Erkundung eines Böschungsgrundbruches an der BAB A4

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13. Erdbaufachtagung
„Sicherungen im Erd-, Fels- und Grundbau“
Erkundung eines Böschungsgrundbruches und
Planung einer Böschungsverdübelung an der
BAB A4 bei Magdala
Referent
Dipl.-Ing. Aiko Stockmann
witt & partner geoprojekt GmbH
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02./03. März 2017
13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann
Bauakademie Sachsen
1
Einleitung
Die Herstellung standsicherer Dämme und Einschnitte ist eine wesentliche Aufgabe im Erdbau. Sowohl die
Analyse und Einschätzung der Tragfähigkeit von Dammaufstandsflächen und der Standsicherheit von
Böschungen als auch die darauf aufbauende Planung von Sicherungsmaßnahmen stellen zentrale und oft
schwierige ingenieurgeologische bzw. geotechnische Aufgaben dar. Die Herausforderung besteht neben der
Erstellung eines hinreichend genauen Baugrundmodells im Erkennen potentieller Bruchmechanismen, in der
Abschätzung der mobilisierbaren Scherwiderstände und der Planung zweckmäßiger Maßnahmen zur
Erhöhung
der
Standsicherheit.
Mögliche
Bruchmechanismen
werden
von
den
geometrischen
Randbedingungen, den geologischen Verhältnissen und der Art der Einwirkungen beeinflusst. Bei den
Baugrundverhältnissen spielen oft abgeminderte Scherfestigkeiten, Porenwasserdrücke und geologische
Anomalien eine wesentliche Rolle. Sofern ungünstige Einflüsse bei der Baugrunderkundung, Planung oder
Herstellung nicht erkannt oder nicht beachtet wurden, können Schäden eintreten, die eine anschließende
Sanierung erforderlich machen.
Aus der vielfältigen Kombination von geologischen Bedingungen und möglicher technischer Maßnahmen
behandelt dieser Beitrag einen Schadensfall, bei dem die Böschungssanierung durch eine Verdübelung mit
Bohrpfählen umgesetzt wurde. Die Besonderheit bestand darin, dass die Erstellung eines plausiblen und
hinreichend genauen Baugrundmodells auf Grund komplizierter geologischer Verhältnisse vergleichsweise
aufwendig und nur mittels einer mehrstufigen Erkundung möglich war.
2
Baumaßnahme
Im Zuge des Baus der neutrassierten BAB A4 westlich von Jena wurde ab 2008 ein neuer Straßendamm auf
mehreren Kilometern Strecke und mit Höhen bis ca. 20 m geschüttet. Der Damm verläuft im betreffenden
Streckenabschnitt auf einem mit etwa 5° flach nach Nordost geneigten Hang. In Abbildung 1 ist ein
repräsentativer Dammquerschnitt mit den wesentlichen geometrischen Angaben dargestellt. Danach besitzen
die Dammböschungen Neigungen von 1:1,8; auf den Böschungsschultern sind Lärmschutzwälle angeordnet.
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N
S
130 m
18 m
35 m
Abbildung 1:
Dammquerschnitt Bau-km 4+100
Gemäß Baugrundgutachten war prinzipiell von einem für die Dämme ausreichend tragfähigen Baugrund
auszugehen. Im gesamten Dammbereich stehen Gesteine des Oberen Muschelkalks, einer Wechsellagerung
aus Mergel- und Kalksteinen, an. Die Festgesteine werden geringmächtig von Hangschutt und Hanglehm
überlagert. Die Dammaufstandsflächen wurden von der geotechnischen Baubegleitung abgenommen; lokal
wurden
Maßnahmen
zur
Erhöhung
der
Tragfähigkeit,
u.a.
durch
Bindemittelbehandlung
bzw.
Bodenaustausch, vorgegeben.
3
Schadensbild und Sofortmaßnahmen
Im Sommer 2010, ca. ein halbes Jahr nach der Fertigstellung des Dammes und bereits monatelanger Nutzung
als Baustraße für Erdstofftransporte, wurde ein Schaden an der nördlichen Dammböschung anhand deutlicher
Verformungen, Risse an der Dammschulter und einer wulstartigen Aufschiebung am Dammfuß festgestellt.
