13. Erdbaufachtagung „Sicherungen im Erd-, Fels- und Grundbau“ Erkundung eines Böschungsgrundbruches und Planung einer Böschungsverdübelung an der BAB A4 bei Magdala Referent Dipl.-Ing. Aiko Stockmann witt & partner geoprojekt GmbH Tel.: Fax: Tagungsort +49 3643 77399-81 +49 3643 77399-28 Ramada Hotel Leipzig Schongauer Straße 29 04329 Leipzig Tel.: Termin +49 341 2540 02./03. März 2017 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen 1 Einleitung Die Herstellung standsicherer Dämme und Einschnitte ist eine wesentliche Aufgabe im Erdbau. Sowohl die Analyse und Einschätzung der Tragfähigkeit von Dammaufstandsflächen und der Standsicherheit von Böschungen als auch die darauf aufbauende Planung von Sicherungsmaßnahmen stellen zentrale und oft schwierige ingenieurgeologische bzw. geotechnische Aufgaben dar. Die Herausforderung besteht neben der Erstellung eines hinreichend genauen Baugrundmodells im Erkennen potentieller Bruchmechanismen, in der Abschätzung der mobilisierbaren Scherwiderstände und der Planung zweckmäßiger Maßnahmen zur Erhöhung der Standsicherheit. Mögliche Bruchmechanismen werden von den geometrischen Randbedingungen, den geologischen Verhältnissen und der Art der Einwirkungen beeinflusst. Bei den Baugrundverhältnissen spielen oft abgeminderte Scherfestigkeiten, Porenwasserdrücke und geologische Anomalien eine wesentliche Rolle. Sofern ungünstige Einflüsse bei der Baugrunderkundung, Planung oder Herstellung nicht erkannt oder nicht beachtet wurden, können Schäden eintreten, die eine anschließende Sanierung erforderlich machen. Aus der vielfältigen Kombination von geologischen Bedingungen und möglicher technischer Maßnahmen behandelt dieser Beitrag einen Schadensfall, bei dem die Böschungssanierung durch eine Verdübelung mit Bohrpfählen umgesetzt wurde. Die Besonderheit bestand darin, dass die Erstellung eines plausiblen und hinreichend genauen Baugrundmodells auf Grund komplizierter geologischer Verhältnisse vergleichsweise aufwendig und nur mittels einer mehrstufigen Erkundung möglich war. 2 Baumaßnahme Im Zuge des Baus der neutrassierten BAB A4 westlich von Jena wurde ab 2008 ein neuer Straßendamm auf mehreren Kilometern Strecke und mit Höhen bis ca. 20 m geschüttet. Der Damm verläuft im betreffenden Streckenabschnitt auf einem mit etwa 5° flach nach Nordost geneigten Hang. In Abbildung 1 ist ein repräsentativer Dammquerschnitt mit den wesentlichen geometrischen Angaben dargestellt. Danach besitzen die Dammböschungen Neigungen von 1:1,8; auf den Böschungsschultern sind Lärmschutzwälle angeordnet. 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen N S 130 m 18 m 35 m Abbildung 1: Dammquerschnitt Bau-km 4+100 Gemäß Baugrundgutachten war prinzipiell von einem für die Dämme ausreichend tragfähigen Baugrund auszugehen. Im gesamten Dammbereich stehen Gesteine des Oberen Muschelkalks, einer Wechsellagerung aus Mergel- und Kalksteinen, an. Die Festgesteine werden geringmächtig von Hangschutt und Hanglehm überlagert. Die Dammaufstandsflächen wurden von der geotechnischen Baubegleitung abgenommen; lokal wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Tragfähigkeit, u.a. durch Bindemittelbehandlung bzw. Bodenaustausch, vorgegeben. 