Kuba, Kommunismus und die Kirche

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Quelle:
, 21.09.2015
Kuba, Kommunismus und die Kirche
Ein kurzer Abriss über das Verhältnis zwischen dem sozialistischen Staat und
Religionen seit der Revolution 1959
Von Harald Neuber
Entspannteres Verhältnis: Werbung für den
Papst-Besuch in Kuba 2015; Quelle: flickr.com;
Lizenz: CC
Der dritte Besuch eines Papstes in Kuba
binnen relativ weniger Jahre wirft ein
Schlaglicht auf die Rolle des Vatikans in
dem sozialistischen Karibikstaat und auf
das
Verhältnis
zwischen
dem
kubanischen Sozialismus und der
Religion im Allgemeinen. Hervorzuheben
ist: Das Verhältnis zwischen Staat und
Religion im revolutionären Kuba hat seit
dem Regimewechsel 1959 mehrere von
außen- und innenpolitischen Einflüssen
geprägte Phasen durchlaufen und ist in
Bezug auf die politische Bedeutung der
jeweiligen
religiösen
Gemeinschaft
unterschiedlich ausgeprägt. Historisch
betrachtet
war
die
kubanische
Gesellschaft stets ähnlich religiös
geprägt
wie
die
der
übrigen
lateinamerikanischen und karibischen Staaten, indes sind auch Unterschiede
festzustellen. Durch die geografische Lage des Landes zwischen drei Regionen –
Nordamerika, Südamerika und Karibik – war die kubanische Gesellschaft von vornherein
religiös heterogener als die anderer Staaten. Zum Zeitpunkt der Kubanischen Revolution
bestanden neben der historisch starken römisch-katholischen Kirche rund 50
evangelische Kirchen. Hinzu kamen die starken Einflüsse der afroamerikanischen
Santería, die statistisch und quantitativ wegen fehlender Erhebungen schwer zu erfassen
sind.
Im Verlauf des Kampfes gegen die Diktatur von Fulgencio Batista spielten die drei
religiösen Gruppen zunächst kaum eine Rolle. Nur wenige Vertreter der katholischen
Kirche hatten gegen die Diktatur Position bezogen. Nach dem Sturz Batistas hingegen
bezog der katholische Klerus rasch zwei Positionen, die für die Dynamik in bilateralen
Verhältnis Staat-Kirche und für alle Akteure von weitreichenden und bis heute wirkenden
Konsequenzen waren: Zum einen prangerte die kubanische katholische Kirche den
kommunistischen Einfluss (also den des damaligen Ostblocks) auf die neue Führung an,
zum anderen sprachen sich katholische Amtsträger gegen Reformen im Bildungswesen
aus. Neben dem allgemein auf Kuba wirkenden geopolitischen Konflikt trug vor allem der
zweite Punkt zur Eskalation bei, weil die katholische Kirche – ebenso wie protestantische
und jüdische Gemeinden – über Bildungseinrichtungen verfügten, die nun stärker
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staatlich kontrolliert werden sollten. Besonders die katholische Kirche dominierte das
Schulwesen in den Städten des Landes. Es ging also gleichsam um den ideologischen
Einfluss in der Bildung. Damit war ein Konflikt begründet, der sich im Dialog Staat-Kirche
in Kuba bis heute widerspiegelt.
Der Bruch mit der katholischen Kirche kam 1961. Nach der blutigen Eskalation einer
Demonstration im Zuge einer kirchlichen Prozession wurden 132 katholische Priester –
ein Fünftel des Apparates – ausgewiesen, 2.000 Nonnen und 500 Priester verließen das
Land freiwillig. Diese Entwicklung ist als Grundlage für das weitere Verhältnis zwischen
Staat und katholischer Kirche aus zwei Gründen von Bedeutung: Zum einen brachen die
organisatorischen Strukturen der bis dahin landesweit vernetzten katholischen Kirche
zusammen, zum anderen verlor die katholische Kirche mit der Verstaatlichung der
Bildung 1961 und des damit einhergehenden Verbots privater und damit auch klerikaler
Bildungseinrichtungen ihre wichtigste Finanzquelle.
