unversum InnereMedizin Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin 1/2007 Facharztprüfung Innere Medizin Univ.-Prof. DI Dr. Harald Vogelsang Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin IV, Wien Morbus Crohn Der M. Crohn hat in den letzten Jahrzehnten in Europa deutlich an Prävalenz zugenommen und ist zur wichtigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankung geworden. Hier treten die häufigsten Komplikationen auf, die heutzutage bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie jedoch vermieden werden können. Die Erkrankung tritt bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf, im Prinzip über das gesamte Lebensalter verteilt, am häufigsten zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr. Man rechnet heute, dass etwa 150 Crohn-Patienten auf 100.000 Personen kommen. Durch den etwas komplizierteren Krankheitsverlauf im Vergleich zur Colitis ulcerosa benötigen viele dieser Patienten eine spezialisierte gastroenterologische Betreuung. Entstehung Wie bei vielen chronischen Erkrankungen wird auch beim M. Crohn eine multifaktorielle Genese angenommen. Die Basis dieser Pathogenese bildet jedoch die genetische Suszeptibilität, wobei bereits mehrere Gene, insbesondere NOD2/CARD15, aber auch DLG5 und OCTN nachgewiesen wurden. Etwa 30 % der Patienten mit M. Crohn weisen einen Polymorphismus im NOD2/CARD15-Gen auf, das am Chromosom 16 sitzt. Diese Veränderung tritt insbesondere bei Patienten mit Ileumbefall und stenosierendem Verlauf auf. Es gibt mehrere Therorien zur pathogenetischen Bedeutung des NOD2-Polymorphismus, er dürfte sehr wahrscheinlich zu einer primär verminderten Abwehrreaktion auf intestinale Bakterien (z. B. Darmflora) führen und in der Folge eine vermehrte chronisch-entzündliche Reaktion durch das Eindringen von Bakterien oder deren Antigenen in die Schleimhaut hervorrufen. Es kommt weiters zur Aktivierung von NF-B in Monozyten und Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, wie Tumornekrosefaktor alpha, IL-6 und IL12. Diese führen insbesondere zur Akti- Tabelle 1: Rutgeerts-Score • i0 keine mukosalen Veränderungen • i1 vereinzelte Aphthen, weniger als 5 Aphthen pro Gesichtsfeld • i2 mehr als 5 Aphthen pro Gesichtsfeld • i3 Diffus-aphthöse Ileitis • i4 Pflastersteinrelief bzw. Stenose oder Fistel vierung der TH1-Lymphozyten. Mitbeteiligt bei der Entstehung dieser chronischen Entzündung dürfte auch ein verändertes Defensin-Muster in der Darmschleimhaut sein. Rauchen verschlechtert den Krankheitsverlauf des M. Crohn, insbesondere postoperativ, ebenso Therapien mit nonsteroidalen Antirheumatika. M. Crohn ist keine psychosomatische Erkrankung, vermehrter Stress, Depressivität und verminderte psychosoziale Unterstützung könnten den Krankheitsverlauf jedoch negativ beeinflussen. Klinik Das klassische Symptom des M. Crohn sind die wässrigen Diarrhöen und in weiterer Folge auch Schmerzen im rechten Unterbauch, insbesondere bei Engstellen im terminalen Ileum. Die Diarrhöen sind meist unblutig (außer bei schwerem Kolonbefall) und wässrig-breiig. Infolge von Stenosen kommt es dann öfters auch zu Gewichtsverlust. Typisch sind die in etwa 60 % im Laufe des Lebens auftretenden Fisteln. Die Patienten leiden oft unter Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Fieber, Gelenksschmerzen. Typische extraintestinale Manifestationen sind Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Iritis und 1 unversum InnereMedizin Facharztprüfung Innere Medizin Abbildung 1: Therapie des