6. Zusammenfassung Die operative Weisheitszahnentfernung zählt zu den häufigsten zahnärztlichchirurgischen Eingriffen, während vor allem bei der Entfernung der unteren Weisheitszähne zahlreiche Komplikationen eintreten können. Gerade eine Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior und des N. lingualis kann die Lebensqualität der betroffenen Patienten stark einschränken. Um dieses Risiko besser einschätzen zu können, lag das Hauptaugenmerk der vorliegenden Studie in der Identifikation von möglichen Prädiktoren. Es wurden die Operationsergebnisse nach Entfernung von 234 retinierten bzw. impaktierten unteren Weisheitszähnen ausgewertet und dabei 55% weibliche und 45% männliche Patienten in die Studie einbezogen. Die Ergebnisse im Hinblick auf die Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior mit 9,4% (n=22) und des N. lingualis mit 0,9% (n=2) liegen im Mittelfeld der in der medizinischen Fachliteratur angegebenen Daten. Werden die ermittelten signifikanten Risikofaktoren bezüglich einer Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior mithilfe des positiven prädiktiven Wertes überprüft, ergibt sich die größte prognostische Kraft für: 1. ein geringes mesiodistales Platzangebot (Verlagerung in den aufsteigenden Ast, Klassifikation nach Pell und Gregory Klasse II) (ppW=0,47), 2. horizontal verlagerte Zähne mit mesioangulärer Krone der Klassifikation nach Winter (ppW=0,36) und die Kategorie „Interruption of white line of canal“ der Klassifikation nach Rood und Shehab (ppW=0,32), 3. impaktierte Zähne (ppW=0,26), die Kategorie „Island-shaped apex“ der Klassifikation nach Félez-Gutiérrez, modifiziert nach Gomes (ppW=0,25), ein größerer Winkel zwischen der Zahnachse des Weisheitszahnes und der des benachbarten zweiten Molaren von mindestens 47 Grad (ppW=0,24), eine tiefe kraniokaudale Position C der Klassifikation nach Pell und Gregory (ppW=0,24) sowie eine Überkreuzung Nervenkanals durch den Apex von mindestens 5mm (ppW=0,23), 4. ein erhöhtes Patientenalter von mindestens 35 Jahren (ppW=0,17). 106 des Ein signifikanter Zusammenhang konnte nicht beobachtet werden zwischen einer Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior und dem Geschlecht des Patienten, dem Anästhesieverfahren, der Operationszeit und bei röntgenologisch fehlendem Kontakt zwischen dem Apex und dem Canalis mandibulae. Demnach weisen weder die patienten-, noch die operationsspezifischen Risikofaktoren, mit Ausnahme des Patientenalters eine klinische Relevanz auf. Der signifikante Alterseffekt deutet darauf hin, dass es mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher wird, eine Sensibilitätsstörung zu entwickeln. Gleichzeitig lässt sich jedoch eine klar umschriebene Altersgrenze, die als Prädiktor verwendet werden kann, nur schwer finden. Als günstigster Zeitpunkt für die Entfernung der Weisheitszähne ist in etwa ein Alter zwischen 18 und 35 Jahren zu empfehlen. Besonders hervorzuheben ist zudem, dass für alle weiteren aussagekräftigen Prädiktoren gilt, je mehr der Zahn von Knochen umgeben wird und je enger der Kontakt zwischen Apex und Nervenkanal auf dem OPG sichtbar ist, umso drastischer steigt das Risiko für eine Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior. Es zeigte sich, dass keiner der hier untersuchten Risikofaktoren für sich alleine ausreicht, um eine zuverlässige Aussagekraft bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer Sensibilitätsstörung des N. alveolaris inferior zu treffen. Generell konnte kein Prädiktor identifiziert werden, der eine 100%ige Trefferwahrscheinlichkeit nachweist. Aus diesem Grund sollten in Zukunft Kombinationen der relevanten Risikofaktoren eingehender untersucht werden. 107