Schlafstörungen

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→ Pharmazeutische Beratung: notwendige Fragen
Schlafstörungen
(J. Dommer Schwaller)
Unter welcher Art von Schlafstörung leiden Sie?
Schlafstörungen bezeichnen eine sehr grosse und hetero­
gene Gruppe von Krankheitsbildern. Bei den eigentlichen
Insomnien a unterscheidet man u.a. zwischen
E inschlafstörung: verzögertes Einschlafen (≥1/2 Std.;
• häufig bei akuten Belastungsfaktoren)
D urchschlafstörung: mehr als dreimaliges Erwachen
• oder insgesamt ≥1/2 Std. bis zum Wiedereinschlafen nach
Erwachen (oft bei chronischen Schlafstörungen)
• Vorzeitiges Aufwachen: eine bis mehrere Stunden zu
früh (oft bei älteren oder depressiven Personen)
Neben den Insomnien gibt es zahlreiche weitere Schlafstörungen, etwa
• s chlafbezogene Atmungsstörungen, z.B. SchlafapnoeSyndrom
• Störungen der zirkadianen Rhythmus, z.B. bei Schichtarbeit oder Jetlag
• Parasomnien, z.B. Schlafwandeln, Alpträume, Somniloquie, Enuresis nocturna
S chlafbezogene Bewegungsstörungen, z.B. Restless• Legs-Syndrom, Bruxismus
Wie lange schlafen Sie?
Es gibt keine wissenschaftlich anerkannte optimale Schlafdauer. Schlafdauer und -rhythmus sind individuell sehr
unterschiedlich und ändern im Verlauf des Lebens. Erwachsene schlafen im Durchschnitt zwischen sechs und acht
Stunden. Extreme Kurzschläfer sind nach vier bis fünf
Stunden Schlaf erholt, und Langschläfer benötigen täglich
zehn oder mehr Stunden Schlaf, um sich wohl zu fühlen.
Nach dem 30. Lebensjahr verändert sich der durchschnittliche Schlafbedarf nicht mehr merklich. Was sich v.a. im
höheren Lebensalter verändert, sind die Schlafqualität (weniger Tiefschlaf) und das Schlafmuster (mehr Tagesschlaf).
Seit wann haben Sie dieses Schlafproblem? Wie häufig?
Die Beratung durch den Apotheker begrenzt sich auf gelegentliche, akute Schlafprobleme. Wenn ein Patient seit mehr
als etwa drei bis vier Wochen unter Schlaflosigkeit leidet,
muss er einen Arzt konsultieren.
Nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 (es gibt noch andere)
­g elten folgende Kriterien für die Diagnose einer Insomnie:
• Ein- und Durchschlafschwierigkeiten oder nicht erholsamer Schlaf mindestens
dreimal wöchentlich seit mindestens einem Monat
• Verursacht deutlichen Leidensdruck oder führt zu Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
a
pharManuel13
Wie fühlen Sie sich tagsüber?
Patienten, die unter Schlaflosigkeit leiden, berichten am Tag
typischerweise von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, sozialen und beruflichen Leistungseinschränkungen sowie Tagesschläfrigkeit. Auf psychischer Seite finden
sich häufig Klagen über Müdigkeit, Erschöpfung, Stimmungsbeeinträchtigungen, Gereiztheit und verminderte
Motivation. Bei schweren Formen von Insomnien können
somatische Symptome wie Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden beobachtet werden.
Insomniepatienten machen sich Sorgen über ihre Schlaf­
störung.
Was könnte Ihrer Meinung nach der Grund für Ihre
Schlafprobleme sein? Wie sehen Ihre Schlafgewohnheiten aus?
Vor allem akute Schlafstörungen sind oft auf externe Faktoren wie akuten Stress (bei Arbeit, Beziehung, Finanzen),
belastende Lebensumstände, Verkehrslärm, inadäquate
Temperaturen, Licht, schnarchende Bettpartner, Säuglinge
oder zu pflegende Angehörige etc. zurückzuführen (exo­g ene
Insomnie). Hier gilt es nach Möglichkeit, die Störfaktoren
auszuschalten, damit der Patient wieder zu einem erholsamen Schlaf findet.
