G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 1) Mathematik lehren a) Nennen Sie zwei Vorteile und zwei Nachteile, die das problemorientierte Lernen gegenüber dem systemorientierten Lernen hat. b) Erläutern Sie (mit Skizze) ein problemorientiertes Vorgehen zum Thema „Schnittpunkt der Mittelsenkrechten im Dreieck“. a) Vorteile: - Motivation der Schüler: Probleme, die lösbar sind, wirken motivierend - Entwicklung von allgemeiner Problemlösekompetenz - Sinn der Mathematik: Mathematische Sachverhalte, die beim Lösen von - Problemen entwickelt werden, erscheinen sinnvoll. - Problemorientierung zieht oft selbstständiges, entdeckendes Lernen nach sich und führt zu nachhaltigeren Lerneffekten Nachteile: - Fehlende Struktur des Gesamtzusammenhang - Verlust des roten Fadens - ggf. fehlende Voraussetzungen zur Problemlösung - Höherer Zeitaufwand - Überforderung insbesondere leistungsschwächerer Schüler b) Seenotrettungskreuzer-Problem: In drei Städten am Meer befinden sich Standorte von Seenotrettungskreuzern. Bei einem Unfall ist immer derjenige Standort zuständig, der der Unfallstelle am nächsten liegt. Bestimme die Zuständigkeitsbereiche der drei Stationen. Wie erhält man die Grenze zwischen je zwei Zuständigkeitsbereichen? Schneiden sich die Grenzen in einem Punkt? Oder gibt es ein Bermudadreieck, in dem die Zuständigkeit unklar ist? Modellierung: Die Grenzen werden durch die Mittelsenkrechten gegeben. Schneiden sich die Mittelsenkrechten in einem Punkt? Informationen beschaffen: Was weiß ich über die Mittelsenkrechte einer Strecke? Was weiß ich über die Entfernung des Schnittpunktes zweier Mittelsenkrechten im Dreieck zu den drei Eckpunkten? a) 4VP b) 6VP G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 2) Wahrscheinlichkeitsbegriff Peter würfelt und interessiert sich für die Anzahl der Sechsen bei n Würfen. a) Geben Sie für n = 180 und n = 720 jeweils einen Bereich an, in dem die Anzahl der Sechsen mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 95% liegt. b) Ein Schüler sagt zu Ihnen: „Ich habe 180 Mal gewürfelt und 24 Mal eine Sechs bekommen. Als ich später 720 Mal gewürfelt habe, kam nur 108 Mal eine Sechs. Offensichtlich entfernt sich die erreichte Anzahl von Sechsen immer mehr von der zu erwartenden Anzahl. Deshalb meine ich, dass das empirische Gesetz der großen Zahlen nicht stimmt“. Was antworten Sie diesem Schüler? a) „etwa 95%“ deutet auf den Bereich µ 2 σ hin, also: I. µ 180 1 30 mit der 95%-Umgebung mit = 6 180 16 65 25 5 somit ist der gesuchte Bereich [ 20 ; 40 ] II. µ 720 1 120 mit der 95%-Umgebung mit = 6 720 16 65 100 10 somit ist der gesuchte Bereich [ 100 ; 140 ] 5 VP b) Der Abstand der beobachtbaren absoluten Häufigkeiten vom Erwartungswert divergiert tatsächlich (im Beispiel: erst 30 – 24 = 6, dann 120 – 108 = 12 ) Dies steht in keinem Widerspruch dazu, dass sich die entsprechenden relativen Häufigkeiten (im Bsp. erst 24/180 dann 108/720 ) dennoch der/einer „innewohnenden“ Wahrscheinlichkeit annähern (in unserm Beispiel dem a priori bekannten Wert p = 1/6 ) und eben dies sagt das empirische Gesetz der großen Zahlen aus. [ Sinngemäß: „Je größer der Stichprobenumfang, desto mehr werden selbst größer werdende absolute Abweichungen vom Erwartungswert „abgefangen“(relativieren sich) und die Stabilisierung der relativen Häufigkeiten für wachsendes n wird letztlich deutlich“ ] 5 VP 3) Hinführung zur Integralrechnung „Integrieren heißt Rekonstruieren“ – Erläutern Sie dies an einem