Praxis der Psychotherapie - ReadingSample - Beck-Shop

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Praxis der Psychotherapie
Ein integratives Lehrbuch
Bearbeitet von
Michael Broda, Wolfgang Senf, Susanne Altmeyer, Gabriele Amann, Silke Bachmann, Dina Barghaan, Ute
J. Bayen, Franz-Peter Begher, Dieter Birnbacher, Elmar Brähler, Michael Brünger, Franz Caspar, Andreas
Dahm, Andrea Dinger-Broda, Jochen Eckert, Yesim Erim, Thomas Ferrari, Stephan Herpertz, Leonore
Kottje-Birnbacher, Bernhard Strauß, Martina de Zwaan
Neuausgabe 2007. Buch. 896 S. Hardcover
ISBN 978 3 13 106094 5
Format (B x L): 19,5 x 27 cm
Zu Inhaltsverzeichnis
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Sexuelle Störungen
B. Strauß
ObwohlindenvergangenenJahrzehnteninderwestlichenWelt
eine sexuelle Liberalisierung gewaltigen Ausmaßes und eine
Versachlichung der Sexualität zu verzeichnen war, ist die Behandlung sexueller Störungen nach wie vor ein Problemfeld innerhalb der Psychotherapie. Nur wenige Psychotherapeuten
fühlensichkompetent,PatientenmitsexuellenProblemen,wie
Störungen der sexuellen Funktionen, der sexuellen Präferenz
und der Geschlechtsidentität, langfristig zu behandeln, was dazu führt, dass diese Patienten häufig lange Wege gehen müssen, ehe ihnen adäquat geholfen werden kann. Dies ist inso-
44.1
fern erstaunlich, als eigentlich gut evaluierte psychotherapeutische Konzepte für die Behandlung von Patienten mit
Sexualstörungen vorliegen. Dem steht aber gegenüber, dass
Psychotherapeuten – gleich welcher theoretischer Ausrichtung – offensichtlich immer noch unzureichende sexuologische Kenntnisse besitzen und es als schwierig erleben, in diagnostischen Gesprächen sexuelle Themen offen und ausführlich anzusprechen. Daraus resultiert nicht selten, dass
Scham- und Insuffizienzgefühle aufseiten der Betroffenen
verstärkt werden (vgl. Buddeberg 2005).
Einleitung
Die Sexualität, von der Freud sagte, sie gehöre zu den „gefährlichsten Betätigungen des Individuums“ (Nunberg u.
Federn 1977), kann auf unterschiedliche Weise definiert
werden (vgl. z. B. Schorsch 1975, Bancroft 1989):
Sexualität ist eine biologisch verankerte Form des
menschlichen Erlebens, die aber nicht notwendigerweise manifest werden muss.
Sexualität ist ein vielschichtiger, zahlreiche Aspekte umfassender Verhaltens- und Erlebensbereich, der durch eine enge Verknüpfung von körperlichen und psychischen
Prozessen gekennzeichnet ist.
Beim Menschen hat die Sexualität neben ihrer biologischen Funktion (Fortpflanzung) eine große Bedeutung
für die Selbstbestätigung (narzisstischer Aspekt der Sexualität) und eine zentrale interpersonale Funktion (Sexualität als Mittel der Bezogenheit und Beziehungsgestaltung).
Sexuelles Erleben, sexuelle Erregung und sexuelle Lust
sind in starkem Maße subjektiv und beeinflusst durch
biologische, psychologische und soziokulturelle Faktoren.
Die Entwicklung der Sexualität des Individuums ist äußerst
komplex (vgl. z. B. Strauß 2005, Fonagy et al. 2006). Die sexuelle Entwicklung konstituiert sich aus verschiedenen
Entwicklungslinien, die biologische Faktoren umfassen, die
Entwicklung der Geschlechtsidentität, sexueller Reaktionen und Verhaltensweisen, einer sexuellen Präferenz
(Identität) und Orientierung, die Entwicklung von Bindung
und Beziehungsfähigkeit. Diese Entwicklungslinien werden von zahllosen Faktoren biologischer, psychologischer
und sozialer Art beeinflusst. Speziell sexuelle Einstellungen und Verhaltensweisen sind stark durch den jeweiligen
soziokulturellen Hintergrund geprägt. Beispielsweise gibt
es Kulturen, in denen bezüglich bestimmter sexueller
Praktiken sehr freizügige Einstellungen bestehen, in anderen sind diese eher restriktiv. Auch unterliegen sexuelle
Werte, Einstellungen und Praktiken immer einem historischen Wandel, der sich in der „Postmoderne“ an unterschiedlichen Phänomenen zeigt.
Seit etwa 15 Jahren wird in der sexualwissenschaftlichen
Literatur ein kultureller und sozialer Wandel ungekannten
Ausmaßes diskutiert. Die Rede ist von „spätmodernen Sexualverhältnissen“, von einem „postmodernen Gebrauch
der Sexualität“ oder von einer „neosexuellen Revolution“
(Schmidt u. Strauß 2001, Baumann 1998, Sigusch 2005).
Dieser Wandel zeigt sich u. a. an Veränderungen in sexuellen Moralvorstellungen, einer zunehmend offener geführten Diskussion um sexuelle Gewalt, an veränderten Beziehungswelten und -biographien und an einem starken Einfluss (neuer) Medien auf die Sexualität. All diese kulturellen Einflussfaktoren spiegeln sich auch im klinischen Alltag
und in der Arbeit mit Patienten mit sexuellen Störungen
wider (Strauß 1998).
Angesichts der Komplexität der menschlichen Sexualität ist es angezeigt, bei der Diagnostik und Behandlung sexueller Störungen immer die Entwicklung
der Gesamtpersönlichkeit eines Patienten im Blickfeld zu
behalten. Störungen der Sexualität sind häufig gekoppelt
bzw. zurückführbar auf neurotische Fehlentwicklungen
und/oder Störungen der Persönlichkeit.
Die Diagnostik und psychotherapeutische Behandlung
von sexuellen Störungen orientiert sich an den gängigen
diagnostischen Klassifikationen, nach denen sexuelle Störungen (sowohl in der ICD-10 als auch im DSM-IV) in 3
größere Gruppen untergliedert werden
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Senf, Broda, Praxis der Psychotherapie (ISBN 9783131060945), 䊚 2007 Georg Thieme Verlag KG
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Sexuelle Funktionsstörungen
Störungen der Sexualpräferenz
Störungen der Geschlechtsidentität
44.2
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Nachfolgend werden die sexuellen Funktionsstörungen
und die Störungen der Sexualpräferenz im Hinblick auf diagnostisch relevante Ätiologie-Modelle und psychotherapeutische Ansätze diskutiert. Ausführungen zur Störung
der Geschlechtsidentität finden sich in Kap. 45.
Relevanz sexueller Störungen in der
psychotherapeutischen Praxis und Epidemiologie
Wissen über Sexualität
Klinisch relevante Problemfelder
In den vergangenen Jahren wurden Ärzte und Psychotherapeuten wiederholt zu ihren sexuologischen Kenntnissen
befragt mit dem Ergebnis, dass sich diese „nach wie vor
recht bescheiden“ erwiesen (Buddeberg 2005). Im Studium
der Psychologie und der Medizin sowie in der psychotherapeutischen Weiterbildung wird das Thema Sexualität in
der Regel nur oberflächlich behandelt. Dementsprechend
schätzen praktizierende Ärzte und Psychotherapeuten ihre
sexuologischen Kenntnisse selbst auch überwiegend als
„lückenhaft bis unzureichend“ ein, obwohl sie derartige
Kenntnisse eigentlich für äußerst wichtig halten.
Die geringen Kenntnisse schlagen sich im Umgang mit
Patienten nieder: Nach Buddeberg (1991) sprachen beispielsweise 75% der von den Autoren befragten Allgemeinärzte ihre Patienten „selten bis sehr selten“ auf die Sexualität an. Vielen scheint auch Kompetenz zu fehlen, entsprechende Patienten an Spezialisten zu überweisen. Eine ältere Analyse der Dokumentationsdaten einer Hamburger
Spezialambulanz für sexuell gestörte Patienten ergab, dass
Patienten dieser Ambulanz beim Erstkontakt im Durchschnitt bereits eine vierjährige erfolglose Behandlung bei
mindestens 2 – 3 Ärzt(inn)en hinter sich hatten (Arentewicz u. Schmidt 1993). Mittlerweile hat sich an dieser Situation sicher etwas langsam zum Positiven verändert.
Buddeberg (2005) berichtet, dass im Vergleich mit den
80er-Jahren Ärzte im Jahr 2004 angaben, sexuelle Probleme bereits häufiger anzusprechen.
Welcher Art die sexuellen Probleme sind, deretwegen Ärzte und Psychotherapeuten aufgesucht werden, ist in den
letzten Jahren von verschiedenen Arbeitsgruppen untersucht worden. Tab. 44.1 fasst die Ergebnisse aus 3 verschiedenen Studien zusammen, nämlich Befragungen von
Allgemeinmedizinern in der Schweiz (Buddeberg 1996) sowie eine Befragung von Psychotherapeuten in NRW und
Thüringen (Strauß et al. 1999).
