Wissen Alles, was der Mensch durch seine Nahrung in seinen Körper aufnimmt, wird durch seinen Stoffwechsel verarbeitet. Dabei entstehen saure, neutrale oder basische Rückstände. Sie werden durch einen gut funktionierenden Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht gehalten. Alle Stoffwechselvorgänge finden in einem wässrigen Milieu statt und sind vom pH-Wert abhängig. Schon geringe Abweichungen stören den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff, die Tätigkeit von Enzymen und Hormonen, die Durchlässigkeit der Zellmembranen, die Verteilung von Elektrolyten, die Reizleitung im Nervensystem und die Erregbarkeit von Muskelzellen. Auch die meisten Sekrete und Organe werden im leicht basischen Bereich produziert. Die moderne Ernährungs- und Lebensweise kann schnell und leicht zu einer Übersäuerung des Organismus führen. Immer mehr Menschen kämpfen heutzutage mit einem unausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt. Viele von ihnen ahnen gar nicht, dass eine Übersäuerung für ihre Beschwerden verantwortlich ist oder zumindest maßgeblich an deren Entstehung beteiligt war. pH-Werte im Körper Das Zusammenspiel von Säuren und Basen, der Säure-Basen-Haushalt, bestimmt alle Stoffwechselprozesse im pH–Werte im Körper • • • • • • • • • • • • 28 Blut ca. Blut– Toleranz Körperzellen Bindegewebe Mund Speichel Magen Magensaft Dünndarm Galle Pankreassaft Harn 7,4 7,35–7,44 6,8–7,2 7,0–7,1 5,0–8 5,5–7,8 2–4 1–2 7,5–8 7,5–8 7,5–8 4,5–8 Der Niere hat eine entscheidende Funktion für den Säure-Basen-Haushalt im Körper. menschlichen Körper. Die Höhe des pH-Wertes hängt von der Menge an Säuren und Basen im Körper ab und wird vor allem vom Verhältnis zwischen Kohlendioxid (CO2) und Bikarbonat (HCO3) bestimmt. Der pH-Wert ist im menschlichen Körper die Voraussetzungen für ein bestmögliches, d. h. normales Funktionieren. Beim Menschen werden in verschiedenen Bereichen des Körpers unterschiedliche Säuregrade gemessen. Im Körper kommt es darauf an, dass in jedem Bereich der passende pH-Wert herrscht. So sollte beispielsweise das Blut einen anderen pH-Wert aufweisen als der Dickdarm und dieser wiederum einen anderen als der Dünndarm. Im Idealfall sollten die pH-Werte im Tagesverlauf geringe Schwankungen aufzeigen. Normalerweise beträgt der pH-Wert im Blut zwischen 7,35 und 7,45. Er ist also leicht basisch. Das Sekret der Bauchspeicheldrüse ist mit pH 8,0 weit im basischen Bereich. Das ist notwendig, um die im Magen gesäuerte Nahrung im Zwölffingerdarm zu neut- ralisieren. Dann erst kann der Organismus die Nährstoffe im Dünndarm aufnehmen. Sekrete von Leber und Gallenblase sind mit pH 7,1 leicht basisch. Der Speichel ist mit pH 7,1 - 7,0 schwach basisch oder neutral. Das Bindegewebe ist etwas saurer als das Blut. Man hat hier basische Werte von 7,08 und 7,29 gemessen. Die Muskeln und die Zellen der Organe haben mit rund pH 6,9 einen Wert im sauren Bereich. Das kommt daher, weil die Körperzellen rund um die Uhr tätig sind. Bei der Verarbeitung bzw. Verbrennung von Nährstoffen entsteht Kohlensäure. Der Harn liegt zwischen deutlich sauer mit pH 4,8 und basisch mit pH bis zu 8,0. Die Erklärung: Mit dem Urin werden Säuren in unterschiedlicher Höhe aus dem Körper abtransportiert. Der Magensaft ist der sauerste Bestandteil des menschlichen