Info: Biologische Wirkung radioaktiver Strahlung Einwirkung ionisierender Strahlung auf lebende Zellen Der Schaden, den ionisierende Strahlung durch die Wechselwirkung mit organischem Gewebe verursachen kann, steht am Ende einer komplexen Folge von physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen. Sie beginnt mit der physikalischen Phase, in der die Moleküle und Atome einer Zelle durch die Strahlung angeregt oder ionisiert werden. Dies führt zu Veränderungen in den Atomhüllen, die die Bindung zwischen den Atomen eines Moleküls gewährleisten. Bei der Ionisation wird ein Elektron aus der Atomhülle abgetrennt, bei der Anregung in der Hülle auf ein höheres Energieniveau gehoben. In der anschließenden chemischen Phase wird die absorbierte Energie in die nähere Umgebung verteilt. Ist ein Bindungselektron aus dem Molekül herausgeschlagen und Rekombination mit einem freien Elektron nicht möglich, so zerbricht das Molekül. Die entstandenen Bruchstücke reagieren nun chemisch anders als das ursprüngliche Molekül. Oft bilden sich chemisch hoch aktive Radikale (H- oder OHRadikale, da eine Zelle zu 80 % aus H2O besteht), die sich an andere Radikale oder an intakte Moleküle anlagern. Dabei kann z.B. H2O2 entstehen, das schon in geringer Konzentration ein Zellgift ist, vor allem aber werden die Moleküle dabei strukturell und damit funktionell verändert. Während der nun folgenden biologischen Phase zeigt die Zelle ein verändertes biologisches Verhalten oder ist nicht mehr funktionsfähig (Zelltod). Der Mensch verfügt allerdings über hochwirksame Abwehrmechanismen, um veränderte und funktionsunfähige Zellen zu erkennen und zu reparieren bzw. abzubauen. Ist das Immunsystems in diesem Sinne wirksam, so hat der biologische Bestrahlungseffekt keine gesundheitliche Konsequenz für den betreffenden Menschen. Wird Immunsystem jedoch überfordert und versagt, kommt es zu einem Strahlenschaden. Dieser kann sofort oder erst nach einer längeren Zeit offenbar werden. Die Zellen des menschlichen Organismus sind sehr stark spezialisiert. Die Chromosomen im Zellkern enthalten aber nicht nur die Informationen für diese speziellen Funktionen, sondern alle Informationen, die zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen des gesamten Organismus erforderlich sind. Die Chromosomen sind Träger der Gene, diese wiederum bestehen aus der Desoxyribonukleinsäure (abgekürzt DNS, engl. abgekürzt DNA). Die DNA ist Träger der genetischen Information. Der Zellkern reagiert empfindlicher auf ionisierende Strahlen als das Zellplasma. Auch sind die Zellen des Menschen unterschiedlich strahlenempfindlich. Je schneller sie sich teilen, desto weniger Zeit haben sie für eine Reparatur. Eine besonders hohe Zellteilungsrate findet sich z.B. bei jenen Zellen im Knochenmark, die die roten und weißen Blutkörperchen nachliefern, bei Embryos oder bei den Schleimhautzellen im Magen-Darm-Trakt. Zellen, die sich überhaupt nicht mehr zu teilen brauchen, wie z.B. die fertigen roten Blutkörperchen oder die Nervenzellen, verlieren ihre Funktion erst, wenn durch die Bestrahlung deren ständiger Stoffwechsel stark gestört ist, was aber erst bei sehr erheblichen Strahlendosen der Fall ist. Die Effekte an der DNA sind von besonderer Bedeutung, da alle anderen Moleküle einer Zelle kleiner sind und somit weit höhere Strahlendosen erfordern, um im Mittel einmal getroffen zu werden. Biologische Strahlenwirkungen außerhalb der DNA können daher vernachlässigt werden. Die Wechselwirkung energiereicher Strahlung mit Materie führt also zur Ionisation von Atomen. Nun kommt es nicht nur auf die Zahl der Ionisierungen, sondern auch auf die Ionisierungsdichte entlang der Flugbahn eines ionisierenden Quants an. Als Maß hierfür dient der lineare Energietransfer (LET). Er ist definiert durch