3 Schadensbild und Sofortmaßnahmen Im Sommer 2010, ca. ein halbes Jahr nach der Fertigstellung des Dammes und bereits monatelanger Nutzung als Baustraße für Erdstofftransporte, wurde ein Schaden an der nördlichen Dammböschung anhand deutlicher Verformungen, Risse an der Dammschulter und einer wulstartigen Aufschiebung am Dammfuß festgestellt. Bild 1: Schadensbild an der Böschungsschulter Bild 2: Schadensbild am Böschungsfuß 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Das Schadensbild an der Böschungsschulter in Bild 1 weist für Böschungsbrüche typische Merkmale, wie eine steile Abrisskante sowie m-tiefen und dm-breite Zugrisse, auf. Das Bruchbild erstreckte sich über ca. 150 m Länge, wobei die Längsrisse spitzwinklig zur Trasse verliefen und bis ca. 10 m hinter die Böschungsschulter reichten. Vergleichsweise untypisch waren die im Vergleich zur Dammschulter geringen Verformungen am Dammfuß (Bild 2) und eine bis 0,3 m hohe Wulstbildung in einer Entfernung bis 35 m vor dem Dammfuß. Da im unmittelbaren Bruchbereich keine Bautätigkeit stattfand, lagen zum genauen Eintrittszeitpunkt und zur zeitlichen Entwicklung des Bruchs keine Kenntnisse vor. Als geotechnische Baubegleitung bestand für uns die vordringliche Aufgabe, Sofortmaßnahmen festzulegen und anschließend die Schadensursache zu untersuchen. Im Rahmen der Erkundung der Schadensursache waren u.a. Fragen hinsichtlich der Verantwortlichkeit sowie der Abgrenzung des potentiellen Gefährdungsbereiches zu beantworten und weiterhin die geotechnischen Grundlagen für die Planung einer zweckmäßigen Sanierungsmaßnahme zu schaffen. Für diese komplexe Aufgabenstellung war es praktisch unumgänglich, die Bearbeitung und Untersuchung schrittweise vorzunehmen. Entsprechend dem Schadensbild konnte von einem Böschungsgrundbruch, also einem Verlauf der Gleitfläche unterhalb des Böschungsfußes ausgegangen werden. Ein unmittelbar am Böschungsfuß hergestellter Baggerschurf ermöglichte eine erste Einschätzung der Baugrundverhältnisse, lieferte jedoch keine Hinweise auf das Vorhandensein einer potentiellen Gleitfläche. Unmittelbar nach der Feststellung und Erstbegutachtung des Schadens waren Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung und zur Sicherung des Schadensbereiches vorzusehen. In Abstimmung mit der Bauüberwachung und dem Bauherrn wurden angeordnet: 1. Absperrung des Schadensbereiches mittels Bauzaun bei einem Mindestabstand von 10 m zwischen Baustraßen und vorhandenen Rissen 2. Anlegen von Gräben zur Vermeidung des Zufließens von Oberflächenwasser aus dem Planumsbereich 3. Teilabtrag von ca. 2000 m³ Rutschmassen und Anschüttung am Böschungsfuß zur Entlastung der Böschung, zur Minderung Erkundungsarbeiten der progressiven Bruchentwicklung und in Vorbereitung der 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen 4 Mehrstufige Erkundung 4.1 Recherche Baudokumentation und Baugrundverhältnisse Im ersten Schritt zur Untersuchung der Schadensursachen wurden im Sinne einer Grundlagenermittlung vorhandene Unterlagen zur Baugrundsituation und der Baudokumentation recherchiert: 1. Die Herstellung der Dammaufstandsflächen und des Dammkörpers war in den Bauakten durch Abnahmeprotokolle sowie Qualitätsprüfergebnisse dokumentiert. Die Dammschüttung wurde ZTVE-gerecht aus dem im Trassenbereich anfallenden Aushubmaterial, vorwiegend bestehend aus gemischtkörnigen bis bindigen Böden und zerkleinertem, veränderlich festem Triasgestein, hergestellt. Ergebnis: Aus der Baudokumentation ließen sich keine Rückschlüsse auf bautechnisch bedingte Schadensursachen schließen. 