Körpers. Er liegt zwischen pH 1,2 und 3,0. Selbstregulation des Körpers Der Organismus wird durch die Puffereigenschaften des Blutes, des Gewebes, des Gasaustausches der Lunge und der Funktion der Niere in seinen Vitalfunktionen optimiert. Für alle Vital- Praxis Magazin 5 / 2016 Foto ©: Aaliya – Fotolia Säure-Basen-Haushalt Wissen funktionen und Aktivitäten benötigt der Körper Energie, die die Zellen aus der Nahrung gewinnen. Bei der für Muskeln und Organe essentiellen Energiegewinnung entstehen jedoch gleichzeitig saure Stoffwechselprodukte. Man kann sie als Stoffwechselabfälle betrachten. Sie müssen auf dem Weg zum Ausscheidungsorgan neutralisiert werden, damit sie keine Schäden im Körper verursachen. Müssen Zellen viel Energie bereitstellen, ohne dass ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht, entstehen besonders viele Säuren. Das spürt man durch Schmerzen und Muskelkrämpfe – insbesondere im Zusammenhang mit starker körperlicher Anstrengung. Diese sauren Produkte kann der menschliche Körper unter anderem mithilfe besonderer Puffer abfangen und über Nieren, Haut, Lunge und Darm anschließend ausscheiden. Um diesen fein ausgeklügelten SäureBasen-Haushalt in seinem Gleichgewicht zu halten, gibt es verschiedene körpereigene Regelmechanismen. Zu diesen Mechanismen gehören die Atmung, die Verdauung, der Kreislauf und die Hormonproduktion. Sie alle sind stets darum bemüht, den gesunden pH-Wert im Körper aufrecht zu halten. Um aber die Schwankungen des BlutpH auszugleichen, wirken weitere verschiedene Systeme. Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin und die Phosphorproteine im Blut fangen bereits einen Teil der Säuren ab. Sie müssen sich allerdings immer wieder regenerieren, da sie sonst schnell verbraucht würden. Das heißt, sie müssen die unnötigen Säuren wieder abgeben. Diese Abgabe nach außen erfolgt hauptsächlich über die Lunge und die Nieren. Dabei binden sich die Wasserstoffionen an die Bicarbonationen. Sie werden dadurch neutralisiert und zerfallen schließlich zu Kohlendioxid und Wasser. Über die Lunge wird das Kohlendioxid abgeatmet. Über die Nieren wird das Wasser ausgeschieden. Rund zwei Drittel der anfallenden Säuren werden auf diese Weise aus dem Körper geschleust. Das Bicarbonatsystem ist unter den Puffersystemen das potenteste und kann sich über die Atmung wieder regenerieren. Durch eine erhöhte Atemfrequenz ist der Körper so innerhalb kur- Praxis Magazin 5 / 2016 zer Zeit in der Lage, eine beträchtliche Säuremenge zu beseitigen. Längerfristig wirkt die Ausscheidung über die Nieren. Im Harn puffern neben Bicarbonat auch Ammoniak, Carbonatund Citratverbindungen die Säuren ab. Die Nieren eliminieren auch Säuren, die nicht über die Atmung ausgeschieden werden können. Ausreichendes Trinken ist dabei für eine effektive Säureausscheidung eine wichtige Voraussetzung. Eine gewisse Menge an Wasserstoffionen kann der Körper zudem über Schweiß und Darm abgeben. Funktioniert der Säure-Basen-Haushalt aber nicht optimal oder ausreichend, so kann es zu einer Ansammlung von sauren Stoffwechselprodukten kommen – es entsteht zunächst eine latente und später eine chronische Übersäuerung des Körpers. Sie ist die Ursache vieler Gesundheitsprobleme. Folgen einer chronischen Übersäuerung Viele Menschen bringen