L = dE/ds. In dieser Gleichung bedeutet dE die Energie, die ein Teilchen längs seiner Bahn auf der Weglänge ds auf ein Material im Mittel örtlich (= in unmittelbarer Umgebung) überträgt und wird meist in keV/m angegeben. Wasser dient dabei im Allgemeinen als Referenzmaterial, da es in diesem Zusammenhang einen guten Ersatzstoff für organisches Gewebe abgibt. Da der menschliche Körper die Fähigkeit besitzt, geschädigte Zellen zu erkennen und mit Hilfe des Immunsystems zu bekämpfen, kommt es darauf an, wann diese Fähigkeit überfordert wird. Die relative biologische Wirksamkeit (engl. RBE) nimmt mit der Ionisierungsdichte zunächst zu, weil die Zahl der Schadensereignisse in einer Zelle größer wird. Gibt es aber zu viele irreparable Schäden in der Zelle, so stirbt sie, und alle Energie, die bei noch höherer Ionisierungsdichte (höherem LET) von ihr absorbiert wird, hat keine weitere biologische Wirkung: Die relative biologische Wirksamkeit (RBE) nimmt hier mit steigender Ionisierungsdichte (LET) wieder ab. Die relative biologische Wirksamkeit ist meist sehr schwer zu bestimmen und zudem für verschiedene biologische Vorgänge unterschiedlich. Sie ist außerdem abhängig von der Dosis. Organe im Innern des Körpers können beispielsweise durch die darüber liegenden Gewebe gegenüber der Strahlung abgeschirmt werden, was wiederum von der Art der Strahlung abhängt. Bei der Bestrahlung des menschlichen Körpers von außen hängen die biologischen Strahlenwirkungen davon ab, wie tief die Strahlung in den Körper eindringen kann. Neutrale Strahlung (-Strahlung und Neutronen) kann den Körper durchdringen, während wegen der viel stärkeren Wechselwirkung geladener Teilchen (Strahlung, -Strahlung, Protonen) mit Materie deren Eindringtiefe begrenzt ist. Qualitätsfaktor Q Beim Durchgang durch eine Zelle verursachen z.B. -Teilchen im Mittel 104 bis 7·104 Ionisationsprozesse, -Teilchen dagegen nur 10 bis 100. In Abhängigkeit vom linearen Energietransfer L der ionisierenden Strahlung in Wasser wurde ein Qualitätsfaktor Q für die Strahlung festgelegt. Er bezog sich auf harte Gammastrahlung, für die Q = 1 definiert wurde.1 Die nachfolgende Abbildung zeigt diese Abhängigkeit 20 LET in Wasser in keV/m 15 10 5 0 1 10 100 LET in Wasser in keV/μm Qualitätsfaktor Q 3,5 1 7 2 23 5 53 10 175 20 Energiedosis und Äquivalentdosis Energiedosis Für die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung ist entscheidend wie viel Energie von der Strahlung im Körper absorbiert wird. Bei sehr durchdringender Strahlung kann wegen der geringen Wechselwirkung nur wenig Energie absorbiert werden. Ein Maß für die ionisierende Wirkung der (radioaktiven) Strahlung ist die Energiedosis D: D Error! = = Error! D = Error! = Error! · Error! Einheit: 1 Dieser sog. Qualitätsfaktor ist in neueren Publikationen und Verordnungen durch den "Wichtungsfaktor" ersetzt worden. Vgl. weiter unten im Abschnitt "Äquivalentdosis". [D] = 1 Error! = 1 Gy (Gray, nach dem britischen Physiker LOUIS HAROLD GRAY, 1905 - 1965) Bis 1985 konnte noch die Einheit Rad (radiation absorbed dose) verwendet werden: 1 rad = 100 erg/g = 10-5 J/g = 0,01 Gy Bei allen Angaben einer Energiedosis muss das bestrahlte Material angegeben werden: z.B. WasserEnergiedosis. Energiedosen können nur mit relativ großem messtechnischen Aufwand ermittelt werden, da die übertragenen Energiebeträge in praktisch relevanten Fällen sehr gering sind. Ihre Messung ist aber prinzipiell auf kalorimetrischem Wege möglich, da die absorbierte Strahlungsenergie in den meisten Materialien bis auf wenige Prozent als Wärmeenergie nachgewiesen werden kann. Als Kalorimetersubstanzen dienen u.a. Graphit und Wasser. Da ein Kilogramm Körpergewebe unabhängig von der Art etwa gleich viele Elektronen, Protonen und Neutronen enthält, die mit der