Und ich, wenn ich von der Erde 09.2015.p[...]

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„"Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen"
(Joh. 12,32) Von P. Augustine Vallooran VC
Am 14. September feiert die Kirche das Fest „ Kreuzerhöhung“. Dieses Fest ist auch als der
Triumph des Kreuzes bekannt. Es ist eine Einladung, in unseren irdischen Prüfungen die
verborgene Herrlichkeit des Himmels zu entdecken.
In der letzten Phase des Pontifikates von Johannes Paul II. gab es im Vatikan eine ganz vertraute
Sicht auf den gebrechlichen Papst, der sich schwer auf seinen Bischofsstab lehnte. Dieser
Bischofsstab hatte die Form des Kreuzes. Es schien, als wäre der einzige Halt, auf den er sich noch
stützte, das Kreuz Jesu. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck des absoluten Vertrauens in den
Schutz des Gekreuzigten Herrn. Gebeugt von seinen körperlichen Gebrechen und der großen
Verantwortung des Hirtenamtes der Kirche, fand er absolute Sicherheit im Schatten des Kreuzes.
Dieses war das Vertrauen des Papstes, der erklärte: „ Das Kreuz bedeutet, dass es keinen
Schiffbruch ohne Hoffnung gibt; keine Finsternis ohne Morgendämmerung; keinen Sturm ohne
einen sicheren Hafen“. Indem er auf das Kreuz schaute, drückte er seinen kindlichen und
bedingungslosen Glauben an den Gekreuzigten Herrn aus.
„ Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen“ (1 Kor. 1,25)
Wir werden an das Gebet Jesu erinnert: „ Ich preise dich Vater, du Herr des Himmels und der Erde,
weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt.
11,25). Jesus spricht vom menschlichen Leiden als ein Geheimnis- die Bedeutung dessen kann nur
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von Gott offenbart werden. Wenn etwas nicht durch eine logische Untersuchung entschlüsselt
werden kann, dann wird es zu einem Geheimnis. Und doch sagt Jesus, dass die Bedeutung des
Leidens denen verborgen ist, die auf ihren menschlichen Intellekt und ihren Verstand bauen. Die
Kindlichen jedoch, sind andererseits diejenigen, die zu Gott kommen und auch im bitteren
Straucheln ihres Lebens vertrauen. Sie stellen nicht in Frage, warum es Leiden gibt. Sie vertrauen
ganz auf die Vorsehung der Hand Gottes, welches ihr Leben im Schmelztiegel des Leidens erhebt.
Jesus verurteilt die Macht der Intellektuellen und des Begründens in keinerlei Weise, da es
tatsächlich Gaben Gottes sind. Was er verurteilt ist der intellektuelle Stolz, der Gott bei der Suche
nach dem Sinn des Lebens ausschließt. Wenn wir den Intellekt idealisieren ohne für die göttliche
Offenbarung Raum zu lassen, dann sind wir durch die Begrenzungen des Ersteren verurteilt. Es ist
nicht der Kopf, sondern das Herz, das uns die tieferen Geheimnisse der menschlichen Existenz
besser verstehen lässt. Wenn Dinge in unserem Leben schief laufen, Menschen uns niedermachen
und unsere Pläne nicht verwirklicht werden, wenn körperliche Schmerzen und seelische Qualen uns
überwältigen, wir jedoch ein kindliches Vertrauen haben, dann werden wir an Gott festhalten und auf
seine Stimme warten, die uns trösten wird. Wir stellen Gott nicht in Frage. Wir werden lediglich auf
seine Offenbarung des Geheimnisses des Leidens warten.
Die Weisen und Gelehrten stellen immer die Frage: „Warum ich?“ Sie wollen den Grund für die
unglückliche Situation genau erkennen. In diesem Prozess beschuldigen sie den Einen oder
Anderen. Zu einer anderen Zeit sind sie deprimiert und finden den Fehler bei sich selbst, als würde
Gott sie für ihre Sünden bestrafen. Doch beide sind falsche Schlüsse, die in den wichtigen
Momenten der Prüfung von Gott wegführen. Solche Fehlinterpretationen bringen unnötige negative
Einstellungen des Ärgers, der Schuld und der Sorge.