anwendungsorientierten Beispiel. Es wird Wasser in ein Becken gefüllt mit einer Geschwindigkeit (Änderungsrate) von 3 l/sec, also f(t) = 3 . Waren zur Zeit t = 0 bereits 100 l in dem Becken vorhanden, so ergibt das einen „Bestand“ von t F ( t ) 100 f ( x ) dx , plausibel in folgender 0 Darstellung, hier wird 10 Sekunden lang Wasser mit der angegeben Zuflussgeschwindigkeit eingefüllt: G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 - Die Bilanz (Wirkung) dieses Prozesses entspricht offensichtlich dem Flächeninhalt zwischen berandender Gerade und x-Achse. Flächen unterhalb der x-Achse werden als „Bestandsabnahme“ plausibel und deshalb „negativ gezählt“. - Integrieren („Wiederherstellen“) heißt also „den Flächeninhalt zwischen berandender Kurve und x-Achse im entsprechenden Intervall ermitteln“, was dem ursprünglichen, zweckfrei mathematischen „Integrieren“ im Kern entspricht (didaktische Reduktion). - Die Fläche entspricht dem Gesamteffekt, also hier dem „rekonstruierten Bestand“ der Wassermenge im Becken im entsprechenden Zeitraum (gegebenenfalls zuzüglich eines Anfangbestandes) 5 VP 4) Beweisen in der Geometrie Ein Winkel, dessen Scheitelpunkt der Mittelpunkt eines Kreises ist und dessen Schenkel den Kreis in den Punkte A und B schneiden, heißt Mittelpunktswinkel über der Sehne AB. Es gilt der folgende Satz vom Mittelpunktswinkel: Der Mittelpunktswinkel über jeder Sehne AB ist doppelt so groß wie jeder der Umfangswinkel über dieser Sehne. a) Veranschaulichen Sie diesen Satz mit einer geeigneten Zeichnung. b) Beweisen Sie diesen Satz mithilfe des Satzes vom Umfangswinkel und des Satzes vom gleichschenkligen Dreieck. c) Nennen Sie vier Beweistechniken*, die im Geometrieunterricht den Schülern vermittelt werden sollten. *Gemeint sind Strategien, die man beim Beweisen von geometrischen Sätzen sinnvollerweise anwendet, also zum Beispiel „Ergänze die Beweisfigur durch Hilfslinien“ a) Die Aussage des Satzes ist die in der Skizze angegebene Gleichung β=2α. b) Konstruiere den Schnittpunkt C' der Seitenhalbierenden von AB mit dem Kreis. Der Umfangswinkelsatz besagt, dass dann die Winkel ACB und AC'B gleich groß sind. In der Skizze ist deshalb bereits der Winkel α bei C' eingezeichnet. G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 Nun wird die Strecke MC' eingezeichnet. Diese Strecke halbiert den Winkel α. Das Dreieck AMC' ist gleichschenklig. Der Satz vom gleichschenkligen Dreieck besagt, dass die Basiswinkel gleich groß sind. Daher ist der Winkel MAC' auch gleich α/2. Aus dem Satz über die Winkelsumme im Dreieck folgt γ=180°-α. Da das Dreieck MBC 'durch Spiegelung aus dem Dreieck AMC' hervorgeht, ist auch der Winkel BMC' gleich 180°-α. Daraus folgt β+(180°-α)+(180°-α)=360°.Umformung liefert β-2α=0°, also β=2α. c) Erstellen einer Beweisfigur und Eintragen der Voraussetzungen. Vorwärtsarbeiten, Rückwärtsarbeiten, Sammeln von Sätzen, in denen es um Aussagen im Umfeld von Voraussetzung und Behauptung geht. (Ergänzen von Hilfslinien in der Beweisfigur ) Untersuchung von Sonderfällen und Verallgemeinerung des Vorgehens. a) 1VP b) 5VP c) 4VP 5.) Zahlenbereichserweiterung Warum ist MINUS mal MINUS = PLUS ? Geben Sie an: a) einen Zugang für den Unterricht in der Unterstufe b) einen Beweis, der sich auf die Konstruktion der ganzen Zahlen aus den natürlichen Zahlen und die hierbei definierte Multiplikation stützt. a) In der Unterstufe bietet sich ein Zugang über so genannte Permanenzreihen (s.u.) an. Vorab wird geklärt: 3 ∙ (-3) = -9 … z.B. wegen der Grundvorstellung der Multiplikation als verkürzte Addition 3 ∙ (-3 ) = -9 2 ∙ (-3 ) = -6 1 ∙ (-3) = -3 0 ∙ (-3) = 0 -1 ∙ (-3) = ? G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 -2 ∙ (-3) = ? In dieser Reihe nimmt der erste Faktor jeweils und 1 ab, dabei nimmt das Ergebnis immer um 3 zu. Es liegt damit nahe festzulegen, dass MINUS mal MINUS = PLUS ist. b) Ganze Zahlen werden als Klassen von Zahlenpaaren natürlicher Zahlen definiert. Die Multiplikation wird hierbei so festgelegt: (a; s) (b; t) : (a∙b + s∙t; a∙t + s∙b). Sie ist unabhängig vom gewählten Vertreter. Wir wählen nun zwei beliebige negative Zahlen und schreiben sie jeweils mit einem einfachen Vertretern auf: (0; a) und (0; b), hierbei sind a und b von 0 verschiedene natürliche Zahlen. Es gilt dann: (0; a) (0; b) = (0∙0 + a∙b; 0∙b + a∙0) = (a∙b; 0). Also (-a) ∙ (-b) = +(a∙b) a) 6 VP b) 6 VP 6.) Teilbarkeitsregel a) Begründen Sie kurz die Endstellenregel für die Teilbarkeit durch 8. b) Im Internet finden Sie folgendes Beispiel für eine entsprechende Quersummenregel: Ignoriere alle Ziffern oberhalb der Hunderterziffer, nimm die Hunderterziffer mal 4, die Zehnerziffer mal 2 und die Einerziffer mal 1, addiere diese Produkte und prüfe, ob dein Ergebnis durch 8 teilbar ist. Begründen Sie diese Regel an einem Beispiel und mit Hilfe des Gruppenaufteilungsmodells. a) Endstellenregel: Eine Zahl ist genau dann durch 8 teilbar, wenn die aus den letzten drei Ziffern gebildete Zahl durch 8 teilbar ist. Begründung der Endstellenregel: Die Zahl 1000 ist durch 8 teilbar: 1000 = 8 ∙ 125. Damit sind auch Vielfache von 1000 wie 3000 oder 10.000; 100.000 usw. durch 8 teilbar. Über die Teilbarkeit durch 8 entscheidet also nur die aus den letzten drei Ziffern gebildete Zahl. b) Begründung der Quersummenregel am Beispiel der Zahl 123.456: 123.000 Personen können in 8-er Gruppen versorgt, da 1000 durch 8 teilbar ist. Von 100 Personen können 96 in 8-er Gruppen versorgt werden, 4 Personen bleiben übrig. Von 10 Personen können 8 in einer 8-er Gruppe versorgt werden, 2 Personen bleiben übrig. 1 Person kann nicht in einer 8-er Gruppe versorgt werden, 1 Person bleibt übrig. Bei 456 = 4∙100 + 5∙10 + 6 Personen bleiben also 4∙4 + 5∙2 + 6 = 32 Personen (zunächst) übrig. Diese gewichtete Quersumme entscheidet nun allein über die Teilbarkeit der ursprünglichen Zahl durch 8. 32 ist aber eine 8-er-Zahl, also bleibt keine Person übrig und damit ist 123.456 durch 8 teilbar ■ a) 3 VP b) 6 VP G. Brüstle, B. Euler, V. Kollmann, P. Lesky Lösungen der Klausur Zeit: 90 Minuten; keine Hilfsmittel 25.02.2013 Fachdidaktik 1, 2012 / 13 7) Variablenbegriff Nennen Sie drei verschiedene Aspekte des Variablenbegriffs und erläutern Sie diese an geeigneten Beispielen. 9 VP Gegenstandsaspekt: Die Variable steht für eine (unbekannte) Zahl oder eine Größe. Sie wird als (noch) unbestimmter Gegenstand aufgefasst. In Formeln steht sie für eine „allgemeine Zahl“. Beispiele: Lückenaufgaben ...+5=12 5x=2,5 (x ist der Brötchenpreis, o.ä.) Welche Zahl hat sich Kevin ausgedacht: Das Doppelte seiner Zahl ist um 5 größer als 11 Einsetzungsaspekt: Die Variable ist ein Platzhalter, für den man verschiedene Zahlen (der Grundmenge) einsetzen darf. Beispiele: Wertetabelle erstellen, Lösung einer Gleichung überprüfen. Kalkülaspekt: Variablen sind Zeichen, mit denen man nach bestimmten Regeln rechnen kann. Beispiele: Vereinfache den Term … Faktorisiere so weit wie möglich Ergänze zu einem vollständigen Quadrat