Bild 1: Schadensbild an der Böschungsschulter
Bild 2: Schadensbild am Böschungsfuß
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Das Schadensbild an der Böschungsschulter in Bild 1 weist für Böschungsbrüche typische Merkmale, wie eine
steile Abrisskante sowie m-tiefen und dm-breite Zugrisse, auf. Das Bruchbild erstreckte sich über ca. 150 m
Länge, wobei die Längsrisse spitzwinklig zur Trasse verliefen und bis ca. 10 m hinter die Böschungsschulter
reichten. Vergleichsweise untypisch waren die im Vergleich zur Dammschulter geringen Verformungen am
Dammfuß (Bild 2) und eine bis 0,3 m hohe Wulstbildung in einer Entfernung bis 35 m vor dem Dammfuß.
Da im unmittelbaren Bruchbereich keine Bautätigkeit stattfand, lagen zum genauen Eintrittszeitpunkt und zur
zeitlichen Entwicklung des Bruchs keine Kenntnisse vor. Als geotechnische Baubegleitung bestand für uns die
vordringliche Aufgabe, Sofortmaßnahmen festzulegen und anschließend die Schadensursache zu
untersuchen. Im Rahmen der Erkundung der Schadensursache waren u.a. Fragen hinsichtlich der
Verantwortlichkeit sowie der Abgrenzung des potentiellen Gefährdungsbereiches zu beantworten und
weiterhin die geotechnischen Grundlagen für die Planung einer zweckmäßigen Sanierungsmaßnahme zu
schaffen. Für diese komplexe Aufgabenstellung war es praktisch unumgänglich, die Bearbeitung und
Untersuchung schrittweise vorzunehmen.
Entsprechend dem Schadensbild konnte von einem Böschungsgrundbruch, also einem Verlauf der Gleitfläche
unterhalb des Böschungsfußes ausgegangen werden. Ein unmittelbar am Böschungsfuß hergestellter
Baggerschurf ermöglichte eine erste Einschätzung der Baugrundverhältnisse, lieferte jedoch keine Hinweise
auf das Vorhandensein einer potentiellen Gleitfläche.
Unmittelbar nach der Feststellung und Erstbegutachtung des Schadens waren Maßnahmen zur Abwendung
einer Gefährdung und zur Sicherung des Schadensbereiches vorzusehen. In Abstimmung mit der
Bauüberwachung und dem Bauherrn wurden angeordnet:
1. Absperrung des Schadensbereiches mittels Bauzaun bei einem Mindestabstand von 10 m zwischen
Baustraßen und vorhandenen Rissen
2. Anlegen von Gräben zur Vermeidung des Zufließens von Oberflächenwasser aus dem
Planumsbereich
3. Teilabtrag von ca. 2000 m³ Rutschmassen und Anschüttung am Böschungsfuß zur Entlastung der
Böschung,
zur
Minderung
Erkundungsarbeiten
der
progressiven
Bruchentwicklung
und
in
Vorbereitung
der
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4
Mehrstufige Erkundung
4.1
Recherche Baudokumentation und Baugrundverhältnisse
Im ersten Schritt zur Untersuchung der Schadensursachen wurden im Sinne einer Grundlagenermittlung
vorhandene Unterlagen zur Baugrundsituation und der Baudokumentation recherchiert:
1. Die Herstellung der Dammaufstandsflächen und des Dammkörpers war in den Bauakten durch
Abnahmeprotokolle sowie Qualitätsprüfergebnisse dokumentiert. Die Dammschüttung wurde ZTVE-gerecht
aus dem im Trassenbereich anfallenden Aushubmaterial, vorwiegend bestehend aus gemischtkörnigen bis
bindigen Böden und zerkleinertem, veränderlich festem Triasgestein, hergestellt.
Ergebnis: Aus der Baudokumentation ließen sich keine Rückschlüsse auf bautechnisch bedingte
Schadensursachen schließen.
