Marginale Parodontitis als Risikofaktor für systemische

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Marginale Parodontitis als Risikofaktor für systemische Erkrankungen
Einleitung
Im Rahmen der Pressekonferenz anlässlich der Gemeinschaftstagung der DGZMK, der
Landeszahnärztekammer Hessen und der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie gaben die Referenten
Prof. Dr. Jörg Meyle, Regensburg, Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner, Düsseldorf, und Dr. Michael Frank,
Frankfurt, einen Überblick über den Zusammenhang zwischen Erkrankungen des Zahnbettes und
Allgemeinerkrankungen.Die Parodontitis ist mehr als eine lokale Entzündung im Zahn-, Mund- und
Kieferbereich. Die Folgen einer bakteriellen Entzündung im Mundraum können sich auf den ganzen Körper
ausweiten.
Hintergrund: Im Verlauf einer Parodontitis stimulieren die Endotoxine (LPS) der an der Infektion
beteiligten Bakterien die lokalen Makrophagen. Diese setzen Entzündungsmediatoren (Prostaglandin E2,
Interleukin-1ß und Tumor-Nekrose-Faktor-alpha) frei. Systemisch wirksame Serumkonzentrationen dieser
Substanzen können die Pathomechanismen verschiedener systemischer Erkrankungen aktivieren.
Kardiovaskuläre Erkrankungen
Nach neueren klinischen Studien haben Patienten mit einer generalisierten Parodontitis ein höheres Risiko für
Herzerkrankungen (Faktor 1,5 bis 1,9) oder einen Schlaganfall (Faktor 2,8) zu erleiden (Beck et al. 1996).
Hintergrund: Durch die erhöhte Serumkonzentration der Entzündungsmediatoren wird die
Thrombozytenaggregation (Verkleben der Blutplättchen) und -adhäsion gefördert, was atherosklerotische
Veränderungen der Gefäßwände begünstigt. Zudem wurden in Atheromen der Koronararterien die
parodontalpathogenen Bakterien Actinobacillus actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis
nachgewiesen (Zambon et al. 1997).
Kürzlich konnte gezeigt werden, dass die Plasmakonzentrationen des C-reaktiven Proteins ein Risiko für
einen zukünftigen Myokardinfarkt und einen Schlaganfall anzeigen konnte (Ridker et al. 1997). Zugleich
wurden erhöhte Serumspiegel des C-reaktiven Proteins auch bei Patienten mit Parodontitis beobachtet
(Ebersole et al. 1997). In einer Population mit einer hohen Diabetesprävalenz war das Bestehen einer
Parodontitis signifikant mit dem Vorliegen kardiovaskulärer Erkrankungen assoziiert (Genco et al. 1997).
Diabetes mellitus
Die parodontale Gesundheit bzw. Erkrankung kann nach neuesten Untersuchungsergebnissen auch Einfluss
auf den Glucosemetabolismus bei Diabetikern haben.
Diabetes Typ II (nicht-insulinabhängig): Eine nicht-behandelte Parodontitis stellt einen Risikofaktor für
erhöhte glykolisierte Hämoglobinwerte (HbAIc) dar. Eine Kombinationsbehandlung von subgingivalem
Scaling und systemischer Antibiotikagabe (Doxycyclin) führte zu einer Verbesserung des
Behandlungsergebnisses und zu einer Abnahme der HbAlc-Werte.
Diabetes Typ I (insulinabhängig): Der Insulinbedarf und die HbAlc-Werte waren nach Abschluss einer
Parodontitisbehandlung erniedrigt (Grossi et al. 1996, Tayler et al. 1996).
Parodontitis und Schwangerschaft
Mütter untergewichtiger Neugeborener haben jüngsten Studien zufolge signifikant höhere parodontale
Substanzverluste als Mütter, deren Neugeborene ein normales Gewicht besaßen. Für schwangere Frauen mit
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Parodontitis ist das Risiko ein untergewichtiges Kind zu bekommen bis zu siebenfach erhöht (Offenbacher et
al. 1996).
Hintergrund: Seit längerem ist der Zusammenhang zwischen Infektionen des Urogenitaltraktes und dem
Auftreten von untergewichtigen Frühgeborenen bekannt. Höchstwahrscheinlich gilt dieser Zusammenhang
auch für die Parodontitis, die von einem ähnlichen Keimspektrum verursacht wird. Das Geburtsgewicht war
bei einer Infektion mit Porphyromonas gingivalis im Tierexperiment sogar um bis zu 25 Prozent reduziert.
Bei Versuchstieren mit Parodontitis wurde zudem eine verzögerte Fötusbildung beobachtet (Collins et. al.
1995). Lokal im Zahnbett freigesetzte Entzündungsmediatoren können die Plazenta erreichen.
Risikofaktoren
Systemische Erkrankungen, Verhaltensfaktoren und genetische Faktoren haben Einfluss auf die marginale
Parodontitis. Die entsprechende Risikoabstimmung bzw. -einschätzung ist schon heute integraler Bestandteil
der Diagnostik und Behandlung der Parodontalerkrankung und wird dies in Zukunft in noch zunehmenderem
Umfang sein. Eine Reihe von Risikofaktoren sind mit der Parodontitis assoziiert und lassen sich in vier
Gruppen kategorisieren (nach Page und Beck, 1997):
• Identifizierte starke Risikofaktoren
• Risikoindikatoren
• Risikomarker oder -prädiktoren
• Hintergrund Risikocharakteristika
Identifizierte starke Risikofaktoren
Rauchen wird als einer der Hauptrisikofaktoren für eine Parodontitis angesehen. Es besteht eine positive
lineare Beziehung zwischen der Intensität des Tabakkonsums und dem Umfang des parodontalen Abbaus.