mit dem Begriff „Übersäuerung“ das Sodbrennen in Verbindung. Sodbrennen ist aber lediglich nur eines der vielen möglichen Symptome einer Übersäuerung, nämlich ganz speziell im Magen. Eine eigentliche Übersäuerung ist aber im gesamten Körper vorhanden, da sie ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt darstellt. Vielen Krankheiten und Beschwerden ist eine einzige Ursache gemein: ein Zuviel an Säuren im Körper. Übersäuerung ist ein Zustand, der ganz zu Beginn eines jeden Leidensweges steht. Leider spürt man eine Übersäuerung anfangs nicht. Der menschliche Organismus versucht oft über viele Jahre hinweg, eine bestehende Übersäuerung zu kompensieren. Das gelingt ihm auch eine zeitlang. Wie lange, das hängt von der individuellen Konstitution, dem Lebensstil und den persönlichen Reserven ab. Dann aber tauchen erste unspezifische Symptome auf. Zunächst sind nur Allgemeinbeschwerden vorhanden. Meistens fühlt man sich „nur“ ein wenig energielos, schlapp, müde und ohne jeglichen Antrieb. Auch besteht eine zunehmende Appetitlosigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und nervöse Unruhe, Übelkeit und Erbrechen, Säure-Kopfschmerzen, Müdigkeit, erhöhte Infektanfälligkeit u.v.m. Unter einer chronischen Übersäuerung leidet dann der gesamte Organismus, Morbidität und Mortalität werden erhöht. Eine hohe Säurebelastung bringt alle Zellen in eine gewisse Notlage. Dabei kann insbesondere das Bindegewebe auf Dauer erheblich in Mitleidenschaft Anzeichen für Übersäuerung im Körper Anzeichen einer Übersäuerung können nur gering ausgebildet sein. Sie sollten deshalb in ihrer Gesamtheit differenziert gesehen werden. • Nervosität, Trägheit, • Müdigkeit, auch am Morgen nach ausreichendem Schlaf • Verminderte Leistungsfähigkeit • banale Infekte, die immer wiederkehren •Schlafstörungen •Sodbrennen • Vermehrte Atemnot, bei geringer körperlicher Belastung • Schmerzen in Muskeln, Sehnen bis zu Gelenk­ beschwerden gezogen werden. Es dient als Depot. In ihm werden Vitamine, Spurenelemente, Hormone, Zellmetabolite, Katabolite, Salze und Gase abgelagert. Auch finden sich dort viele nicht ausgeschiedene Schlackenstoffe aus dem Zellstoffwechsel. Durch das saure Milieu verändert sich die natürliche Struktur des Gewebes; die Zellen werden nicht mehr ausreichend versorgt und ihre Vitalität leidet. Das interstitielle Bindegewebe, der Zwischenzellraum zwischen den Körperzellen, Blut- und Lymphgefäßen ist an allen Austauschvorgängen beteiligt. Es spielt eine Schlüsselrolle im Säure-Basen-Haushalt. Da das Bindegewebe auch mit allen Zellen des Körpers unmittelbar in Verbindung steht, kann sich eine solche Übersäuerung auf die unterschiedlichsten Körperbereiche und Organsysteme auswirken. Die „Lagerstätte“ Bindegewebe ist allerdings irgendwann voll. Also verschiebt der Organismus die Schlacken in weitere Gebiete seines Körpers. So in die einzelnen Gelenke, was zur Arthritis und Arthrose führen kann. Auch in den Nieren, der Galle oder in der Blase 29 Wissen sammeln sich Schlacken an. Es wachsen Nierensteine, Gallensteine oder Blasensteine heran. Auch in den Blutgefäßen macht sich der so genannte oxidative Stress bemerkbar und führt zu Rissen in den Gefäßwänden. Chronische Entzündungen lösen gemeinsam mit den schlackenbedingten Funktionsstörungen des Körpers