Arbeitsteilung im Reagenzglas Bakterien wachsen schneller, wenn

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URL:
http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/Archiv/Archiv+2_2013/131202_ArbeitsteilungimReagenzglas.pdf
Arbeitsteilung im Reagenzglas
Bakterien wachsen schneller, wenn sie sich gegenseitig Nährstoffe zur
Verfügung stellen
Arbeitsteilung ist effektiver als sich ohne fremde Hilfe durchs Leben zu kämpfen - das gilt auch für
Kleinstlebewesen. Dies hat die Forschungsgruppe Experimentelle Ökologie und Evolution vom
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Jena, zusammen mit Bioinformatikern der
Friedrich-Schiller-Universität mit auf Mikroben basierenden Modellversuchen herausgefunden. Die
Wissenschaftler experimentierten mit Bakterien, die wegen des Ausfalls der Produktion einer
bestimmten Aminosäure auf einen Partner angewiesen waren, der ihnen den fehlenden Nährstoff
zur Verfügung stellte. Stämme, die sich bei der Biosynthese jeweils einer Aminosäure
wechselseitig ergänzten, zeigten eine rund 20-prozentige Steigerung ihrer Fitness verglichen mit
einem Stamm, der zwar ohne fremde Hilfe auskam, dafür aber ohne Partner lebte. Dieses
Ergebnis erklärt, warum Kooperation als Erfolgsmodell in der Natur so weit verbreitet ist. (The
ISME Journal, 28. November 2013, DOI: 10.1038/ismej.2013.211).
Ökologie und Evolution: Nahe Verwandte
Jede Lebensform auf unserem Planeten muss sich an ihre Umweltbedingungen optimal anpassen.
Neben Klimabedingungen und Nahrungsangebot gehören dazu insbesondere auch andere
Lebewesen, die an einem Standort vorkommen ? mit diesen gilt es, auszukommen. Im Laufe der
Evolution passen sich die Arten kontinuierlich an ihre jeweiligen Umweltbedingungen an, wodurch
sich auch ihre individuelle Gen-Ausstattung entsprechend ändert. So entstanden an den Polen
kälteresistente und in den Wüsten hitzeresistente Arten. Auch Stoffwechselregulation und
Nahrungsverwertung unterliegen der Evolution ? hier lohnt sich ein Blick in die Welt der Mikroben.
Mikrobielle Lebensgemeinschaften
"Egal, wo man hinschaut: Überall gibt es mikrobielle Lebensgemeinschaften, die an ein und
demselben Standort miteinander leben", so Christian Kost vom Max-Planck-Institut für chemische
Ökologie. Mikroben leben oft in Symbiose mit höheren Organismen, aber auch untereinander
kooperieren sie, um die Ressourcen eines Standortes optimal auszunutzen. Der Blick in die
Genome kooperierender Bakterienarten zeigt interessanterweise, dass viele von Ihnen gar nicht
mehr in der Lage sind, sämtliche lebensnotwendigen Stoffwechselfunktionen für sich allein zu
erfüllen. Stattdessen verlassen sich diese auf ihre jeweiligen Partner. Hierbei stellt die Umwelt, also
andere Lebewesen, Nährstoffe zur Verfügung, die sie nicht mehr selbst produzieren können. Dies
bedeutet aber eine riskante Abhängigkeit: Geht ein Partner verloren, stirbt auch der andere.
Können solche Zweckgemeinschaften tatsächlich ein Merkmal sein, das "positiv selektiert", also in
Arbeitsteilung im Reagenzglas
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einer Population von Mikroorganismen über längere Zeit erhalten bleibt? Passt diese Annahme zu
Darwins Theorie des Survival of the fittest? Wenn ja, dann müsste die Fitness der kooperierenden
Partner mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sein als die von Mikroben, die ohne
Partner auskommen müssen.
Nachstellen ökologischer Parameter im Reagenzglas
Eine natürlich entstandene Lebensgemeinschaft aus der Natur ins Labor zu holen, um dort solche
Kooperationen zu studieren, ist oft äußerst schwierig. Die in der Natur vorherrschenden
Umweltbedingungen können im Labor oft nur zum Teil nachgestellt werden. Die Wissenschaftler
bedienten sich daher eines synthetischen Modells: Bakterien der Art "Escherichia coli" wurden
genetisch derart verändert, dass ein Stamm eine bestimmte Aminosäure, beispielsweise
Tryptophan, nicht mehr selbst herstellen konnte, zusätzlich aber alle anderen Aminosäuren in
hoher Konzentration produzierte. Wächst dieser Stamm nun gemeinsam mit einem anderen
Stamm, der beispielsweise Arginin nicht mehr selbst produzieren kann, können sich die beiden
gegenseitig ernähren. Erstaunlicherweise zeigte sich bei solchen Ko-Kulturexperimenten, dass sich
die Teilungsrate dieser Zellen um rund 20 Prozent steigerte, verglichen mit dem ursprünglichen,
genetisch unveränderten Stamm, der alle Aminosäuren selbst produzieren konnte. Der Mangel,
eine essenzielle Aminosäure nicht mehr selbst herstellen zu könnten, wirkte sich also bei
Anwesenheit eines kooperierenden Partners positiv auf deren Wachstum aus. Erklärt werden kann
dies mit dem weit geringeren Energieaufwand, den beide Einzelstämme in die Produktion der
ausgetauschten Aminosäuren investieren müssen. Durch eine Spezialisierung auf die Produktion
bestimmter, aber eben nicht aller notwendigen Aminosäuren wurden die Bakterienzellen effektiver
und konnten dadurch schneller wachsen.
Interessanterweise konnten sich zwei kooperierende, Aminosäure-austauschenden Stämme selbst
gegen einen autark wachsenden Wildtyp-Stamm durchsetzen, der offenbar nicht von der
Kooperation der beiden Partner profitierte.
Die Ergebnisse der Forschergruppe, an der auch Prof. Dr. Christoph Kaleta, Katrin Bohl und Prof.
Dr. Stefan Schuster von der Universität Jena beteiligt waren, verdeutlichen, warum Symbiosen mit
Bakterien so weit verbreitet sind. Im Laufe der Evolution verbinden sich die beteiligten Partner
dabei oft so eng miteinander, dass sie zu einem neuen, vielzelligen Organismus verschmelzen.
Originalveröffentlichung:
Pande, S., Merker, H., Bohl, K., Reichelt, M., Schuster, S., de Figueiredo, L., Kaleta, C., Kost, C.
(2013). Fitness and stability of obligate cross-feeding interactions that emerge upon gene loss in
bacteria. The ISME Journal. Advance online publication 28 November 2013; doi:
10.1038/ismej.2013.211
Meldung vom: 03.12.2013 07:53 Uhr
Bakterien wachsen schneller, wenn sie sich gegenseitig Nährstoffe zurVerfügung stellen
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