Auch zu den übrigen Religionsgemeinschaften nahm der kubanische Staat deutlich
Abstand und kappte institutionelle Verbindungen. Diese Entwicklung war generell
außenpolitisch zu begründen. Mit der Annäherung an die Sowjetunion verstärkte sich
eine antiklerikale Tendenz, die unter anderem in der Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft
in einer Kirche und der regierenden Kommunistischen Partei Niederschlag fand. Im Fall
der evangelischen (nordamerikanischen) Kirchen kamen die massiv zunehmenden
Spannungen zwischen Havanna und Washington erschwerend hinzu, die jüdischen
Gemeinden erlebten eine ähnliche Entwicklung nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Die
afrokubanische Santería indes erlebte einen Prozess der Re-Definition als musealisierte
Volkskultur. Anders als bei den Konflikten mit den etablierten (Welt-)Kirchen lief dies
weitaus konfliktfreier ab: zum einen stellte die Santería keine institutionelle Konkurrenz
zu der revolutionären Regierung dar, zum anderen war diese afrokubanische Strömung
von ihren Ursprüngen her darauf ausgerichtet, unabhängig von staatlichen Strukturen zu
existieren.
Nach einer weitgehend konfliktfreien Parallelexistenz von Staat und Kirche zur Zeit der
engen kubanisch-sowjetischen Kooperation setzte eine erneute Annäherung Mitte der
achtziger Jahre ein. Grundlage dieser Entwicklung war eine Neuorientierung der
kubanischen Führung, die parallel zu der als "Rectificación" bezeichneten Loslösung von
der UdSSR einsetzte. Staats- und Regierungschef Fidel Castro versuchte mit dem 1985
vom brasilianischen Dominikaner und Befreiungstheologen Frei Betto herausgegebenen
Gesprächsband "Fidel y la religión" eine Verbindung zwischen Christentum und
Marxismus herzuleiten [1]. Parallel hierzu besuchte 1984 der US-amerikanische
Baptistenpriester und Bürgerrechtsaktivist Jesse Jackson Kuba. Die vorrangig in
Havanna aktive jüdische Gemeinde – vor allem die Gemeinde Bet Shalom unter dem
damaligen Vorsitzenden José Miller – eröffnete ihre Bibliothek und nahm eine aktive
religiöse Bildungsarbeit auf. Von staatsparteilicher Seite wurde diese Entwicklung mit der
Eröffnung eines Büros der regierenden PCC für religiöse Angelegenheiten begleitet. Die
mehrdimensionale Entwicklung in den Jahren 1985 und 1986 führte zu einer
Revitalisierung der Religion in Kuba und leitete damit einen Trend ein, der durch den
Beginn einer schweren wirtschaftlichen Krise wenige Jahre später noch erheblich
verstärkt wurde.
Die Krisensituation nach 1991 führte zu einer Aufwertung der religiösen Netzwerke, auf
deren Kompensationsleistungen der überlastete Staat hoffen konnte. Katholische und
jüdische Organisationen sowie die baptistische Vereinigung Pastors für Peace
organisierten Hilfslieferungen nach Kuba. Damit trugen diese Gruppierungen nicht nur
zur objektiven Entspannung der Versorgungslage bei, sie bildeten zugleich – vom
kubanischen Staat in Stellung gebracht – ein Gegengewicht zur US-amerikanischen
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Blockade, die in Hoffnung auf einen Systemwechsel in Kuba Mitte der neunziger Jahre
mit mehreren Zusatzbestimmungen weiter verschärft wurde.
