Predigt über Philipper 2, Vers 12-13

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Predigt über Philipper 2, Vers 12-13
am Reformationsfest 2014 in Bruckmühl und Feldkirchen
Also, meine Lieben – wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner
Abwesenheit – schaffet, daß ihr selig werdet,
mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in
euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen

Noch drei Jahre bis zum großen Reformationsgedenken 2017, und schon jetzt nimmt die Erregung
spürbar zu. Letzte Woche erhielten wir mit der Post
den neuen Katalog des „Evangelischen Werbedienstes“, der im Auftrag der EKD Werbemittel für
die kirchliche Arbeit entwirft und vertreibt. Ja, und
was es da jetzt schon alles gibt, einfach sagenhaft: Papphocker, Taschen und Frühstücksbrettchen, Aufkleber, Poster, Kugelschreiber und Radiergummis, Postkarten, Tassenuntersetzer, Bonbons, Luftballons und Kekse, Kühlschrankmagnete, Socken und Frisbeescheiben, Anstecker, Lesezeichen, Stempel und Waschlappen, nicht zu
vergessen die Luther-Krawatte …. und das alles
mit dem Bild oder geistreichen Sprüchen des großen Reformators, der sich ja nicht mehr wehren
kann gegen den Schmarrn, dazu das unvermeidliche Buch mit Luther-Zitaten, herausgegeben
von „Lutherbotschafterin“ Margot Käßmann,
ach, es ist eine wahre Lust, schöne neue Kirche!
Und dann das hier zum Vergleich, diese knappen
Zeilen aus dem Brief des Apostels Paulus an die
Christen der Gemeinde von Philippi im Norden
Griechenlands, einer Stadt und Festung an der
Via Egnatia, einer der wichtigsten Straßen des römischen Imperiums von Ost nach West, gut 100
Jahre vor Paulus Schauplatz der Entscheidungsschlacht zwischen den Caesarmördern Brutus
und Longinus auf der einen und Marcus Antonius und Octavian auf der anderen Seite:
„….schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und
Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides,
das Wollen und das Vollbringen….“
Auf den ersten Blick scheint das ja zum Reformationsfest noch weniger zu passen als Luther-Kekse und -Waschlappen. Ja, es scheint sogar im
krassen Gegensatz dazu zu stehen.
Haben wir nicht immer gelernt, daß genau dies
Luthers große, nach jahrelanger Selbstquälerei
und innerem Kampf errungene „reformatorische
Christus als Erlöser am Kreuz, rechts daneben Martin Luther mit
dem Maler selbst und Johannes dem Täufer, der zum Gekreuzigten hinauf und zum Lamm zu seinen Füßen hinunter deutet,
links Christus als der Sieger von Ostern, der Tod und Teufel in
den Abgrund der Hölle tritt. Aus der Seitenwunde Jesu spritzt
ein Blutstrahl in weitem Bogen auf die drei Figuren am rechten
Bildrand, ein wahrhaft programmatisches Bild, ganz im Sinne
der Reformation: Mitteltafel des dreiflügligen Altars der Peterund Paulkirche in Weimar, begonnen von Lucas Cranach dem
Älteren in seinem Todesjahr 1552/53, fertiggestellt 1555 von
seinem Sohn Lucas Cranach dem Jüngeren
Erkenntnis“ war – Luther selbst zufolge übrigens,
nein, das ist kein Witz und auch keine Verunglimpfung, während er auf dem Klo (lateinisch „in cloaka“) saß – daß man sein Heil, also die Seligkeit
vor Gott eben nicht selbst schaffen kann und daß
man es auch gar nicht muß, daß die Rechtfertigung des Sünders vor Gott ihm geschenkt wird:
allein aus Gnade, allein durch Glauben und allein durch Christus, d.h. um SEINES stellvertretenden Leidens und Sterbens am Kreuz willen?
Und haben wir nicht auch alle immer wieder gehört und gelernt, daß man vor Gott keine Angst
zu haben braucht, weil ER nämlich ein liebender
und barmherziger Gott ist? Und daß kein Satz so
oft in der Bibel steht, im Alten und im Neuen Testament, wie dieser: „Fürchte(t) Dich / Euch
nicht!“? – Und dann das hier: „….schaffet,
daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern!“
Und ist Paulus, ausgerechnet Paulus, der doch
diese Zeilen an die Christen von Philippi verfaßt
hat, nicht sonst geradezu der „Kronzeuge“ der
Reformation, wenn wir nur an die Epistel aus Römer 3 denken, die wir vorhin erst gehört haben:
„So halten wir nun dafür,“ – wir würden heute
sagen: So sind wir nun felsenfest davon überzeugt – „daß der Mensch gerecht wird ohne
des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben!“
oder an Galater 5, ein Text, der uns auch bei der
ökumenischen Bibelwoche im Januar noch beschäftigen wird: „Zur Freiheit hat Christus uns befreit. So steht nun fest und laßt Euch nicht wieder
das Joch der Knechtschaft aufzwingen!“
Was aber, frage ich Sie, ist ein Kronzeuge wert,
wenn er sich dermaßen offenkundig selber widerspricht: „….schaffet, daß ihr selig werdet, mit
Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch
wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen….“
Doch das ist ein Mißverständnis. Man muß ja in
der Bibel wie bei jedem anderen literarischen
Werk immer das Umfeld beachten: Wer schreibt?
