden Rechts. V ielm ehr behandelt sie, nach A uffassung der m uslim ischen Rechtsgelehrten, alles w as für den Islam von Bedeutung ist. H ierzu gehören z.B. das B ild des Islam von Gott, vom göttlichen G esandten M uham m ad, von den Propheten, den Engeln, den heiligen Büchern und vom M enschen, aber auch die religiösen Pflichten (cibadat), die guten Sitten, die V oraussetzungen guter zw ischenm enschlicher Beziehungen, sie m ahnt zu Fröm m igkeit, G ottesfurcht, Reinlichkeit, Fleiß und Tüchtigkeit, G astfreundschaft, zur N achbarschaftshilfe sowie zur A chtung des G esetzes und zur V erfassungstreue. N ur ein sehr kleiner Teil der Scharia befasst sich m it Strafen im engeren Sinn. D ennoch könnte m an sagen, dass der überw iegende Teil der Scharia Bestandteil der islam ischen Strafrechtsphilosophie ist, da ihr Sinn in der „präventiven Erziehung“ (tarblya w iqa’Tya) der G esellschaft liegt, in der Annahm e, dass, w er sich an das durch die Scharia verm ittelte L ebensführungsm odell hält, gefeit dagegen ist, Straftaten, w elcher A rt auch imm er, zu begehen. Ein w eiterer Irrtum besteht in der häufigen Ansicht, dass es sich bei der Scharia um einen unveränderbares einheitliches Corpus des islam ischen Rechts handelt. W as m ir dagegen im V erlau f m einer Lektüre der einschlägigen Q uellen im m er w ieder auffiel, w ar die große M einungsvielfalt zw ischen den verschiedenen Rechtsschulen (Hanafiten, M alikiten, Schafiiten, H anbaliten, Z ahiriten und Schiiten). Besonders erstaunlich fand ich, 14 dass es selbst innerhalb ein und derselben Rechtsschule zahlreiche M einungsverschiedenheiten zw ischen den R echtsgelehrten gibt. Dies ist ein Beweis dafür, dass innerhalb der R echtsschulen w eitgehende M einungsfreiheit bestand. Die G elehrten hatten das Recht, K oran und Sunna nach ihrem eigenen Erm essen zu interpretieren (igtihad), unter Berücksichtigung der Interessen ihrer eigenen G esellschaft und deren Lebensverhältnisse (li-ahlihi bi-surütihi), ohne Zwang, sich in einer bestim m ten Sache a u f eine gem einsam e M einung einigen zu müssen. Der Leser w ird sich hierbei vielleicht fragen, w ie es zum beschriebenen Phänom en der M einungsvielfalt kom m en konnte, w o doch K oran und Sunna die prim ären und m aßgeblichen Q uellen des islam ischen Rechts darstellen und es kaum einen B ereich oder eine Lebenssituation gibt, der - bzw. die - insbesondere in der Sunna nicht behandelt würde. W as den K oran betrifft, so besteht der G rund darin, dass er neben eindeutigen (m uhkam a) auch m ehrdeutige (m utasabiha) V erse enthält, über die es M einungsverschiedenheiten unter den G elehrten gibt. Die Sunna ihrerseits enthält lückenlos überlieferte Hadlte (ahadlt m utaw atira), die die eindeutigen K oranverse erklären. Sie sind allerdings in der M inderzahl. Die HadTtgelehrten unterteilten die Ü berlieferungen nach dem G rad ihrer V erlässlichkeit in verschiedene K ategorien von „authentisch“ (sahih) (höchste G laubw ürdigkeitsstufe) bis „schw ach“ (dacif) (niedrigste G laubwürdigkeitsstufe). Ein w eiterer G rund für die unterschiedlichen M einungen der R echtsgelehrten besteht in der unterschiedlichen Situation der jew eiligen Gelehrten. Es ist nur natürlich, dass die cU lam a’ des Higaz (G ebiet von M ekka und M edina) zu anderen R echtsauffassungen gelangten als z.B. ihre B erufskollegen in B agdad oder Ägypten, w o andere V erhältnisse und Sitten herrschten. Dies gilt um so m ehr, w enn m an unterschiedliche Epochen vergleicht. Z ur Hinführung a u f das H auptthem a der A rbeit erschien es m ir angebracht, das islam ische Rechtssystem nachfolgend kurz zu erläutern. Der Hauptteil der A rbeit besteht aus einer D arstellung des Strafsystem s des islam ischen Rechts anhand der unterschiedlichen Delikte und Strafen. In den drei K apiteln A, B und C, sind die diversen Straftypen, die die Scharia kennt, den verschiedenen U nterarten der drei H auptarten von Straftaten - Körperdelikte, Hadd- und Taczīr-Delikte - zugeordnet, gefolgt von den diesbezüglichen M einungen und B egründungen der einzelnen Rechtsgelehrten. Im nachfolgenden Kapitel D w erden die T hesen zw eier m oderner islam ischer Strafrechtler, Kam ali und Sandeela, einander gegenübergestellt und diskutiert. In Kapitel E habe ich die Rechtsauffassung und Rechtsphilosophie des Islam erläutert, sowie die Prinzipien des islam ischen und des m odernen deutschen Strafrechts m iteinander verglichen und die diesbezüglichen Parallelen und U nterschiede herausgearbeitet. Fachbegriffe des islam ischen Rechts w urden sowohl in deutscher Ü bersetzung als auch in der in w issenschaftlichem K ontext üblichen U m schrift angegeben, um U ngenauigkeiten zu vermeiden. Im Schlussteil sind die verw endeten Term ini technici zudem noch einm al alphabetisch aufgelistet und kurz erklärt. Z itierte H adlte und K oranstellen w urden in arabischer Schrift und in deutscher Ü bersetzung w iedergegeben. Die deutsche Ü bersetzung der K oranstellen entspricht derjenigen von M ax 15 H enning .1 Die Ü bersetzung der Hadīṯe ist wortgetreu, w o dies m öglich war. In einigen Fällen, in denen eine w örtliche Ü bersetzung unverständlich gew esen wäre, w urde der Inhalt sinngem äß w iedergegeben. Ich hoffe, dass es m ir in der vorliegenden A rbeit gelungen ist, einen m öglichst grundlegenden und um fassenden Ü berblick über das islam ische Strafrecht zu geben und der islam rechtlichen Forschung hierzulande m it ihr eine Quelle für w eiterführende U ntersuchungen zur V erfügung zu stellen, da es bislang an entsprechenden W erken in deutscher Sprache m angelt. D er K oran. A us d em A rabischen v o n M ax H enning. Ü berarbeitung un d E in leitung v o n M u rad W ilfried H ofm ann, Istanbul 2003.