Thieme: Taschenatlas Pathophysiologie

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4 Atmung, Säure-Basen-Haushalt
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Obstruktive Lungenerkrankungen
Auf dem Weg in die Alveolen passiert Luft die
Atemwege (→ S. 72), die der Strömung einen
Widerstand (Resistance) entgegensetzen. Der
Widerstand wird durch das Lumen der Atemwege (v. a. ≤ 2 mm) diktiert. Das Lumen kann
durch Schleim und durch Kontraktion der
Bronchialmuskulatur eingeengt werden. Der
Schleim wird sezerniert, um Erreger und
Schmutzpartikel abzufangen. Über Flimmerhaare wird er zum Rachen transportiert und
dann verschluckt. Da die Flimmerhaare im
zähflüssigen Schleim nicht schlagen können,
wird normalerweise Elektrolytlösung sezerniert, die den Schleim von den Flimmerhaaren abhebt. Auf einer dünnen Flüssigkeitsschicht schwimmt der Schleim dann oralwärts. Über Aktivierung der Bronchialmuskulatur kann das Lumen enggestellt und damit
die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass
Erreger im Schleim hängen bleiben. Der
Preis ist eine Widerstandszunahme. Bei gesteigerter Resistance spricht man von obstruktiven Lungenerkrankungen.
Eine intrathorakale Zunahme der Resistance ist meist auf Verengung bzw. Verlegung
der Bronchien zurückzuführen, sei es durch
Kompression von außen, durch Kontraktion
der Bronchialmuskulatur, durch Verdickung
der die Atemwege auskleidenden Schleimhaut oder durch Verlegung des Lumens mit
Schleim. Meist sind die genannten Veränderungen Folgen von Asthma oder chronischer
Bronchitis. Bei Asthma liegt eine Allergie
gegen inhalierte Antigene vor (z. B. Blütenstaub, Pollen). Diese Antigene lösen eine Entzündung der Bronchialschleimhaut aus, die
u. a. zur Freisetzung von Histamin, Leukotrienen (v. a. LTD4), Prostaglandinen, Thromboxan, PAF (platelet activating factor), Cytokinen, Bradykinin, Tachykininen, reaktiven
Sauerstoffspezies, Adenosin, Anaphylatoxinen, Endothelin, NO und Wachstumsfaktoren
führt. In der Folge kontrahiert die Bronchialmuskulatur, und Schleimsekretion sowie Gefäßpermeabilität (Schleimhautödem) sind gesteigert (→ A oben). Neben inhalierten Antigenen können auch in der Schleimhaut sitzende Mikroorganismen antigen wirken (infektallergisches Asthma). Hier sind die Grenzen zur chronischen Bronchitis fließend. Eine
obstruktive Lungenerkrankung kann auch
Folge von Mukoviszidose sein: Durch einen
genetischen Defekt des CFTR (→ S. 176) überwiegt die Flüssigkeitsresorption, und der
Schleim kann nicht mehr abtransportiert
werden. Auch eine herabgesetzte Retraktionskraft der Lunge (sog. schlaffe Lunge,
→ S. 82) kann zu obstruktiven Lungenerkrankungen führen, da bei gesteigerter Compliance zur Exspiration ein Überdruck aufgewendet werden muss, der die intrathorakalen
Atemwege komprimiert (s. u.).
Eine extrathorakale Zunahme der Resistance tritt z. B. bei Stimmbandlähmung, Glottisödem und Kompression der Trachea von
außen
auf
(z. B.
Tumoren,
Struma
[→ S. 302 ff.]). Bei der sog. Tracheomalazie ist
die Trachealwand aufgeweicht und kollabiert
bei Inspiration.
Auswirkung einer obstruktiven Lungenerkrankung ist eine eingeschränkte Ventilation. Bei extrathorakalen Hindernissen ist vorwiegend die Inspiration betroffen (inspiratorischer Stridor), da der bei Exspiration steigende prästenotische Druck im Lumen der
Atemwege die Engstelle weitet. Intrathorakale Hindernisse beeinträchtigen vorwiegend
die Exspiration, da der bei Inspiration sinkende intrathorakale Druck die Atemwege erweitert. Der Atemzeitquotient (Exspirationsdauer/Inspirationsdauer) nimmt zu. Die erschwerte Exspiration überbläht die Ductuli
alveolares
(zentrilobuläres
Emphysem,
→ S. 82), die Retraktionskraft der Lunge
nimmt ab (Zunahme der Compliance), und
die Atemmittellage wird in Richtung Inspiration verschoben (Faßthorax, → S. 82). Dabei ist
die funktionelle Residualkapazität erhöht.
Durch die Zunahme von Compliance und Resistance muss zur Exspiration ein intrathorakaler Überdruck erzeugt werden. Dieser bewirkt eine Kompression der Bronchiolen, so
dass der Atemwegswiderstand weiter zunimmt. Während die Arbeit zur Überwindung der elastischen Lungenwiderstände
normal oder sogar vermindert sein kann, ist
die Arbeit zur Überwindung der viskösen
Widerstände und damit die Gesamt-Atemarbeit massiv gesteigert (→ A Mitte). Die Obstruktion schränkt Atemgrenzwert (V̇ max)
und Sekundenkapazität ein, die unterschiedliche Ventilation verschiedener Alveolen
führt zu Verteilungsstörungen (→ S. 76). Die
Hypoxie hypoventilierter Alveolen führt zu
Vasokonstriktion, Widerstandszunahme im
kleinen Kreislauf, pulmonaler Hypertonie
und Rechtsherzbelastung (Cor pulmonale,
→ S. 228).
aus: Silbernagl u. a., Taschenatlas Pathophysiologie (ISBN 9783131021939) © 2009 Georg Thieme Verlag KG
Obstruktive Lungenerkrankungen
A. Obstruktive Lungenerkrankungen
normal
Knorpelspangen
Infektion
Allergie
Asthma
Entzündung
Flimmerzellen
u. a. Histamin
Leukotriene
Becherzellen
Bronchialdrüsen
Muskeln
Bronchiolus (Schnitt)
Muskelkontraktion
Schleimhautödem
Ruhelage
0
0
inspiratorisch
Ventilationsstörung
0,5
0,5
pathologisch normal
Exspiration
Lungenvolumen (l)
Atemarbeit
Zeit (s)
exspiratorisch
–1
Zunahme des Atemwiderstands
Lungenvolumen (l)
0
normal
pathologisch
Alveolardruck (kPa)
Inspiration Exspiration
+1
0
Inspiration
Schleimsekretion
0
–1
Pleuradruck Ppl (kPa)
Exspiration erfordert
Überdruck
–1
Pleuradruck Ppl (kPa)
Kompression der
Bronchien
Hypoxie
Dyspnoe
erschwerte
Exspiration
Vasokonstriktion
der Lungengefäße
Kompression
der Gefäße
pulmonale Hypertonie
Überblähung
der Lunge
Emphysem
Rechtsherzinsuffizienz
aus: Silbernagl u. a., Taschenatlas Pathophysiologie (ISBN 9783131021939) © 2009 Georg Thieme Verlag KG
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4 Atmung, Säure-Basen-Haushalt
Tafel 4.6
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