2. Die im Rahmen der Streckenerkundung (WBI, 2006) in der Nähe des Schadensbereiches abgeteuften Bohrungen wiesen recht einheitliche Baugrundverhältnisse mit vergleichsweise guten Tragfähigkeiten aus. Danach stehen unter einer geringen Lockergesteinsbedeckung Festgesteine des Oberen Muschelkalks an. In den Schichtenverzeichnissen ist eine söhlige Lagerung der Festgesteine ausgewiesen. Ergebnis: Die vorhandenen Erkundungsergebnisse ergaben keine Hinweise auf baugrundbedingte Schadensursachen. 3. Aus der Recherche der regionalgeologischen Verhältnisse ergaben sich Indizien für eine gestörte Lagerung der anstehenden Festgesteine. Danach verläuft trassennah die Störungszone des Magdalaer Grabens, die von herzynisch (NW-SO), annährend parallel zur Trasse streichenden Hauptstörungen begrenzt wird. In unmittelbarer Nähe des Schadensbereiches sind ausstreichende Leitbänke (moCC, moGC) des Oberen Muschelkalks mit lokal gemessenen Einfallwinkeln von 8 bzw. 25° und einer Einfallrichtung etwa rechtwinklig zur Trasse dokumentiert. Ergebnis: Die Baugrundverhältnisse können lokal stark gestört sein. Eine baugrundbedingte Schadensursache war anzunehmen. 4.2 Ersterkundung Parallel zur Grundlagenermittlung wurde eine Bestandsvermessung des Schadensbereiches vorgenommen und Messpunkte hergestellt. Auf der Grundlage der Bestandvermessung wurde der Umfang der Ersterkundung festgelegt (Abbildung 2). Bauakademie Sachsen Abbildung 2: 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Lageplan Schadensbereich (gelb) mit Messmarken (rot) und Aufschlusspunkten der Ersterkundung Der Schwerpunkt der Ersterkundung lag im Wesentlichen auf der Erkundung des zentralen Bruchbereiches. Die insgesamt 8 Kernbohrungen wurde mit jeweils einer schweren Rammsondierung ergänzt, um die Lagerungsverhältnisse bzw. Steifigkeiten der geschütteten und gewachsenen Böden einschätzen zu können. Zur Klassifizierung des Dammschüttmaterials und des Baugrundes wurden Proben entnommen und bodenmechanische Laborversuche durchgeführt. Die rasterförmig im Schadens- und Randbereich hergestellten Messmarken dienten einem Verformungsmonitoring. Im Zuge der Ersterkundung wurde zusätzlich der Ausbau einer Bohrung zu einer Grundwassermessstelle sowie einer weiteren Bohrung zu einem Vertikalinklinometer veranlasst. 4.2.1 Baugrundaufschlüsse In Abbildung 3 ist ein schematisches Bohrprofil des Schadensbereiches am Böschungsfuß sowie ein Bohrkernfoto dargestellt. In allen Bohrungen entlang des Böschungsfußes wurde in Tiefen zwischen 7 und 12 m u.GOK eine markante Kalksteinbank (moGC-Glaukonitbank) erbohrt, die mit 20-25° flach einfällt (Kernfoto). Durch Parallelisierung der Bohrergebnisse wurde festgestellt, dass die Einfallrichtung der Bank annähernd der Böschungsfallrichtung entspricht. Der Zustand der Dammschüttung und der Lockergesteinsüberdeckung entsprach mit einem vorwiegend bindigen Charakter und steifer Konsistenz den Erwartungen und war damit eher unauffällig. In Verbindung mit den Sondierergebnissen konnte der Verlauf der Gleitfläche innerhalb des Dammes anhand lokaler Auflockerungszonen nachgewiesen werden. 