Eine Person, dessen Leben auf Gott ausgerichtet ist, wird sich in den dunklen Momenten des
Nichtbegreifens immer an Gott wenden. Dann kann Gott ihm das verborgene Geheimnis offenbaren,
das sich hinter dem Leiden verbirgt. Als Jesus über das Leiden sprach, sagte er: „ Mir ist von
meinem Vater alles übergeben worden“ (Mt. 11,27). Alle Bedrängnisse des menschlichen Lebens
können dann als eine Erweiterung des Kreuzes Jesu angesehen werden. Der Hl. Petrus sagt uns: „
Stattdessen freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der
Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln“ (1 Petr. 4,13). Dieses Wort offenbart uns, dass
jede Form des Schmerzes ein Anteil des Kreuzes Christi ist, der uns gegeben wurde. Und so sind
wir auf geheimnisvolle Weise mit dem Gekreuzigten Herrn in jedem kostbaren Moment seines
erlösenden Leidens verbunden. Deshalb gibt es keinen Grund auf Andere zu zeigen und ärgerlich
oder bitter zu werden, oder sich selbst zu verachten und in Traurigkeit zu verfallen. In solch
unglücklichen Momenten ist alles, was wir tun müssen: Uns Gott zuwenden und das Kreuz aus den
Händen des Herrn auf uns zu nehmen.
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Der wohl anstrengendste Moment der Passion und des Todes Jesu war in Gethsemani. In jener
dunklen Stunde schien die Bedeutung des schweren Kreuzes, das auf ihn wartete, von Verzweiflung
und Unverständnis verborgen. Darum war er so angespannt, dass er Blut schwitzte. Er schrie zu
seinem himmlischen Vater: „ Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir“ (Lk. 22,42). Schon
im nächsten Augenblick, in dem er die Erfahrung der tröstenden Gegenwart seines himmlischen
Vaters machte, nahm er das Kreuz aus dessen Händen an. Er betete: „ Aber nicht mein, sondern
dein Wille geschehe“ (Lk. 22,42). Er nahm jeden schmerzvollen Schritt auf den Kalvarienberg als die
Erfüllung der himmlischen Mission, die ihm sein Vater anvertraut hatte, an. Es gab keinen Hauch
von Rache, sondern nur das Flüstern der Segnungen, die er den ganzen Weg aussprach. Er betete
für diejenigen, die ihn am Kreuz zerbrachen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie
tun“ (Lk. 23,34).
„ Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm. 8,37)
Eine junge Frau teilte mir die Erfahrung mit, die sie bei den Exerzitien gemacht hatte. Sie war
verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie hatte einen Studienabschluss in Literatur und war als Lektorin
angestellt. Einige Monate nach der Heirat verlor sie ihre Arbeit, doch sie war ganz sicher, dass sie
aufgrund ihrer guten Qualifikation bald eine neue Stelle finden würde. Als sie nach einer Arbeit
suchte, bemerkte sie, dass sie schwanger war und es wurde eine sehr schwierige Schwangerschaft.
Nach der Geburt wollte sie bei ihrem Baby sein und suchte auch nicht nach einer Arbeit. Als das
Baby größer wurde, wollte sie ihre Karriere fortsetzen. Doch da erkannte sie, dass sie mit dem
zweiten Baby schwanger war. Während der ganzen Zeit verspottete ihr Ehemann sie wegen ihrer
Einstellung und der guten Qualifikation. Er verglich sie mit ihren Schwägerinnen, die alle eine
professionelle Arbeitsstelle hatten. Er war auf seine Brüder eifersüchtig, die erfolgreicher waren und
einen extravaganten Lebensstil führten. Er klagte seine Frau als eine Belastung an. Obwohl sie
ärgerlich auf ihn war, ließ sie sich nichts anmerken. Doch in diesem Prozess rutschte sie in eine
Depression und begann, ihr Leben zu verachten. Mit diesem unruhigen Geist kam sie zu den
Exerzitien. Nachdem ich mit ihr gesprochen hatte, gab ich ihr zwei Bibelverse. „ Kommt alle zu mir,
die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt
mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr
Ruhe finden für eure Seele“ (Mt. 11,28-29). Ich bat sie, mit diesen Worten Jesu zu beten. Zwei Tage
später traf sie mich wieder. Schmerzen standen auf ihrem ganzen Gesicht. Sie sagte mir, dass
dieses Wort Gottes keinen Sinn machen würde. Jesus bittet uns, dass Joch auf uns zu nehmen und
wir werden in ihm Ruhe finden. Mit gequälter Stimme fügte sie hinzu, dass es ein schweres Joch
gab, das auf ihrer Schulter lag, sie jedoch nicht in der Lage war, Ruhe zu finden. Ich sagte ihr, dass
die Verheißung Jesu, uns zu trösten, denen gegeben ist, die sein Kreuz auf ihren Schultern tragen.