Das Risiko alveolaren Knochenverlusts für starke Raucher ist siebenmal so groß wie für diejenigen, die
niemals geraucht haben. Die Mehrzahl des Zahnverlustes bei jüngeren Erwachsenen (19 bis 40 Jahre) findet
sich bei denjenigen, die mehr als 15 Zigaretten am Tag rauchen.
Pathogene Bakterien: Die Anwesenheit spezifischer Bakterien bedeutet einen Risikofaktor für eine
Parodontitis. Diese entsteht normalerweise nicht ohne die Anwesenheit einer oder mehrerer dieser zumeist
gramnegativen anaeroben Bakterien (P. gingivalis, A. actinomycetemcomitans, B. forsythus). Allerdings
kann allein ihre Anwesenheit nicht die Entstehung einer Parodontitis bei jedem Patienten vorhersagen.
Diabetes mellitus: Die Prävalenz einer fortgeschrittenen Parodontitis ist bei Diabetes Typ I und II höher als
bei Nicht-Diabetikern. Zahnlosigkeit ist bei Diabetikern 15 Mal wahrscheinlicher als bei Gesunden. Ist der
Diabetes schlecht oder gar nicht kontrolliert, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Parodontitis an. Bei gut
kontrollierten Diabetikern hingegen spricht die Parodontitis gut auf die Therapie an und kann erfolgreich
behandelt werden.
Risikoindikatoren
Genetische Marker (Interleukin-1 Polymorphismus): Ein positiver Genotyp für diesen Polymorphismus
verursacht zwar keine Parodontitis, bedeutet aber, dass diese Patienten ein erhöhtes Risiko haben, an einer
Parodontitis zu erkranken.
Hintergrund: Eine erhöhte Interleukin-1-Freisetzung nach bakterieller Infektion könnte das raschere
Voranschreiten der Parodontitis in Genotyp positiven Patienten erklären.
HIV und AIDS: HIV-Infektionen und Aids stellen mögliche Risiko-faktoren für eine Parodontitis dar.
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HIV-infizierte bzw. an Aids erkrankte Patienten können mehr gingivale Entzündung, mehr Attachmentverlust
und in einem kleinen Prozentsatz eine nekrotisierende ulzerative Parodontitis, eine schwere und rasch
voranschreitende Form der Parodontitis, aufweisen.
Häufigkeit des Zahnarztbesuchs: Es besteht möglicherweise eine inten-sive Beziehung zwischen der
Häufigkeit des Zahnarztbesuche und der Parodontitis. Patienten mit seltenen Zahnarztbesuchen (alle 3 Jahre
oder seltener) scheinen ein höheres Risiko für eine Parodontitis zu be-sitzen. Weitere Untersuchungen
müssen diese Beziehung bestätigen.
Osteoporose: Mehr klinischer Attachmentverlust und Zahnlosigkeit wird bei osteoporotischen Frauen im
Vergleich zu Frauen ohne Osteoporose angegeben. Weitere Studien, die die Beziehung zwischen
Osteoporose und Parodontitis bestätigen, sind von großer Bedeutung, da ein Drittel aller Frauen über 65 an
osteoporotischen Komplikationen leiden. Angesichts des steigenden Alters der Bevölkerung ist anzunehmen,
dass die Osteoporose in der Zukunft zunehmende Bedeutung in der parodontalen Risikoeinschätzung
erlangen wird.
Risikomarker oder -prädiktoren
Eine Parodontitis-Vorgeschichte wird ebenfalls als Risikoindikator angesehen. Diejenigen Patienten, die
bereits an einer Parodontitis leiden, haben ein höheres Risiko auch in Zukunft Krankheitsepisoden zu
erleiden.
Sondierungsblutung: Anders als gemeinhin geglaubt, hat eine Zahnfleischblutung nach Sondierung einen
geringen prädiktiven Aussagewert für eine zukünftige Parodontitis. Allerdings konnten longitudinale Studien
zeigen, dass die Abwesenheit einer Sondierungsblutung normalerweise parodontale Gesundheit anzeigt.
Hintergrund Charakteristika
Altern: Die Wahrscheinlichkeit parodontalen Attachmentverlustes ist für Personen von 65 bis 74 Jahren
fünfmal größer als bei Personen im Alter von 35 bis 44 Jahren. Bezüglich des alveolaren Knochenverlustes
sogar neunmal größer. Dieser Zusammenhang ist allerdings nicht ursächlicher Natur, sondern reflektiert die
akkumulative (irreversible) Natur der parodontalen Destruktion.
Möglichkeiten der persönlichen Vorbeugung (Prophylaxe)
Die Möglichkeiten zur Vorbeugung parodontaler Erkrankungen beinhalten eine effektive, tägliche
Mundhygiene (mind. 2x täglich für Erwachsene, am besten nach jeder Mahlzeit), regelmässige
Zahnarztbesuche zur Kontrolle und Bestimmung des individuellen Risikos (evtl. des genetischen Risikos)
und gegebenenfalls eine Reduktion oder besser Aufgabe des Tabakkonsums, gesunde vitaminreiche
Ernährung.
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