Bei Schichtarbeitern oder Reisenden (Jetlag) wird der TagNacht-Rhythmus gestört, so dass die Betroffenen häufig zu
kurz, mit Unterbrüchen und mit zu wenigen Tiefschlafphasen schlafen.
Manchmal liegen den Schlafproblemen auch schlechte Verhaltensgewohnheiten zugrunde: z.B. zu langer Ausgang,
unregelmässige Schlafenszeiten, ausgedehnter Mittagsschlaf, schweres Nachtessen, Reizüberflutung vor dem
Schlafengehen. Diese lassen sich mit gutem Willen korrigieren (siehe unter dem «Rat des Apothekers»).
Zwei Drittel aller chronischen Insomnien sind sekundär
bedingt. Das heisst, dass die Ursache für die Schlaflosigkeit
in einer somatischen oder psychischen Erkrankung oder im
Konsum gewisser Substanzen oder Medikamente liegt (siehe nächste und übernächste Frage).
Unter welchen anderen gesundheitlichen Problemen
­l eiden Sie?
Mehr als die Hälfte aller Insomniepatienten leiden primär
unter einer organisch bedingten Störung. Dazu gehören u.a.
Schmerzzustände, hormonelle Störungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden.
Auch neurologisch und psychiatrisch bedingte Schlafstörungen sind weit verbreitet. Sie sind Ausdruck von Angststörungen, Depressionen, Demenzerkrankungen, Parkinson, Schizophrenie etc. (für die Triage siehe hinten «Wann
muss der Patient zum Arzt?»).
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Welche Medikamente nehmen Sie?
Eine grosse Anzahl von Medikamenten können Schlafstörungen auslösen. Am bekanntesten sind:
• Stimulanzien des Zentralnervensystems (u.a. Coffein,
Ephedrin, Theophyllin, Methylphenidat, Modafinil,
Piracetam)
• A ntibiotika (u.a. Gyrasehemmer)
• A ntidepressiva (u.a. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Trizyklika, MAO-Hemmer)
• A ntiepileptika (u.a. Lamotrigin)
• B etablocker (Alpträume)
• D iuretika (nächtlicher Harndrang)
• Kortikosteroide
• Sedativa und Hypnotika (Rebound-Insomnie bei Entzug)
In Fällen, wo der Patient bereits ein – selbst gekauftes oder
vom Arzt verordnetes – Medikament gegen seine Schlafstörung genommen hat, muss dieses bekannt sein, um eine
sinnvolle Alternative anbieten zu können.
Was trinken und essen Sie am Abend?
Alle coffeinhaltigen Getränke können stimulierend wirken.
Es ist daher sinnvoll, ab dem späten Nachmittag darauf zu
verzichten. Besonders bei älteren Personen kann Coffein
aber auch eine paradoxe Wirkung haben.
Alkohol kann zwar das Einschlafen erleichtern, stört jedoch
die Physiologie des Schlafes (weniger Tiefschlafphasen,
mehr Traumphasen, häufigeres Erwachen). Ausserdem kann
er durch eine stärkere Erschlaffung der Rachenmuskulatur
die Atmung erschweren.
Nikotin ist ähnlich wie Coffein ein Wachmacher. Auch ­v iele
illegale Drogen (Kokain, Designerdrogen) können zu schweren Schlafstörungen führen.
Schliesslich kann ein üppiges Nachtessen einen erholsamen
Schlaf verhindern.
Welche Massnahmen haben Sie bereits getroffen?
Für den Apotheker ist wichtig, zu erfahren, ob der Patient
bereits inadäquates Schlafverhalten korrigiert und welche
Medikamente er ausprobiert hat. Er kann ihn dazu ermuntern, ein Schlaftagebuch zu führen. Denn es ist empfehlenswert, vor einer medikamentösen Intervention während etwa
zweier Wochen den Schlaf zu registrieren, um die Schwere
und eventuell die Ursachen der Schlafstörung festzustellen.
