Info: Biologische Wirkung radioaktiver Strahlung

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Info: Biologische Wirkung radioaktiver Strahlung
Einwirkung ionisierender Strahlung auf lebende Zellen
Der Schaden, den ionisierende Strahlung durch die Wechselwirkung mit organischem Gewebe
verursachen kann, steht am Ende einer komplexen Folge von physikalischen, chemischen und
biologischen Prozessen.
Sie beginnt mit der physikalischen Phase, in der die Moleküle und Atome einer Zelle durch die Strahlung
angeregt oder ionisiert werden. Dies führt zu Veränderungen in den Atomhüllen, die die Bindung
zwischen den Atomen eines Moleküls gewährleisten. Bei der Ionisation wird ein Elektron aus der
Atomhülle abgetrennt, bei der Anregung in der Hülle auf ein höheres Energieniveau gehoben.
In der anschließenden chemischen Phase wird die absorbierte Energie in die nähere Umgebung verteilt.
Ist ein Bindungselektron aus dem Molekül herausgeschlagen und Rekombination mit einem freien
Elektron nicht möglich, so zerbricht das Molekül. Die entstandenen Bruchstücke reagieren nun chemisch
anders als das ursprüngliche Molekül. Oft bilden sich chemisch hoch aktive Radikale (H- oder OHRadikale, da eine Zelle zu 80 % aus H2O besteht), die sich an andere Radikale oder an intakte Moleküle
anlagern. Dabei kann z.B. H2O2 entstehen, das schon in geringer Konzentration ein Zellgift ist, vor allem
aber werden die Moleküle dabei strukturell und damit funktionell verändert.
Während der nun folgenden biologischen Phase zeigt die Zelle ein verändertes biologisches Verhalten
oder ist nicht mehr funktionsfähig (Zelltod). Der Mensch verfügt allerdings über hochwirksame
Abwehrmechanismen, um veränderte und funktionsunfähige Zellen zu erkennen und zu reparieren bzw.
abzubauen. Ist das Immunsystems in diesem Sinne wirksam, so hat der biologische Bestrahlungseffekt
keine gesundheitliche Konsequenz für den betreffenden Menschen. Wird Immunsystem jedoch
überfordert und versagt, kommt es zu einem Strahlenschaden. Dieser kann sofort oder erst nach einer
längeren Zeit offenbar werden.
Die Zellen des menschlichen Organismus sind sehr stark spezialisiert. Die Chromosomen im Zellkern
enthalten aber nicht nur die Informationen für diese speziellen Funktionen, sondern alle Informationen,
die zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen des gesamten Organismus erforderlich sind. Die
Chromosomen sind Träger der Gene, diese wiederum bestehen aus der Desoxyribonukleinsäure
(abgekürzt DNS, engl. abgekürzt DNA). Die DNA ist Träger der genetischen Information. Der Zellkern
reagiert empfindlicher auf ionisierende Strahlen als das Zellplasma. Auch sind die Zellen des Menschen
unterschiedlich strahlenempfindlich. Je schneller sie sich teilen, desto weniger Zeit haben sie für eine
Reparatur. Eine besonders hohe Zellteilungsrate findet sich z.B. bei jenen Zellen im Knochenmark, die
die roten und weißen Blutkörperchen nachliefern, bei Embryos oder bei den Schleimhautzellen im
Magen-Darm-Trakt. Zellen, die sich überhaupt nicht mehr zu teilen brauchen, wie z.B. die fertigen roten
Blutkörperchen oder die Nervenzellen, verlieren ihre Funktion erst, wenn durch die Bestrahlung deren
ständiger Stoffwechsel stark gestört ist, was aber erst bei sehr erheblichen Strahlendosen der Fall ist. Die
Effekte an der DNA sind von besonderer Bedeutung, da alle anderen Moleküle einer Zelle kleiner sind
und somit weit höhere Strahlendosen erfordern, um im Mittel einmal getroffen zu werden. Biologische
Strahlenwirkungen außerhalb der DNA können daher vernachlässigt werden.