Strahlung in Wechselwirkung treten können, wird daher in erster grober Näherung bei einer bestimmten, gegebenen Strahlung auch etwa gleich viel Energie absorbiert: bei ionisierender Strahlung treten keine Absorptionsspektren auf.2 Die (Energie)dosis ist unabhängig von der Größe der bestrahlten Masse. Bei der Bewertung der biologischen Wirksamkeit von Strahlung muss beachtet werden, dass es ein Unterschied ist, ob die gleiche Dosis auf den gesamten Körper einwirkt oder konzentriert auf ein einzelnes Organ; zudem sind aber die biologischen Wirkungen in verschiedenen Organen doch unterschiedlich. Bei der Bestrahlung des Menschen muss die Angabe der Dosis in Gray also verbunden werden mit der Angabe, welcher Teil des Körpers bestrahlt wurde. Hierbei ist auch zu beachten, wie groß die Energiedosisleistung (in Gy/s) ist, die während eines Bestrahlungsvorgangs wirksam ist. Äquivalentdosis Bei der bisherigen Betrachtung der Dosis wurde von der Art der Strahlung und den betroffenen Organen und Geweben abgesehen und nur die absorbierte Energie betrachtet. Im Strahlenschutz berücksichtigt man die unterschiedliche biologische Wirksamkeit, indem man Wichtungsfaktoren für die verschiedenen Strahlungen einführt und die so berechneten Dosen Äquivalentdosen in dem betreffenden Organ oder Gewebe nennt. Zur differenzierten Beurteilung von Strahlenbelastungen sind verschiedene Äquivalentdosisbegriffe eingeführt. Als wichtigste sind zu nennen: effektive Dosis, Körperdosis, Organdosis, Ortsdosis, Personendosis.3 Definition: Die Äquivalentdosis H ist das Produkt aus der Energiedosis D im Organ oder Gewebe und einem dimensionslosen Strahlungs-Wichtungsfaktor wR (radiation weighting factor): H = wR · D 2 Tatsächlich ist die durch eine Strahlung auf einen Stoff übertragene Energie von der Art der Substanz abhängig und damit auch die Energiedosis. Es ergeben sich also verschiedene Werte, wenn unter gleichen Bedingungen gleiche Massen unterschiedlicher Substanzen bestrahlt werden. Ebenso führt die Bestrahlung des gleichen absorbierenden Körpers mit verschiedenen Strahlungsarten gleicher Energiestromdichte (Energie pro Zeit und Fläche) unter sonst gleichen Bedingungen zu verschiedenen Ergebnissen. 3 vgl. § 3 der neu gefassten und seit dem 1. 8. 2001 geltenden Strahlenschutzverordnung (StrlSchV 2001): Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2001, S. 1719. Weitere Äquivalentdosen sind in der dazugehörigen Anlage VI genannt. Die StrlSchV 2001 bezieht sich in der genannten Anlage ausdrücklich auf die Publikation Nr. 60 der ICRP (International Commission on Radiological Protection): Recommendations of the International Commission on Radiological Protection, Annals of the ICRP, Vol. 21 (1-3), 1990. Einheit: [H] = 1 Sv (Sievert, nach dem schwedischen Physiker ROLF MAXIMILIAN SIEVERT, 1896 - 1966) Der Gebrauch der Einheitenbezeichnung "Sievert" ist ausschließlich auf die Angabe von Äquivalentdosen beschränkt, d.h. nicht für die Angabe von Energiedosen zulässig! Bis 1985 konnte noch die Einheit Rem (radiation equivalent man) verwendet werden: 1 rem = 0,01 Sv Die eben definierte Äquivalentdosis bezieht sich prinzipiell auf eine Strahlenexposition des ganzen Körpers. Die Äquivalentdosis ist eine berechnete Größe, da sie unter Verwendung eines Bewertungsfaktors bestimmt wird, der auf Grund von Vereinbarungen so festgesetzt ist, dass gleiche Äquivalentdosen verschiedener Strahlenarten unter Strahlenschutzgesichtspunkten gleich bewertet werden können4. 