außerdem Beschwerden und Veränderungen aus, so dass die Blutgerinnung nicht mehr ordnungsgemäß regulieren werden kann. Es entsteht Arteriosklerose und damit die Gefahr von Thrombosen sowie Herzinfarkt und Schlaganfall. Jedes Organ drückt dies allerdings auf seine eigene Weise aus. Im Laufe der Zeit kommen die verschiedensten Beschwerden und Folgeerkrankungen noch dazu: • Geriatrische Patienten verfügen nur über reduzierte Funktionsreserven der Nieren und können demzufolge deutlich schlechter Säurebelastungen kompensieren. Durch die Ansammlung von Säuren werden die Nephrone zusätzlich geschädigt und die Progression einer Niereninsuffizienz beschleunigt. • Bei einem Abfall der Plasma-Bicarbonat-Konzentration wird zur Pufferung Kalzium aus dem Knochen mobilisiert und dadurch das Skelettsystem schleichend demineralisert. Das Risiko für Osteoporose und Frakturen steigt. • Bei einer chronischen Übersäuerung kann es zu Elektrolytverschiebungen, z. B. des Kaliums, kommen und zu kardialen Komplikationen, wie Ar- rhythmien und Bradykardie, führen. • Insbesondere chronisch übersäuerte Nieren-Patienten entwickeln häufig Kalzifikationen des arteriellen Gefäßsystems, die zur Versteifung und einer abnormalen Durchblutung der Koronararterien führen. Im menschlichen Körper gibt es aber durchaus auch Bereiche, die unbedingt sauer sein müssen, z. B. der Magen, das Scheidenmilieu der Frau oder der Dickdarm. Es gibt aber auch Bereiche, die basisch sein müssen, um optimal zu funktionieren, z. B. das Blut, die Zwischenzellflüssigkeit oder der Dünndarm. Eine Übersäuerung der Organe oder des gesamten Organismus wird als Azidose bezeichnet – lat. acidus = Säure. Diagnose Man unterscheidet in der Medizin zwischen einer akuten Azidose und einer chronischen Azidose. Handelt es sich um eine akute Azidose, ist diese lebensbedrohlich und muss notfallmedizinisch behandelt werden. Die chronische Azidose ist eine dauerhafte, schleichende Form der Übersäuerung in den Körperzellen und Organen. In der ersten Lebenshälfte wird der Organismus noch gut mit den Säureüberschüssen, die vor allem durch die Nahrungsaufnahme bedingt sind, fertig. In späteren Jahren kommt es häufig zu ersten Beschwerden, da mit zunehmenden Alter physiologischerweise die Anzahl funktionstüchtiger Nephrone abnimmt und dadurch die Leistungsfähigkeit der Niere als Ausscheidungsorgan von Säuren sinkt. Diagnostisch können Standard-Laborparameter wie z. B. erhöhtes Kreatinin, niedrige eGFR und Elektolytverschiebungen (Kalzium, Phosphat) den Verdacht auf eine chronische Niereninsuffizienz, die meist von einer chronischen Azidose begleitet wird, erhärten. Spezielle Laborparameter, z. B. Bestimmung der Plasma-Bicarbonat-Konzentration über eine venöse Blutentnahme, sind bei einer Verdachtsdiagnose indiziert. Ist der Bicarbonat-Spiegel unter 22 mmol/l, liegt eine behandlungsbedürftige chronisch metabolische Azidose vor (s. Kasten 1). Der Patient sollte dann mit magensaftresistenten Azidosetherapeutika (z. B. Natriumbicarbonat bis 3 x 1 g/d) behandelt, regelmäßig labortechnisch kontrolliert und in eine nephrologische Sprechstunde überwiesen werden. Ursachen chronischer Übersäuerung Im Stoffwechsel fallen als Abfallprodukte auch aus der Energiegewinnung verschiedene Säuren an. Darüber hinaus entsteht Säure, wenn