Die Wechselwirkung energiereicher Strahlung mit Materie führt also zur Ionisation von Atomen. Nun
kommt es nicht nur auf die Zahl der Ionisierungen, sondern auch auf die Ionisierungsdichte entlang der
Flugbahn eines ionisierenden Quants an. Als Maß hierfür dient der lineare Energietransfer (LET). Er ist
definiert durch L = dE/ds. In dieser Gleichung bedeutet dE die Energie, die ein Teilchen längs seiner
Bahn auf der Weglänge ds auf ein Material im Mittel örtlich (= in unmittelbarer Umgebung) überträgt
und wird meist in keV/m angegeben. Wasser dient dabei im Allgemeinen als Referenzmaterial, da es in
diesem Zusammenhang einen guten Ersatzstoff für organisches Gewebe abgibt. Da der menschliche
Körper die Fähigkeit besitzt, geschädigte Zellen zu erkennen und mit Hilfe des Immunsystems zu
bekämpfen, kommt es darauf an, wann diese Fähigkeit überfordert wird. Die relative biologische
Wirksamkeit (engl. RBE) nimmt mit der Ionisierungsdichte zunächst zu, weil die Zahl der
Schadensereignisse in einer Zelle größer wird. Gibt es aber zu viele irreparable Schäden in der Zelle, so
stirbt sie, und alle Energie, die bei noch höherer Ionisierungsdichte (höherem LET) von ihr absorbiert
wird, hat keine weitere biologische Wirkung: Die relative biologische Wirksamkeit (RBE) nimmt hier mit
steigender Ionisierungsdichte (LET) wieder ab.
Die relative biologische Wirksamkeit ist meist sehr schwer zu bestimmen und zudem für verschiedene
biologische Vorgänge unterschiedlich. Sie ist außerdem abhängig von der Dosis. Organe im Innern des
Körpers können beispielsweise durch die darüber liegenden Gewebe gegenüber der Strahlung
abgeschirmt werden, was wiederum von der Art der Strahlung abhängt. Bei der Bestrahlung des
menschlichen Körpers von außen hängen die biologischen Strahlenwirkungen davon ab, wie tief die
Strahlung in den Körper eindringen kann. Neutrale Strahlung (-Strahlung und Neutronen) kann den
Körper durchdringen, während wegen der viel stärkeren Wechselwirkung geladener Teilchen (Strahlung, -Strahlung, Protonen) mit Materie deren Eindringtiefe begrenzt ist.
Qualitätsfaktor Q
Beim Durchgang durch eine Zelle verursachen z.B. -Teilchen im Mittel 104 bis 7·104 Ionisationsprozesse, -Teilchen dagegen nur 10 bis 100. In Abhängigkeit vom linearen Energietransfer L der
ionisierenden Strahlung in Wasser wurde ein Qualitätsfaktor Q für die Strahlung festgelegt. Er bezog sich
auf harte Gammastrahlung, für die Q = 1 definiert wurde.1 Die nachfolgende Abbildung zeigt diese
Abhängigkeit
20
LET in Wasser
in keV/m
15
10
5
0
1
10
100
LET in Wasser in keV/μm
Qualitätsfaktor Q
 3,5
1
7
2
23
5
53
10
 175
20
Energiedosis und Äquivalentdosis
Energiedosis
Für die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung ist entscheidend wie viel Energie von der Strahlung
im Körper absorbiert wird. Bei sehr durchdringender Strahlung kann wegen der geringen
Wechselwirkung nur wenig Energie absorbiert werden. Ein Maß für die ionisierende Wirkung der
(radioaktiven) Strahlung ist die Energiedosis D:
D
Error!
=
= Error!
D = Error! = Error! · Error!
Einheit:
1
Dieser sog. Qualitätsfaktor ist in neueren Publikationen und Verordnungen durch den "Wichtungsfaktor" ersetzt
worden. Vgl. weiter unten im Abschnitt "Äquivalentdosis".
[D] = 1 Error! = 1 Gy (Gray, nach dem britischen Physiker LOUIS HAROLD GRAY, 1905 - 1965)
Bis 1985 konnte noch die Einheit Rad (radiation absorbed dose) verwendet werden:
1 rad = 100 erg/g = 10-5 J/g = 0,01 Gy
Bei allen Angaben einer Energiedosis muss das bestrahlte Material angegeben werden: z.B. WasserEnergiedosis.
Energiedosen können nur mit relativ großem messtechnischen Aufwand ermittelt werden, da die
übertragenen Energiebeträge in praktisch relevanten Fällen sehr gering sind. Ihre Messung ist aber
prinzipiell auf kalorimetrischem Wege möglich, da die absorbierte Strahlungsenergie in den meisten
Materialien bis auf wenige Prozent als Wärmeenergie nachgewiesen werden kann. Als
Kalorimetersubstanzen dienen u.a. Graphit und Wasser.