Fort- und Weiterbildung
Die Versorgungsprobleme und die berichteten Kompetenzmängel haben in den vergangenen Jahren dazu geführt,
dass sexualwissenschaftliche Fachgesellschaften Konzepte
für die Fort- und Weiterbildung entwickelt haben.
Die
Deutsche
Gesellschaft
für
Sexualforschung
(http://www.dgfs.info) beispielsweise hat Curricula zur
Vermittlung von „sexuologischen Basiskompetenzen“ und
für eine „sexualtherapeutische Weiterbildung“ entwickelt,
welche seit 1997 an verschiedenen Orten (z. B. Hamburg,
Frankfurt, Münster, Aachen, Jena) realisiert werden (vgl.
Strauß 2004).
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Epidemiologie. In allen Befragungen, die in Tab. 44.1 zusammengefasst sind, erwiesen sich sexuelle Funktionsstörungen (vgl. Kap. 44.3) als die in der Praxis wichtigsten Störungen, wobei in der jüngsten Befragung (Strauß et al.
1999) die Lustlosigkeit besonders häufig als Präsentiersymptom beobachtet wurde (dies deckt sich mit Angaben
von Buddeberg [2005], der Ähnliches in einer Replikation
der Schweizer Untersuchungen beobachtete). In der Tat
gibt es Hinweise darauf, dass die Lustlosigkeit – insbesondere bei Frauen – in den letzten Jahrzehnten drastisch zugenommen hat und deshalb auch häufiger in Spezialeinrichtungen als Hauptproblem genannt wird (s. u.; vgl.
Hauch 2006).
Die Bedarfserhebungen in ärztlichen/psychotherapeutischen Praxen decken sich mit den vorliegenden Angaben
zur Epidemiologie sexueller Störungen.
Sexuelle Funktionsstörungen. Auch wenn die Diagnostik sexueller Störungen häufig aufgrund der Tabuisierung
des Themas schwierig ist, deuten Studien aus jüngerer Zeit
darauf hin, dass sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen
und Männern sehr häufig sind (Tab. 44.2), wenngleich die
in den Studien berichteten „Probleme“ nicht notwendigerweise immer den diagnostischen Kriterien für eine Störung
im klinischen Sinne entsprechen müssen. Hauch (2006)
kommt zu dem Schluss, dass eine „seriöse“ Schätzung der
Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen mit etwa 10% zu
beziffern sei. Die Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen
weist eine deutliche Altersabhängigkeit auf (besonders bei
Erektionsstörungen). In klinischen Populationen wird die
Prävalenz von Störungen der sexuellen Funktionen auf
10 – 40% geschätzt. Bei Männern sind Erektionsstörungen
nach wie vor am häufigsten, gefolgt von der vorzeitigen
Ejakulation, bei Frauen sind Störungen der sexuellen Appetenz mittlerweile das häufigste Präsentiersymptom.
Bedarfserhebungen und epidemiologische Daten zeigen,
dass Störungen der Sexualpräferenz oder Paraphilien (vgl.
44 Sexuelle Störungen
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Tabelle 44.1
Sexuelle Probleme in der Allgemeinpraxis, geordnet nach Häufigkeit. Die Angaben von 1980 und 1990 beziehen sich auf
eine Studie von Buddeberg (1996), die Angaben der Allgemein-Mediziner/innen der Studie von Strauß et al. (1999) sind
unter 1997 AM aufgeführt (N = 80), diejenigen der Psycholog/inn/en unter „1997 Ps“ (N = 77); „1997 ges“ bezieht sich auf
die gesamte Stichprobe der Studie von Strauß et al. (1999) (N = 393).
Problem*
1980
1990
1997 AM
1997 Ps
1997 ges
.................................................................................................................................................................
Orgasmusschwierigkeiten/-störung
1
5
4
4
3 (268)
Erregungsstörungen
2
4
8
8
11 (48)
20 (9)
(Orale) Kontrazeption
3
2
–
17
Dyspareunie
4
1
3
11
4 (243)
Körperliche Krankheit
5
6
10
13
9 (61)
Erektionsstörung/Erektile Dysfunktion
6
3
1
2
2 (612)
Alterssexualität
7
7
11
–
15 (28)
Kinder und Jugendliche
8
8
–
–
–
Ejaculatio praecox/Ejakulationsstörung
9
10
7
6
7 (114)
Homosexualität
10
9
–
11
14 (35)
Sexuelle Deviationen
11
11
13
10
10 (51)
Lustlosigkeit
–
–
2
1
1 (809)
5 (237)
Beziehungsprobleme
–
–
5
3
Sexueller Missbrauch
–
–
14
5
6 (132)
Angst
–
–
9
7
8 (77)
Erwartungsdruck
–
–
11
–
20 (9)
Sexuelle Überforderung
–
–
–
9
13 (38)
16 (27)
Sexuelle Identität
–
–
–
13
Medikamentennebenwirkung
–
–
6
15
12 (47)
Transsexualität
–
–
15
16
17 (18)
Delinquenz
–
–
–
18
18 (10)
Schwangerschaft
–
–
–
–
18 (10)
* Angaben in Klammern oder nach Schrägstrich beziehen sich auf Bezeichnungen in der vorliegenden Studie; auf die Unterscheidung Mann/Frau
wurde verzichtet, da sich die Probleme 1, 2 und 4 auch in der vorliegenden Studie fast ausschließlich auf Frauen beziehen, während 6 und 9 naturgemäß nur Männer betreffen. Zahlenangaben in Klammern sind Summenwerte.
Tabelle 44.2
Häufigkeit sexueller Probleme und Störungen bei Männern und Frauen im Alter von 18 – 59 Jahren (nach Laumann et al.
1994 aus Buddeberg 2005)
Frauen
%
Männer
.................................................................................................................................................................
33
Vorzeitiger Samenerguss
29
Kein Orgasmus
24
Angst vor Geschlechtsverkehr
17
Keine Freude an Sexualität
21
Mangelndes sexuelles Interesse
16
Schwierigkeiten mit sexueller Erregung
19
Erektionsschwierigkeiten
10
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
14
Kein Orgasmus
Angst vor Geschlechtsverkehr
12
Keine Freude an Sexualität
8
Zu schneller Orgasmus
10
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
3
Kap. 44.4) und Störungen der Geschlechtsidentität (vgl.
Kap. 44.5) deutlich seltener vorkommen.
Sexualpräferenz. Störungen der Sexualpräferenz sind in
ihrer Häufigkeit besonders schwer zu schätzen, da nur wenige Betroffene von sich aus psychotherapeutische Hilfe
suchen. Wahrscheinlich liegt die Häufigkeit der Störungen
wesentlich höher, als dies auf der Basis der klinisch beobachtbaren Fälle zu erwarten wäre (Berner et al. 2004). Die
Mehrzahl der Störungen wird nur bei Männern festgestellt.
Es ist nach wie vor nicht unumstritten, ob dies tatsächlich
so ist oder ob Frauen statt der Diagnose einer Paraphilie
andere Diagnosen erhalten (vgl. z. B. Fiedler 2004).
8
Geschlechtsidentität. Bezüglich der klinisch wichtigsten
Störung der Geschlechtsidentität, der Transsexualität (s.
Kap. 45), wurde über lange Zeit davon ausgegangen, dass
die Mann-zu-Frau-Transsexualität etwa drei- bis viermal
so häufig vorkommt wie die Frau-zu-Mann-Transsexualität. Dies wurde unter anderem damit erklärt, dass die
männliche Geschlechtsrolle weniger Flexibilität ermögliche als die weibliche und damit das Verlangen nach Geschlechtswechsel eher provoziere. Es ist mittlerweile zu
vermuten, dass sich das Geschlechterverhältnis angleicht
(Sigusch 2005), was die kulturellen und medizinischen
Rahmenbedingungen der Transsexualität reflektiert (s. u.).
44.2 Relevanz sexueller Störungen in der psychotherapeutischen Praxis und Epidemiologie
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%
Mangelndes sexuelles Interesse
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Neuere Schätzungen gehen von einer Prävalenz zwischen
1 : 20 000 und 1 : 100 000 aus, wobei das Verhältnis Mannzu-Frau- : Frau-zu-Mann-Transsexualität noch bei ungefähr
2 : 1 liegt (z. B. van Trotsenburg 2002).
Sexuelle Traumatisierungen. In der klinischen Praxis sind
neben den oben genannten auch sexuelle Probleme relevant, die nicht explizit in den diagnostischen Klassifikationssystemen enthalten sind. Hierzu zählen insbesondere
Folgen sexueller Gewalt, deren Häufigkeit in jüngster Zeit
mehr und mehr er- und anerkannt wurde (vgl. Richter-Appelt et al. 2004; s.Kap. 51). Zu den Folgen sexueller Gewalt
und Traumatisierung zählen nicht selten auch manifeste
sexuelle Störungen (vgl. Strauß et al. 2004), insgesamt ist
das klinische Bild nach sexuellen Traumatisierungen aber
sehr heterogen (Richter-Appelt et al. 2004). Bei der Behandlung von Folgen sexueller Traumatisierungen gelten
Störungen der sexuellen Funktionen sind – wie erwähnt –
die in der Praxis mit Abstand häufigsten sexuellen Probleme.