4 In den der Nr. 60 vorangehenden Publikationen definierte die ICRP für ein Strahlenspektrum einen durchschnittlichen (effektiven) Qualitätsfaktor Q für spektrale Verteilungen des linearen Energietransfers. Außerdem bestimmte die Kommission, dass es zulässig sei, genäherte Werte für Q zu verwenden und stellte eine entsprechende Wertetabelle zur Verfügung. In der Publikation 60 ersetzte die Kommission das Dosisäquivalent in einem bestimmten interessierenden Punkt durch die Äquivalentdosis, die abgeleitet wurde, indem die mittlere absorbierte Dosis in einem Organ oder Gewebe durch den Strahlungs-Wichtungsfaktor wR gewichtet wird. Dieser Faktor war ein auf den neuesten Stand gebrachter Wert der bisherigen zulässigen Näherung für Q. Tabelle der Strahlungs-Wichtungsfaktoren wR5 Die Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR richten sich nach Art und Qualität des äußeren Strahlungsfeldes oder nach Art und Qualität der von einem inkorporierten Radionuklid emittierten Strahlung. Art und Energiebereich Strahlungs-Wichtungsfaktor wR Photonen, alle Energien 1 Elektronen und Myonen, alle Energien 1 Neutronen, Energie < 10 keV 5 10 keV - 100 keV 10 > 100 keV - 2 MeV 20 > 2 MeV - 20 MeV 10 > 20 MeV 5 Protonen, außer Rückstoßprotonen, 5 Energie > 2 MeV Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne 20 Für die Berechnung von Organdosen und der effektiven Dosis für Neutronenstrahlung wird die stetige Funktion 2 wR = 5 + 17e- (ln(2En)) ∕ 6 benutzt, wobei En der Zahlenwert der Neutronenenergie in MeV ist. Treffen mehrere Strahlenarten ein Organ oder Gewebe, so wird die gesamte schädliche Wirkung nicht durch die Summe der Energiedosen, sondern durch die Summe der Äquivalentdosen der einzelnen Strahlenarten richtig charakterisiert. Gewichtet man die Äquivalentdosis in jedem Organ proportional zur Wahrscheinlichkeit und Stärke des durch die Strahlung verursachten Schadens und addiert die gewichteten Verteilungen für jedes Organ, die Organdosis, zu einer Ganzkörperdosis, so erhält man die sog. effektive Dosis. Mit der effektiven Dosis wird das Strahlenrisiko des Körpers für stochastische Strahlenwirkungen bei geringen Dosen abgeschätzt. Berechnung der Organdosis HT Die Organdosis HT,R ist das Produkt aus der über das Gewebe oder Organ T gemittelten OrganEnergiedosis DT,R, die durch die Strahlung R erzeugt wird, und dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR: HT,R = wR · DT,R Besteht die Strahlung aus Arten und Energien mit unterschiedlichen Werten von wR, so werden die einzelnen Beiträge addiert. Für die gesamte Organdosis HT gilt dann: HT = Error! Die Einheit der Organdosis ist das Sievert. Die lokale Hautdosis ist das Produkt der gemittelten Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe mit dem zugehörigen Strahlungs-Wichtungsfaktor. Die Mittelungsfläche beträgt 1 cm2, unabhängig von der exponierten Hautfläche. 5 Angaben nach der StrlSchV 2001, Anlage VI: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2001, S. 1806. Die Zahlenwerte für wR stimmen im wesentlichen mit den Zahlenwerten für Q überein. Eine wesentliche Änderung hat sich nur bei den Neutronen ergeben. Diese wichtet man nach ICRP 60 im Energiebereich von 100 keV bis 2 MeV mit wR = 20 (ICRP 26: Q = 10). Diese Erhöhung des StrahlungsWichtungsfaktors ist auf die Neubewertung der Hiroshima- und Nagasaki-Daten zurückzuführen. Berechnung der effektiven Äquivalentdosis Heff Die effektive Dosis Heff ist die Summe der Organdosen HT, jeweils multipliziert mit dem zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktor wT (tissue weighting factor). Dabei ist über alle in der Tabelle aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren. Heff = Error! = Error!Error! Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert. Bei der Ermittlung der effektiven Dosis ist die Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe über die ganze Haut zu mitteln. Mit der effektiven Dosis ist es möglich, das Risiko einer Teilkörperexposition dem Risiko einer Ganzkörperexposition vergleichbar zu machen. Tabelle der Gewebe-Wichtungsfaktoren wT6 Gewebe oder Organe Gewebe-Wichtungsfaktoren wT Keimdrüsen 0,20 Knochenmark (rot) 0,12 Dickdarm 0,12 Lunge 0,12 Magen 0,12 Blase 0,05 Brust 0,05 Leber 0,05 Speiseröhre 0,05 Schilddrüse 0,05 Haut 0,01 Knochenoberfläche 0,01 andere Organe oder Gewebe 0,05 Summe 1,00 Der Gewebe-Wichtungsfaktor berücksichtigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von tödlichem und nicht-tödlichem Krebs, gewichtet nach Schweregrad und der durchschnittlich verlorenen Lebensjahre verursacht durch den induzierten Krebs. Schwere genetische Schäden sind ebenfalls berücksichtigt. Die Gewebe-Wichtungsfaktoren sind auf 1 normiert. Dosen in Organen innerhalb des Körpers können nicht direkt gemessen werden. Daher werden praktisch anwendbare Größen, die außerhalb des Körpers messbar sind, benötigt. Dazu wurden sog. Qualitätsfaktoren eingeführt. Bei Strahlungsquellen innerhalb des Körpers (Inkorporation) ist die relevante Größe die Aktivität des aufgenommenen radioaktiven Materials. Dieses Material verursacht eine anhaltende Verteilung von 6 Angaben nach der StrlSchV 2001, Anlage VI: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2001 Teil I Nr. 38, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2001, S. 1806. Äquivalentdosen innerhalb des Körpers. Das zeitliche Integral der resultierenden Äquivalentdosisleistung wird Folge-Dosis genannt. Man unterscheidet zwischen Organ-Folgedosis und effektiver Folgedosis. Die Integrationszeit beträgt für einen Erwachsenen 50 Jahre und für Kinder den Zeitraum vom Zeitpunkt der Inkorporation bis zum Alter von 70 Jahren.7 Deterministische und stochastische Schäden Bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen und der natürlichen Radioaktivität erkannte man die schädliche Wirkung ionisierender Strahlung. Man entdeckte, dass ionisierende Strahlung nicht nur Effekte im bestrahlten Gewebe verursachen kann, sondern dass durch die Bestrahlung von "Keimzellen" in Pflanzen und Tieren auch Effekte bei den Nachkommen hervorgerufen werden können. Es wurden dann umfassende Untersuchungen der Strahlenwirkung auf lebende Materie durchgeführt. Auch die an den Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki und deren Nachkommen bis auf den heutigen Tag durchgeführten Beobachtungen haben die schädigende Wirkung ionisierender Strahlung gezeigt. Man unterscheidet zwei Typen von Strahleneffekten. Der erste Typ, die deterministischen Schäden (früher nichtstochastische Schäden) bezieht sich auf den Funktionsverlust von Organen und Geweben infolge hoher Zellverluste durch die Strahleneinwirkung. Diese Effekte resultieren aus hohen Strahlendosen und es existieren Dosisschwellenwerte für das Eintreten der Schäden. Der zweite Typ, die stochastischen Schäden, treten erst lange nach erfolgter Exposition auf und verursachen eine Erhöhung des Krebs- und Leukämierisikos. Aus Ergebnissen von Tierexperimenten kann auch eine Erhöhung der Entstehungsrate von Erbschäden (genetische Effekte) abgeleitet werden. Bei diesen stochastischen Effekten geht man davon aus, dass keine Dosisschwellwerte existieren und ihr Auftreten auch bei kleinen Strahlenexpositionen erwartet werden kann. In diesen Fall ist die Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch gering. Die untenstehende Abbildung zeigt zusammenfassend den Ablauf der Prozesse von der Absorption der Strahlung bis zu den makroskopisch manifesten Effekten. 