Da ein Kilogramm Körpergewebe unabhängig von der Art etwa gleich viele Elektronen, Protonen und
Neutronen enthält, die mit der Strahlung in Wechselwirkung treten können, wird daher in erster grober
Näherung bei einer bestimmten, gegebenen Strahlung auch etwa gleich viel Energie absorbiert: bei
ionisierender Strahlung treten keine Absorptionsspektren auf.2 Die (Energie)dosis ist unabhängig von der
Größe der bestrahlten Masse.
Bei der Bewertung der biologischen Wirksamkeit von Strahlung muss beachtet werden, dass es ein
Unterschied ist, ob die gleiche Dosis auf den gesamten Körper einwirkt oder konzentriert auf ein
einzelnes Organ; zudem sind aber die biologischen Wirkungen in verschiedenen Organen doch unterschiedlich. Bei der Bestrahlung des Menschen muss die Angabe der Dosis in Gray also verbunden werden
mit der Angabe, welcher Teil des Körpers bestrahlt wurde. Hierbei ist auch zu beachten, wie groß die
Energiedosisleistung (in Gy/s) ist, die während eines Bestrahlungsvorgangs wirksam ist.
Äquivalentdosis
Bei der bisherigen Betrachtung der Dosis wurde von der Art der Strahlung und den betroffenen Organen
und Geweben abgesehen und nur die absorbierte Energie betrachtet. Im Strahlenschutz berücksichtigt
man die unterschiedliche biologische Wirksamkeit, indem man Wichtungsfaktoren für die verschiedenen
Strahlungen einführt und die so berechneten Dosen Äquivalentdosen in dem betreffenden Organ oder
Gewebe nennt.
Zur differenzierten Beurteilung von Strahlenbelastungen sind verschiedene Äquivalentdosisbegriffe
eingeführt. Als wichtigste sind zu nennen: effektive Dosis, Körperdosis, Organdosis, Ortsdosis,
Personendosis.3
Definition: Die Äquivalentdosis H ist das Produkt aus der Energiedosis D im Organ oder Gewebe und
einem dimensionslosen Strahlungs-Wichtungsfaktor wR (radiation weighting factor):
H = wR · D
2
Tatsächlich ist die durch eine Strahlung auf einen Stoff übertragene Energie von der Art der Substanz abhängig
und damit auch die Energiedosis. Es ergeben sich also verschiedene Werte, wenn unter gleichen Bedingungen
gleiche Massen unterschiedlicher Substanzen bestrahlt werden. Ebenso führt die Bestrahlung des gleichen
absorbierenden Körpers mit verschiedenen Strahlungsarten gleicher Energiestromdichte (Energie pro Zeit und
Fläche) unter sonst gleichen Bedingungen zu verschiedenen Ergebnissen.
3
vgl. § 3 der neu gefassten und seit dem 1. 8. 2001 geltenden Strahlenschutzverordnung (StrlSchV 2001):
Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2001, S. 1719. Weitere
Äquivalentdosen sind in der dazugehörigen Anlage VI genannt. Die StrlSchV 2001 bezieht sich in der genannten
Anlage ausdrücklich auf die Publikation Nr. 60 der ICRP (International Commission on Radiological Protection):
Recommendations of the International Commission on Radiological Protection, Annals of the ICRP, Vol. 21 (1-3),
1990.
Einheit:
[H] = 1 Sv (Sievert, nach dem schwedischen Physiker ROLF MAXIMILIAN SIEVERT, 1896 - 1966)
Der Gebrauch der Einheitenbezeichnung "Sievert" ist ausschließlich auf die Angabe von Äquivalentdosen
beschränkt, d.h. nicht für die Angabe von Energiedosen zulässig!
Bis 1985 konnte noch die Einheit Rem (radiation equivalent man) verwendet werden:
1 rem = 0,01 Sv
Die eben definierte Äquivalentdosis bezieht sich prinzipiell auf eine Strahlenexposition des ganzen
Körpers.
Die Äquivalentdosis ist eine berechnete Größe, da sie unter Verwendung eines Bewertungsfaktors
bestimmt wird, der auf Grund von Vereinbarungen so festgesetzt ist, dass gleiche Äquivalentdosen
verschiedener Strahlenarten unter Strahlenschutzgesichtspunkten gleich bewertet werden können4.