Der Rat des Apothekers:
In der Schweiz leiden etwa 15–30% der Bevölkerung unter
Schlaflosigkeit. Oft sind Schlafstörungen vorübergehend
und beheben sich von selbst. Bei jungen Menschen sind
Stresssituationen und Angst die Hauptursachen für Schlafstörungen (meist Einschlafstörungen). Wenn sie einer bestimmten Ursache zugeordnet werden können und nicht
länger als eine Woche andauern, erübrigt sich eine MedikapharManuel13
tion. Die Schlafstörungen verschwinden mit der Ausschaltung des stressauslösenden Faktors.
Chronische Schlafstörungen sind aber Alarmsignale, die
man nicht vernachlässigen sollte. Nur 5% der Patienten mit
chronischer Insomnie (= Schlaflosigkeit >4 Wochen) haben
keine weiteren bedeutenden Gesundheitsprobleme.
Langjährige Insomnien gehen mit einem erhöhten Risiko
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, anderen chronischen
Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes und erhöhter
Mortalität einher.
Wann muss der Patient zum Arzt?
• Folgende Patientengruppen: Kinder und Jugendliche,
Ältere, schwangere und stillende Frauen
• C hronische Schlafstörungen (>3–[4] Wochen)
• S chmerzzustände
• H itzewallungen (bei menopausalen Frauen)
• Vermehrter nächtlicher Harndrang (Prostatahyperplasie, Diabetes)
Juckreiz (Hautaffektionen, Hämorrhoiden, Wurmer• krankung)
• T innitus
• Verdacht auf Schlafapnoesyndrom (Schnarchen, tagsüber Müdigkeit, Übergewicht)
• Verdacht auf Depression (Verlust an Lebensenergie,
Veränderungen des Körpergewichts [Zu- oder Abnahme], schwere Angstzustände und Libidoverlust)
• Verdacht auf Abhängigkeit oder andere psychiatrische
Erkrankung (z.B. Angststörungen, Manie)
• Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom (in Ruhe auftretende Missempfindungen der Extremität mit nicht unterdrückbarem Bewegungsdrang)
• Verdacht auf Parasomnie (z.B. Alpträume, Bruxismus,
Enuresis nocturna, Pavor nocturnus, Somnambulismus)
• Verdacht auf Narkolepsie (Schlafattacken tagsüber, Kataplexie)
• Verdacht auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Atemnot bei Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen,
Angina Pectoris)
• Verdacht auf Atemwegserkrankungen (Asthma, COPD)
• Verdacht auf Magen-Darm-Erkrankungen (z.B. gastroösophagaler Reflux)
• Verdacht auf Schilddrüsenerkrankungen (Hyperthyroidie)
• Verdacht auf Karpaltunnelsyndrom (Ameisenlaufen und
Einschlafen in den Fingerspitzen)
• Verdacht auf unerwünschte Arzneimittelwirkung (siehe
weiter vorne)
Überblick über Therapiemassnahmen
Schlaflosigkeit muss nur dann behandelt werden, wenn der
Patient neben einer Störung des Nachtschlafs auch über
eine starke Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit oder
Leistungsfähigkeit klagt. Folgende Optionen stehen zur
Verfügung:
• n ichtmedikamentöse Therapiemassnahmen
• H ypnotika
• apparative Massnahmen oder Operation (u.a. nasale
Überdruckbeatmung beim Schlafapnoesyndrom, chirur­
gische Erweiterung der Atemwege)
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Nichtmedikamentöse Massnahmen stellen die erste Wahl
dar, sogar bei Insomnien infolge körperlicher und neurologischer Störungen, denn sie weisen das beste Nutzen-Ri­s ikoVerhältnis auf. Bei sekundären Insomnien muss zusätzlich
die Grunderkrankung behandelt werden. Gemäss Studien
scheint bei der chronischen Insomnie die kognitive Verhaltenstherapie kombiniert mit einer medikamentösen Therapie
während sechs Wochen, gefolgt von Verhaltenstherapie allein
während sechs Monaten, die beste Option zu sein.
Medikamentöse Therapie
Hypnotika werden zur Therapie von schweren Insomnien,
die die alltäglichen Verrichtungen stören, und erst nach
Ausschöpfen aller nichtmedikamentösen Behandlungsmöglichkeiten eingesetzt. Sie sollen grundsätzlich vor Mitternacht eingenommen werden, um einen Hangover zu vermeiden.