eiweißreiche Lebensmittel abgebaut werden. Im Durchschnitt bestehen nur etwa 20 Prozent unserer Ernährung aus Basenbildnern wie Obst, Gemüse, Salat und Mineralwasser. Viel zu wenig, um die Basenspeicher zu füllen und so ein natürliches Säure-Basen-Gleichgewicht zu schaffen. Der pH-Wert der Nahrung selbst sagt nichts über ihre säure- oder basenbildenden Eigenschaften aus. Saure Zitrusfrüchte beispielsweise werden basisch verstoffwechselt. Eiweiß in Milchprodukten wird dagegen sauer verarbeitet. Stringentes Praxis-Management verbessert Outcome Bei einer chronisch metabolischen Azidose, die als erheblicher Progressionsfaktor einer Niereninsuffizienz gilt, ist eine frühe medikamentöse Intervention mit magensaftresistenten Azidosetherapeutika entscheidend für die Prognose. So konnte die Studie von Kanda et al. (BMC Nephrol. 2013; 14: 4.) dokumentieren, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Niereninsuffizienz insbesondere von der Serum-Bicarbonat-Konzentration abhängig ist. Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass ein niedriger Bicarbonat-Spiegel ein unabhängiger Risikofaktor für eine schnelle Progression der Niereninsuffizienz ist (Driver et al. Am J Kidney Dis. 2014 Oct; 64(4): 534–541.), mit der Abnahme der GFR korreliert (Goldenstein et al. Am J Kidney Dis. 2014 Oct; 64(4): 542–549.) und mit einer Albuminurie assoziiert ist (Lee et al. Clin Nephrol. 2014 Jun; 81(6):405-10.). Diese Ergebnisse zeigen, dass durch die konsequente Verordnung von magensaftresistenten Natriumhydrogencarbonat per os bei einer chronisch metabolischen Azidose (Serum-Bicarbonat < 22mmol/l) ein effizienter Nierenschutz aufgebaut werden kann (de Brito-Ashurst et al. J Am Soc Nephrol. 20(9):2075-84, 2009.). Allerdings ist eine im Praxisalltag gestellte Frage: 30 Hat eine erhöhte Natriumzufuhr in Form von Natriumhydrogencarbonat einen negativen Einfluss auf den Blutdruck? Diese Frage wurde unlängst in einem systematischen Review klar beantwortet. So konnte die Arbeitsgruppe um Susantitaphong in ihrer Metaanalyse dokumentieren (Am J Nephrol.; 35(6): 540-7, 2012.), dass die Basentherapie einen Abfall der Serum-Chlorid- und Kalium-Konzentrationen bei gleichzeitig unveränderten Natrium-Spiegeln induziert. Ein Einfluss auf den systolischen oder diastolischen Blutdruck konnte nicht beobachtet werden. Darüber hinaus konnten auch keine Interaktionen mit einer antihypertensiven Medikation oder Diuretika dokumentiert werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass Natriumhydrogencarbonate in aller Regel auch bei Herz- und Diabetes-Patienten problemlos eingesetzt werden können, ohne dass eine Dosisanpassung vorgenommen werden muss. Allerdings warnen Kraut et al. (Am J Kidney Dis. 67(2):307-17, 2016.) vor einem unkritischen Einsatz von Natriumbicarbonat, da Serum-Bicarbonat-Konzentrationen über 24 mmol/l mit einer Verschlimmerung kardiovaskulärer Erkrankungen assoziiert sein könnten. Daher sind herzkranke Patienten besonders engmaschig zu screenen und der Elektrolytstatus regelmäßig zu prüfen. Praxis Magazin 5 / 2016 Wissen Säure- und Basenbildende Lebensmittel Übersäuerungen können auch durch spezielle Diäten und Fastenkuren ausgelöst werden. Beim Fettabbau entstehen so genannte Ketosäuren. Während einer durchgeführten Diät hat man