4
In den der Nr. 60 vorangehenden Publikationen definierte die ICRP für ein Strahlenspektrum einen durchschnittlichen (effektiven) Qualitätsfaktor Q für spektrale Verteilungen des linearen Energietransfers. Außerdem
bestimmte die Kommission, dass es zulässig sei, genäherte Werte für Q zu verwenden und stellte eine
entsprechende Wertetabelle zur Verfügung. In der Publikation 60 ersetzte die Kommission das Dosisäquivalent in
einem bestimmten interessierenden Punkt durch die Äquivalentdosis, die abgeleitet wurde, indem die mittlere
absorbierte Dosis in einem Organ oder Gewebe durch den Strahlungs-Wichtungsfaktor wR gewichtet wird. Dieser
Faktor war ein auf den neuesten Stand gebrachter Wert der bisherigen zulässigen Näherung für Q.
Tabelle der Strahlungs-Wichtungsfaktoren wR5
Die Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR richten sich nach Art und Qualität des äußeren Strahlungsfeldes
oder nach Art und Qualität der von einem inkorporierten Radionuklid emittierten Strahlung.
Art und Energiebereich
Strahlungs-Wichtungsfaktor
wR
Photonen, alle Energien
1
Elektronen und Myonen, alle Energien
1
Neutronen, Energie
< 10 keV
5
10 keV - 100 keV
10
> 100 keV - 2 MeV
20
> 2 MeV - 20 MeV
10
> 20 MeV
5
Protonen, außer Rückstoßprotonen,
5
Energie > 2 MeV
Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne
20
Für die Berechnung von Organdosen und der effektiven Dosis für Neutronenstrahlung wird die stetige Funktion
2
wR = 5 + 17e- (ln(2En)) ∕ 6
benutzt, wobei En der Zahlenwert der Neutronenenergie in MeV ist.
Treffen mehrere Strahlenarten ein Organ oder Gewebe, so wird die gesamte schädliche Wirkung nicht
durch die Summe der Energiedosen, sondern durch die Summe der Äquivalentdosen der einzelnen
Strahlenarten richtig charakterisiert.
Gewichtet man die Äquivalentdosis in jedem Organ proportional zur Wahrscheinlichkeit und Stärke des
durch die Strahlung verursachten Schadens und addiert die gewichteten Verteilungen für jedes Organ, die
Organdosis, zu einer Ganzkörperdosis, so erhält man die sog. effektive Dosis. Mit der effektiven Dosis
wird das Strahlenrisiko des Körpers für stochastische Strahlenwirkungen bei geringen Dosen abgeschätzt.
Berechnung der Organdosis HT
Die Organdosis HT,R ist das Produkt aus der über das Gewebe oder Organ T gemittelten OrganEnergiedosis DT,R, die durch die Strahlung R erzeugt wird, und dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR:
HT,R = wR · DT,R
Besteht die Strahlung aus Arten und Energien mit unterschiedlichen Werten von wR, so werden die
einzelnen Beiträge addiert. Für die gesamte Organdosis HT gilt dann:
HT = Error!
Die Einheit der Organdosis ist das Sievert.
Die lokale Hautdosis ist das Produkt der gemittelten Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe mit
dem zugehörigen Strahlungs-Wichtungsfaktor. Die Mittelungsfläche beträgt 1 cm2, unabhängig von der
exponierten Hautfläche.
5
Angaben nach der StrlSchV 2001, Anlage VI: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu
Bonn am 26. Juli 2001, S. 1806. Die Zahlenwerte für wR stimmen im wesentlichen mit den Zahlenwerten für Q
überein. Eine wesentliche Änderung hat sich nur bei den Neutronen ergeben. Diese wichtet man nach ICRP 60 im
Energiebereich von 100 keV bis 2 MeV mit wR = 20 (ICRP 26: Q = 10). Diese Erhöhung des StrahlungsWichtungsfaktors ist auf die Neubewertung der Hiroshima- und Nagasaki-Daten zurückzuführen.
Berechnung der effektiven Äquivalentdosis Heff
Die effektive Dosis Heff ist die Summe der Organdosen HT, jeweils multipliziert mit dem zugehörigen
Gewebe-Wichtungsfaktor wT (tissue weighting factor). Dabei ist über alle in der Tabelle aufgeführten
Organe und Gewebe zu summieren.
Heff = Error! = Error!Error!
Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert.
Bei der Ermittlung der effektiven Dosis ist die Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe über die
ganze Haut zu mitteln.
Mit der effektiven Dosis ist es möglich, das Risiko einer Teilkörperexposition dem Risiko einer
Ganzkörperexposition vergleichbar zu machen.
