Sehprothese für Blinde

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Sehprothese für Blinde
Ein Schrittmacher für die Augen: Endlich Licht im Dunkel!
Wieder den Teller auf dem Esstisch erkennen, die eigene
Haustüre oder Buchstaben auf einem Straßenschild Menschen, deren Augenlicht durch eine Netzhauterkrankung
vollständig erloschen ist, können sich Hoffnung machen,
einen Teil ihrer Sehkraft wiederzuerlangen. Möglich machen
das eine Spezialbrille und eine Art Schrittmacher, der in das
Auge eingesetzt wird - eine künstliche Netzhaut. Die
Patienten können damit wieder die schwarz-weißen
Silhouetten von Personen, Gegenständen und Hindernissen
Eine Spezialbrille mit Mini-Kamera liefert der erkennen und lernen, sie zu interpretieren. So gewinnen sie
deutlich an Freiheit und Lebensqualität.
Umgebung ein Videosignal.
Neue Mobilität - durch neue Technologie
Außerhalb seiner Wohnung konnte sich Norbert D.
jahrzehntelang nur in Begleitung bewegen. Alleine Einkaufen,
zum Arzt oder ins Café - bisher fast unmöglich. Denn er
leidet an der Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa, die
schrittweise zum Verlust seines Augenlichts führte. In
Deutschland leiden etwa 30.000 bis 40.000 Menschen an
einer erblich bedingten Netzhautdegeneration, weltweit sind
es drei Millionen. Doch eine neue Technologie könnte Norbert
D. nun helfen, einen Teil seines Sehvermögens
wiederzubekommen. Als einem der ersten Patienten in
Winzig, aber wirkungsvoll: Netzhaut-C hip
Deutschland wurde ihm an der Universitäts-Augenklinik der
(Bild: Prof. Peter Walter, RWTH Aachen)
RWTH Aachen ein spezieller Chip mit elektronischen
Photorezeptoren implantiert, eine Art Schrittmacher für die Augen. "Ich würde mich freuen, wenn ich
gefahrlos durch Räume gehen kann mit dem System. Und wenn zusätzlich noch was dazu kommt,
dann wäre das schön, aber ich mache das Schritt für Schritt", erzählt Norbert D.
Das Implantat ersetzt einen Teil der abgestorbenen Rezeptoren der Netzhaut. Gleichzeitig filmt eine
kleine Kamera, die in der Mitte einer Spezial-Brille eingebaut ist, die Umgebung. Ein Minicomputer
wandelt die Videobilder in elektrische Impulse um, die dann drahtlos an den Chip auf der Netzhaut
übermittelt werden. Die Nervenzellen der Netzhaut werden stimuliert, wodurch Norbert D. wieder
einfache Lichtmuster wahrnehmen kann. "Wir haben die Hoffnung, dass mit intensivem Training die
Erkennung von Hindernissen leichter wird - oder dass der Patient beispielsweise erkennt, wo die
Bushaltestelle ist", erklärt Augenarzt Professor Peter Walter, der die Operation an der
Universitätsaugenklinik in Aachen durchgeführt hat. Regelmäßig kontrolliert er, ob mit dem Implantat
alles in Ordnung ist, keine Entzündungen entstanden sind und der Schrittmacher einwandfrei
funktioniert.
Reha-Training: Neues Sehen muss erst gelernt werden
Um die neue Sehhilfe sinnvoll einsetzen zu können, sind ein umfangreiches Training und intensive
Reha-Einheiten nötig. Für Menschen, die vor ihrer Erblindung sehen konnten, ist es zunächst eine
enorme Anstrengung, plötzlich wieder einfache Lichtmuster wahrzunehmen. Denn es ist ein völlig
anderes Sehen, als sie es früher einmal kannten. "Wir müssen
das neue Sehen, also die Lichtmuster, mit dem, was vom
Sehen im Gehirn gespeichert ist, verbinden. Das geht, indem
die Patienten Konturen und einfache geometrische Figuren
erkennen lernen", weiß Reha-Trainerin Friederike Simon, die
Norbert D. an der Augenklinik intensiv begleitet.