Allgemein sind als sexuelle Funktionsstörungen alle
Beeinträchtigungen des sexuellen Erlebens und
Verhaltens zu verstehen, welche mit ausbleibenden, verminderten oder atypischen genitalphysiologischen Reaktionen einhergehen (vgl. Arentewicz u. Schmidt 1993).
44
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In den gängigen Diagnosemanualen sind sexuelle Funktionsstörungen mittlerweile differenziert abgebildet, wobei
sich die diagnostische Klassifikation der Störungen oft an
den einzelnen Phasen der sexuellen Interaktion orientiert,
nämlich der Appetenz-, Erregungs- und Orgasmusphase
und der Entspannungsphase. Tab. 44.3 gibt einen Überblick über die wichtigsten sexuellen Funktionsstörungen
bei Frau und Mann, soweit sie die entsprechenden diagnostischen Kategorien der ICD-10 repräsentieren.
Tabelle 44.3
Leitlinien. Bezüglich der Diagnostik und Behandlung sexueller Störungen sind im Kontext der Leitlinieninitiative der
AWMF (vgl. http://www.awmf-leitlinien.de) bislang umfassende Leitlinien zu allen 3 Störungsgruppen durch die
Akademie für Sexualmedizin veröffentlicht worden. Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung sexueller Funktionsstörungen wurden außerdem von verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften vorgelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung erarbeitet derzeit gesonderte
Leitlinien zu den 3 o. g. Störungsgruppen. Leitlinienähnliche „Standards der Behandlung und Begutachtung von
Transsexuellen“ wurden von Becker et al. (1997) veröffentlicht.
Sexuelle Funktionsstörungen
44.3
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größtenteils jene Prinzipien, die für die Behandlung anderer posttraumatischer Störungen formuliert wurden (vgl.
Kap. 34).
Diagnostik
Appetenz. Es hat sich inzwischen eingebürgert, auch Störungen der sexuellen Annäherung oder Appetenz zu dieser
Gruppe von Sexualstörungen zu zählen: Sexuelle Lustlosigkeit, Mangel oder Verlust sexuellen Verlangens, gehemmte
sexuelle Appetenz, bei Männern und Frauen vorkommend,
beschreiben andauernde Hemmungen des sexuellen Verlangens und Gleichgültigkeit gegenüber Sexualität. Diese
sind oft gekoppelt mit sexueller Aversion, d. h. Widerwillen
oder Ekel vor sexueller Annäherung und deren Vermeidung, die im Extremfall mit Angstzuständen (Sexualphobie) einhergehen kann.
Frau und Herr M. leben seit 8 Jahren als Paar in jeweils
zweiter Ehe. Beide Partner sind Anfang Fünfzig und haben aus einer früheren Beziehung jeweils 2 Kinder. Frau und
Herr M. sind in akademischen Berufen ganztags berufstätig
und in ihren Berufen sehr stark engagiert. Nach einigen Jah-
Sexuelle Funktionsstörungen der Frau und des Mannes in verschiedenen Phasen der sexuellen Interaktion (wenn nicht
gesondert vermerkt, kommen alle Störungen bei Frauen und Männern vor)
ICD-10-Kategorie
Phase
.................................................................................................................................................................
Sexuelle Annäherung (Appetenz)
Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen (F52.0)
Sexuelle Aversion (F51.10)
Gesteigertes sexuelles Verlangen (F52.7)
Sexuelle Erregung/Stimulation
Versagen genitaler Reaktionen (F52.2)
Mann: Erektionsstörung
Frau: Mangel oder Ausfall vaginaler Lubrikation
Immissio/Koitus
Nichtorganische Dyspareunie (F52.6)
Nichtorganischer Vaginismus (F52.5)
Orgasmus
Orgasmusstörungen (F52.3; einschließlich Ejaculatio deficiens beim Mann)
Ejaculatio praecox (F52.4)
Mangelnde sexuelle Befriedígung (F51.11)
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ren mit lustvollen und häufigen sexuellen Erfahrungen ließ
sich bei beiden Partnern diesbezüglich zunehmend ein Rückzug beobachten, der schließlich dazu führte, dass sexuelle
Kontakte alle paar Wochen zustande kamen, ohne aber besonders lustvoll erlebt zu werden. Zum Zeitpunkt des Erstkontaktes hatten die beiden Partner seit fast 2 Jahren keinen
sexuellen Kontakt mehr. Sie berichten, dass Konflikte und
Streitigkeiten in der Beziehung häufiger geworden seien. Beide würden sich wünschen, dass der andere auf sie/ihn zukommt und ihn/sie verführe. Dies geschieht aber nicht mehr,
da beide sich unter Leistungsdruck empfinden und große
Angst vor einer Zurückweisung erleben.
Eine Konstellation, wie sie in dem Fallbeispiel beschrieben
ist, ist in der klinischen Praxis nicht selten, wie überhaupt
die sexuelle Lustlosigkeit – insbesondere bei Patientinnen
– als Präsentiersymptom drastisch zugenommen hat (vgl.
Hauch 2006).
Es gibt viele Hypothesen zur Erklärung dieses Phänomens. Von den Betroffenen werden beispielsweise veränderte Lebensweisen, Stress und die Schnelllebigkeit unserer Zeit genannt (Bodenmann 2001). Sexualwissenschaftler
vermuten darüber hinaus gesellschaftliche Faktoren, die
eine Zunahme der Lustlosigkeit erklären können. Schmidt
(1996) beispielsweise vermutet, dass „die Emanzipation
Freiraum für Lustlosigkeit“ geschaffen hat und die Zunahme an Autonomie und Selbstbestimmung von Frauen –
möglicherweise auch von Männern – dazu geführt hat,
dass das Symptom Lustlosigkeit erst präsentierbar geworden ist, die Flucht in andere funktionelle Sexualstörungen
(bei Frauen Orgasmus- und Erregungsstörungen) oder Körperstörungen sich somit erübrigt hätte. Möglich sei auch,
dass moderne Beziehungsstrukturen die natürliche Lustlosigkeit schwerer erträglich machen und somit dazu zwingen, früher professionelle Hilfe zu suchen.
Störungen der sexuellen Erregung bzw. das Versagen
genitaler Reaktionen. Diese Störungen äußern sich beim
Mann in nicht voll ausgeprägter oder vollständig ausbleibender Erektion, bei der Frau im Ausbleiben der physiologischen Reaktionen (Lubrikation, Anschwellen der äußeren
Genitalien), die meist Voraussetzung sind für ein lustvolles
Erleben des Koitus bzw. sexueller Stimulation. Auch ein anhaltender Mangel des subjektiven Gefühls sexueller Erregung würde zu dieser Gruppe von Störungen gerechnet.
Herr W. ist ein 43-jähriger ehemaliger Fabrikarbeiter,
der im Erstkontakt berichtet, dass er – im Osten
Deutschlands lebend – wenige Jahre nach der Wende aufgrund der Insolvenz seines Betriebes seinen Arbeitsplatz verlor. Seine Familie, insbesondere seine Frau, zu der er zu dieser
Zeit eine sehr gute Beziehung hatte, unterstützten ihn in der
Folgezeit auch bei seinen Versuchen, eine neue Arbeit zu finden. Je mehr Zeit ins Land ging, desto schwieriger wurden Erfahrungen mit Bewerbungen. Herr W. habe sehr viel Entwertung und Kränkungen erlebt, die ihn zunehmend unglücklich
machten. Etwa ein Jahr nach dem Arbeitsplatzverlust habe er
erstmalig beobachtet, dass er beim Sexualkontakt mit seiner
Frau Erektionsschwierigkeiten hatte. Dies hätte ihn irritiert
und dazu geführt, dass er sich verstärkt selbst beobachtete.
Diese Selbstbeobachtung habe sich langfristig sehr ungünstig ausgewirkt. Je mehr er ein Versagen befürchtete, desto
häufiger habe er es auch erlebt. Mittlerweile hätten sich die
Versuche, mit seiner Frau zu schlafen, auf ein Minimum reduziert. Eine Folge davon sei, dass beide Partner zunehmend
gereizt seien und häufig streiten würden.
Orgasmus. Zu den Störungen des Orgasmus beim Mann
zählen verschiedenartige Beeinträchtigungen der Ejakulation. Die vorzeitige Ejakulation (Ejaculatio praecox) ist
charakterisiert durch einen sehr schnellen Samenerguss,
welcher vor, während der Immissio penis oder kurz danach auftritt. Seltener kommt es vor, dass die Ejakulation
sehr spät erfolgt oder ganz ausbleibt (Ejaculatio deficiens
oder retarda) oder retrograd in die Blase erfolgt. Eine Ejakulation ohne das Gefühl der Befriedigung würde man diagnostisch als mangelnde sexuelle Befriedigung auffassen.
Orgasmusstörungen der Frau sind vielfältiger. In der Regel
versteht man darunter eine Verzögerung oder ein Ausbleiben des Orgasmus trotz intensiver Stimulation. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Orgasmuserleben
von Frauen generell intra- und interindividuell verschiedener ist als beim Mann und dass relativ viele Frauen über
den Koitus hinausgehender manueller Stimulation bedürfen, um einen Orgasmus zu erleben.
Schmerzempfindungen. Der (nichtorganische) Vaginismus – d. h. ein unwillkürlicher Spasmus der Beckenmuskulatur beim Versuch oder bei der Vorstellung einer Immissio
und unspezifischere Schmerzen beim Sexualverkehr (Dyspareunie), letztere können bei Frauen und Männern vorkommen – zählt zu Störungen, die im DSM früher als „sexuell bedingte Schmerzen“ bezeichnet wurden.