Tabelle der Gewebe-Wichtungsfaktoren wT6
Gewebe oder Organe
Gewebe-Wichtungsfaktoren
wT
Keimdrüsen
0,20
Knochenmark (rot)
0,12
Dickdarm
0,12
Lunge
0,12
Magen
0,12
Blase
0,05
Brust
0,05
Leber
0,05
Speiseröhre
0,05
Schilddrüse
0,05
Haut
0,01
Knochenoberfläche
0,01
andere Organe oder Gewebe
0,05
Summe
1,00
Der Gewebe-Wichtungsfaktor berücksichtigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von tödlichem und
nicht-tödlichem Krebs, gewichtet nach Schweregrad und der durchschnittlich verlorenen Lebensjahre
verursacht durch den induzierten Krebs. Schwere genetische Schäden sind ebenfalls berücksichtigt. Die
Gewebe-Wichtungsfaktoren sind auf 1 normiert.
Dosen in Organen innerhalb des Körpers können nicht direkt gemessen werden. Daher werden praktisch
anwendbare Größen, die außerhalb des Körpers messbar sind, benötigt. Dazu wurden sog. Qualitätsfaktoren eingeführt.
Bei Strahlungsquellen innerhalb des Körpers (Inkorporation) ist die relevante Größe die Aktivität des
aufgenommenen radioaktiven Materials. Dieses Material verursacht eine anhaltende Verteilung von
6
Angaben nach der StrlSchV 2001, Anlage VI: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu
Bonn am 26. Juli 2001, S. 1806.
Äquivalentdosen innerhalb des Körpers. Das zeitliche Integral der resultierenden Äquivalentdosisleistung
wird Folge-Dosis genannt. Man unterscheidet zwischen Organ-Folgedosis und effektiver Folgedosis. Die
Integrationszeit beträgt für einen Erwachsenen 50 Jahre und für Kinder den Zeitraum vom Zeitpunkt der
Inkorporation bis zum Alter von 70 Jahren.7
Deterministische und stochastische Schäden
Bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen und der natürlichen Radioaktivität erkannte man die
schädliche Wirkung ionisierender Strahlung. Man entdeckte, dass ionisierende Strahlung nicht nur
Effekte im bestrahlten Gewebe verursachen kann, sondern dass durch die Bestrahlung von "Keimzellen"
in Pflanzen und Tieren auch Effekte bei den Nachkommen hervorgerufen werden können. Es wurden
dann umfassende Untersuchungen der Strahlenwirkung auf lebende Materie durchgeführt. Auch die an
den Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki und deren Nachkommen bis
auf den heutigen Tag durchgeführten Beobachtungen haben die schädigende Wirkung ionisierender
Strahlung gezeigt.
Man unterscheidet zwei Typen von Strahleneffekten. Der erste Typ, die deterministischen Schäden
(früher nichtstochastische Schäden) bezieht sich auf den Funktionsverlust von Organen und Geweben
infolge hoher Zellverluste durch die Strahleneinwirkung. Diese Effekte resultieren aus hohen
Strahlendosen und es existieren Dosisschwellenwerte für das Eintreten der Schäden. Der zweite Typ, die
stochastischen Schäden, treten erst lange nach erfolgter Exposition auf und verursachen eine Erhöhung
des Krebs- und Leukämierisikos. Aus Ergebnissen von Tierexperimenten kann auch eine Erhöhung der
Entstehungsrate von Erbschäden (genetische Effekte) abgeleitet werden. Bei diesen stochastischen
Effekten geht man davon aus, dass keine Dosisschwellwerte existieren und ihr Auftreten auch bei kleinen
Strahlenexpositionen erwartet werden kann. In diesen Fall ist die Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch
gering.
Die untenstehende Abbildung zeigt zusammenfassend den Ablauf der Prozesse von der Absorption der
Strahlung bis zu den makroskopisch manifesten Effekten.
7
Die Organ-Folgedosis HT() ist das Zeitintegral der Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T, die eine
Einzelperson infolge einer Inkorporation radioaktiver Stoffe erhält:
HT() = Error!
für eine Inkorporation zum Zeitpunkt t0 mit
H;T(t) mittlere Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T zum Zeitpunkt t

Zeitraum, angegeben in Jahren, über den die Integration erfolgt.
Die effektive Folgedosis Heff() ist die Summe der Organ-Folgedosen HT(), jeweils multipliziert mit dem
zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktore wT. Dabei ist über alle in der Tabelle der Gewebe-Wichtungsfaktoren wT
aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren:
Heff() = Error!
aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren: H eff() = Error!