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Denn er hat gesagt: „ Nehmt mein Joch auf euch“. Ich erklärte auch, dass die Art und Weise, wie sie
auf das Kreuz auf ihren Schultern schaute, nicht so war, wie Jesus uns angewiesen hatte.
Sie sah ihr Leben als einen gewaltigen Fehler an und ihre Ausbildung schien verschwendet zu sein.
Ihre Ehe war zu einer bitteren Erfahrung geworden. Ihre Kinder schienen diesen Verlust ausgelöst
zu haben. Sie fühlte sich allein und abgelehnt. Ich lud sie ein, am Fuße des Kreuzes zu bleiben und
auf Jesus zu schauen. Er war ans Kreuz genagelt, selbst hilflos und ein absoluter Verlierer. Er war
auf demHöhepunkt seines Lebens niedergeschmettert. Seine grandiose Einführung des Reiches
Gottes auf der Erde schien sich im Nebel aufgelöst zu haben. Zuerst dachte sie, dass dieses nur
eine Bestätigung dafür wäre, dass die Welt böse und das Leben unfair sei und Gott eben auch
nichts tun könne. Ich bat sie, im Gebet auszuharren und erklärte ihr, dass das Kreuz auf ihren
Schultern ein Anteil von der Last war, die Gott, der Vater, Jesus gegeben hatte.
Jesus war der geliebte Sohn des himmlischen Vaters und doch war es der Weg des Kreuzes, den
der himmlische Vater für ihn vorbereitet hatte. Hinter dem Kreuz Jesu verbarg sich eine klare
Bedeutung- die Erlösung der Menschheit. Jesus nahm sein Kreuz als den Willen des himmlischen
Vaters an und es wurde zu einem Kanal der Rettung für die ganze Menschheit.Wenn das Kreuz,
das Gott ihr gegeben hatte, ein Anteil am Kreuz ist, wie die Schrift sagt, dann bedeutete es auch,
dass ihr ein Anteil am Werk der Erlösung anvertraut worden war. Sie war auserwählt, das Kreuz zu
tragen, um Jesus bei der Mission, ihren Ehemann zu retten, beizustehen. Ich erklärte ihr das Wort
Jesu: „Mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht“. Die wahre Übersetzung des Wortes ‚leicht’
ist ‚gut-sitzend’. Als Schreiner wusste Jesus gut, wann ein Joch gut sitzt und die Last für den
Ochsen leicht wird. In Palästina wurde das Joch für den Ochsen aus Holz gemacht. Der Schreiner
würde den Nacken des Ochsen ausmessen und nach diesem Maß das Joch formen. Wenn das
Joch gut sitzt, dann ist es egal, wie schwer die Last ist. Der Ochse wird keine Schmerzen haben. Ich
erklärte ihr, dass das Kreuz, was ihr gegeben ist, für ihr Herz angemessen und angepasst ist. Ihr
wurde ein habgieriger Ehemann gegeben, damit sie sich dem Herrn zuwenden kann. Sie ist zu
dieser edlen Mission eingeladen, dieses Kreuz auf sich zu nehmen und den Fußspuren des
Meisters von Kalvaria zur Herrlichkeit der Erlösung zu folgen.
