Stochastik, Sommersemester 2014 Prof. Dr. I. Veselić

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Stochastik, Sommersemester 2014
Prof. Dr. I. Veselić
Dr. M. Tautenhahn, Dr. C. Schumacher
Übungsblatt 2
Aufgabe 1. Anton und Brigitte vereinbaren ein faires Spiel über 7 Runden. Jeder zahlt 5 Euro als
Einsatz, und der Gewinner erhält die gesamten 10 Euro. Beim Stand von 2 : 3 für Brigitte muss das
Spiel abgebrochen werden. Anton schlägt vor, den Gewinn in diesem Verhältnis zu teilen. Soll Brigitte
sich darauf einlassen? Stellen Sie dazu ein geeignetes Modell auf und berechnen Sie die Gewinnwahrscheinlichkeit von Brigitte.
Lösung zu Aufgabe 1: (Erwartungswert bei Spielabbruch)
abbruch.tex
Brigitte muss sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden:
(a) Sie stimmt zu das Spiel abzubrechen und kassiert sofort 6 Euro.
(b) Sie spekuliert darauf, dass sie gewinnt und kassiert dann möglicherweise 10 Euro. Das wäre nachvollziehbar, sobald ihre Gewinnwahrscheinlichkeit p die Ungleichung
p · 10 Euro > 6 Euro
erfüllt. Das heißt, falls der erwartete Gewinn größer als 6 Euro ist.
1
2
1
2
G
V
1
2
1
2
G
Brigitte gewinnt mit einer Wahrscheinlichkeit von p =
1
2
V
+ 14 = 34 . Sie sollte also das Angebot ablehnen.
Aufgabe 2. Seien r ∈ N und p ∈ (0, 1) gegeben. Beweisen Sie, dass durch
!
P({k}) =
k+r−1 r
p (1 − p)k
k
(k ∈ N0 )
eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf N0 definiert ist.
Lösung zu Aufgabe 2: (Negative Binomialverteilung)
negbin.tex
Setze p(k) := P({k}). Es gilt
k+r−1
k
!
=
(r + k − 1)!
(r + k − 1)(r + k − 2) · · · (r)
=
k!(r − 1)!
k!
(−r − k + 1)(−r − k + 2) · · · (−r)
k!
!
−r
(−r)(−r
−
1)(−r
−
2)
·
·
·
(−r
−
(k
−
2))(−r
−
k
+
1)
= (−1)k
= (−1)k
.
k!
k
= (−1)k
Damit erhalten wir
∞
X
k=0
p(k) =
∞
X
∞
X
−r r
−r
p (1 − p)k = pr
(p − 1)k = pr (1 + (p − 1))−r = 1.
k
k
k=0
!
k
(−1)
k=0
!
Im vorletzten Schritt haben wir den binomischen Lehrsatz benutzt, nämlich dass für |x| < 1 und α ∈ C
gilt
!
∞
X
α
(1 + x)α =
xk
k
k=0
Aufgabe 3. Es sei Ω := {ω : {1, . . . , n} → {1, . . . , n} | ω bijektiv} die Menge der Permutationen
auf n ∈ N Elementen. Bestimme die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig und gleichverteilt gezogene
Permutation (mindestens) einen Fixpunkt hat. Wie groß ist diese Wahrscheinlichkeit asymptotisch?
Lösung zu Aufgabe 3: (Fixpunkte von Permutationen)
fixperm.tex
Sei Aj := {ω ∈ Ω | ω(j) = j}. Dann ist
n
[
P
Aj =
j=1
=
=
n
X
X
(−1)k+1
P
k=1
n
X
1≤j1 <···<jk ≤n
k=1
n
X
1≤i1 <···<ik
X
(−1)k+1
Aj1
`=1
(n − k)!
n!
≤n
n
n (n − k)! X
(−1)k+1
=
k
n!
k!
k=1
!
k+1
(−1)
k=1
=1−
k
\
n
X
(−1)k n→∞
k=0
−−−→ 1 −
k!
1
≈ 0.63212055882855767841.
e
Aufgabe 4. Beweisen Sie den folgenden Satz. Sei Ω = {0, 1}N der Ergebnisraum des unendlich oft
wiederholten Münzwurfes und P(Ω) die Potenzmenge über Ω. Dann gibt es keine Abbildung P : P(Ω) →
[0, 1] mit den Eigenschaften
(N) Normierung: P(Ω) = 1.
(A) σ-Additivität: Sind A1 , A2 , . . . ⊆ Ω paarweise disjunkt, so gilt
[
P
Ai =
i≥1
X
P(Ai ).
i≥1
(I) Für alle A ⊆ Ω und n ≥ 1 gilt P(Tn A) = P(A). Dabei ist
Tn : ω = (ω1 , ω2 , . . . ) 7→ (ω1 , . . . , ωn−1 , 1 − ωn , ωn+1 , . . . )
die Abbildung von Ω auf sich, welche das Ergebnis des n-ten Wurfes umdreht, und Tn A = {Tn (ω) :
ω ∈ A} das Bild von A unter Tn . (Dies drückt die Fairness der Münze aus.)
Lösung zu Aufgabe 4: (Satz von Vitali, 1905)
vitali.tex
Wir definieren folgende Relation auf Ω:
ω ∼ ω0
: ⇐⇒
∃n0 ∈ N : ∀n ≥ n0 : ωn = ωn0 .
Dies ist eine Äquivalenzrelation, denn:
(S) ω ∼ ω 0 =⇒ ω 0 ∼ ω,
(R) ω ∼ ω,
(T) ω ∼ ω 0 , ω 0 ∼ ω 00 =⇒ ω ∼ ω 00 .
2
Bilde Äquivalenzklassen [ω]∼ := {ω 0 ∈ Ω | ω 0 ∼ ω} und die Menge der Äquivalenzklassen:
A := Ω/∼ = {[ω]∼ | ω ∈ Ω}.
Wie bei jeder Äquivalenzrelation gilt: A eine Menge von nicht leeren Mengen: ∀M ∈ A : M 6= ∅, denn
ω ∈ [ω]∼ , und die Mengen in A partitionieren Ω.
Nach dem Auswahlaxiom existiert eine Auswahlfunktion f : A → M ∈A M = Ω mit der Eigenschaft:
f (M ) ∈ M für alle M ∈ A. Insbesondere können wir die Menge C := f (A) bilden. C ist ein Vertretersystem für A: Zu jedem M ∈ A ist M ∩ C genau einelementig.
S
Sei F := {F ⊆ N | |F | < ∞} die Menge der endlichen Teilmengen von N. Wir definieren für S ∈ F:
TS :=
Y
Tn : Ω → Ω,
n∈S
wir flippen also die Münzen in S. Es gilt:
(i) Ω =
S
S∈F
TS C, denn ∀ω ∈ Ω : ∃ω 0 ∈ C : ω ∼ ω 0 , also gibt es S ∈ F mit ω = TS ω 0 ∈ TS C.
(ii) Die Mengen TS C, S ∈ F, sind paarweise disjunkt, denn wenn für S, S 0 ∈ F gilt
TS C ∩ TS 0 C 6= ∅,
dann gibt es ω, ω 0 ∈ C mit TS C(ω) = TS 0 (ω 0 ), also ω ∼ ω 0 . Die Wahl von C impliziert ω = ω 0 .
Dann muss auch S = S 0 gelten, und TS C = TS 0 C.
Jetzt folgt
1 = P(Ω) = P
[
S∈F
TS C =
X
S∈F
3
P(TS C) =
X
S∈F
P(C) ∈ {0, ∞}.
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