2. Die im Rahmen der Streckenerkundung (WBI, 2006) in der Nähe des Schadensbereiches abgeteuften
Bohrungen wiesen recht einheitliche Baugrundverhältnisse mit vergleichsweise guten Tragfähigkeiten aus.
Danach stehen unter einer geringen Lockergesteinsbedeckung Festgesteine des Oberen Muschelkalks an. In
den Schichtenverzeichnissen ist eine söhlige Lagerung der Festgesteine ausgewiesen.
Ergebnis: Die vorhandenen Erkundungsergebnisse ergaben keine Hinweise auf baugrundbedingte
Schadensursachen.
3. Aus der Recherche der regionalgeologischen Verhältnisse ergaben sich Indizien für eine gestörte Lagerung
der anstehenden Festgesteine. Danach verläuft trassennah die Störungszone des Magdalaer Grabens, die
von herzynisch (NW-SO), annährend parallel zur Trasse streichenden Hauptstörungen begrenzt wird. In
unmittelbarer Nähe des Schadensbereiches sind ausstreichende Leitbänke (moCC, moGC) des Oberen
Muschelkalks mit lokal gemessenen Einfallwinkeln von 8 bzw. 25° und einer Einfallrichtung etwa rechtwinklig
zur Trasse dokumentiert.
Ergebnis:
Die
Baugrundverhältnisse
können
lokal
stark
gestört
sein.
Eine
baugrundbedingte
Schadensursache war anzunehmen.
4.2
Ersterkundung
Parallel zur Grundlagenermittlung wurde eine Bestandsvermessung des Schadensbereiches vorgenommen
und Messpunkte hergestellt. Auf der Grundlage der Bestandvermessung wurde der Umfang der
Ersterkundung festgelegt (Abbildung 2).
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Abbildung 2:
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Lageplan Schadensbereich (gelb) mit Messmarken (rot) und Aufschlusspunkten der Ersterkundung
Der Schwerpunkt der Ersterkundung lag im Wesentlichen auf der Erkundung des zentralen Bruchbereiches.
Die insgesamt 8 Kernbohrungen wurde mit jeweils einer schweren Rammsondierung ergänzt, um die
Lagerungsverhältnisse bzw. Steifigkeiten der geschütteten und gewachsenen Böden einschätzen zu können.
Zur Klassifizierung des Dammschüttmaterials und des Baugrundes wurden Proben entnommen und
bodenmechanische Laborversuche durchgeführt. Die rasterförmig im Schadens- und Randbereich
hergestellten Messmarken dienten einem Verformungsmonitoring. Im Zuge der Ersterkundung wurde
zusätzlich der Ausbau einer Bohrung zu einer Grundwassermessstelle sowie einer weiteren Bohrung zu einem
Vertikalinklinometer veranlasst.
4.2.1
Baugrundaufschlüsse
In Abbildung 3 ist ein schematisches Bohrprofil des Schadensbereiches am Böschungsfuß sowie ein
Bohrkernfoto dargestellt. In allen Bohrungen entlang des Böschungsfußes wurde in Tiefen zwischen 7 und 12
m u.GOK eine markante Kalksteinbank (moGC-Glaukonitbank) erbohrt, die mit 20-25° flach einfällt (Kernfoto).
Durch Parallelisierung der Bohrergebnisse wurde festgestellt, dass die Einfallrichtung der Bank annähernd der
Böschungsfallrichtung entspricht.
Der Zustand der Dammschüttung und der Lockergesteinsüberdeckung entsprach mit einem vorwiegend
bindigen Charakter und steifer Konsistenz den Erwartungen und war damit eher unauffällig. In Verbindung mit
den Sondierergebnissen konnte der Verlauf der Gleitfläche innerhalb des Dammes anhand lokaler
Auflockerungszonen nachgewiesen werden.
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Ergebnis: Die Bohrergebnisse belegen das Vorhandensein einer an eine Kalksteinbank gebundenen
potentiellen Gleitzone. Nicht eindeutig festzustellen war der exakte Gleithorizont sowie dessen Verlauf im
Bereich des Böschungsfußes und -vorlandes.