Sie betrachtete das Wort Gottes und richtete ihren Blick auf den Gekreuzigten Herrn. Im Schatten
des Kreuzes begann sie zu sehen, wie die Strahlen der herrlichen Auferstehung durchbrachen. Das
ist die Verheißung, die einem Jeden gegeben wird, der sich entscheidet, das Kreuz mit Jesus auf
sich zu nehmen. „ Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben; wenn wir
standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen“ (2 Tim. 2,11+12). Der Heilige Geist gab ihr
den Mut, ihr Kreuz anzunehmen ohne ihren Ehemann anzuklagen. Sie kehrte nach Hause zurück
und nahm die Botschaft und die Mission an. Während sie jeden Tag betete, um die Wege und Mittel
herauszufinden, wie sie die Liebe Gottes an ihren Ehemann weitergeben konnte, veränderte sich
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ihre Einstellung zu ihm. Anstatt, dass sie Fehler an ihm fand, suchte sie nun nach Wegen, für ihn zu
sorgen. Nach einigen Tagen bemerkte der Ehemann diese Verwandlung in ihr und fragte nach, wie
es ihr möglich sei, für ihn zu sorgen, obwohl er sie benachteiligte. Sie teilte ihm ihre Erfahrung bei
den Exerzitien mit und dass ihr eine Mission mit Christus geschenkt worden sei, die Liebe des
Vaters weiter zu geben. Der Ehemann war so beeindruckt von ihrer Aufrichtigkeit, dass er anfing mit
ihr zu beten. Einige Zeit später kam er zu den Exerzitien. Die gesamte Familie kehrte zum Herrn
zurück.
„ Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib“ (Gal. 6,17)
Das Kreuz ist kein Fluch, sondern der Grund der Rettung. Als das Volk Gottes von den
Schlangenbissen in der Wüste zu sterben drohte, betete Moses zu Gott, um ihn um sein Eingreifen
zu bitten. Gott wies Mose an, eine bronzene Schlange aufzustellen, die genau die Form hatte,
welche die Menschen tötete. Das Zeichen des Todes wurde zum Zeichen des Lebens. Dreimal geht
Jesus im Johannes- Evangelium auf dieses Ereignis ein. „ Und ich, wenn ich über die Erde erhöht
bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh. 12,32). Der Tod Jesu am Kreuz wurde zur Rettung für die ganze
Menschheit. Wenn wir erwählt sind, Anteil an diesem Kreuz zu haben, dann ist es auch die Wahl, an
der rettenden Mission Jesu teilzuhaben. Wir können unsere Augen nicht auf unsere Leiden fixiert
halten und hoffen, dass von dort eine Lösung kommt. Wir sollen unseren Blick auf Christus am
Kreuzrichten, um die himmlische Dimension unseres Kreuzes und die sichere Hoffnung der
Herrlichkeit, die darin liegt, zuerkennen. Christus ist aus genau diesem Grund am Kreuz erhoben
worden- damit wir auf ihn schauen und von unserem Elend zu seiner siegreichen Herrlichkeit
gezogen werden.
Vielleicht hat niemand anders als der große Papst Johannes Paul II. dieses besser verstanden. Der
einzige Papst, der seinen Bischofsstab von einem Hirtenstab in ein Kreuz umformen ließ. Er wusste
durch seine eigene Erfahrung des Kreuzes, dass mit Christus gekreuzigt werden bedeutet, der
Verkünder der Erlösung zu sein, zu dem Gott uns bestimmt hat. Wenn die Lasten des Lebens
bedeutungslos und deprimierend erscheinen, dann lasst uns am Fuß des Kreuzes warten und die
Stärke von Christus erfahren, der denen Ruhe verheißt, die zu ihm kommen.
Lasset uns beten:
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Gebet
Himmlischer Vater, wir danken dir, dass du deinen Sohn in die Welt gesandt hast, um sicher
zu stellen, dass wir in den Momenten unseres bitteren Strauchelns nicht verloren gehen. Gib
uns die Gnade, uns dem Gekreuzigten Herrn zuzuwenden und in ihm die Rettung zu finden.
Mögen wir in den schwierigsten Momenten niemals verzweifeln oder bitter werden. Mach uns
fähig, das Kreuz auf unseren Schultern zu tragen und auf dem Weg des Kreuzes deines
Sohnes zu gehen, damit wir mit ihm verherrlicht werden. Amen.
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