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Ergebnis: Die Bohrergebnisse belegen das Vorhandensein einer an eine Kalksteinbank gebundenen potentiellen Gleitzone. Nicht eindeutig festzustellen war der exakte Gleithorizont sowie dessen Verlauf im Bereich des Böschungsfußes und -vorlandes. Abbildung 3: 4.2.2 Schnitt mit exemplarischem Bohrprofil und Kernfoto der Kalksteinbank (moGC) Verformungsmonitoring Die auf der Böschung angelegten geodätischen Messmarken (vgl. Abbildung 2) wurden regelmäßig, während der Erkundungsphase 2x wöchentlich eingemessen. Anhand Verformungsbeträge, -richtung und -geschwindigkeit ermittelt werden. der Messergebnisse konnten die Bauakademie Sachsen Abbildung 4: 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Ergebnisse der geodätischen Kontrollmessungen Die Abbildung 4 zeigt den Verformungsverlauf der Messmarken eines Böschungsquerschnitts nach Beginn des Monitorings und der Massenumlagerung zur Entlastung der Böschung Mitte Juli 2010. In den ersten 4 Wochen nach der Massenumlagerung wurde zunächst ein Stillstand der Rutschmassen festgestellt. Anschließend setzten die Bewegungen, vermutlich ausgelöst durch die in diesem Zeitraum aufgetretenen Starkniederschläge (mtl. Niederschlagsmenge 170 mm), wieder ein und verdeutlichten das sich progressive fortsetzende Bruchverhalten der Böschung. In Trassenlängsrichtung ergab sich keine Änderung der Bruchkörpergeometrie. Ergebnis: Mit Hilfe des geodätischen Messmonitorings waren die räumliche und zeitliche Erfassung der Bruchkörperbewegung und damit auch die Abgrenzung des aktiven Bruchbereiches möglich. Mit Hilfe der Verformungsvektoren konnte das geomechanische Bruchmodell verifiziert werden. Die Messergebnisse des Vertikalinklinometers zeigten, dass der Bruchkörper bis in das Niveau der Kalksteinbank (moGC) bei 12-13 m u.GOK reicht. Das Abscheren des Messrohres in einer Tiefe von 13 m bestätigte, dass die Gleitfläche an der Unterkante der Bank liegt. Ergebnis: Die exakte Lage der Gleitfläche als eine entscheidende Größe innerhalb des geomechanischen Modells wurde identifiziert. 4.3 Kenntnisdefizite und Nacherkundung Im Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen konnte das geologisch-geomechanische Bruchkörpermodell schon recht plausibel nachgebildet werden. Kenntnisdefizite bestanden noch hinsichtlich des Verlaufs der Gleitfläche vor dem Böschungsfuß und der Abgrenzung des potentiell bruchgefährdeten Bereiches in Trassenlängsrichtung. Zur Beantwortung diese offenen Fragen wurden weitere 10 Bohrungen sowie ein Bauakademie Sachsen 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Schurf an der Bruchfront durchgeführt. Eine dieser Bohrungen vor dem Böschungsfuß wurde zur Verifizierung des vorläufigen Bruchkörpermodells als Inklinometer ausgebaut. 5 Baugrundmodell Im Schurf vor dem Böschungsfuß konnte der Verlauf der als Gleitfläche wirkende Schichtgrenze zwischen Kalksteinbank (moGC) und den im Liegenden anstehenden Tonmergelsteinen erfasst werden. Danach taucht die Gleitfläche annährend linear mit einem Winkel von 15° ab. Die Tonmergelsteine waren oberflächig aufgeweicht, die Scherfestigkeit deutlich herabgesetzt. Mit diesen Feststellungen sowie anhand der Ergebnisse der ergänzenden Bohrungen und des Messmonitorings wurde das Bruchkörpermodell vervollständigt. Es fügt sich zu einem Bruchmodell, das maßgeblich durch die an eine am Böschungsfuß verlaufende Störung gebundene, gegeneinander gerichtete Verkippung der