Frau D. und Herr K., beide 29 Jahre alt, berichten im
Erstgespräch, dass sie bereits seit 10 Jahren ein Paar
seien. Sie hätten beim ersten Versuch eines Geschlechtsverkehrs bemerkt, dass es aufgrund von Verkrampfungen und
Schmerzen bei Frau D. nicht möglich gewesen sei, den Penis
einzuführen. Nachdem sich diese Erfahrung noch einige Male
wiederholt hätte, der Gynäkologe von Frau D. gemeint hätte,
das Problem würde sich schon geben, hätten die beiden Partner darauf verzichtet, Geschlechtsverkehr mit einer Penetration zu versuchen und sich stattdessen manuell und oral befriedigt, was beide durchaus genießen konnten. Das Bedürfnis, etwas an dem Zustand zu verändern, sei eigentlich nur
dadurch entstanden, dass die beiden Partner sicher seien,
auch in Zukunft zusammenleben zu wollen und sich nun ein
Kind wünschten, das „wie es sich gehört“ gezeugt werden
soll.
Gesteigertes sexuelles Verlangen wird gelegentlich ebenso zu den sexuellen Funktionsstörungen gezählt wie postorgastische Reaktionen bei intakter sexueller Funktion.
Letztere, bei Männern und Frauen möglichen Reaktionen,
können sich sowohl körperlich (z. B. in genitalen Missempfindungen) wie auch psychisch (in innerer Unruhe, Gereiztheit, depressiven Verstimmungen usw.) äußern. Sexualprobleme können in der klinischen Praxis häufig zudem
44.3 Sexuelle Funktionsstörungen
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larviert erscheinen, beispielsweise als körperliche Symptome im Bereich des urogenitalen Systems (Miktionsstörungen, Dysmenorrhö usw.).
Primär dienen sexuelle Funktionsstörungen dem
Betroffenen zum Schutz vor irrationalen Ängsten,
die sich aus der Bedürfnis-, Beziehungs- und Geschlechtsgeschichte eines Individuums ableiten lassen (vgl. Arentewicz u. Schmidt 1993).
Diagnostik
Von klinisch-diagnostischer Bedeutung sind eine Reihe
formaler Beschreibungsmerkmale, die für fast alle genannten Störungen gelten, z. B. ihr Schweregrad, die Dauer
der Störung, die Frage, ob die Störung primär (d. h. von der
ersten sexuellen Erfahrung an bestehend) oder sekundär
(d. h. nach symptomfreier Zeit auftretend) ist, initial (d. h.
nur auf die erste Erfahrung begrenzt) oder dauerhaft. Situations-, Partner- und Praktikabhängigkeit einer Störung
können wichtige Aufschlüsse über die Bedeutung unterschiedlicher Ursachen für deren Entstehung geben.
Sexuelle Funktionsstörungen lassen sich als Paradebeispiel einer psychosomatischen Symptomatik verstehen.
Trotzdem finden sich in der Literatur immer wieder Auffassungen einer entweder ausschließlich körperlichen oder
ausschließlich psychischen Bedingtheit der Probleme, derzeit mit einer deutlichen Überbetonung körperlicher Entstehungsfaktoren (speziell bei Erektionsstörungen), deren
allgemeine Bedeutung aber sicher außer Zweifel steht.
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Es ist davon auszugehen, dass körperliche Erkrankungen jedweder Art eine Reduktion der sexuellen
Appetenz und eine Beeinträchtigung sexueller Funktionen mit sich bringen können. Dies geschieht entweder
durch spezifische Einflüsse, negative Auswirkungen auf
die Stimmung, das Selbstwertgefühl oder durch die Funktionalisierung der Krankheit als Mittel zum Rückzug aus
einer sexuellen Beziehung. Besonders häufig sind sexuelle Dysfunktionen beschrieben beim Diabetes mellitus, bei
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenerkrankungen.
Hormonelle Störungen, wie die Hyperprolaktinämie, genitale Missbildungen oder Verletzungen und Erkrankungen des Rückenmarks führen ebenfalls gehäuft zu sexuellen Störungen, die überdies nicht selten gekoppelt mit
psychiatrischen Erkrankungen, speziell affektiven Störungen und Störungen durch psychotrope Substanzen, beobachtbar sind.
Um körperliche Ursachen sexueller Funktionsstörungen
auszuschließen, sind diverse medizinische Behandlungsmaßnahmen, von denen Auswirkungen auf die Sexualität
zu erwarten sind, genau zu explorieren. Allen voran sind
hier Operationen im Genitalbereich und medikamentöse
Behandlungen zu nennen. Eine ganze Reihe von chemischen Substanzen, wie Alkohol, Psychopharmaka, blutdrucksenkende Mittel oder exogen verabreichte Hormone,
können sich über die Beeinflussung zentralnervöser, peripherer oder endokriner Systeme negativ auf die Sexualfunktionen auswirken.
Bei der Frage nach der Psychogenese sexueller Dysfunktionen besteht aus psychodynamischer Sicht Übereinstimmung darin, dass durch die Störung eine Vielzahl von Konflikten ausgedrückt werden kann.
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Spezifische Funktionsstörungen sind dabei keineswegs mit
spezifischen Ängsten assoziiert. Generell ist zu erwarten,
dass das Symptom dem Schutz vor Triebängsten (z. B.
Angst vor Enttäuschung, Kontrollverlust, phantasierter Gewalttätigkeit oder Kastration) dienen kann, dem Schutz vor
Beziehungsängsten (z. B. Angst vor Verschmelzung, IchAuflösung, Selbstaufgabe, Partnerverlust oder inzestuösen
Wünschen, die in der sexuellen Interaktion reaktiviert
werden können), vor Geschlechtsidentitätsängsten, also
Unsicherheiten im Hinblick auf die Geschlechtsidentität
bei Mann und Frau, und vor Gewissensängsten (vgl. Becker
1980).
Partnerbeziehung. Von besonderer Wichtigkeit im Zusammenhang mit sexuellen Funktionsstörungen ist ihre
Bedeutung für das Gleichgewicht innerhalb einer Partnerbeziehung. Es ist mittlerweile mehrfach gezeigt worden, dass ein sexuelles Symptom in einer Beziehung meistens zur Lösung eines gemeinsamen Konflikts beider
Partner, also der interpersonalen Abwehr, dient. So kann
die Störung funktionalisiert werden zur Delegation von
Unzulänglichkeiten und Ängsten eines Partners auf den anderen, zur Abwehr gemeinsamer Ängste, zum Ausdruck
von Dominanzkonflikten in der Beziehung oder zur Regulation der erträglichen Nähe bzw. Distanz zwischen beiden
Partnern (vgl. Arentewicz u. Schmidt 1993).
Lerndefizite. Verzerrte und falsche Vorstellungen von der
menschlichen Sexualität sind häufig die Grundlage sexueller Funktionsstörungen. Daneben ist das bei fast allen Störungen beobachtbare Phänomen zu berücksichtigen, dass
eine gestörte Funktion sehr rasch Erwartungs- und Versagensängste provozieren kann, die dann wiederum die sexuelle Funktion beeinträchtigen. Dieses Phänomen, gewöhnlich als Selbstverstärkungsmechanismus bezeichnet, hat neben der Auffassung, dass sexuelles Verhalten gelernt wird, sexuelle Störungen damit auch Ausdruck eines
fehl gelaufenen Lernprozesses sind, die psychotherapeutischen Behandlungsansätze sexueller Funktionsstörungen
maßgeblich beeinflusst.
Verhaltenstheoretische Konzepte für das Verständnis der
Entstehung sexueller Funktionsstörungen stellen den o. g.
Selbstverstärkungsmechanismus und die daraus resultierende „Kette gestörten Sexualverhaltens“ (Fahrner u. Kockott 2003, Fliegel 2004) in den Mittelpunkt, ebenso die Bedeutung von Angst als prädisponierende Ursache der Störung und kognitive Ablenkungsprozesse, die vor allem in
einem empirisch bestätigten Modell von Barlow (1986)
spezifiziert wurden. Geringe Selbstsicherheit, ein hoher
Leistungsanspruch und negative sexuelle Vorerfahrungen
werden als persönlichkeitsbezogene Faktoren begriffen,
die sexuelle Störungen mit bedingen können (vgl. Fahrner
u. Kockott 2003, Kockott u. Fahrner 2000, Gromus 2002).
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Spezielle Aspekte
Sexualität im höheren Lebensalter. Diese wurde von der
Gesellschaft (einschließlich der Sexualwissenschaft) über
lange Zeit ignoriert und tabuisiert. In jüngster Zeit wurde
die Sexualität älterer Frauen und Männer systematisch untersucht, was dazu beigetragen hat, die Lebendigkeit und
Individualität der Alterssexualität anzuerkennen. Der Verlust von finanzieller Sicherheit, die Abnahme der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit bis zur Krankheit
und Pflegebedürftigkeit, der Verlust von Partnern, Freunden und Kollegen durch Pensionierung und Tod stellen beispielhafte Konfliktbereiche des Alters dar, für deren Kompensation zwischenmenschliche, einschließlich sexueller
Erfahrungen eine wichtige Kompensationsmöglichkeit darstellen.