Abbildung 3:
4.2.2
Schnitt mit exemplarischem Bohrprofil und Kernfoto der Kalksteinbank (moGC)
Verformungsmonitoring
Die auf der Böschung angelegten geodätischen Messmarken (vgl. Abbildung 2) wurden regelmäßig, während
der
Erkundungsphase
2x
wöchentlich
eingemessen.
Anhand
Verformungsbeträge, -richtung und -geschwindigkeit ermittelt werden.
der
Messergebnisse
konnten
die
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Abbildung 4:
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Ergebnisse der geodätischen Kontrollmessungen
Die Abbildung 4 zeigt den Verformungsverlauf der Messmarken eines Böschungsquerschnitts nach Beginn
des Monitorings und der Massenumlagerung zur Entlastung der Böschung Mitte Juli 2010. In den ersten 4
Wochen nach der Massenumlagerung wurde zunächst ein Stillstand der Rutschmassen festgestellt.
Anschließend setzten die Bewegungen, vermutlich ausgelöst durch die in diesem Zeitraum aufgetretenen
Starkniederschläge (mtl. Niederschlagsmenge 170 mm), wieder ein und verdeutlichten das sich progressive
fortsetzende Bruchverhalten der Böschung. In Trassenlängsrichtung ergab sich keine Änderung der
Bruchkörpergeometrie.
Ergebnis: Mit Hilfe des geodätischen Messmonitorings waren die räumliche und zeitliche Erfassung der
Bruchkörperbewegung und damit auch die Abgrenzung des aktiven Bruchbereiches möglich. Mit Hilfe der
Verformungsvektoren konnte das geomechanische Bruchmodell verifiziert werden.
Die Messergebnisse des Vertikalinklinometers zeigten, dass der Bruchkörper bis in das Niveau der
Kalksteinbank (moGC) bei 12-13 m u.GOK reicht. Das Abscheren des Messrohres in einer Tiefe von 13 m
bestätigte, dass die Gleitfläche an der Unterkante der Bank liegt.
Ergebnis: Die exakte Lage der Gleitfläche als eine entscheidende Größe innerhalb des geomechanischen
Modells wurde identifiziert.
4.3
Kenntnisdefizite und Nacherkundung
Im Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen konnte das geologisch-geomechanische Bruchkörpermodell
schon recht plausibel nachgebildet werden. Kenntnisdefizite bestanden noch hinsichtlich des Verlaufs der
Gleitfläche vor dem Böschungsfuß und der Abgrenzung des potentiell bruchgefährdeten Bereiches in
Trassenlängsrichtung. Zur Beantwortung diese offenen Fragen wurden weitere 10 Bohrungen sowie ein
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Schurf an der Bruchfront durchgeführt. Eine dieser Bohrungen vor dem Böschungsfuß wurde zur Verifizierung
des vorläufigen Bruchkörpermodells als Inklinometer ausgebaut.
5
Baugrundmodell
Im Schurf vor dem Böschungsfuß konnte der Verlauf der als Gleitfläche wirkende Schichtgrenze zwischen
Kalksteinbank (moGC) und den im Liegenden anstehenden Tonmergelsteinen erfasst werden. Danach taucht
die Gleitfläche annährend linear mit einem Winkel von 15° ab. Die Tonmergelsteine waren oberflächig
aufgeweicht, die Scherfestigkeit deutlich herabgesetzt. Mit diesen Feststellungen sowie anhand der
Ergebnisse der ergänzenden Bohrungen und des Messmonitorings wurde das Bruchkörpermodell
vervollständigt. Es fügt sich zu einem Bruchmodell, das maßgeblich durch die an eine am Böschungsfuß
verlaufende Störung gebundene, gegeneinander gerichtete Verkippung der Schichten bestimmt wird. Die
spezielle Lage und Ausbildung dieser Schichten führen zu einer Verringerung der Tragfähigkeit, insbesondere
in dem von Schubkräften beanspruchten Bereich des Böschungsfußes. Die Gleitfläche lässt sich als polygonal
zusammengesetzter Bruchkörper beschreiben, die sich aus einer gekrümmte Gleitfläche innerhalb des
Dammes und zwei nahezu geradlinigen Gleitflächen im Dammuntergrund an der Unterseite der Kalksteinbank
(moGC) zusammensetzt (Abbildung 5).