7 Die Organ-Folgedosis HT() ist das Zeitintegral der Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T, die eine Einzelperson infolge einer Inkorporation radioaktiver Stoffe erhält: HT() = Error! für eine Inkorporation zum Zeitpunkt t0 mit H;T(t) mittlere Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T zum Zeitpunkt t Zeitraum, angegeben in Jahren, über den die Integration erfolgt. Die effektive Folgedosis Heff() ist die Summe der Organ-Folgedosen HT(), jeweils multipliziert mit dem zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktore wT. Dabei ist über alle in der Tabelle der Gewebe-Wichtungsfaktoren wT aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren: Heff() = Error! aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren: H eff() = Error! Strahleneffekte nach kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung des Menschen mit -Strahlung Absorption von Strahlungsenergie physikalische Primärprozesse 10-15 s (Ionisation, Anregung) chemisch-biochemische Phase H/Sv < 0,5 geringe vorübergehende Blutbildveränderung 0,8 - 1,2 Übelkeit und Erbrechen in 10 % der Fälle 4-5 50 % Todesfälle innerhalb von 30 Tagen, 1s (Proteine, Enzyme, Nukleinsäuren) zelluläre Veränderungen Körperzellen | Keimzellen Stunden Schäden bei dem bestrahlten Individuum Wirkung (einschließlich Fötus) somatische Frühschäden (Stunden, Tage) 5,5 - 7,5 Letale Dosis, 100% Todesfälle nichtmaligne Spätschäden deterministische Schäden Erholung der Überlebenden nach 6 Monaten Schäden bei den Nachkommen 50 (Wochen) Schwere Nervenschädigungen, Tod innerhalb einer Woche maligne Spätschäden (Jahre) genetische Schäden (Folgegeneration) stochastische Schäden Die voranstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Auswirkung von -Strahlung (StrahlungsWichtungsfaktor wR = 1) bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung des Menschen. Zu den somatischen Frühschäden gehören kurzzeitige Veränderungen des Blutbildes, Müdigkeit, Kopfschmerz, Erbrechen bis hin zu Entzündungen der Schleimhäute. Die mittlere tödliche Dosis LD50/30 (Letaldosis, die für 50 % der Bestrahlten innerhalb von 30 Tagen zum Tode führt) bei Ganzkörperbestrahlung wird zu etwa 4 Gy angenommen (Wert nicht durch Experimente gewonnen). Hier treten Veränderungen des Blutbildes mit lange andauernden Haut- und inneren Blutungen, Haarausfall und Durchfall auf. Eine einmalige Ganzköperbestrahlung von 7 Gy gilt als tödlich, wenn keine Therapie erfolgt. Dosen von über 8 Gy führen zum Verlust der Hirnfunktionen, zu Bewusstlosigkeit und baldigem Tod. Bei den somatischen Spätschäden werden die Zellen unmittelbar durch die Bestrahlung geschädigt - die beobachtbaren Krankheitssymptome treten aber erst sehr viel später auf. Z.B. starben noch Jahrzehnte nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 Menschen an den Spätfolgen der Strahlung. Man nimmt an, dass bei nichtmalignen Spätschäden (z.B. Sterilität, Trübung der Augenlinse) eine Mindestmenge ("Schwellendosis") an Strahlung auf den Organismus einwirken muss. Wiederholte Einzelbestrahlungen mit Dosen unterhalb des Schwellenwertes können dann ebenfalls zu diesen Spätschäden führen. Bei malignen Spätschäden (z.B. Leukämie) kennt man keine Mindestbelastung, ab der ein Schaden auftritt. Entweder ist diese sehr klein oder es gibt überhaupt keine Schwelle. Es ist daher denkbar, dass auch einzelne Teilchen/Quanten Krebs auslösen können. Alle Aussagen über die biologische Wirksamkeit geringster Strahlendosen sind, wie dargestellt, mit großen Unsicherheiten behaftet. Mit steigender Strahlungsmenge nimmt aber die Wahrscheinlichkeit zu erkranken zu. Bei genetischen Schäden treten Veränderungen an den Chromosomen der Keimzellen auf. Sie wirken sich erst bei den Nachkommen aus. Auch hier ist eine Reparatur prinzipiell möglich und ein genetischer Schaden würde dann nicht an die nächste Generation weitergegeben. Natürlich bedingte, spontane Mutationen finden bei Menschen, Tieren und Pflanzen statt, seitdem es Leben auf der Erde gibt. Sie können aber auch gezielt durch chemische bzw. physikalische Einflüsse herbeigeführt werden. Bisher ist das Auftreten von strahlenbedingten Mutationen in der Nachkommenschaft nicht statistisch gesichert