Buddeberg (2005) beschreibt, dass die sexuelle Aktivität
im höheren Alter bei Frauen und Männern vor allem durch
den körperlichen und seelischen Gesundheitszustand, das
spezifische Alter, die Art der früheren sexuellen Betätigung
und den Familienstand bestimmt würde. Sexualwissenschaftliche Umfragen zeigen, dass die Koitushäufigkeit bei
60jährigen noch bei durchschnittlich 1 ⫻/Woche liegt und
erst nach dem 75. Lebensjahr drastisch abnimmt. Offenbar
gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen früheren sexuellen Aktivitäten und der sexuellen Aktivität im
Alter. Ab dem 65. Lebensjahr wird die Zärtlichkeit zum wesentlichen Aspekt sexuellen Erlebens.
Altersbedingte Veränderungen in der sexuellen Reaktionsfähigkeit sind bei älter werdenden Männern wesentlich
ausgeprägter als bei Frauen (bei denen beispielsweise eine
Veränderung der Reaktionsfähigkeit im Kontext der hormonellen Umstellung während der Menopause vermutet
wird). Eine kurvilineare Zunahme von Erektionsproblemen
ab ca. dem 40. Lebensjahr wurde mehrfach empirisch belegt. Mit der reduzierten Erektionsfähigkeit (und einer Verlängerung der Refraktärzeit) geht aber eine bessere Ejakulationskontrolle einher, eine Verminderung des Bedürfnisses beim sexuellen Verkehr „ejakulieren zu müssen“ und
eine erhöhte Befriedigung beim Koitus ohne Ejakulation.
Diese Angaben stammen beispielhaft aus einer der größten
Studien zu altersbedingten Veränderungen der männlichen Sexualität, der sog. Massachusetts-Male-Ageing-Study (Feldmann et al. 1994). Aus diesen Veränderungen resultieren spezifische Schwerpunkte im Gespräch mit älteren Menschen, die in Tab. 44.4 zusammengefasst sind.
Tabelle 44.4
Patienten aus anderen Kulturkreisen. Wie eingangs erwähnt, sind sexuelle Einstellungen und Verhaltensweisen
in starkem Maße kulturabhängig. Menschen aus anderen
Kulturkreisen haben deshalb oft ganz andere sexuelle Normen und Vorstellungen, die dann zum Problem werden,
wenn sie mit den hier geltenden Normen kollidieren, wenn
diese fehlinterpretiert werden bzw. zu einer Verunsicherung der betroffenen Person führen, die dann auch sexuelle
Störungen zur Folge haben kann. Ein wesentliches Ziel bei
der Behandlung von Patienten dieser Kategorie besteht in
der Prüfung und ggf. Korrektur von Vorstellungen und
Grundannahmen bezüglich des eigenen sexuellen Erlebens
und des Erlebens des jeweiligen Partners.
Spezifische Diagnostik
Im Prinzip folgt die Diagnostik sexueller Störungen den in
der Psychotherapie üblichen Diagnoseprinzipien. Da häufig
beide Partner in die Diagnostik und Behandlung einbezogen werden sollten, sind diagnostische Paargespräche häufig. Inhaltlich stehen Themen einer ausführlichen Sexualanamnese im Blick der Diagnostik, die ausführlich beispielsweise bei Hauch (2006) nachzulesen sind.
Schwerpunkte einer Sexualanamnese sind das gegenwärtige sexuelle Erleben und Verhalten und die
exakte Beschreibung der aktuellen Störung, die soziosexuelle Entwicklung, Sexualität und Beziehungserfahrungen in früheren Partnerschaften und die Exploration der
gegenwärtigen Beziehung, deren Entwicklung und Struktur.
Therapie
..............
Patienten mit sexuellen Funktionsstörungen – besonders
Männer mit einer derartigen Problematik – wirken in der
Praxis häufig somatisch fixiert, weswegen somatische Behandlungsansätze, deren Angebot immer größer wird,
auch bereitwillig akzeptiert werden. Gerade zur Behandlung von Störungen der Erektion werden häufig medikamentöse Maßnahmen (Viagra, Cialis, Levitra), die Implantation von Prothesen und – inzwischen seltener – die
Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT) angewandt.
Eine ausführliche Sexualanamnese, welche Biographie und
Schwerpunkte im Gespräch mit älteren Menschen bezüglich der Sexualität
Akzeptieren von Verlusten z. B. der Attraktivität,
Hochleistungsfähigkeit
Information über altersbedingte Veränderungen
Männlichkeits- und Weiblichkeitsmythen
Erlaubnisgeben, Akzeptanz sexueller Bedürfnisse im Alter
Moralvorstellungen und Überwindung von Tabus
Treueverpflichtungen, Akzeptanz von „Abnutzungseffekten“ in Beziehungen
Schuldgefühle
Veränderung von Schwerpunkten im Erleben
Änderung des Sexualitätsmodells
Auseinandersetzung mit öffentlichen (meist „jugendlichen“) Sexualitätsbildern
Überwindung des Zeitgeistes
Männlichkeit/Weiblichkeit ist nicht nur Sex, Verlust ist auch Gewinn
44.3 Sexuelle Funktionsstörungen
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Beziehungsgeschichte eines Patienten bzw. Paares berücksichtigt, kann häufig bereits invasive medizinische Diagnostik und eingreifende Behandlungsmaßnahmen verhindern helfen. Wenn nicht eindeutige körperliche Ursachen
einer sexuellen Funktionsstörung diagnostizierbar sind,
dürften somatische Behandlungsmaßnahmen keinerlei
Besserung bringen, es sei denn über eine suggestive Beeinflussung des Patienten oder als kurzfristige Hilfe zur Wiederherstellung von Zuversicht und Selbstwertgefühl.
Offensichtlich ist vielen Paaren, die sexuelle Funktionsstörungen präsentieren – zumindest wenn abgegrenzte
Konflikte oder Lerndefizite die Basis der Störung sind – ,
mit relativ geringem Aufwand zu helfen. Mittlerweile gibt
es für diese Fälle eine Reihe elaborierter Beratungskonzepte (vgl. z. B. Buddeberg 2005).
Es gibt ferner eine Reihe sowohl verhaltenstherapeutischer als auch tiefenpsychologisch fundierter Ansätze zur
Psychotherapie sexueller Funktionsstörungen. Nicht selten und mit viel Erfolg wird versucht, Prinzipien der Verhaltenstherapie, also gezielte Verhaltensanleitungen, mit
psychodynamischen, also konfliktfokussierenden Interventionen zu kombinieren.
Arentewicz u. Schmidt (1993) haben als allgemeine Ziele
einer psychotherapeutischen Behandlung sexueller Dysfunktionen formuliert:
Auflösung des Selbstverstärkungsmechanismus
Korrektur von Lerndefiziten
Verständnis der Bedeutung der sexuellen Störung für die
Partnerbeziehung und – nach Möglichkeit – eine Bearbeitung zugrunde liegender Paarkonflikte
Verständnis und Bearbeitung der ursächlichen psychodynamischen Konflikte und Ängste
..............
44
..............
Paartherapie. Insbesondere aufgrund der großen Erfolge
eines von Masters und Johnson (1970) in den frühen 70erJahren veröffentlichten paartherapeutischen Behandlungsprogramms bei sexuellen Funktionsstörungen, das
sich spezifischer gestufter Verhaltensanleitungen bediente,
gilt ein paartherapeutisches Vorgehen bei sexuellen Funktionsstörungen – sofern dies realisierbar ist – als die Behandlungsmethode der Wahl. Das Programm von Masters
und Johnson wurde zwischenzeitlich mehrfach formal und
inhaltlich modifiziert und vor allem ergänzt durch eine besondere Berücksichtigung der Psycho- und Paardynamik.
Verhaltensanleitungen, einschließlich Verbot des Koitus,
um den genannten Selbstverstärkungsmechanismus zu
durchbrechen, erweisen sich dabei als hilfreich, um intrapsychische und interpersonale Konflikte zu verdeutlichen,
aber auch – wie dies ursprünglich intendiert war – um es
einem Paar zu ermöglichen, sexuelle Interaktionen neu zu
erleben und zu erlernen (Tab. 44.5 ).
Einzeltherapie. Ebenso wie die Paartherapie stützen sich
speziell für die Behandlung sexueller Schwierigkeiten konzipierte Formen der Einzeltherapie auf eine Kombination
verbaler Techniken, Verhaltensanleitungen und Körperselbsterfahrungsübungen. Auch in geschlechtshomogenen
Gruppen und Paargruppen wurden psychotherapeutische
Behandlungen sexuell gestörter Patienten erfolgreich angewandt.
630
Tabelle 44.5
Idealtypischer Ablauf einer (Paar-)Therapie bei
sexuellen Funktionsstörungen nach dem sog.