Ergebnis: Anhand des Modells konnte belegt werden, dass eine unmittelbar unter der Dammflanke
verlaufende Störung mit ungünstig gegeneinander verstellten Schichten ursächlich für das
Böschungsgrundbruch einzustufende Bruchversagen war.
Abbildung 5:
Vervollständigtes Baugrundmodell
als
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Durch die Auswertung der zusätzlichen Bohrungen konnte die räumliche Orientierung der für das
Bruchkörpermodell maßgebenden Störung ermittelt werden (Abbildung 6). Die Störung verläuft analog zum
Rissbild spitzwinklig zur Böschung, wobei der Schnittpunkt zwischen Böschungsfuß und Störung etwa im
Zentrum des Bruches liegt. In den weiter außerhalb des Schadensbereiches erkundeten Querschnitten wurde
eine söhlige Lagerung der Festgesteine festgestellt und damit weitgehend ausgeschlossen, dass in der
näheren Umgebung vergleichbare ungünstige Baugrundverhältnisse vorliegen.
Abbildung 6:
6
Lageplan mit Verlauf der maßgebenden Störung
Sanierungskonzept
Die Festlegung einer geeigneten Variante zur Dammsanierung und Herstellung eines standsicheren
Zustandes wurde im Ausschlussverfahren getroffen. Prinzipiell sind Maßnahmen zielführend, mit denen
entweder die aktivierenden Effekte bzw. Einwirkungen reduziert oder die Widerstände im Baugrund erhöht
werden.
Unter den Randbedingungen einer planfestgestellten Dammgeometrie kamen Maßnahmen zur Reduzierung
der Einwirkungen, wie z.B. eine dauerhafte Vorschüttung oder die Reduzierung der Dammhöhe oder -neigung,
nicht in Frage. Um die Widerstände im Baugrund zu erhöhen, standen erdbautechnische Maßnahmen oder
die Herstellung ingenieurtechnischer Bauwerke/-teile zur Wahl. Die erdbautechnische Lösung, das
Ausräumen der Bruchmassen bis unterhalb der Gleitfläche und der Wiedereinbau von ausreichend
scherfestem Material, wurde aufgrund der großen Aushubtiefen und -kubaturen sowie der erforderlichen
Wasserhaltungsmaßnahmen in tiefen Baugruben und dem damit verbundenen hohen Bauaufwand verworfen.
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Es wurde eingeschätzt, dass unter den konkreten Bedingungen eine Verdübelung der Böschung gegenüber
rückverankerter Stützkonstruktionen die zweckmäßigste und effektivste Variante darstellt.
Die Verdübelung ist eine vielfach bewährte Methode zur Böschungsstabilisierung. Die Vorteile bestehen u.a.
in der großen erreichbaren Tiefe, der schnellen Wirkung und der Möglichkeit zur Nachverdübelung beim
Eintreten zusätzlicher destabilisierender Faktoren. Das Wirkungsprinzip der Verdübelung beruht auf der
Aufnahme der zum Erreichen des Böschungsgleichgewichtes erforderlichen Defizitkraft in der potentiellen
Gleitfläche durch stabartige oder scheibenförmige Sicherungselemente, die i.d.R. raster- oder reihenförmig
angeordnet werden. Der Wirkungsmechanismus einer solchen Verdübelung ist für eine Böschung im
geschichteten Gebirge in Abbildung 7 skizziert.
E
Dübel = Bohrpfahl
potentielle Gleitfläche
R
Abbildung 7:
7
Wirkungsmechanismus einer Böschungsverdübelung im geschichteten Gebirge
Planung und Bemessung der Böschungsverdübelung
Auf der Grundlage des erstellten Baugrund- bzw. Bruchkörpermodells wurde eine Bruchscherfestigkeit der
Gleitfläche von ´ = 17° (c´ = 0) im Grenzgleichgewicht ermittelt (Abbildung 8).