weder in der Nachkommenschaft der Überlebenden von Hiroschima und Nagasaki, noch bei medizinisch bestrahlten Personengruppen. Dies bedeutet aber nicht, dass mit solchen Mutationen nicht gerechnet werden muss. Alle derzeitigen Abschätzungen beruhen einerseits auf dem Vergleich der spontanen Mutationsraten von Maus und Mensch und andererseits auf den bei Mäusen experimentell ausgelösten Mutationsraten durch Bestrahlung. Zusammenfassend kann man feststellen: Hohe Dosen verursachen unausweichlich Schäden, sog. deterministische Strahlenwirkungen, die nicht auftreten, wenn die Dosis einen bestimmten Schwellenwert nicht überschreitet. Der Schweregrad eines solchen Strahlenschadens ist eine Funktion der Dosis. Die Priorität im Strahlenschutz ist also, hohe Dosen zu vermeiden. Aber hohe wie niedrige Dosen könne stochastische Strahlenwirkungen, d.h. zufällig auftretende Effekte (Krebs und genetische Störungen), bewirken. Bei diesen hängt nicht die Schwere der Erkrankung sondern die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Erkrankung von der Energiedosis ab. Um das Strahlenrisiko bezüglich stochastischer Schäden abschätzen zu können, ist es also notwendig, den Zusammenhang zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Dosis zu kennen. Leider gibt es bis heute keine direkte Information über den Zusammenhang zwischen strahleninduziertem Krebs und geringen Strahlendosen im für den praktischen Strahlenschutz interessanten Bereich von einigen mGy bis einigen 10 mGy. Man ist darauf angewiesen, das stochastische Risiko für kleine Dosen aus Strahlenexpositionen bei hohen Dosen (0,1 - 0,2 Gy und mehr) abzuschätzen. Darüberhinaus fanden diese Strahlenexpositionen bei hohen Dosisleistungen statt, sodass die Übertragung auf Situationen wie sie im praktischen Strahlenschutz auftreten (geringe Dosis, geringe Dosisleistung) Schwierigkeiten bereitet. Es stellt sich also das Problem, die bei hohen Dosen erhaltenen Zusammenhänge zwischen Dosis und Wirkung zu niedrigen Dosiswerten zu extrapolieren. Auf welche Weise die Extrapolation vorzunehmen ist wird unter Fachleuten noch diskutiert. Die in der Diskussion befindlichen Modelle werden im Folgenden genannt: Strahlungsbedingtes Krebsrisiko a) lineare Risikobeziehung: beobachtet R(D) = R0 · D b) linear quadratische Risikobeziehung: R(D) = · D + · D2 d c) biopositive Wirkung kleiner Strahlendosen: R(D) = · D – · D¼ a b d) supralinear: R(D) = · D + · D¼ c Kumulierte Dosis mit geringer Leistung Die in der Abbildung als "beobachtet" ausgewiesenen Risikowerte sind im wesentlichen auf die Auswertung der Hiroshima- NagasakiDaten zurückzuführen. Aus vielen strahlenbiologischen Experimenten ist ein linear-quadratischer Verlauf der DosisWirkungsbeziehung bekannt. Der Risikoverlauf entspricht dann Kurve b). Dies impliziert bei kleinen Dosen einen linearen Anstieg der Effekte. Im praktischen Strahlenschutz geht man heute von einer linearen Extrapolation des Risikos als Funktion der Dosis aus (Lineares Risikomodell). Für den Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung gilt dann: R(H) = R0 · H -2 -1 R0 = 5 · 10 Sv , nomineller Risikofaktor (ICRP) für das stochastische Mortalitätsrisiko Diese lineare Abschätzung des Risikos hat den Vorteil, dass das Risiko bei niedrigen Dosiswerten wohl überschätzt wird. Es handelt sich also um eine konservative Abschätzung des Risikos.8 Von Interesse in diesem Zusammenhang ist noch die Kurve c, die von einer "biopositiven" Wirkung kleiner Strahlendosen ausgeht.9 Dieser Zusammenhang ist aber für den praktischen Strahlenschutz nicht von Bedeutung. Da der Mensch seit seinem Auftreten in der Evolution einem "Bombardement" (natürlicher) ionisierender Strahlung ausgesetzt ist, muss davon ausgegangen werden, dass er bei geringen (= natürlichen) Dosen und