Hamburger Modell (einer Modifikation des von Masters u. Johnson entwickelten Vorgehens; vgl. Hauch
2006)
Vorgespräche, Abklärung der Rahmenbedingungen, Einzelund Paarexplorationen
Auswertung der Explorationsergebnisse mit dem Paar
Einführung der Regeln für die Verhaltensvorgaben
Streicheln I (Streicheln ohne Einbezug der Genitalregionen)
Streicheln II (Streicheln mit flüchtigem Einbezug der Genitalregionen)
Erkundendes Streicheln im Genitalbereich
Spielen mit Erregung
Einführen des Penis
Koitus mit erkundenden und stimulierenden Bewegungen
Vorbereitung des Therapieendes
Abschlussgespräch
Katamnesegespräch(e)
Herr E. und Frau K., die sich sehr rasch nach ihrem Kennenlernen eine gemeinsame Wohnung suchten, kamen auf Initiative der Frau in Therapie, da sich schon recht
bald in der Beziehung ein sexuelles Problem manifestierte.
Herr E. entwickelte beim Sexualkontakt mit seiner Partnerin
keine Erektionen mehr und fühlte sich dadurch stark unter
Druck. Der typische Teufelskreis von Versagensangst und sexueller Dysfunktion hatte sich bei ihm eingestellt. Eine Exploration der Beziehung ergab, dass Frau K. absolut die dominierende Person in der Partnerbeziehung war, die den Tagesablauf festlegte und alle Entscheidungen selbstbewusst und ohne den Partner zu fragen selbst traf. Paardynamisch war das
sexuelle Problem bei Herrn E. als unbewusster Protest gegen
die Dominanz seiner Partnerin zu verstehen. Dass er sich so
rasch darauf einließ, mit seiner Partnerin, der ersten, mit der
er eine längere Beziehung hatte, zusammenzuziehen, erklärte sich aus seinem Wunsch, sich endlich von seinen Eltern
loszulösen. Allerdings tauschte er offensichtlich eine Abhängigkeit gegen eine neue ein. Frau K., die zu Beginn der Therapie verdeutlichte, dass sie ihren Mann „haben wollte“ und es
schade fände, dass die sexuellen Aktivitäten zum Erliegen gekommen seien, wirkte zunächst in ihrer Sexualität relativ unbeeinträchtigt, wenngleich sie berichtete, dass ihre ersten sexuellen Erfahrungen sehr unangenehm gewesen seien und
sie bislang erst eine Beziehung hatte, die für sie mit einer
großen Enttäuschung endete. In der Paartherapie, in der von
Anfang an Übungen nach den Prinzipien von Masters u. Johnson einschließlich des Koitusverbotes praktiziert wurden, war
das sexuelle Symptom bei Herrn E. rasch verschwunden.
Stattdessen stellten sich bei Frau K. Probleme ein. Sie erlebte
die Streichelübungen eine Zeit lang als sehr unangenehm,
fühlte sich gar nicht erregt, während ihr Partner in der Beziehung zunehmend „die Oberhand gewann“. Die „Symptomverschiebung“ innerhalb der Beziehung, die in Paartherapien
sehr häufig zu beobachten ist, bot die Möglichkeit, die Funktion des Symptoms mit dem Paar zu klarifizieren und zu verstehen. Frau K. hatte sich – nach ihren schmerzlichen Erfahrungen in früheren Beziehungen – mit Herrn E. offensichtlich
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einen Mann gesucht, der selbst – notfalls mit seinem Symptom – für eine Abgrenzung in der Beziehung sorgte, was vor
Enttäuschungen schützte. Mit dem Wegfall dieses Symptoms
„musste“ Frau K. gewissermaßen selbst für die Regulierung
von Nähe und Distanz sorgen und wurde gleichzeitig mit ihren eigenen sexuellen Problemen konfrontiert, die bis dahin
quasi an den Partner delegiert worden waren. In die Behandlung, die mit einem Therapeutenpaar durchgeführt wurde,
wurde an dieser Stelle ein Gespräch der Therapeutin mit Frau
K. integriert, in dessen Rahmen der Patientin einige Übungen
zur Körperselbsterfahrung erklärt wurden, die zu einer größeren Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Körper beitragen sollten (s. dazu beispielsweise Gromus 2002). Die Behandlung endete damit, dass die beiden Partner nach dem
„Durchlaufen“ der Übungen sehr gut in der Lage waren, miteinander über ihre Wünsche zu kommunizieren, sie konnten
sexuelle Kontakte sehr viel angstfreier genießen und waren
optimistisch, die in der Behandlung erlernten und erkannten
Wege des Umgangs miteinander auch in Zukunft anwenden
zu können.
Es versteht sich, dass in vielen Fällen eine Paartherapie
nicht möglich sein wird, sei es weil der Partner/die Partnerin nicht bereit ist, an einer Behandlung teilzunehmen
oder weil derzeit gar kein Partner vorhanden ist. Für Spezifika der Behandlung sexueller Probleme bei Frauen/Männern ohne Partner sei auf Kockott u. Fahrner (2000) bzw.
Gromus (2002) verwiesen. Prinzipiell sind auch Einzeltherapien meist als Kombination von konflikt- und einsichtsorientierten, angstmindernden Interventionen und spezifischen Verhaltensanleitungen konzipiert.
Generell sind die sexualtherapeutischen Methoden
meist integrierte Behandlungskonzepte, in denen
psychodynamische, systemische und kognitiv-verhaltenstherapeutische Elemente verbunden sind. In jüngster Zeit
wurden von einigen Autoren spezifische Behandlungsansätze beschrieben, die vor allem auf eine Entpathologisierung der Betroffenen zielen und die sexualtherapeutische
44.4
Behandlungskonzepte der Zukunft sicherlich beeinflussen
werden (z. B. Clement 2005, Schnarch 2006).
Evaluation
Der Verlauf sexueller Funktionsstörungen kann sehr unterschiedlich sein; dies wird deutlich an der Angabe, dass bis
zu 50% aller Paare temporär von Störungen der Sexualität
betroffen sein sollen. Sexuelle Funktionsstörungen treten
häufig als Folge psychischer Krisen oder mehr oder weniger ausgeprägter Belastungssituationen auf. Nicht selten
aber bestehen die Störungen bereits sehr lange Zeit, bevor
ein Patient oder ein Paar professionelle Hilfe sucht. Der
Grad der Chronifizierung einer sexuellen Funktionsstörung
ist sicher ein wesentlicher Prognosefaktor für den Erfolg
einer psychotherapeutischen Behandlung. Daneben werden die Qualität der Partnerbeziehung und die Behandlungsmotivation in der Literatur als prognostisch bedeutsame Einflüsse genannt. Erfahrungen, besonders mit paartherapeutischen Behandlungen sexueller Funktionsstörungen, legen nahe, die Prognose nicht allein an der Veränderung der Symptomatik zu messen. Wenn die Störung als
Ausdruck einer neurotischen Beziehungsstörung aufgefasst
wird, sollte die Bewertung des Behandlungserfolgs sich
primär an der Frage orientieren, in welchem Maße der Beziehungskonflikt einer Lösung zugänglich war.
Beginnend mit den Veröffentlichungen von Masters u.
Johnson (1970) waren die berichteten Erfolgsraten sexualtherapeutischer Interventionen erstaunlich hoch. Dies hat
sich seither wenig geändert (vgl. den Überblick bei Kockott
u. Fahrner 2004). Die in Hamburg entwickelte Modifikation des paartherapeutischen Vorgehens bei sexuellen Störungen (vgl. Hauch 2006) wurde seit den späten 70er Jahren immer wieder evaluiert. Die Evaluation ergab kontinuierlich positive Befunde sowohl auf der Ebene der Symptomatik als auch und insbesondere auf der Ebene der Zufriedenheit der Patienten und Patientinnen mit der Behandlung.
Störungen der Sexualpräferenz
Störungen der Sexualpräferenz, in der psychiatrischen Literatur oft auch als sexuelle Abweichungen/Deviationen
bzw. Perversionen bezeichnet, lassen sich sinnvoll untergliedern in von der Norm abweichende sexuelle Praktiken
und Präferenzen für bestimmte Objekte (z. B. Partner bzw.
Partneräquivalente). Tab. 44.6 fasst die diagnostischen
Subgruppen von Störungen der sexuellen Präferenz bzw.
Paraphilien zusammen, die nach der ICD-10 unterschieden
werden.
Einige der in dieser Kategorie subsummierten Störungen
sind strafrechtlich relevant und werden in dem Kapitel zur
psychotherapeutischen Behandlung von Sexualstraftätern
(Kap. 46) abgehandelt. Deswegen kann die Darstellung dieser Störungsgruppe hier komprimiert erfolgen.
Exhibitionismus dürfte die häufigste praktikbezogene
Störung der Sexualpräferenz sein, charakterisiert durch
den Impuls, die eigenen Genitalien in der Öffentlichkeit
vor gegengeschlechtlichen Fremden zu entblößen und damit sexuelle Erregung zu verbinden, die meist verstärkt
wird, wenn das Opfer mit Abscheu, Angst und Schrecken
reagiert.
Sadismus ist das Zufügen von Schmerzen und die Erniedrigung des Partners.
Basis der sexuellen Erregung, beim Masochismus ist das
Erleiden sadistischer Handlungen.
Voyeurismus bezeichnet die Beobachtung anderer Menschen bei sexuellen Handlungen oder beim Entkleiden
zum Zwecke der sexuellen Erregung und Befriedigung
(durch Masturbation).
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Tabelle 44.6
Diagnostische Einteilung der häufigsten Störungen
der sexuellen Präferenz
Diagnose
ICD-10-Kategorie
den Stellenwert, den die Störung in der Persönlichkeitsstruktur einnimmt;
die Ich-Nähe der devianten sexuellen Präferenz.