M. Crohn bei leichter Entzündungsaktivität Leichte Aktivität 150 < CDAI < 220 Befall? ileozäkal kolonisch 9 mg Budesonid (4 g 5-ASA) gastroduodenal 4 g Sulfasalazin Konjunktivitis, primär sklerosierende Cholangitis, M. Bechterew und Arthritis. Diagnostik Bei der Primärdiagnose und eigentlich auch beim Schub eines M. Crohn ist zuerst eine infektiöse Ursache der Diarrhöen auszuschließen (Stuhlkulturen, eventuell auch Stuhl auf Parasiten). Primär kommen bei mehr als 4 Wochen andauernden Diarrhöen insbesondere chronisch-entzündliche Darmerkrankungen – wie M. Crohn, Colitis ulcerosa, mikroskopische Colitis – in Frage. Um diese von nicht-entzündlichen Diarrhöen, wie Reizdarmsyndrom und Zöliakie, abzugrenzen, empfiehlt sich primär auch die Durchführung von Laboruntersuchungen auf Entzündungsparameter, ProtonenpumpenInhibitor wie CRP, Blutbild, Eisen. Den Goldstandard in der Diagnostik stellt jedoch heute die Ileokoloskopie mit multiplen Biopsien aus allen Segmenten aus veränderter und nichtveränderter Schleimhaut dar. Makroskopisch finden sich segmentale entzündliche Veränderungen mit fissuralen Ulcera, Pflastersteinrelief und gelegentlich Stenosen. Mikroskopisch typisch sind fokale entzündliche Veränderungen mit Lymphozytenansammlungen und öfters (bei etwa 30 %) epitheloidzellige Granulome. Eine pathognomische Histologie für den M. Crohn gibt es jedoch nicht. Im Weiteren ist ein Enteroklysma durchzuführen (mit Sonde), wo insbesondere das Ileum dargestellt werden sollte und auf eventuelle Stenosen bzw. Fisteln oder Entzündungen untersucht wird. Abbildung 2: Therapie des mäßigen bis schweren Schubes von M. Crohn Mäßige bis schwere Aktivität CDAI > 220 ileozäkal kolonisch moderat: Budesonid, sonst: Prednisolon 1 mg/kg gastroduodenal oder extensiver DünndarmBefall (> 100 cm) Prednisolon 1 mg/kg Prednisolon 1 mg/kg extensiver Dünndarm-Befall frühes Rezidiv < 3 Mo.? Azathioprin 2 mg/kg (6-Mercaptopurin 1 mg/kg) refraktär? + Zusatznahrung Intoleranz? Zu kontrollierende Blutbild-Parameter: In der weiteren Folge sollte für die Überwachung von M.-Crohn-Patienten regelmäßig das Blutbild mit Hämoglobin, Leukozyten und Thrombozyten, der Eisen-Serumspiegel und eventuell Ferritin-Spiegel und als Entzündungsparameter das C-reaktive Protein und, falls verfügbar, das Alpha-1-saure Glykoprotein bestimmt werden. Diese Parameter sind je nach Krankheitsverlauf in kurzfristigen, 3-, 6- oder 12-monatigen Abständen zu kontrollieren. Bei schweren Verläufen ist auch in regelmäßigen Abständen eine Kontrolle der Leber- und Nierenparameter und eventuell auch des Serum-Albumins zu empfehlen. Bei längerstreckigen Dünndarmresektionen empfehlen sich die Kontrolle des Vitamin-B12-Spiegels und Knochendichtemessungen. Therapie Lifestyle und psychosomatische Betreuung Es gibt keine typische Diät für den M. Crohn, eine individuelle Eliminationsdiät ist den Patienten jedoch zu empfehlen. Der Patient sollte, wenn möglich, eine Nikotinkarenz einhalten und nicht-steroidale Antirheumatika meiden. Bei Bedarf kann man – insbesondere zu Beginn der Erkrankung – eine psychosomatische Betreuung anbieten. Medikamentöse Therapie oder MTX 15–25 mg s. c./i. m. Bei M.-Crohn-Patienten besteht bei etwa 80 % ein ileokolonischer Befall, bei 20 % ein rein kolonischer Befall. 30 % aller M.