die hierdurch verursachten Schäden über entsprechende Reparaturmechanismen verfügt. Intensive Untersuchungen in Gebieten mit besonders hoher natürlicher Strahlenbelastung konnten dort keine erhöhte Krebssterblichkeit nachweisen. Andere krebsauslösende Faktoren (Rauchen, falsche Ernährung) überdecken nämlich solche Fälle, sodass durch Strahlenexposition erzeugte Krebsfälle statistisch nicht erfasst werden können. Eine klare Entscheidung darüber, was als völlig unbedenkliche Dosis gelten kann, ist daher nicht möglich Abhängigkeit der Strahlenwirkung von unterschiedlichen Bedingungen Somatische und in geringerem Umfang auch genetische Schäden bei der Einwirkung von Strahlen auf den Menschen sind von folgenden Faktoren abhängig: Strahlenart, Dosis, zeitliche Dosisverteilung, räumliche Dosisverteilung, relative Strahlenempfindlichkeit, Milieufaktoren. Strahlenart Milieufaktoren Dosis Strahlenwirkung relative Strahlenempfindlichkeit zeitliche Dosisverteilung räumliche Dosisverteilung Die Beschreibung der Faktoren erfolgt hier vor allem im Hinblick auf die somatischen Schäden. 8 Diese Proportionalität (die lineare, nicht Schwellenwert behaftete Dosis-Wirkungs-Beziehung) hat Eigenschaften, die die Handhabung des Strahlenschutzes vereinfachen. Auf diese Weise kann z.B. jede einzelne Strahlenquelle und -exposition gesondert von anderen Quellen und Expositionen betrachtet werden. Die Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt pro Dosiseinheit ist so immer gleich. 9 Eine 1997 veröffentlichte Studie in den USA untersuchte das Lungenkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Radonkonzentration bei 90 % (!) der Bevölkerung der USA und kam zu dem Ergebnis, dass mit steigender (bis zu 150 Bq/m3) Radonkonzentration das Krebsrisiko abnimmt. Strahlenart Wie dargestellt, haben die einzelnen Strahlenarten bei gleichen Energiedosen unterschiedliche biologische Wirkungen. Die unterschiedlichen biologischen Wirkungen werden durch den StrahlungsWichtungsfaktor wR berücksichtigt: H = wR · D Dosis Grundsätzlich nehmen die Strahlenwirkungen mit der Dosis zu. Für somatische Frühschäden existiert ein Schwellenwert. Dagegen nimmt man an, dass für maligne Spätschäden sowie für genetische Schäden kein Schwellenwert existiert. Zeitliche Dosisverteilung Die Wirkung einer Dosis ist umso geringer, je größer die zeitlichen Abstände zwischen den Teildosen sind. Aber: Mehrere über längere Zeiträume verteilte Einzeldosen können sich u.U. aufsummieren und Strahlenspätschäden bewirken. Räumliche Dosisverteilung Bei der medizinischen Strahlentherapie eines Tumors werden Dosen von 30 bis 50 Sv (!) eingesetzt, die im allgemeinen den Gesamtorganismus nicht in Gefahr bringen. Bei einer Ganzkörperbestrahlung würden diese Werte aber unweigerlich zum Tode führen. Man muss daher zwischen Ganzkörper- und Teilkörperdosen bzw. Organdosen unterscheiden. Allerdings gibt es Organe, deren Funktion schon bei einer Bestrahlung mit schwachen Dosen erheblich gestört wird, sodass der Gesamtorganismus beträchtlichen Schaden nehmen kann. Relative Strahlenempfindlichkeit In den Organen des Menschen, die gegenüber ionisierender Strahlung besonders empfindlich sind, findet eine hohe Zahl von Zellteilungen statt. Durch die Strahlung kann der Teilungsvorgang verzögert bzw. blockiert werden: Das Gleichgewicht zwischen Zellverlust und Zellerneuerung ist gestört. Ein wachsender Embryo im Mutterleib ist daher besonders in den ersten vier Wochen gefährdet. Milieufaktoren Durch Ernährungsgewohnheiten, den Missbrauch von Genussmitteln, die Anwendung von Arzneimitteln u.ä. können einzelne Organe des Menschen oder auch der gesamte Organismus für Strahlung besonders sensibilisiert werden. Geschlechtshormone z.B. haben einen Einfluss: Männer sind strahlenempfindlicher als Frauen.