Neben den beiden genannten Aspekten (Versorgung, politische Wirkung gegen die USBlockade) entwickelten die transnationalen religiösen Netzwerke seit den frühen
neunziger Jahren eine bis dahin nicht gekannte Dynamik. Vor allem die afrokubanische
Santería entfaltete mit der zeitgleichen Öffnung des Landes zum Tourismus große
Wirkung, indem sie "dauerhafte reziproke Verbindungen" zwischen solventen
Ausländern und ihren kubanischen "Paten" schafften, wie die Lateinamerikanistin
Claudia Rauhut schrieb. Die so vor allem in die US-kubanische Gemeinschaft
aufgebauten Verbindungen eigneten sich gleichsam als konkurrierende Netzwerke zu
den bis dahin starken antikommunistischen Strukturen des Exils. Diese Tendenz wird
ausführlich auch von den US-amerikanischen Forscherinnen Sarah J. Mahler und Katrin
Hansing beschrieben.
Religion spielte in der sozialistischen Gesellschaft Kubas in der Krise der 1990er Jahre
eine stärkere Rolle. Zugleich hat es die kubanische Führung vermocht, die institutionell
organisierten religiösen Gruppen in das nationale Projekt einzubinden und indirekt sogar
außenpolitisch gegen die US-Blockade in Stellung zu bringen. Die staatliche
Reintegration der Kirche in nationalen Diskurs und Geschichtswahrnehmung ist jedoch
nicht monokausal auf die Notlage seit 1991 zurückzuführen, sondern muss im Rahmen
einer gesamtpolitischen Neuorientierung des kubanisch-sozialistischen Projektes seit
Mitte der 1980er Jahre betrachtet werden, was mit der Neubewertung von Figuren wie
Félix Varela [2] oder José Martí einherging. Religiöse Akteure und Netzwerke haben
seither innerhalb Kubas an Bedeutung gewonnen und sind ein wesentlicher Faktor bei
den zunehmenden Verbindungen zu den auslandskubanischen Gemeinden, vor allem in
den USA.
Zum Weiterlesen:
Büntig, Aldo (1970): La Iglesia en Cuba, hacia una nueva frontera, in: Revista del CIAS,
1970, XIX, Nr. 193, Seiten 21 ff., Buenos Aires.
Frei Betto (1986): Fidel y la religión. Entrevista concedida a Frei Betto. Oficina de
Publicaciones del Consejo de Estado, La Habana.
Jerozolimsi, Ana (2008): Si llega a haber relaciones entre Israel y Cuba, va a haber
mucha gente feliz en los dos lados, in: http://www.cuba-l.com/?p=176642 (20.09.2015).
Mahler, Sarah J./Hansing, Katrin (2005): Toward a Transnationalism of the Middle. How
Transnational Religious Practices Help Bridge the Divides between Cuba and Miami, in:
Latin American Perspectives, Issue 140, Vol. 32, Riverside, CA, USA.
Muder, Winfried (1992): Zur Herausbildung und zum Stand des Verhältnisses von Staat
und Kirche in Cuba, Frankfurt am Main.
Neuber, Harald (2013): Kubas unentdeckte Wende. Wie die innere Reformdebatte Fidel
Castros Revolution seit 1990 verändert hat, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles,
New York, Oxford, Wien.
Rauhut, Claudia (2009): Die Santería-Religion und die kommunistische Partei- und
Regierungspolitik in Kuba, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, Berlin.
[1] Anfang 1996 dann fand das erste Nationale Kubanische Kirchentreffen (Encuentro Nacional
Eclesial Cubano, ENEC) statt, auf dem nach Angaben von Monsignore Carlos Manuel Céspedes,
Generalsekretär der kubanischen Bischofskonferenz, zahlreichen zentralen Fragen des Verhältnisses
Staat-Kirche nachgegangen wurde
[2] Kubanischer Priester, Wissenschaftler und Unabhängigkeitskämpfer (1788-1853). Der höchste
Orden Kubas ist seit 1981 nach ihm benannt
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