ein größeres Risiko für eine Übersäuerung. Die Lebensweise und insbesondere das Ernährungsverhalten führen in unserer zivilisierten Welt zu einer immer stärkeren Säurebelastung. Säurefördernd wirken insbesondere eiweißreiche Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte sowie die meisten in der Lebensmittelindustrie verarbeiteten Nahrungsmittel. Sie lösen, in Verbindung mit anderen ungünstigen Faktoren, eine wahre Säureflut aus, die der Organismus bewältigen muss. Gelingt ihm dies nicht, reichern sich die Säuren vor allem im Bindegewebe an und der gesamte Körper übersäuert. Herrscht eine übermäßige Säurebelastung im Körper vor, macht sie sich meist erst nach Jahren bemerkbar. Aber auch alltägliche Säurebelastungen finden im menschlichen Körper statt. Über die normalen Aktivitäten des Energiestoffwechsels hinaus können zahlreiche äußere Einflüsse und Lebensstilfaktoren dazu beitragen, dass sich im Organismus vermehrt Säuren bilden. Gerade den vielen Umweltverschmutzungen und Strahlungseinflüssen kann der Mensch nicht entfliehen. Aber auch Praxis Magazin 5 / 2016 Schwach basenbildend Milch, Joghurt Trockenobst Pilze Hülsenfrüchte Tofu Stark basenbildend Blattsalate Gemüse Obst Schwach säurebildend Kartoffeln Quark Molke Sahne Obstessig Vollkorn Kräutertee Nüsse Mineralwasser ohne Soja Kohlensäure Potentielle Säurelast verschiedener Lebensmittelgruppen Stress, Hektik und Ärger können den Säure-Basen-Haushalt ungünstig beeinflussen. Ein Mangel an körperlicher Aktivität wiederum verringert die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gewebes. Dadurch werden überschüssige Säuren nur langsam abtransportiert und zusätzlich noch infolge der fehlenden Anstrengung nicht ausreichend abgeatmet oder mit dem Schweiß abgesondert. Ebenso können entzündliche Erkrankungen, eine schlechte Verdauung sowie die Einnahme von Medikamenten zu einem erhöhten Säureaufkommen führen. Die größte und anhaltende Belastung für den Organismus sehen Experten jedoch in der modernen Lebensweise und der damit verbundenen ungesunden Ernährung. Durch die Genussgifte Alkohol und Nikotin fallen bei ihrem Abbau vermehrt Säuren an. Auch das Trinkverhalten fördert eine Übersäuerung. Der Körper braucht zur Gesunderhaltung pro Tag etwa drei Liter Wasser. In der Nahrung sind in der Regel bereits ein bis eineinhalb Liter enthalten. Das Trinken sollte sich auf kalorienarme und nicht süße Flüssigkeiten beschränken, wobei eine ausreichende Menge von einem bis zwei Liter täglich getrunken werden sollte. Doch oft trinken wir viel zu wenig oder schlichtweg das Falsche. Bei Stress läuft der gesamte Organismus auf Hochtouren, was ebenso zu vermehrten sauren Stoffwechselendprodukten führt. Die täglichen Anforde- Angaben im Milliäquivalent Säure pro 100 g Lebensmittel (mEq/100 g). Ein negativer Wert stellt eine negative Säurelast dar, d. h. dieses Lebensmittel ist basenbildend (B). Ein positiver Wert zeigt eine Säurelast (S). Lebensmittelgruppe • Obstsäfte • Gemüsesäftee • Obst • Gemüse • Kräuter • Zucker, Süßwaren • Getreide • Brot • Trinkmilch, Joghurt, Frischkäse • Schnittkäse • Schmelzkäse • Fisch • Fleisch, Wurst mEq/100 g – 1,0 bis – 2,9 B – 2,8 bis – 4,8 B – 1,9 bis – 6,5 B – 0,8 bis – 14,0 B – 5,3 bis – 12,0 B – 1,4 bis + 3,7 B–S + 3,7 bis + 12,5 S + 1,8 bis + 