Strahleneffekte nach kurzzeitiger
Ganzkörperbestrahlung des Menschen
mit -Strahlung
Absorption von
Strahlungsenergie
physikalische Primärprozesse
 10-15 s
(Ionisation, Anregung)
chemisch-biochemische Phase
H/Sv
< 0,5
geringe vorübergehende
Blutbildveränderung
0,8 - 1,2
Übelkeit und Erbrechen in
10 % der Fälle
4-5
50 % Todesfälle innerhalb von
30 Tagen,
1s
(Proteine, Enzyme, Nukleinsäuren)
zelluläre Veränderungen
Körperzellen | Keimzellen
Stunden
Schäden bei dem bestrahlten
Individuum
Wirkung
(einschließlich Fötus)
somatische Frühschäden
(Stunden, Tage)
5,5 - 7,5
Letale Dosis,
100% Todesfälle
nichtmaligne
Spätschäden
deterministische Schäden
Erholung der Überlebenden
nach 6 Monaten
Schäden bei den
Nachkommen
50
(Wochen)
Schwere Nervenschädigungen,
Tod innerhalb einer Woche
maligne Spätschäden
(Jahre)
genetische Schäden
(Folgegeneration)
stochastische Schäden
Die voranstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Auswirkung von -Strahlung (StrahlungsWichtungsfaktor wR = 1) bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung des Menschen. Zu den somatischen
Frühschäden gehören kurzzeitige Veränderungen des Blutbildes, Müdigkeit, Kopfschmerz, Erbrechen bis
hin zu Entzündungen der Schleimhäute. Die mittlere tödliche Dosis LD50/30 (Letaldosis, die für 50 % der
Bestrahlten innerhalb von 30 Tagen zum Tode führt) bei Ganzkörperbestrahlung wird zu etwa 4 Gy
angenommen (Wert nicht durch Experimente gewonnen). Hier treten Veränderungen des Blutbildes mit
lange andauernden Haut- und inneren Blutungen, Haarausfall und Durchfall auf. Eine einmalige
Ganzköperbestrahlung von 7 Gy gilt als tödlich, wenn keine Therapie erfolgt. Dosen von über 8 Gy
führen zum Verlust der Hirnfunktionen, zu Bewusstlosigkeit und baldigem Tod.
Bei den somatischen Spätschäden werden die Zellen unmittelbar durch die Bestrahlung geschädigt - die
beobachtbaren Krankheitssymptome treten aber erst sehr viel später auf. Z.B. starben noch Jahrzehnte
nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 Menschen an den
Spätfolgen der Strahlung.
Man nimmt an, dass bei nichtmalignen Spätschäden (z.B. Sterilität, Trübung der Augenlinse) eine
Mindestmenge ("Schwellendosis") an Strahlung auf den Organismus einwirken muss. Wiederholte
Einzelbestrahlungen mit Dosen unterhalb des Schwellenwertes können dann ebenfalls zu diesen
Spätschäden führen.
Bei malignen Spätschäden (z.B. Leukämie) kennt man keine Mindestbelastung, ab der ein Schaden
auftritt. Entweder ist diese sehr klein oder es gibt überhaupt keine Schwelle. Es ist daher denkbar, dass
auch einzelne Teilchen/Quanten Krebs auslösen können. Alle Aussagen über die biologische
Wirksamkeit geringster Strahlendosen sind, wie dargestellt, mit großen Unsicherheiten behaftet. Mit
steigender Strahlungsmenge nimmt aber die Wahrscheinlichkeit zu erkranken zu.
Bei genetischen Schäden treten Veränderungen an den Chromosomen der Keimzellen auf. Sie wirken
sich erst bei den Nachkommen aus. Auch hier ist eine Reparatur prinzipiell möglich und ein genetischer
Schaden würde dann nicht an die nächste Generation weitergegeben. Natürlich bedingte, spontane
Mutationen finden bei Menschen, Tieren und Pflanzen statt, seitdem es Leben auf der Erde gibt. Sie
können aber auch gezielt durch chemische bzw. physikalische Einflüsse herbeigeführt werden. Bisher ist
das Auftreten von strahlenbedingten Mutationen in der Nachkommenschaft nicht statistisch gesichert weder in der Nachkommenschaft der Überlebenden von Hiroschima und Nagasaki, noch bei medizinisch
bestrahlten Personengruppen. Dies bedeutet aber nicht, dass mit solchen Mutationen nicht gerechnet
werden muss. Alle derzeitigen Abschätzungen beruhen einerseits auf dem Vergleich der spontanen
Mutationsraten von Maus und Mensch und andererseits auf den bei Mäusen experimentell ausgelösten
Mutationsraten durch Bestrahlung.
