Die Bakterien

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Die Bakterien-Züchterin
01.03.2006 / LOKALAUSGABE / KLEVE
MEDIZIN / Am Gildenplatz 1 in Goch lässt Ulrike Michaletz Tag für Tag Krankheitskeime
wachsen: Rund 130 Ärzte und Hebammen schicken Proben ihrer Patienten ins Labor Schön.
GOCH. Menschliche Leidensgeschichten müssen nicht immer Gesichter haben. Manchmal
verrät schon der Blick in eine bierdeckelgroße Schale, wie es um einen Menschen bestellt ist.
Wenn dieser Blick so geübt ist, wie der von Ulrike Michaletz. Ulrike Michaletz arbeitet als
Medizinisch-Technische Assistentin (MTA) im ärztlichen Labor von Dr. Ekkehard Schön in
Goch. Ihr Job: Sie züchtet Krankheitserreger.
Jeden Tag kommen in dem Labor am Gildenplatz hunderte Proben aus Kreis Klever
Arztpraxen an. Blut, Urin, Stuhl, Abstriche. Der Auftrag des Labors: Herausfinden, ob und
welche krankmachenden Bakterien in diesen Proben sind und welche Antibiotika gegen sie
eingesetzt werden können. Dazu müssen die mikroskopisch kleinen Organismen vermehrt
werden. Das macht Frau Michaletz.
Ekelhafte Substanzen
Am besten gedeihen Bakterien in mit Rinderblut gefüllten Petri-Schalen. Die türmen sich auf
dem Arbeitsplatz von Michaletz. Mit einer kleinen Öse bringt sie einen Teil der Probe auf
dem Nährboden auf, danach kommen die Schalen in einen Inkubator, eine Art Ofen. Darin ist
es körperwarm. Meistens fühlen sich Bakterien bei rund 37 Grad am wohlsten, einige
brauchen allerdings niedrigere Temperaturen, um sich zu vermehren.
Einen Tag später füttert die Laborassistentin die angewachsenen Bakterienkulturen mit
Zuckerstoffen, um herauszufinden, um welche Krankheitserreger es sich genau handelt: "Die
verraten sich durch ihr Essverhalten", erklärt Michaletz die "biochemische Differenzierung".
Drei Tage, nachdem die Proben im Labor gelandet sind, ist klar, welche Keime genau dafür
verantworlich sind, wenn etwa eine Wunde nicht heilen will. Und weil der jeweilige Arzt
auch wissen will, mit welchen Mitteln er den kleinen Biestern den Garaus machen kann, legt
die Laborassistentin Testblättchen mit Antibiotika auf die Kulturen, um herauszufinden gegen
welche Präperate der Keim empfindlich ist.
Tagtäglicher Kontakt mit Krankheitserregern - hat man da nicht Sorge, sich selbst was
einzufangen? "Nein, so richtig spektakuläre Sachen hatten wir hier ja noch nicht", wiegelt
Michaletz ab. Außerdem arbeitet sie stets mit Handschuhen, um sich vor Infektionen zu
schützen. Beim Arbeiten kommt sie indes öfter ins Grübeln: Etwa, wenn sie die Abstriche
von Menschen bearbeitet, die sich in Altenheimen wundgelegen haben. "Da verfolgt man ein
Schicksal manchmal über mehrere Jahre und macht sich schon Gedanken über den
Menschen, der dahinter steht."
Was Ulrike Michaletz den ganzen Tag macht, ist nur ein Teil der Arbeit in dem Labor am
Gildenplatz. Die meisten anderen Jobs werden von Maschinen erledigt. Die Fahndung nach
Tumormarkern zum Beispiel, Stoffen, die von Krebsgeschwüren ins Blut abgegeben werden;
oder die Bestimmung von Hormonen; oder die Suche nach Antikörper bei Aidstests.
Chef des Labors und der sechs Angestellten dort ist Dr. Ekkehard Schön. Der Mediziner hat
sich vor zehn Jahren selbstständig gemacht. Sein Credo: "Meine Leute sollen immer so gut
arbeiten, als wären es ihre eigenen Proben, die sie untersuchen." Schließlich gibt es für einen
Patienten nichts Schlimmeres als eine falsche Diagnose. Und den Patienten fühlt sich Schön
auch verbunden, obwohl er sie nur in Ausnahmefällen zu Gesicht bekommt: "Natürlich fühle
ich mich als Arzt."
JAN JESSEN (Text) THORSTEN LINDEKAMP (Fotos)
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