7,2 S + 0,7 bis + 1,2 + 18,6 bis + 26,4 + 28,7 + 6,8 bis + 13,5 + 4,1 bis + 19,0 S S S S S Zusammenstellung aus www.saeure–basen–forum.de rungen an jeden Einzelnen sind in den letzten Jahren stark gestiegen: Lärm, Hektik, Umweltverschmutzung, belastetes Betriebsklima, Doppel- oder gar Dreifachbelastungen. Im Nervensystem werden wichtige Vorgänge durch eine Übersäuerung behindert – „man reagiert sauer“. Dafür sind weitere Mechanismen, die bei Stress ausgelöst werden, verantwortlich, z. B. eine flache, gepresste Atmung, die die Entsorgung der Kohlensäure über die Lunge behindert, oder eine verspannte Muskulatur überall im Körper, die zu einer Milchsäurebelastung führt. Bewegungsarmut ist eine weitere Ursache, die an Umfang und Ausmaß stetig zunimmt. Durch zu geringe körperliche Beanspruchung 31 Foto ©: monticello – 123RF Ein Säureüberschuss entsteht also nicht, wenn man z. B. saures Obst isst. Im Gegenteil: Zitronensäure und auch andere organische Säuren wie Milch-, Apfel- oder Essigsäure lassen den Körper nicht übersäuern. Sie sind in Lebensmitteln wie Obst, Essig und Sauermilchprodukten enthalten oder entstehen als Zwischenprodukte im Energiestoffwechsel. Der Organismus baut diese Säuren vollständig zu Kohlendioxid und Wasser ab. In der Lunge wird das Kohlendioxid vollständig abgeatmet. Derartige Säuren werden als flüchtige Säuren bezeichnet. Im Energiestoffwechsel, beim Abbau von Kohlenhydraten und Fetten entsteht ebenfalls Kohlendioxid, das mit Wasser zu Kohlensäure reagieren kann. Auch diese Kohlensäure zerfällt wieder in die beiden Bestandteile und stellt somit keine Säurebelastung dar. Stark säurebildend Fleisch Wurst Fisch Eier Käse Weißmehl Alkohol Kaffee Wissen Foto ©: © HONGQI ZHANG – 123RF wird die Arbeit der Lunge zur Entgiftung der Säuren nicht vollständig genutzt. Zusätzlich behindern vorwiegend sitzende Tätigkeiten eine optimale Atmung. Und da es bei der Arbeit in der Regel wenig schweißtreibend zugeht, hat auch die Haut kaum eine Chance, überflüssige Stoffe auszuscheiden. Entsäuerung durch Lifestyle-Änderungen Die japanischen Ärzte sagen, dass alle Krankheiten, die nicht durch Bakterien und Viren entstehen, durch zu viele Säuren im Körper verursacht werden. Also muss man etwas gegen eine Übersäuerung unternehmen und einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt schaffen. Dazu muss eine Entsäuerung erfolgen. Die richtige Entsäuerung besteht aus drei Schritten: 1.Die Säureflut in den Körper hinein muss gestoppt werden. Mit einer basischen oder basenüberschüssigen Ernährung sorgt man dafür, dass ab sofort weniger säurebildende Stoffe in den Körper gelangen. Damit werden keine neuen Schlacken mehr gebildet. Die basenüberschüssige Ernährung sollten man beibehalten. Viele Schlacken können nämlich erst langsam abgebaut werden, was dann im Laufe einer mehrmonatigen basenüberschüssigen Lebensweise geschehen kann. 2.Alle Faktoren, die neben der Ernährung ebenfalls übersäuern, müssen reduziert werden. Dazu gehört der Abbau von Stressfaktoren mit der Reduzierung von Angst und Sorgen sowie eine unnötige Medikamenteneinnahme. Ein Bewegungsmangel darf nicht mehr weiterbestehen. 