Zusammenfassend kann man feststellen: Hohe Dosen verursachen unausweichlich Schäden, sog.
deterministische Strahlenwirkungen, die nicht auftreten, wenn die Dosis einen bestimmten Schwellenwert
nicht überschreitet. Der Schweregrad eines solchen Strahlenschadens ist eine Funktion der Dosis. Die
Priorität im Strahlenschutz ist also, hohe Dosen zu vermeiden. Aber hohe wie niedrige Dosen könne
stochastische Strahlenwirkungen, d.h. zufällig auftretende Effekte (Krebs und genetische Störungen),
bewirken. Bei diesen hängt nicht die Schwere der Erkrankung sondern die Eintrittswahrscheinlichkeit für
die Erkrankung von der Energiedosis ab.
Um das Strahlenrisiko bezüglich stochastischer Schäden abschätzen zu können, ist es also notwendig,
den Zusammenhang zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Dosis zu kennen. Leider gibt es bis heute
keine direkte Information über den Zusammenhang zwischen strahleninduziertem Krebs und geringen
Strahlendosen im für den praktischen Strahlenschutz interessanten Bereich von einigen mGy bis einigen
10 mGy. Man ist darauf angewiesen, das stochastische Risiko für kleine Dosen aus Strahlenexpositionen
bei hohen Dosen (0,1 - 0,2 Gy und mehr) abzuschätzen. Darüberhinaus fanden diese Strahlenexpositionen
bei hohen Dosisleistungen statt, sodass die Übertragung auf Situationen wie sie im praktischen
Strahlenschutz auftreten (geringe Dosis, geringe Dosisleistung) Schwierigkeiten bereitet. Es stellt sich
also das Problem, die bei hohen Dosen erhaltenen Zusammenhänge zwischen Dosis und Wirkung zu
niedrigen Dosiswerten zu extrapolieren. Auf welche Weise die Extrapolation vorzunehmen ist wird unter
Fachleuten noch diskutiert. Die in der Diskussion befindlichen Modelle werden im Folgenden genannt:
Strahlungsbedingtes Krebsrisiko
a) lineare Risikobeziehung:
beobachtet
R(D) = R0 · D
b) linear quadratische Risikobeziehung:
R(D) =  · D +  · D2
d
c) biopositive Wirkung kleiner Strahlendosen:
R(D) =  · D –  · D¼
a
b
d) supralinear:
R(D) =  · D +  · D¼
c
Kumulierte Dosis mit geringer Leistung
Die in der Abbildung als "beobachtet"
ausgewiesenen Risikowerte sind im wesentlichen
auf die Auswertung der Hiroshima- NagasakiDaten zurückzuführen.
Aus vielen strahlenbiologischen Experimenten ist ein linear-quadratischer Verlauf der DosisWirkungsbeziehung bekannt. Der Risikoverlauf entspricht dann Kurve b). Dies impliziert bei kleinen
Dosen einen linearen Anstieg der Effekte. Im praktischen Strahlenschutz geht man heute von einer
linearen Extrapolation des Risikos als Funktion der Dosis aus (Lineares Risikomodell). Für den
Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung gilt dann:
R(H) = R0 · H
-2
-1
R0 = 5 · 10 Sv , nomineller Risikofaktor (ICRP) für das stochastische Mortalitätsrisiko
Diese lineare Abschätzung des Risikos hat den Vorteil, dass das Risiko bei niedrigen Dosiswerten wohl
überschätzt wird. Es handelt sich also um eine konservative Abschätzung des Risikos.8 Von Interesse in
diesem Zusammenhang ist noch die Kurve c, die von einer "biopositiven" Wirkung kleiner Strahlendosen
ausgeht.9 Dieser Zusammenhang ist aber für den praktischen Strahlenschutz nicht von Bedeutung.