Der Handlungsspielraum des Apothekers beschränkt sich
auf Antihistaminika und Phytotherapeutika.
Nichtmedikamentöse Therapiemassnahmen
Besonders wirkungsvoll sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppenprogramme. Diese Programme umfassen in
der Regel:
• Psychoedukation (Aufklärung über Schlaf und Schlafstörungen)
• Stimuluskontrolle
• S chlafhygiene
• E ntspannungstechniken
• S chlafrestriktion
• kognitive Techniken
Antihistaminika H 1 (Diphenhydramin, Doxylamin)
Diphenhydramin und Doxylamin weisen einen schnellen
Wirkungseintritt auf und verkürzen die Einschlafzeit. Die
Wirkung von Diphenhydramin dauert vier bis sechs Stunden, die­jenige von Doxylamin sechs bis acht Stunden an.
Die Wirksamkeit von Diphenhydramin scheint ähnlich wie
die der Benzodiaze­pine oder deren Analoga zu sein. Gelegentlich können unerwünschte anticholinerge Nebenwirkungen auftreten (Obstipation, Harnverhaltung, Agitiertheit,
Wahrnehmungsstörungen mit Verwirrtheit, Tages­
s chläf­
rigkeit, Mundtrockenheit, Sehstörungen). Deshalb sollten
Antihistaminika v.a. bei älteren Patienten mit Vorsicht angewendet und die Kontraindikationen beachtet werden. Bei
bestimmungsgemässem Gebrauch ist die Gefahr der Abhängigkeit gering. Bei Diphenhydramin sind Fälle von Missbrauch durch Jugendliche bekannt. Da sich rasch eine Toleranz entwickelt, sollten Antihistaminika nicht länger als
zwei Wochen eingenommen werden. Ausserdem wird
empfohlen, nach drei Tagen einen Tag Pause einzulegen.
Der Apotheker kann kein ganzes solches Programm anbieten, dem Patienten aber wichtige Regeln für einen guten
Schlaf vermitteln:
• einen regelmässigen «Schlaffahrplan» einführen und
sich daran halten, auch am Wochenende
• Nickerchen während des Tages vermeiden oder sie auf
30 Minuten zu Beginn des Nachmittags beschränken
• regelmässige körperliche Betätigung (vorzugsweise in
der ersten Tageshälfte)
• Alkohol, Nikotin und Koffein mind. vier bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen, üppige Mahlzeiten kurz
davor meiden
• stimulierende Tätigkeiten (Sport, intellektuelle Aktivität, Fernsehen, Computer etc.) ein bis zwei Stunden vor
dem Schlafengehen vermeiden
• sich eine Stunde vor dem Zubettgehen einer angenehmen, entspannenden Tätigkeit (Spaziergang, Lesen,
Musikhören) widmen
• erst zu Bett gehen, wenn man den Schlaf kommen fühlt,
auch wenn dies später ist als geplant
• im Schlafzimmer für eine ruhige, dunkle und ­a ngenehme
Umgebung sorgen
• das Bett nur zum Schlafen verwenden (sexuelle Aktivität ist die einzige Ausnahme), nicht zum Lesen oder
Fernsehen
• den Wecker auf eine im Voraus festgelegte – möglichst
immer die gleiche – Zeit stellen, unabhängig vom Zeitpunkt des Einschlafens; Wecker aus der Sichtweite
entfernen
• wenn sich der Schlaf nicht innerhalb von 15–20 Minuten
einstellt, aufstehen, einen anderen Ort aufsuchen, eine
entspannende Tätigkeit aufnehmen (nicht essen, rauchen oder Kaffee trinken) und erst bei Schläfrigkeit ins
Bett zurückkehren; wenn nötig, Vorgehen wiederholen
• die Sorgen beiseitelassen, wenn man zu Bett geht
• Beruhigungsmittel möglichst selten nehmen
• auf Medikamente achten, die den Schlaf stören können
pharManuel13
Phytotherapeutika
Pflanzliche Präparate werden seit Langem zur Behandlung
der Schlaflosigkeit eingesetzt. Die Wirkung ist für die meisten Heilpflanzen aber nicht klinisch belegt.