Schichten bestimmt wird. Die spezielle Lage und Ausbildung dieser Schichten führen zu einer Verringerung der Tragfähigkeit, insbesondere in dem von Schubkräften beanspruchten Bereich des Böschungsfußes. Die Gleitfläche lässt sich als polygonal zusammengesetzter Bruchkörper beschreiben, die sich aus einer gekrümmte Gleitfläche innerhalb des Dammes und zwei nahezu geradlinigen Gleitflächen im Dammuntergrund an der Unterseite der Kalksteinbank (moGC) zusammensetzt (Abbildung 5). Ergebnis: Anhand des Modells konnte belegt werden, dass eine unmittelbar unter der Dammflanke verlaufende Störung mit ungünstig gegeneinander verstellten Schichten ursächlich für das Böschungsgrundbruch einzustufende Bruchversagen war. Abbildung 5: Vervollständigtes Baugrundmodell als Bauakademie Sachsen 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Durch die Auswertung der zusätzlichen Bohrungen konnte die räumliche Orientierung der für das Bruchkörpermodell maßgebenden Störung ermittelt werden (Abbildung 6). Die Störung verläuft analog zum Rissbild spitzwinklig zur Böschung, wobei der Schnittpunkt zwischen Böschungsfuß und Störung etwa im Zentrum des Bruches liegt. In den weiter außerhalb des Schadensbereiches erkundeten Querschnitten wurde eine söhlige Lagerung der Festgesteine festgestellt und damit weitgehend ausgeschlossen, dass in der näheren Umgebung vergleichbare ungünstige Baugrundverhältnisse vorliegen. Abbildung 6: 6 Lageplan mit Verlauf der maßgebenden Störung Sanierungskonzept Die Festlegung einer geeigneten Variante zur Dammsanierung und Herstellung eines standsicheren Zustandes wurde im Ausschlussverfahren getroffen. Prinzipiell sind Maßnahmen zielführend, mit denen entweder die aktivierenden Effekte bzw. Einwirkungen reduziert oder die Widerstände im Baugrund erhöht werden. Unter den Randbedingungen einer planfestgestellten Dammgeometrie kamen Maßnahmen zur Reduzierung der Einwirkungen, wie z.B. eine dauerhafte Vorschüttung oder die Reduzierung der Dammhöhe oder -neigung, nicht in Frage. Um die Widerstände im Baugrund zu erhöhen, standen erdbautechnische Maßnahmen oder die Herstellung ingenieurtechnischer Bauwerke/-teile zur Wahl. Die erdbautechnische Lösung, das Ausräumen der Bruchmassen bis unterhalb der Gleitfläche und der Wiedereinbau von ausreichend scherfestem Material, wurde aufgrund der großen Aushubtiefen und -kubaturen sowie der erforderlichen Wasserhaltungsmaßnahmen in tiefen Baugruben und dem damit verbundenen hohen Bauaufwand verworfen. 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Es wurde eingeschätzt, dass unter den konkreten Bedingungen eine Verdübelung der Böschung gegenüber rückverankerter Stützkonstruktionen die zweckmäßigste und effektivste Variante darstellt. Die Verdübelung ist eine vielfach bewährte Methode zur Böschungsstabilisierung. Die Vorteile bestehen u.a. in der großen erreichbaren Tiefe, der schnellen Wirkung und der Möglichkeit zur Nachverdübelung beim Eintreten zusätzlicher destabilisierender Faktoren. Das Wirkungsprinzip der Verdübelung beruht auf der Aufnahme der zum Erreichen des Böschungsgleichgewichtes erforderlichen Defizitkraft in der potentiellen Gleitfläche durch stabartige oder scheibenförmige Sicherungselemente, die i.d.R. raster- oder reihenförmig angeordnet werden. Der Wirkungsmechanismus einer solchen Verdübelung ist für eine Böschung im geschichteten Gebirge in Abbildung 7 skizziert. E Dübel = Bohrpfahl potentielle Gleitfläche R Abbildung 7: 7 Wirkungsmechanismus einer Böschungsverdübelung im geschichteten Gebirge Planung und Bemessung der Böschungsverdübelung Auf der Grundlage des erstellten Baugrund- bzw. Bruchkörpermodells wurde eine Bruchscherfestigkeit der Gleitfläche von ´ = 17° (c´ = 0) im Grenzgleichgewicht ermittelt (Abbildung 8). 