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B˛rsen-Zeitung
Zeitung fˇr die Finanzmärkte
Ausgabe
74 vom 18.04.2013, Seite 7
GASTBEITRAG
Warnendes Beispiel fˇr die
Eurozone und die USA
Von Cyrus de la Rubia
B˛rsen-Zeitung, 18.4.2013
Es gibt drei Arten, das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft zu
stimulieren: durch Konjunkturpakete, expansive Geldpolitik oder
Strukturpolitik. Eine effektive Strukturpolitik trauen sich aufgrund zunehmender Proteste immer weniger
Regierungen zu. Fˇr Konjunkturpakete fehlt mittlerweile der Verschuldungsspielraum. Also wird der Geldpolitik die Aufgabe aufgebˇrdet, die
Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
In den USA wird diese Rollenzuteilung besonders deutlich, denn
die Notenbank begrˇndet ihre
Staatsanleiheankäufe unter anderem damit, dass die Budgetstreitigkeiten im Kongress ein Wachstumsrisiko darstellten. Mit anderen Worten: Der Staat ist handlungsunfähig,
also muss die Fed in die Bresche
springen. Die Regierung in Japan
sieht in der Geldpolitik offensichtlich den einzigen Ausweg, und so
hat Premierminister Shinzo Abe eine
neue Zentralbankspitze berufen, die
wunschgemäß einen wesentlich aggressiveren Kurs einschlägt. In der
Eurozone schließlich hat die EZB
mit der Ankˇndigung des OMT-Programms die Regierungen erheblich
entlastet.
Ausputzer der Nation
Die Notenbanken allein k˛nnen jedoch das Wirtschaftswachstum
nicht nachhaltig ankurbeln. Als Ausputzer der Nation sind sie heillos
ˇberfordert. Vor allem aber: Die entsprechende Geldpolitik – Niedrigzinsen und fortwährende Liquiditätsspritzen – fˇhrt zu einem substanziellen Rˇckgang des Wachstumspotenzials.
Warum ist das so? Weil dauerhaft
niedrige Zinsen und Anleiheankäufe
zu Verm˛genspreisblasen fˇhren,
womit die Signalfunktion von Preisen verloren geht und die Planungs-
ID: 2013074069
sicherheit von Investoren und Konsumenten leidet. Mittelfristig ist darˇber hinaus ein Anstieg der Gˇterpreisinflation m˛glich, der ebenfalls
fˇr Fehlallokation von Ressourcen
sorgt.
Ein interessantes und warnendes
Beispiel ist diesbezˇglich Japan.
Denn dort verfolgt die Notenbank
schon seit 18 Jahren eine Politik ultraniedriger Zinsen. Die gr˛ßte Verm˛genspreisblase hat sich dabei im
Bereich der Staatsanleihen aufgebaut. Während die wechselnden Regierungen in Japan im Bereich der
Strukturpolitik viel zu z˛gerlich vorgegangen sind und sich auf die Geldpolitik verlassen haben, richteten die
Niedrigzinsen nachhaltigen Schaden an. Die Staatsverschuldung ist
von 70 % des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) im Jahr 1992 auf aktuell 240 %
explodiert. Dies konnte sich der
Staat nur durch die niedrigen Zinsen
leisten. Weiter ist die Sparquote der
Privathaushalte mit 2 % inzwischen
niedriger als in den USA. Der Anreiz
zum Sparen – Anfang der neunziger
Jahre legten japanischen Haushalte
noch rund 14 % zurˇck – ist durch
die Politik des billigen Geldes kräftig
gesunken. Schließlich verliert das
Land kontinuierlich Weltmarktanteile. So sind japanische Unternehmen wie Sony und Toshiba schon
lange keine Technologiefˇhrer im
Elektronikbereich mehr. Diese Rolle
haben etwa Samsung aus Sˇdkorea
oder Apple aus den USA ˇbernommen.
Gefährlicher Radikalkurs
Im Ergebnis ist die Handelsbilanz
seit zwei Jahren tief defizitär. Der
Verlust an Wettbewerbsfähigkeit hat
weniger mit dem Yen-Wechselkurs
zu tun, denn dieser ist real gesehen
in den vergangenen Jahren nicht
ˇberbewertet gewesen. Vielmehr
dˇrften die wiederkehrenden Interventionen der Bank of Japan in un-
terschiedlichen
Finanzmarktsegmenten die Signalwirkung von Zinsen, die normalerweise Ressourcen
in ihre produktivste Verwendung
lenken, aufgehoben haben, was
zum Verlust an Innovationskraft gefˇhrt hat.
Vor diesem Hintergrund ist der
geldpolitische Radikalkurs, den Notenbankchef Haruhiko Kuroda nun
durchgesetzt hat, h˛chst gefährlich.
Kurzfristig mag eine Wachstumsbeschleunigung einsetzen. Mittel- bis
langfristig wird der neue monetäre
Ansatz die Wachstumsmisere aber
eher verschärfen. Denn das Inflationsziel von 2 % soll durch Verdoppelung der Notenbankbilanz erreicht
werden. Die strukturellen Probleme
sind aber nicht mit Geld zuzuschˇtten. Darˇber hinaus stellt sich die
Frage, ob es Kuroda gelingen wird,
die Kontrolle ˇber den Yen-Kurs
und den Staatsanleihemarkt, der in
diesem Fiskaljahr Emissionen von
umgerechnet etwa 3 600 Mrd. USDollar absorbieren muss, zu behalten.
Probleme werden verschärft
Nachhaltiges Wachstum kann nur
durch Wirtschaftsreformen erreicht
werden. Der Zeitgewinn, den eine
Zentralbank durch Staatsanleiheankäufe und andere unorthodoxe
Maßnahmen fˇr die Politik schafft,
verwandelt sich umgehend in einen
Faktor, der die Strukturprobleme
verschärft, wenn die Zeit ungenutzt
verstreicht. Dieser Weg wurde vor 18
Jahren in Japan eingeschlagen und
wird jetzt sowohl in den USA als
auch der Eurozone beschritten. Die
Aufgabe der Politik ist es, diese Entwicklung zu stoppen und sich den
strukturellen Herausforderungen zu
stellen.
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Cyrus de la Rubia, Chefsvolkswirt
der HSH Nordbank
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