Baldrian ist das bestuntersuchte Phytotherapeutikum. Trotz
allem bleiben viele Fragen offen. Als wirksame Inhalts­s toffe
werden Valeriansäurederivate vermutet, welche in hydroalkoholischen und heissen wässrigen Extrakten zu finden sind.
Studien zur Wirksamkeit sind qualitativ oft mangelhaft und
kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: von unwirksam
über nicht konklusiv bis möglicherweise wirksam. Eine
maximale Wirkung wird nach ein bis zwei Wochen der regelmässigen Einnahme erwartet. Baldrian eignet sich im
Gegensatz zu den Benzodiazepinen unter Umständen auch
für eine längerfristige Therapie. Es ist in therapeutischen
Dosen sehr gut verträglich, wobei UAW nicht ausgeschlossen sind (z.B. Hangover, Entzugserscheinungen nach Langzeittherapie mit hohen Dosen, paradoxe Wirkung, Mutagenität in vitro von Valepotriaten [sehr unstabil, nur minimal
resorbiert] und Baldrinalen). Sicherheitshalber können
Präparate ohne Valepotriate, z.B. Tee, wässrige oder schwach
alkoholische Extrakte (Alkoholgehalt <30%), empfohlen
werden.
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Heilpflanze
Baldrianwurzel
Dosierung
Bemerkungen
3–5 g Droge pro Tasse
bestuntersuchte Heil-
1 2
⁄ –1 Teelöffel Tinktur
pflanze, positive Mono-
­E xtrakt entsprechend
graphie, Wirkungsmaxi-
3 g Droge
mum nach 1–2 Wochen,
UAW nicht ausgeschlossen
Eisenkraut
1,5 g Droge pro Tasse
negative Monographie,
keine UAW bekannt
Hopfenzapfen
Lavendelblüten
2 Teelöffel Droge
positive Monographie,
pro Tasse
keine UAW bekannt
1–2 Teelöffel
positive Monographie,
Droge pro Tasse
keine UAW bekannt
1–4 Tropfen
ätherisches Öl
äusserlich
Melissenblätter
Orangenblüten
1,5–4,5 g
positive Monographie,
Droge pro Tasse
keine UAW bekannt
1–2 g Droge pro Tasse
negative Monographie,
BDZ angesichts des marginalen Nutzens und vermehrter UAW
(ZNS, Stürze) nur mit grossem Vorbehalt eingesetzt werden.
Bekannte UAW sind Tagesschläfrigkeit, motorische Koordinations- und kognitive Störungen. Gelegentlich auftretende
UAW sind anterograde Amnesie (erhöhtes Risiko unter hoher
Dosierung) und paradoxe Reaktionen (u.a. Agitation, Aggressivität bis hin zur Eigen- und Fremdgefährdung).
Bei plötzlichem Absetzen – insbesondere bei Langzeittherapien, hohen Dosierungen, BDZ mit kurzer Halbwertszeit,
älteren Patienten – droht ein Entzugssyndrom. Dieses äussert sich in Angststörungen, einem Wiederauftreten der
Schlaflosigkeit bis hin zu Wahrnehmungsstörungen und
Konvulsionen. Deshalb sollte die Dosis schrittweise über
4–16 Wochen und nur mit psychosozialer Unterstützung
reduziert werden. Der Apotheker ist oft Zeuge eines diesbezüglichen Missbrauchs. Es ist wichtig, diesen Patienten zu
helfen und sie dazu zu bringen, mit ihrem Arzt zu sprechen.
Zahlreiche BDZ werden via Cytochrom P450 metabolisiert
und können entsprechend Interaktionen eingehen (Ausnahmen: Oxazepam, Temazepam, Lorazepam und Lormetazepam sind nicht Substrat von CYP3A4).