-Crohn-Patienten haben einen reinen ileozäkalen Befall (Ileitis terminalis). Selten treten Befallsmuster mit Befall des Jejunums oder gar Duodenums auf. Bei Verdacht auf Komplikationen steht heutzutage zusätzlich eine Kombination von Enteroklysma mit Spiral-CT (ESCT) oder eine Kombination von Enteroklysma mit MR zur Verfügung. Die Kapselendoskopie hat hier kaum eine Indikation, nur bei ausgeprägtem klinischen Verdacht auf Dünndarm-Crohn, den man mit den üblichen radiologischen Methoden nicht nachweisen konnte, und wenn eine Stenose ausgeschlossen ist. Postoperativ sollte das terminale Ileum koloskopisch nach dem Rutgeerts-Score gegraded werden (Tabelle 1). Infliximab 5 mg/kg Die medikamentöse Therapie des M. Crohn ist abhängig von Aktivität der Erkrankung und vom Befallsmuster. Leichter bis mäßig schwerer Schub: Beim leichten bis mäßig schweren Schub 2 unversum InnereMedizin Facharztprüfung Innere Medizin eines M. Crohn – das sind Patienten, die eine normale Ernährung ohne Zeichen der Dehydratation tolerieren – kann beim alleinigen Ileozäkalbefall eine Therapie mit 9 mg Budesonid über 12 Wochen angesetzt werden, bei alleinigem Kolonbefall kann eine Therapie mit 5-Aminosalicylsäure durchgeführt werden (Abbildung 1). Abbildung 3: Rezidivprophylaxe bei M. Crohn Rezidivprophylaxe syst. Steroidtherapie vorher? nein Schwerer Schub: Bei Patienten mit M. Crohn und schwerem Schub (die Schwere eines Schubs kann auch mit Berechnung des Crohn-Aktivitätsindex nach BEST > 220 berechnet werden) empfiehlt sich eine Therapie mit Prednisolon in der Dosis von 1 (– 1,5) mg/kg/d und wöchentlicher Reduktion in 8 Wochen auf 0 (Abbildung 2). Unter dieser Therapie heilen allerdings nur 30 % der Patienten endoskopisch ab, sodass häufig postmedikamentös wieder Rezidive entstehen. Dann – bei Rezidiv innerhalb von 3 Monaten – ist die Indikation für eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin gegeben. Azathioprin ist in der Dosis von 2–2,5 mg/kg KG/d zu geben, wobei Nebenwirkungen, wie Pankreatitis, Erhöhung der Leberparameter oder allergische Erscheinungen, am häufigsten in den ersten 4 Wochen auftreten. Deshalb sind anfänglich häufigere Laborkontrollen nach 2, 4 und 8 Wochen notwendig. Als Ersatzpräparat ist 6-Mercaptopurin in der Dosis von 1 mg/kg KG möglich. Bei Unverträglichkeit oder Therapieresistenz steht Methotrexat in der Dosis von 15–25 mg 1-mal pro Woche s. c. oder i. m. zur Verfügung oder neuerdings auch Infusionen mit dem monoklonalen AntiTNF-␣-Antikörper Infliximab. Infliximab hat in mehreren Studien beste Remissionen inkl. auch endoskopischer Remission bei 30–40 % der Patienten und Ansprechen bei etwa 60 % der Patienten gezeigt. Diese Infusionen können erst nach Ausschluss von Infektionen, insbesondere Tuberkulose (Lungenröntgen, MendelMantoux-Test), gegeben werden. Die übliche Dosis ist 5 mg/kg KG zum Zeitpunkt 0, 2 und 6 Wochen und dann zur Rezidivprophylaxe alle 8 Wochen. Für die Rezidivprophylaxe (Abbildung 3) (postmedikamentös) zeigen 5-Aminosalicylate nur geringe Wirkung, Steroide sind wirkungslos. Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin zeigen höhere Effektivität, ebenfalls Infliximab alle 8 Wochen. Postoperativ ist eine neu beginnende Nikotinkarenz eine gute Rezidivprophylaxe, eine 5-Aminosalicylsäure-Therapie zeigt eine geringe Reduktion der Rezidive. Am wirksamsten sind wahrscheinlich Therapien mit Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin. Für die frühzeitige Diagnose ja ev. > 3 g 5-ASA ev. Azathioprin vorher Infliximab? Infliximab alle 8 Wochen Abbildung 4: Komplikationen bei M. Crohn Verdacht auf Komplikationen z. B. Stenose, innere Fistel etc. ESCT E-MR keine Komplikationen konservative Therapie Fistel Konsil mit