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Berechnungsgrundlagen DIN 4084 / DIN 1054
Rückrechnung mit
 = 1,0
Querschnitt 4+107 (zentraler Bruchbereich)
µ = 1,0
Ergebnis ‘GF  17 °
Abbildung 8:
Ermittlung der Bruchscherfestigkeit der Gleitfläche
Durch die rechnerische Untersuchung weiterer Querschnitte konnte nachgewiesen werden, dass auf Grund
des schräg zum Böschungsfuß orientierten Streichens der Störung und der damit verbundenen Änderung der
geometrischen Randbedingungen in den Außenbereichen des Böschungsgrundbruches die Standsicherheit
zunimmt und außerhalb des Bruchkörpers kein Standsicherheitsdefizit mehr besteht. Für den Bruchbereich
wurde die Defizitkraft zur Erreichung des zulässigen Ausnutzungsgrades µ nach DIN EN 1997 an vier
maßgebenden
Querschnitten
auf
Grundlage
der
in
der
ebenen
Gleitfläche
geltenden
Gleichgewichtsbedingung (1) bestimmt.
𝐸
𝜇 = 𝑅𝑑 = 𝑇
𝑑
𝐻𝑑
𝑑 +𝑅𝑡𝑟,𝑑
≤ 1,0
𝑅𝑡𝑟,𝑑 ≥ 𝐻𝑑 − 𝑇𝑑
Hd
= Bemessungswert der Einwirkungen parallel zur Gleitfläche
Td
= Bemessungswert der Scherwiderstände parallel zur Gleitfläche
(1)
(2)
Rtr,d = Bemessungswert quer belasteter Pfähle (Haltekraft)
Der Bemessungswert der je Pfahl erforderlichen Haltekraft R*tr,d ergibt sich aus der ermittelten Haltekraft Rtr,d,
dem Pfahlabstand und bei mehrreihiger Verdübelung aus der Reihenanzahl nach folgender Beziehung (3):
∗
𝑅𝑡𝑟,𝑑
=
𝑅𝑡𝑟,𝑑 ×𝑎
𝑛
a
= Rasterabstand der Pfähle
n
= Anzahl der Pfahlreihen
(3)
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Für die Bemessung der Dübelpfähle wird der maßgebende Wirkungsmechanismus betrachtet, der im
Wesentlichen von der Schlankheit bzw. Steifigkeit der beteiligten Materialien und dem daraus resultierenden
Verformungsbild im Grenzzustand abhängig ist, vgl. Abbildung 9.
Abbildung 9:
Wirkmechanismen einer Verdübelung gemäß [U 6]
Im Anwendungsfall ist für den gewählten Pfahldurchmesser von 1,5 m das Verformungs- und
Bemessungsprinzip eines biegesteifen, in das unbewegte Gebirge eingespannten Pfahls nach Abbildung 9b)
maßgebend. Der Dübelpfahl wird mit der ermittelten Haltekraft in Höhe der steifen Kalksteinbank oberhalb der
Gleitfläche belastet. Im Gebirge unterhalb der Gleitfläche ist der Pfahl elastisch gebettet eingespannt. Die
resultierenden Bettungsspannungen entsprechen dem Belastungsbild, das der Schnittkraftermittlung zur
Bemessung des Dübelpfahls zugrunde liegt. Zu berücksichtigen ist, dass die Schnittkraftermittlung gemäß DIN
1054 zunächst mit charakteristischen Einwirkungen ermittelt und die Schnittkräfte erst anschließend in
Bemessungswerte umgerechnet werden (Abbildung 10).
Abbildung 10:
Schnittkraftermittlung zur Bemessung des Dübelpfahls
Die Ergebnisse der Pfahlbemessung nach DIN EN 1992 sind in nachfolgender Tabelle 1 zusammengestellt.