keine UAW bekannt
Passionsblumen­
1 Teelöffel (2–3 g)
kraut
Droge pro Tasse
positive Monographie
(bei nervösen Unruhe­
zuständen), UAW nicht
ausgeschlossen
Legende:
Monographie = Monographie der Kommission E, einer wissenschaftlichen Kommission für
Phytotherapie des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
UAW = unerwünschte Arzneimittelwirkung
Neben Baldrian werden traditionell zahlreiche weitere Heilpflanzen bei leichten Schlafstörungen eingesetzt (siehe
Tabelle). Diese Pflanzen können auch miteinander kombiniert werden, wobei die einzelnen Bestandteile genügend
hoch dosiert sein müssen. Sie sollen eine beruhigende,
entspannende und schlafanstossende Wirkung haben, klinische Beweise fehlen aber. Allerdings haben sie kaum
unerwünschte Wirkungen und führen auch bei längerem
Gebrauch nicht zur Abhängigkeit. Im Wissen um ihre hohe
Suggestivwirkung und um die Problematik synthetischer
Hypnotika dürfen sie den Patienten ruhigen Gewissens
empfohlen werden. Ausserdem ist eine Tasse Tee vor dem
Zubettgehen ein gutes Schlafritual.
Benzodiazepine (BDZ)
Bei den ärztlich verordneten Hypnotika stehen BDZ und
BDZ-Analoga an erster Stelle. Vorteile dieser Substanzklassen sind die gesicherte Wirksamkeit und die geringe Toxizität. Nachteilig sind die rasche Toleranzentwicklung
­(innerhalb einiger Tage oder Wochen) und das Ab­h ängig­­
keitspotenzial. Deshalb sollen BDZ und BDZ-Ana­loga in
möglichst geringer Dosierung, nur für eine kurze Zeitspanne
(maximal 2 bis 4 Wochen) und strikt nur für die zugelassenen Indikationen eingesetzt werden.
Bei den BDZ kommen in erster Linie Wirkstoffe mit kurzer
(z.B. Triazolam) oder mittlerer (z.B. Lorazepam, Oxazepam)
Wirkungsdauer zur Anwendung. Bei älteren Patienten sollten
pharManuel13
Benzodiazepin-Analoga
Chemisch sind die sogenannten «Z-drugs» (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon) keine BDZ, binden aber an dieselben Rezeptorkomplexe. Alle diese Medikamente haben eine kurze
Wirkungsdauer (<6 Std.) und einen Wirkungseintritt von
15–30 Minuten. Wirksamkeit und unerwünschte Wirkungen
unterscheiden sich nicht signifikant von den BDZ. Auch die
Z-Medikamente können eine Beeinträchtigung des Wachzustandes am folgenden Tag inkl. erhöhtes Sturzrisiko hervorrufen. Ebenso drohen Missbrauchsgefahr, Abhängigkeit und
Entzugserscheinungen. Es besteht keine Evidenz, dass BDZAnaloga ein kleineres Abhängigkeitspotenzial gegenüber BDZ
haben. Entsprechend sollte auch ihre Anwendung wie die­
jenige der BDZ auf vier Wochen (bei Zaleplon auf 2 Wochen)
begrenzt werden. Ein brüskes Absetzen der Medikamente ist
nicht ratsam, denn dies kann zu starken Entzugserscheinungen bis hin zu einem epileptischen Anfall führen.
Auch Interaktionen mit CYP3A4-Hemmern sind bekannt.
Melatonin
Melatonin ist ein Hormon aus der Zirbeldrüse, das bei
Dunkelheit vermehrt ausgeschieden wird. Es verfügt über
somnogene Effekte und spielt eine wichtige Rolle bei der
Kontrolle des zirkadianen Rhythmus. Aktuell ist es als
konti­­nuierliche dreiwöchige Monotherapie (2 mg 1–2 Std.
vor dem Zubettgehen) bei Patienten ab 55 Jahren mit primären Ein- und Durchschlafstörungen zugelassen. Die
Wirkung ist mässig und nicht klar belegt. Melatonin ist im
Allgemeinen gut verträglich. Laut Studien müssen weder
Abhängigkeit noch Entzugssymptome befürchtet werden,
doch fehlen Daten zur Langzeitsicherheit. Experten beurteilen daher Melatonin kritisch.
Chloralhydrat
Chloralhydrat ist ein altes, schlecht evaluiertes Hypnotikum.
Es hat eine relativ geringe therapeutische Breite und kann zu
Abhängigkeit führen. Von seiner Verwendung wird deshalb
abgeraten.
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