Chirurgie/Radiologen OP Stenose > 10 cm Stenoselänge? frustran < 10 cm endoskop. Dilatation eines postoperativen Rezidivs und ev. Behandlung vor klinischem Rezidiv eignet sich eine Ileokoloskopie 6–12 Monate postoperativ mit Staging nach dem Rutgeerts-Score, wobei Rutgeerts i0, i1 und i2 ein geringes Risiko für klinische Rezidive, i3–i4 ein hohes Risiko für Rezidive aufweisen (Tabelle 1). dilatieren versuchen, bei längerstreckigen Stenosen oder Stenosen, die durch gleichzeitige Fisteln kompliziert werden, ist eine Operation mit Resektion anzuraten. Bei kurzstreckigen Strikturen (besonders bei sog. Skip-Lesions) stellt die Strikturplastik – eine Erweiterungsplastik – eine Möglichkeit dar, darmerhaltend zu operieren. Komplikationen Fisteln: Am häufigsten sind die Fisteln jedoch perianal angelegt (über 50 %). Diese Fisteln sollten möglichst konservativ mit Sitzbädern und eventuell bei Abszedierungen mit Fadendrainagen bzw. Inzisionen behandelt werden. Bei akuten Abszedierungen oder stark eitriger Sekretion ist auch intermittierend eine Therapie mit Antibiotika – Ciprofloxacin bzw. Metronidazol – zu empfehlen. Langfristig ist bei ausgeprägten Fistelleiden eine Therapie mit Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Biologika wie Infliximab wirksam. Stenosen: Bei M. Crohn treten postentzündlich häufig Stenosen, insbesondere im Ileoczäkalbreich bzw. im neoterminalen Ileum auf. In der weiteren Folge können sich aus diesen Stenosen auch Fisteln entwickeln. Am besten eignen sich für die Komplikationsdiagnose (Abbildung 4) eine Enteroklysma-Spiral-CT (ESCT) bzw. Enteroklysma-MR. Reine Stenosen kann man bei eher kurzstreckiger Anlage (< 10 cm) endoskopisch mit Ballon zu 3 unversum InnereMedizin Extraintestinale Beteiligung: Überdies besteht auch die Möglichkeit einer extraintestinalen Beteiligung der Erkrankung mit Arthritis, die insbesondere auf Steroid- und Infliximab-Therapie anspricht. Auch die meisten anderen extraintestinalen Manifestationen wie Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, sind gegenüber dieser Therapie empfindlich. Bei der primär skle- Facharztprüfung Innere Medizin rosierenden Cholangitis kommt es zu einem Anstieg der Cholestase-Parameter (alkalische Phosphatase, Gamma-GT), Ursodesoxycholsäure-Therapie führt zu einem Absinken der Leberwerte und langfristig auch zu einer etwas besseren Prognose. Dysplasien: Nach 10-jährigem Krankheitsverlauf ist insbesondere beim kolo- nischen Befall eine regelmäßige Koloskopie mit Entnahme von Surveillance-Biopsien alle 10 cm zur frühzeitigen Diagnostik von Dysplasien anzuraten. Nach 10 Jahren steigt nämlich das Risiko für Dysplasien bzw. Kolonkarzinome bei diesen Patienten und dürfte etwa 18-fach gegenüber der Normalbevölkerung erhöht sein. Fragen zum Thema „Morbus Crohn“ A. Welche Ursachen für M. Crohn gibt es? 1. Ernährung 2. Psychosomatik 3. Genetik 4. Infektion 5. Alter B. Welches ist das typische Symptom für M. Crohn? 1. Blut im Stuhl 2. blutige Diarrhöen 3. wässrige Diarrhöen 4. Erbrechen 5. Arthritis C. Welches ist die wichtigste Untersuchung zur Diagnose des M. Crohn? 1. Ileokoloskopie 2. CRP-Bestimmung 3. Irrigoskopie 4. CT Abdomen 5. PET-Scan D. Welches ist das häufigste Befallsmuster bei M. Crohn? 1. ileozäkal 2. ileokolonisch 3. kolonisch 4. jejunal 5. ösophagogastral E. Welches ist die klassische Therapie für den schweren, schubhaften Verlauf des M. Crohn? 1. 5-ASA 2. Antibiotika 3. Budesonid 4. Ernährungstherapie 5. Azathioprin Richtige Antworten: A3, B3, C1, D2, E5 4