..............................................................................
Störung der Präferenz bezüglich der
Sexualpraktik:
Exhibitionismus
Frotteurismus
Sexueller Masochismus/ Sadomasochismus/
Sadismus
Voyeurismus
F65.2
F65.8
F65.5
F65.3
Störung der Präferenz bezüglich des
Sexualobjekts:
Fetischismus
Transvestitischer Fetischismus
Pädophilie
Multiple Störungen der Sexualpräferenz
Nicht näher bezeichnete Störungen der
Sexualpräferenz
..............
44
..............
F65.0
F65.1
F65.4
F65.9
F65.9
Frotteurismus ist schließlich gekennzeichnet durch sexuelle Erregung, die durch engen Körperkontakt, Berührungen oder Sichreiben an anderen Menschen – meist in
der Öffentlichkeit – gesucht wird.
Ähnlich wie bei den objektbezogenen Störungen der Sexualpräferenz gibt weitere spezifische Deviationen, die
auch aufgrund ihrer Seltenheit in den gängigen Diagnosenmanualen nicht gesondert berücksichtigt werden. Nicht
unbedeutend dürfte darunter allerdings die Erotophonie
sein (Erleben sexueller Erregung durch obszöne Telefonanrufe).
Fetischismus ist unter den Störungen der Sexualpräferenz bezüglich des Objekts die wohl häufigste, bei der
meist leblose Objekte (z. B. Kleidungsstücke, Objekte aus
Gummi, Kunststoff oder Leder) als Quelle sexueller Stimulation benutzt werden. Der fetischistische Transvestitismus ist als Sonderform dadurch gekennzeichnet, dass Kleidung des anderen Geschlechts der sexuellen Befriedigung
dient.
Pädophilie ist die fixierte Befriedigung durch sexuellen
Kontakt mit gleich- und/oder gegengeschlechtlichen Kindern (real oder in der Phantasie). Erheblich seltener sind
Präferenzen für Kontakte mit Tieren (Sodomie), die sexuelle Erregung durch Fäkalien (Koprophilie), Urin (Urophilie)
usw. (vgl. Fiedler 2004).
Um eine Störung der Sexualpräferenz zu diagnostizieren, müssen die charakteristischen sexuellen Impulse und Phantasien dranghaft und ausgeprägt sein, immer wiederkehren und sich – im Falle einer mittleren bis
schweren Störung – in sexuellen Handlungen niederschlagen.
Die Symptomatik lässt sich in der Regel im Hinblick auf unterschiedliche klinische Aspekte differenziell beschreiben
(vgl. Schorsch 1985), nämlich durch
die Intensität der Störung, die aus psychodynamischer
Sicht auf die Schwere der Konflikte schließen lässt, die
mit der Symptomatik abgewehrt werden;
632
Dies deutet bereits an, dass die Mehrzahl der genannten
Störungen durchaus neben oder im Rahmen einer festen
hetero- oder homosexuellen Beziehung existieren kann.
Differenzialdiagnostisch sind Störungen der Sexualpräferenz abzugrenzen von devianten Symptomen im Zusammenhang mit Intelligenzminderung, Epilepsien und anderen organischen Störungen, Altersveränderungen und psychotischen (Residual-)Syndromen.
Diagnostisch relevante Aspekte von
Ätiologie und Pathogenese
Innerhalb der Psychoanalyse wurden sexuelle Deviationen
der beschriebenen Art zunächst als offene Äußerungen
kindlicher Partialtriebe gesehen, welche in der Neurose abgewehrt werden. Sexualisierung als Abwehr von Kastrationsangst wurde als die Basis perverser Symptomatik gesehen. Diese Auffassung wurde in den letzten Jahrzehnten
ergänzt bzw. modifiziert, indem auf die Bedeutung präödipaler Entwicklungsabschnitte und früher Ängste vor Vernichtung und Selbstaufgabe hingewiesen wurde, ebenso
wie auf die Rolle von sexuellen Abweichungen bei der
Kompensation von Defiziten der Selbstentwicklung. Insbesondere Autoren wie Morgenthaler (1984), der die sexuelle
Perversion als Plombe bezeichnet, weisen auf diese Zusammenhänge hin. Stoller (1979) sieht in Störungen der Sexualpräferenz eine erotisierte oder sexualisierte Form der Aggression, bei der eine frühe – reale oder erlebnishaft missverstandene – Bedrohung der Geschlechtsidentität reinszeniert und das erlebte Trauma in Triumph umgewandelt
wird. Allen theoretischen Auffassungen dieser Art ist die
Annahme einer selbstreparativen Funktion der Störung gemein, die sich primär auf eine instabile Geschlechtsidentität bezieht. Weitere Funktionen der Symptomatik haben
Schorsch et al. (1985) beschrieben, nämlich die Demonstration von Männlichkeit, das Ausweichen vor Genitalität,
den Ausdruck von Wut und Hass, oppositionelle Ausbrüche, das Erleben von Omnipotenzgefühlen, das Auffüllen
innerer Leere sowie die identifikatorische Wunscherfüllung.
Lerntheoretiker haben versucht, Störungen der Sexualpräferenz zunächst nach dem Modell der klassischen Konditionierung mit der Verbindung sexueller Reaktionen mit
bestimmten Handlungen oder Objekten zu erklären, die im
weiteren Verlauf nach dem Prinzip der operanten Konditionierung durch das Erleben des Orgasmus verstärkt und
somit aufrechterhalten werden. Bancroft (1989) hat ausführlich dargelegt, dass das ursprüngliche lerntheoretische
Modell offenbar noch nicht ausreicht, um die vielfältigen
Störungen der sexuellen Präferenz wirklich zufrieden stellend erklären zu können, weshalb in verhaltenstheoretische Ätiologiemodelle komplexere und integrative Ansätze
aufgenommen wurden (vgl. Fiedler 2004).
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Praktizierende Psychotherapeuten werden manifesten
Störungen der sexuellen Präferenz aufgrund der Seltenheit
der Störungen und der in der Regel geringen Therapiemotivation nicht häufig begegnen. Sehr viel häufiger spielen sexuell deviante Phantasien im Kontext verschiedener psychischer Störungen, häufig Persönlichkeitsstörungen wie
z. B. der Borderline-Persönlichkeitsstörung, eine Rolle. Diese Phantasien haben oft eine vergleichbare Funktion wie
manifeste Symptome sexueller Präferenzsstörungen, wie
die nachfolgend beschriebene Fallvignette andeuten mag.
Herr P., Mitte dreißig, kam zunächst in die Psychotherapie wegen einer ausgeprägten Arbeitsstörung, die
ihn bei der Fertigstellung einer naturwissenschaftlichen Dissertation stark behinderte. Im Laufe der ersten Kontakte offenbarte er eine große Angst, sich sexuell Kindern anzunähern, gegenüber Kindern und Frauen seiner Umgebung gewalttätig zu werden und bekannte, sehr häufig Peepshows
aufzusuchen, um beim Betrachten von Frauen diese in der
Phantasie zu erniedrigen und zu demütigen. Er empfände
dies in diesen Momenten als sehr erregend, fühle sich hinterher aber schuldig und voller Angst, seine Phantasien könnten
irgendwann einmal sein Verhalten bestimmen. Der Patient
hatte vor dem Beginn seiner Psychotherapie noch keinerlei
sexuelle Kontakte und niemals eine Beziehung zu einer Frau.
Biographisch wurde deutlich, dass Herr P. als ältester von 2
Geschwistern schon sehr früh von seiner Mutter, über die er
voller Abscheu und Ekel berichtete, als eine Art Partnerersatz
missbraucht wurde, nachdem der Vater die Familie Hals über
Kopf verlassen hatte, als der Patient gerade 4 Jahre alt war.
Der in seinem Gefühlsausdruck sehr stark gehemmte Patient
konnte im Therapieverlauf mehr und mehr erkennen, dass
die „perversen“ Phantasien für ihn das Ventil für Aggressivität und Wut darstellten, die sich aufgrund des Gefühl von
Abhängigkeit, Einschränkung und Entwertung und Behinderung seiner männlichen Entwicklung in ihm aufstauten. Es
war wichtig, diese Phantasien immer wieder zu thematisieren
und mit dem Patienten als eine, wenn auch inadäquate Möglichkeit der Affektverarbeitung zu besprechen, auch um ihm
das Gefühl zu geben, dass die damit verbundene Scham
überwunden werden kann. Die sexuelle Symptomatik des Patienten war sicher nur ein Mosaikstein in einer recht komplexen Störung. Ihre offene Thematisierung und Bearbeitung
trug aber wesentlich dazu bei, dass Herr P. nach einiger Zeit
auf diese Mechanismen verzichten und sich auf sehr viel reifere Art mit seinen Affekten auseinandersetzen konnte.