Reha-Übung: Aus welcher Richtung kommt
das Licht?
Um zu verfolgen, was der Patient sieht und ihm Hilfestellung geben zu können, hat die Trainerin die
Kamera-Brille an einen Laptop angeschlossen. Nun muss Norbert D. unterschiedliche Formen auf einer
Magnettafel voneinander unterscheiden. Erst einen kleinen Kreis, danach ein Quadrat. Durch
Abtasten der Umrisse von Gegenständen und Formen lernt er, seine eigenen Bewegungen mit denen
der Kamera abzustimmen. Das gelingt ihm schon sehr gut, denn er macht diese Übungen regelmäßig
zuhause. Auch wenn die künstliche Netzhaut erblindeten Menschen das Augenlicht wiedergibt - einen
vollwertigen Ersatz stellt sie nicht dar. Farben können die meisten nicht sehen. Doch auch das
Erkennen rudimentärer schwarz-weiß-Muster, einfacher Silhouetten von Personen und Hindernissen
ist nach Jahren der Blindheit ein Erfolg.
Ziel: Selbstständigkeit im Alltag
Nach der Hell-Dunkel-Übung geht es darum, konkrete
Gegenstände zu erkennen: einen Teller und eine Schüssel.
Erst mit der Kamera abscannen, dann zur Kontrolle ertasten,
so lernt Norbert D. neu zu sehen. Die Übungen sind immer
auf den Alltag der Blinden abgestimmt. So sollen sie es Stück
für Stück schaffen, sich darin besser zu Recht zu finden.
"Das langfristige Ziel für die Patienten ist, dass sie
Selbstständigkeit zurück gewinnen", so Augenarzt Peter
Walter.
Training für den Alltag: Den Teller auf
Esstisch erkennen.
Voraussetzung: Sehnerv muss intakt sein
Entwickelt wurde die Technologie von einer amerikanischen Firma. Die Unikliniken Aachen und Köln
sind die ersten Kliniken in Deutschland, die die neue Technil implantieren können. Die Kosten dafür
tragen die Krankenkassen. Voraussetzung für den Eingriff ist allerdings, dass der Sehnerv der
Patienten noch intakt ist. Deutschlandweit wurde die Sehhilfe seit 2012 bei zehn blinden Menschen
erfolgreich eingesetzt. Durch die Verbesserung der Geräte-Software könnte es in Zukunft sogar
möglich sein, dass es einige der Patienten große Buchstaben lesen können.
Norbert D. hat noch einen langen und mühsamen Weg vor sich. Als nächstes möchte er lernen, Türen
zu erkennen. Sein größter Wunsch: Mithilfe der neuen Spezialbrille irgendwann ohne Begleitung durch
die Stadt laufen zu können. Das wäre für ihn ein riesiger Erfolg - und ein Schritt in ein Leben voll
neuer Freiheiten.
Autor: Boris Geiger (BR)
Adresse:
Augenklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Tel.: (0241) 808819
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 14.04.2013. Eventuelle spätere Veränderungen
des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
Sendetermin
So, 14.04.13 | 17:00 Uhr
Das Erste
Externe Links
Pro Retina Deutschland e.V. [http://www.daserste.de/system/moveto.jsp?
id=a6cc855e6a831b524cd6d037db380956&url=http%3A%2F%2Fwww.pro-retina.de%2F]
Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen.
Retina Implant [http://www.daserste.de/system/moveto.jsp?
id=f3fc65323ed2e034202b777a4b168f5c&url=http%3A%2F%2Fwww.eyenet-aachen.de%2F0215-retina-implant-versorgung.html]
Informationen der Augenklinik RWTH Aachen.
E-Mail an die Redaktion [[email protected]]
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