3.Der Organismus muss seine eigenständige Regulationsfähigkeit wiederfinden. Das bedeutet, dass altgewohnte und liebgewordene Verhaltensweisen eventuell drastisch geändert werden müssen. Man sollte sich etwas Neues angewöhnen – dann braucht man Altes nicht abzugewöhnen! Dieser Schritt zu einer gesunden Lebensweise ist allerdings der schwierigste. Durch einen vorhandenen Leidensdruck wird er aber schneller gelingen. Azidosetherapeutika beheben nicht das ursächliche Problem einer Übersäuerung, sind aber bei einer chronisch metabolischen Azidose indiziert und 32 werden von den Krankenkassen auch erstattet. Daneben sollte ein komplexes Programm eingesetzt werden. Solch ein Entsäuerungsprogramm sollte individuell angepasst sein, denn jeder Mensch reagiert anders auf die verschiedenen Maßnahmen. Grundsätzlich wird die Entsäuerung von einer basischen bzw. basenüberschüssigen Ernährung begleitet und unterstützt. Hierzu gilt es, eine gute Information und Beratung zu haben. Wichtig ist zunächst die geplante Dauer. Möchte man vier Wochen lang entsäuern? Oder möchte man sich lieber Zeit nehmen und über einen Zeitraum von drei Monaten entsäuern? Möchte man überdies sanft entsäuern? Oder möchte man intensiv entsäuern? Je nachdem, für welches Programm man sich entschieden hat, kann man sich noch zusätzliche Maßnahmen aussuchen, die eine ganz persönliche und individuelle Entsäuerung enorm beschleunigen und unterstützen können. Verschiedene physiotherapeutische Anwendungen und sportliche Aktivitäten unterstützen sehr gut: • Führen Sie Trockenbürsten-Massagen durch. Dadurch wird der gesamtes Lymphsystem aktiviert und die Entsäuerung massiv gefördert. Die Durchblutung der Haut wird verbessert. Zusatzeffekt: Sie erhalten eine samtweiche Haut. • Entspannen Sie mindestens zwei- bis dreimal wöchentlich in einem so genannten Basenbad. Gibt man in das Badewasser ein basisches Badesalz hinzu, erhöht sich der auf pH-Wert bis auf 8,5, je nach hinzugegebener Salzmenge. Verlässt der Badende nach einer Stunde Badedauer das Wasser, ist der pH-Wert messbar gesunken. Das kommt dadurch zustande, dass das Badewasser Säuren aufnimmt, die vom Körper ausgeschieden wurden und über die Haut in das Wasser gelangt sind. • Der Körper scheidet umso mehr Schlackenstoffe aus, je höher seine Temperatur ist. Dafür ist die Schweißabgabe verantwortlich. Die Körpertemperatur können Sie durch sportliche Aktivitäten und den Besuch der Sauna erhöhen. Beides sollte regelmäßig erfolgen, damit ein gewisser Gewöhnungseffekt mit einer entsprechenden Reaktionsbreite des Körpers entstehen kann. • Achten Sie auf eine langsame und bewusste Atmung. Durch einen optimalen Atemvorgang wird Kohlensäure in Form von Kohlendioxid über die Lungen ausgeatmet. Wenn Sie lernen, langsam und bewusst zu atmen, z. B. bei einer Atemgymnastik oder durch eine erlernte YogaAtmung), dann können Sie bereits einen Teil der täglich anfallenden Säuren über die Lungen aus dem Körper schaffen. • Ihre tägliche Nahrung sollte 2/3 aus basischen Nahrungsmitteln und 1/3 aus säurehaltigen Nahrungsmitteln bestehen. Das bedeutet: 2/3 Obst und Gemüse und 1/3 Fleisch, Milchprodukte und Getreideprodukte. Stellen Sie Ihren individuellen Ernährungsplan nach diesen Kriterien auf und gewöhnen Sie sich dieses für Sie neue Ernährungsprogramm bewusst an. Dr. med. Lutz Koch Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Wossidlostr. 21, 18181 Graal-Müritz Praxis Magazin 5 / 2016