Therapie
Ein wesentliches Problem bei der psychotherapeutischen
Behandlung von Störungen der sexuellen Präferenz ist der
Umstand, dass die Eigenmotivation zur Behandlung oft
nur minimal ist, besonders wenn die Störung ich-synton
erlebt wird (vgl. Berner et al. 2004). Dies zeigt sich besonders bei den strafrechtlich relevanten Störungen der sexuellen Präferenz, für die oftmals gerichtlich Psychotherapien
angeordnet werden (vgl. Kap. 46). Vielleicht ist so erklärbar, dass wirklich systematische Versuche, Patienten mit
sexuellen Deviationen psychotherapeutisch zu behandeln,
bisher relativ rar geblieben sind. Eine wichtige Ausnahme
war der Versuch der Gruppe um Schorsch (1985), eine größere Population von Sexualstraftätern (vorwiegend Exhibitionisten und Personen, die sexueller Handlungen mit Kindern oder sexueller Gewalt gegen Frauen überführt waren)
ambulant psychotherapeutisch zu behandeln. Im Blickpunkt der Therapien stand die Bearbeitung des Ausdrucksoder Bedeutungsgehalts der Symptomatik. Auf der Basis
eines psychodynamischen Verständnisses der Störung
wurden auch verhaltenstherapeutische Techniken eingesetzt. Die Vorgehensweise der Autoren belegte, dass eine
Therapiemotivation bei vielen Patienten durchaus förderbzw. herstellbar ist und somit ein psychotherapeutischer
Zugang möglich wird. Auf verschiedenen Ebenen erwies
sich die Behandlung als recht erfolgreich (deutliche Besserung in etwa zwei Dritteln der Fälle).
In den Behandlungen bildeten 4 Ebenen, die für die Patienten unterschiedlich bedeutsam waren, Schwerpunkte
der Therapie, nämlich
Hilfen bei der Bewältigung äußerer Lebensumstände
(z. B. soziale Desintegration);
Hilfen bei der Bewältigung aktueller Krisen (z. B. Partnerprobleme);
verhaltenstherapeutisches Arbeiten auf der Ebene konkreten Verhaltens und Erlebens;
Herausarbeiten emotionaler Bewertungszusammenhänge, übergreifender Verhaltensstrukturen und funktionaler Zusammenhänge (vgl. Schorsch et al. 1985).
Nachdem die Aversionstherapie und andere operante Verfahren zu Recht in Verruf geraten bzw. wenig wirksam geblieben sind, stehen in der kognitiven Verhaltenstherapie
von Störungen der sexuellen Präferenz z. B. Methoden der
verdeckten Sensibilisierung und Selbstkontrollmethoden
sowie Methoden zur Verstärkung nicht-devianten sexuellen Verhaltens im Vordergrund. Die meisten Behandlungsprogramme sind multimodal und beinhalten neben störungsspezifischen Techniken (z. B. Deliktszenario, Deliktzyklus) Methoden zur Steigerung der Selbstsicherheit, StressManagement-Verfahren, Selbstsicherheitstrainings etc.
(Fiedler 2004). Insbesondere im Bereich der forensischen
Psychotherapie sind die verschiedenen Techniken eingebettet in teilweise gut evaluierte Behandlungsprogramme
(z. B. Sex Offender Treatment Programme, SOTP; Mann u.
Thornton 1998), die meistens – wie auch psychodynamische Behandlungen – in Gruppen durchgeführt werden.
Berner et al. (2004) haben darauf hingewiesen, dass die
zentralen Strategien der beiden wichtigsten Psychotherapieansätze in ähnliche Richtung wiesen. In der kognitiven
Verhaltenstherapie ginge es vorwiegend um direkt (Szenario) und indirekt symptomspezifische Themen (z. B. WutManagement), die Bearbeitung von Minimierung und
Leugnung als kognitive Verzerrung, Modell-Lernen (in der
Gruppe). Auch in der psychodynamischen Therapie geht es
um die Klärung der Umstände des Symptoms und damit
verbundener Affekte und die Konfrontation mit den im
Symptom realisierten Manipulationen. Ein Schwerpunkt
ist ferner die Analyse von Übertragung und Gegenübertragung und die dadurch mögliche Bearbeitung des Umgangs
mit Beziehungsobjekten. Beide Methoden zielen nicht zuletzt auch auf die Prophylaxe von Rückfällen ab.
44.4 Störungen der Sexualpräferenz
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Auf somatische Therapien bei Störungen der sexuellen
Präferenz, insbesondere die medikamentöse Behandlung
von Patienten mit gestörter Sexualpräferenz (üblicherweise die Vergabe von Antiandrogenen [Cyproteronacetat], inzwischen häufiger von GnRH- oder LHRH-Agonisten sowie
Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, SSRI; vgl. Berner et
al. 2004) wird in Kap. 46 ausführlicher eingegangen.
Verlauf, Prognose, Evaluation
Einige der beschriebenen Störungen nehmen ihren Anfang
oftmals bereits in der Kindheit, zumindest auf der Ebene
der Phantasie (speziell masochistische und sadistische Störungen und der transvestitische Fetischismus), andere entwickeln sich in der Adoleszenz. Der Verlauf der Symptomatik kann sehr unterschiedlich sein. Im Extremfall, wahrscheinlich abhängig davon, welchen Stellenwert die Störung in der Organisation der Persönlichkeit einnimmt, entwickelt sich aus vereinzelten devianten Impulsen im Lauf
der Zeit eine stabile deviante Orientierung, d. h. dass die
Sexualität ohne die abweichende Präferenz nicht oder nur
unvollständig erlebbar ist. Nimmt die Störung einen progredienten Verlauf, ist sie durch Leitsymptome gekennzeichnet, die vor vor langer Zeit bereits Giese (1962) in seiner Perversionslehre beschrieben hat, nämlich süchtiges
44.5
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Störungen der Geschlechtsidentität
Unter den Störungen der Geschlechtsidentität (vgl. Tab.
45.1), deren Hauptmerkmal eine Inkongruenz des tatsächlichen biologischen Geschlechts und der psychischen Geschlechtsidentität ist, ist die Transsexualität von besonderer klinischer Bedeutung. Sie ist gekennzeichnet durch die
ausgeprägte Identifikation mit dem Gegengeschlecht und
den massiven Wunsch nach Geschlechtswechsel, bis hin
zur operativen Geschlechtskorrektur oder -umwandlung.
Geschlechtsspezifische Körpermerkmale werden abgelehnt, durch das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts (cross-dressing) und die Nachahmung von Erscheinungsbild, Ausdruck und Verhalten des angestrebten
Geschlechts wird der Wunsch nach Geschlechtswechsel
ausgelebt.
Die Transsexualität ist ausführlich dargestellt im Kap. 45.
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Erleben, eine zunehmende Frequenz der abweichenden
Verhaltensweisen bei abnehmender Satisfaktion, ein Verfall an die Sinnlichkeit, zunehmende Promiskuität, Anonymität, Ausbau von Phantasie, Praktik und Raffinement.
In diesem Fall dürfte die Störung den zentralen Bewältigungsmechanismus darstellen und dementsprechend ichsynton erlebt werden. Da man davon ausgehen kann, dass
in vielen Fällen eine Störung der sexuellen Präferenz nicht
auffällig wird, zum Teil sogar in eine heterosexuelle Beziehung integrierbar ist, lässt sich die Prognose schwer abschätzen. Generell ist aber anzunehmen, dass die Störungen chronisch verlaufen und als Folge soziale Probleme,
Partnerprobleme und psychische Krisen auftreten. Auf andere Personen gerichtete Störungen der Sexualpräferenz
sind in der Regel strafbar und führen dementsprechend bei
Bekanntwerden zu Festnahmen und Inhaftierung (vgl. Kap.
46). Wenn unter den genannten Bedingungen eine Psychotherapie initiiert und trotz des oftmals eingeschränkten
Leidensdrucks aufrechterhalten werden kann, dürfte die
Prognose dennoch nicht ungünstig sein. Die bereits erwähnte Studie von Schorsch u. a. (1985) sowie spätere Studien aus verschiedenen Theorierichtungen belegen, dass
weniger schulenspezifische als störungsspezifische Ansätze zu guten Behandlungserfolgen führen, wenn es gelingt,
eine Behandlung abzuschließen (Fiedler 2004).
Fazit für die Praxis
Sexuelle Störungen, insbesondere sexuelle Funktionsstörungen, sind ein häufiges klinisches Phänomen. Betroffene
Patienten haben allerdings oft Schwierigkeiten, Psychotherapeuten zu finden, die sich in der Behandlung dieser Störungen kompetent fühlen, dies gilt auch für Störungen der
Sexualpräferenz und der Geschlechtsidentität. Mittlerweile existieren eine Reihe von Möglichkeiten, sich sexualtherapeutisch weiter zu qualifizieren. Wenn diese Möglichkeiten mehr genutzt würden, könnte sich die psychotherapeutische Versorgung betroffener Patienten sicher verbessern.
Ansätze zur Behandlung der sexuellen Störungen liegen
seit langem vor, sind sehr elaboriert und integrieren meist
Techniken und Strategien aus verschiedenen Schulrichtungen. Diese Ansätze haben sich bewährt und sind auch als
effektiv ausgewiesen. Ein wesentliches Element sexualtherapeutischer Maßnahmen ist die direkte Einbeziehung des
Themas Sexualität von Beginn der Behandlung an, und die
Anwendung spezifischer, auf die Sexualität fokussierender
Interventionen.
44 Sexuelle Störungen
Senf, Broda, Praxis der Psychotherapie (ISBN 9783131060945), 䊚 2007 Georg Thieme Verlag KG
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