Da der Mensch seit seinem Auftreten in der Evolution einem "Bombardement" (natürlicher) ionisierender
Strahlung ausgesetzt ist, muss davon ausgegangen werden, dass er bei geringen (= natürlichen) Dosen
und die hierdurch verursachten Schäden über entsprechende Reparaturmechanismen verfügt. Intensive
Untersuchungen in Gebieten mit besonders hoher natürlicher Strahlenbelastung konnten dort keine
erhöhte Krebssterblichkeit nachweisen. Andere krebsauslösende Faktoren (Rauchen, falsche Ernährung)
überdecken nämlich solche Fälle, sodass durch Strahlenexposition erzeugte Krebsfälle statistisch nicht
erfasst werden können. Eine klare Entscheidung darüber, was als völlig unbedenkliche Dosis gelten kann,
ist daher nicht möglich
Abhängigkeit der Strahlenwirkung von unterschiedlichen Bedingungen
Somatische und in geringerem Umfang auch genetische Schäden bei der Einwirkung von Strahlen auf den
Menschen sind von folgenden Faktoren abhängig: Strahlenart, Dosis, zeitliche Dosisverteilung, räumliche
Dosisverteilung, relative Strahlenempfindlichkeit, Milieufaktoren.
Strahlenart
Milieufaktoren
Dosis
Strahlenwirkung
relative
Strahlenempfindlichkeit
zeitliche
Dosisverteilung
räumliche
Dosisverteilung
Die Beschreibung der Faktoren erfolgt hier vor allem im Hinblick auf die somatischen Schäden.
8
Diese Proportionalität (die lineare, nicht Schwellenwert behaftete Dosis-Wirkungs-Beziehung) hat Eigenschaften,
die die Handhabung des Strahlenschutzes vereinfachen. Auf diese Weise kann z.B. jede einzelne Strahlenquelle und
-exposition gesondert von anderen Quellen und Expositionen betrachtet werden. Die Wahrscheinlichkeit für einen
Schadenseintritt pro Dosiseinheit ist so immer gleich.
9
Eine 1997 veröffentlichte Studie in den USA untersuchte das Lungenkrebsrisiko in Abhängigkeit von der
Radonkonzentration bei 90 % (!) der Bevölkerung der USA und kam zu dem Ergebnis, dass mit steigender (bis zu
150 Bq/m3) Radonkonzentration das Krebsrisiko abnimmt.
Strahlenart
Wie dargestellt, haben die einzelnen Strahlenarten bei gleichen Energiedosen unterschiedliche
biologische Wirkungen. Die unterschiedlichen biologischen Wirkungen werden durch den StrahlungsWichtungsfaktor wR berücksichtigt: H = wR · D
Dosis
Grundsätzlich nehmen die Strahlenwirkungen mit der Dosis zu. Für somatische Frühschäden existiert ein
Schwellenwert. Dagegen nimmt man an, dass für maligne Spätschäden sowie für genetische Schäden kein
Schwellenwert existiert.
Zeitliche Dosisverteilung
Die Wirkung einer Dosis ist umso geringer, je größer die zeitlichen Abstände zwischen den Teildosen
sind. Aber: Mehrere über längere Zeiträume verteilte Einzeldosen können sich u.U. aufsummieren und
Strahlenspätschäden bewirken.
Räumliche Dosisverteilung
Bei der medizinischen Strahlentherapie eines Tumors werden Dosen von 30 bis 50 Sv (!) eingesetzt, die
im allgemeinen den Gesamtorganismus nicht in Gefahr bringen. Bei einer Ganzkörperbestrahlung würden
diese Werte aber unweigerlich zum Tode führen. Man muss daher zwischen Ganzkörper- und
Teilkörperdosen bzw. Organdosen unterscheiden.
Allerdings gibt es Organe, deren Funktion schon bei einer Bestrahlung mit schwachen Dosen erheblich
gestört wird, sodass der Gesamtorganismus beträchtlichen Schaden nehmen kann.
Relative Strahlenempfindlichkeit
In den Organen des Menschen, die gegenüber ionisierender Strahlung besonders empfindlich sind, findet
eine hohe Zahl von Zellteilungen statt. Durch die Strahlung kann der Teilungsvorgang verzögert bzw.
blockiert werden: Das Gleichgewicht zwischen Zellverlust und Zellerneuerung ist gestört.
Ein wachsender Embryo im Mutterleib ist daher besonders in den ersten vier Wochen gefährdet.
Milieufaktoren
Durch Ernährungsgewohnheiten, den Missbrauch von Genussmitteln, die Anwendung von Arzneimitteln
u.ä. können einzelne Organe des Menschen oder auch der gesamte Organismus für Strahlung besonders
sensibilisiert werden.
Geschlechtshormone z.B. haben einen Einfluss: Männer sind strahlenempfindlicher als Frauen.
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