An wen schreibt er? Wann und warum schreibt
er? Vor welchem Hintergrund schreibt er? usw.
Hier hat Paulus es nicht wie im Galaterbrief mit
judaistischen Irrlehrern zu tun, die seiner Verkündigung in die Suppe spucken und von den gerade erst für den Glauben an Jesus Christus gewonnenen Heiden die Einhaltung der jüdischen
Speise- und Reinheitsvorschriften und vor allem
die Beschneidung der Männer verlangen.
Hier muß er keine bittere und verletzende Auseinandersetzung mit einer in sich selbst zerstrittenen
und zerrissenen Gemeinde führen wie in Korinth.
Hier verfaßt er auch kein klug durchkomponiertes
theologisches Grundsatzpapier, um seinen baldigen Besuch anzukündigen, gewissermaßen sein
„Empfehlungsschreiben“, wie im Römerbrief.
Hier schreibt er an eine Gemeinde, in der es allem Anschein nach eigentlich ganz wunderbar
läuft, die lebt und blüht und Christus bezeugt und
die ihm ans Herz gewachsen ist wie keine andere. Und denen, denen legt er das nun ans Herz:
Ihr habt Gottes Gnade in Christus empfangen,
ja, aber jetzt kümmert Euch auch darum!
Man kann das mit einem Bankkonto voller Liebe
vergleichen, das Gott uns Menschen in Christus
eingerichtet hat – so wie viele Eltern nach der
Geburt ein Sparbuch für ihre neugeborenen Kinder anlegen – in diesem Fall ein Konto mit unbegrenztem Guthaben, denn Gottes Liebe und
Erbarmen sind einfach unerschöpflich! Aber das
schönste Bankkonto oder Sparbuch nützt nichts,
wenn man es nicht nutzt! Und anscheinend hatte Paulus Sorge, die Christen von Philippi könnten
in eben dieser Gefahr stehen. Deshalb sagt er:
„….schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und
Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides,
das Wollen und das Vollbringen….“
Mit der Idee der göttlichen Gnade kollidiert das
überhaupt nicht, keine Sorge: Der Anfang eines
Christenmenschen, seines Lebens wie auch seines Glaube, also seiner Gottesbeziehung, steht in
Gottes Hand wie auch das Ende, das Wollen und
das Vollbringen. Alles ist umfangen von IHM.
Ich habe mich vor Jahrzehnten bewußt für den
Glauben und das Leben mit Jesus Christus entschieden, aber einbilden muß ich mir auf diese
Entscheidung nichts, oder mich gar damit brüsten,
wie es ja gerade in besonders frommen Kreisen
gelegentlich vorkommen soll, und es mir als Verdienst anrechnen schon gar nicht. Es ist / bleibt
das Leben wie der Glaube Gottes Gnadengeschenk, ein Geschenk, das dann aber auch nach
Konsequenzen im alltäglichen Denken, Reden
und Handeln geradezu schreit.
Es war ja schon immer ein beliebter Verdacht /
Vorwurf der Reformation gegenüber, das „sola
gratia“ (= allein aus Gnade) und das „sola fide
(= allein durch den Glauben) entbinde den Menschen von seiner Verantwortung. Das Gegenteil
ist der Fall, und wer so denkt, der hat weder von
Gnade noch von Glauben etwas kapiert (und
von der Reformation schon gleich gar nichts!).
Gott eröffnet uns in Christus einen Weg zur ewigen Seligkeit. Aber gehen müssen wir ihn schon
selber, sonst kommen wir nie ans Ziel! Gott geht
den Weg sogar mit uns, wie ER in Jesus Christus
ja auch unseren Weg mitgegangen ist, von der
Geburt bis zum Tod. Aber gehen müssen wir ihn
trotzdem, diesen Weg, und das mit aller Ernsthaftigkeit und Liebe, mit Respekt und Leidenschaft,
in aller Demut und voller Entschlossenheit.
Das steckt für mich in dieser Redewendung des
Paulus „mit Furcht und Zittern“ drinnen. Auf Lorbeeren ausruhen ist nicht, auch nicht auf denen
längst vergangener reformatorischer Ruhmestaten. Der christliche Glaube ist kein Ruhekissen,
auf dem man es sich, Luther & Co. sei’s gedankt,
bequem machen könnte / dürfte – ein Glaube,
der es sich bequem macht und sich in dieser Welt
einrichtet, ist tot – sondern eine immer neue
Herausforderung, ein immer neuer, täglich neuer Aufbruch, ein immer neues Unterwegssein,
bis endlich der Tag kommt, an dem Glaube und
Leben ihr großes Ziel erreichen.
Da und dann sollen und werden wir Ruhe finden,
da und dann, aber auch keinen Tag früher. Bis
dahin wollen wir sein und leben, was Christus
SEINEN Jüngern und SEINER ganzen Kirche verheißt und aufträgt und zuspricht: Salz der Erde
und Licht der Welt! Ja, selig sind, die SEINE Worte hören und danach tun! – AMEN!
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