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Tabelle 1:
Übersicht querschnittsbezogene Ermittlung der Pfahleinwirkung und Pfahlbewehrung
Querschnitt
Bemessung nach DIN EN 1992
As, längs
As, quer
Md [kNm]
[cm²]
[cm²]
Rtr,k
[kN/lfm]
Raster
a [m]
Reihen
Anzahl n
R*tr,k [kN]
I [4+040]
592,8
5
1
2.964
4.192
137,1
48,0
II [4+060]
2001,1
5
3
3.335
5.303
185,8
53,2
III [4+107]
1769,6
5
3
2.949
3.852
125,5
49,9
IV [4+160]
414,1
5
1
2.071
2.988
104,1
33,4
[Bau-km]
Rasterabstand und Anzahl der Pfahlreihen wurden nach wirtschaftlichen und baubetrieblichen Aspekten
gewählt. Zwischen den Berechnungsquerschnitten wurde bei unterschiedlicher Reihenanzahl eine
konstruktive Staffelung vorgenommen (Abbildung 11).
Abbildung 11:
8
Darstellung der reihenweise gestaffelten Dübelpfahlanordnung
Bauausführung
Zur Böschungssanierung wurden im Mai 2011 insgesamt 72 St. Dübelbohrpfähle mit einem Durchmesser von
1,5 m und einer Länge von 20 m hergestellt. Zur Vorbereitung der Bohrarbeiten wurde eine bauzeitlich
standsichere Bohr- und Arbeitsebene geschaffen (Abbildung 12).
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Arbeitsebene
Abbildung 12:
Darstellung Arbeitsebene und Dübelpfahlanordnung Bau-km 4+100 mit Bewehrungsdetail
Nachfolgende Bilder vermitteln einen Eindruck von der Baudurchführung und vom Zustand nach Fertigstellung
der Dammsanierung.
Bild 3: Herstellung der Dübelbohrpfähle im Mai 2011
9
Bild 4: Fertiggestellte Dammsanierung
Zusammenfassung, Fazit
Im Ergebnis der Erkundung konnte ein plausibles geologisch-geomechanisches Bruchkörpermodell erstellt
und durch numerische Untersuchungen sowie ein begleitendes Monitoring verifiziert werden. Anhand des
Modells wurde nachgewiesen, dass eine unmittelbar unter der Dammflanke verlaufende Störungszone mit
ungünstig einfallenden Schichten ursächlich für das Bruchversagen war. Im Weiteren konnte das
Baugrundrisiko realistisch beurteilt und eine hinreichend genaue Planungsgrundlage erstellt werden. Damit
war die Voraussetzung für eine sichere und wirtschaftliche Sanierung geschaffen.
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Die Lösung der vergleichsweise komplexen Aufgabenstellung konnte im vorliegenden Fall dadurch erreicht
werden, dass bewährte Untersuchungsmethoden schrittweise eingesetzt und miteinander kombiniert wurden.
Die Zwischenergebnisse wurden jeweils auf Plausibilität geprüft und der Kenntnisstand in interdisziplinärer
Zusammenarbeit vervollständigt. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und dessen
Akzeptanz dieser Vorgehensweise waren dabei wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss
der Untersuchungen und auch der anschließenden Sanierung. Die gebrochene Dammböschung wurde durch
Herstellung eines normgerechten Standsicherheitsniveaus erfolgreich saniert. Die Sanierungsarbeiten
konnten ca. 1 Jahr nach Feststellung des Schadens und damit rechtzeitig vor der planmäßigen Inbetriebnahme
der Fahrbahn abgeschlossen werden.
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Unterlagenverzeichnis
[U 1]
Eurocode 7:
Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1:
Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung DIN EN 1997-1:2004 + AC:2009 (Sept. 2009) +
A1:2013
[U 2]
DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende
Regelungen zu DIN EN 1997-1 (Dez. 2010)
[U 3]
DIN 4084 Baugrund; Gelände- und Böschungsbruchberechnungen (01’2009)
[U 4]
Deutsche
Gesellschaft
für
Geotechnik,
DGGT
[Hrsg.],
2012:
Empfehlungen
des
Arbeitskreises "Pfähle. Verlag Ernst & Sohn 2012"
[U 5]
DIN EN 1997-1:2009-09, Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der
Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004+AC:2009
[U 6]
Brandl, H.: "Stützbauwerke und konstruktive Hangsicherungen", K. J. Witt (Hrsg.):
Grundbautaschenbuch, 7. Auflage, Band 3,Ernst & Sohn Verlag, Berlin 2009
Zugehörige Unterlagen
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