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Berechnungsgrundlagen DIN 4084 / DIN 1054 Rückrechnung mit = 1,0 Querschnitt 4+107 (zentraler Bruchbereich) µ = 1,0 Ergebnis ‘GF 17 ° Abbildung 8: Ermittlung der Bruchscherfestigkeit der Gleitfläche Durch die rechnerische Untersuchung weiterer Querschnitte konnte nachgewiesen werden, dass auf Grund des schräg zum Böschungsfuß orientierten Streichens der Störung und der damit verbundenen Änderung der geometrischen Randbedingungen in den Außenbereichen des Böschungsgrundbruches die Standsicherheit zunimmt und außerhalb des Bruchkörpers kein Standsicherheitsdefizit mehr besteht. Für den Bruchbereich wurde die Defizitkraft zur Erreichung des zulässigen Ausnutzungsgrades µ nach DIN EN 1997 an vier maßgebenden Querschnitten auf Grundlage der in der ebenen Gleitfläche geltenden Gleichgewichtsbedingung (1) bestimmt. 𝐸 𝜇 = 𝑅𝑑 = 𝑇 𝑑 𝐻𝑑 𝑑 +𝑅𝑡𝑟,𝑑 ≤ 1,0 𝑅𝑡𝑟,𝑑 ≥ 𝐻𝑑 − 𝑇𝑑 Hd = Bemessungswert der Einwirkungen parallel zur Gleitfläche Td = Bemessungswert der Scherwiderstände parallel zur Gleitfläche (1) (2) Rtr,d = Bemessungswert quer belasteter Pfähle (Haltekraft) Der Bemessungswert der je Pfahl erforderlichen Haltekraft R*tr,d ergibt sich aus der ermittelten Haltekraft Rtr,d, dem Pfahlabstand und bei mehrreihiger Verdübelung aus der Reihenanzahl nach folgender Beziehung (3): ∗ 𝑅𝑡𝑟,𝑑 = 𝑅𝑡𝑟,𝑑 ×𝑎 𝑛 a = Rasterabstand der Pfähle n = Anzahl der Pfahlreihen (3) Bauakademie Sachsen 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Für die Bemessung der Dübelpfähle wird der maßgebende Wirkungsmechanismus betrachtet, der im Wesentlichen von der Schlankheit bzw. Steifigkeit der beteiligten Materialien und dem daraus resultierenden Verformungsbild im Grenzzustand abhängig ist, vgl. Abbildung 9. Abbildung 9: Wirkmechanismen einer Verdübelung gemäß [U 6] Im Anwendungsfall ist für den gewählten Pfahldurchmesser von 1,5 m das Verformungs- und Bemessungsprinzip eines biegesteifen, in das unbewegte Gebirge eingespannten Pfahls nach Abbildung 9b) maßgebend. Der Dübelpfahl wird mit der ermittelten Haltekraft in Höhe der steifen Kalksteinbank oberhalb der Gleitfläche belastet. Im Gebirge unterhalb der Gleitfläche ist der Pfahl elastisch gebettet eingespannt. Die resultierenden Bettungsspannungen entsprechen dem Belastungsbild, das der Schnittkraftermittlung zur Bemessung des Dübelpfahls zugrunde liegt. Zu berücksichtigen ist, dass die Schnittkraftermittlung gemäß DIN 1054 zunächst mit charakteristischen Einwirkungen ermittelt und die Schnittkräfte erst anschließend in Bemessungswerte umgerechnet werden (Abbildung 10). Abbildung 10: Schnittkraftermittlung zur Bemessung des Dübelpfahls Die Ergebnisse der Pfahlbemessung nach DIN EN 1992 sind in nachfolgender Tabelle 1 zusammengestellt. 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Tabelle 1: Übersicht querschnittsbezogene Ermittlung der Pfahleinwirkung und Pfahlbewehrung Querschnitt Bemessung nach DIN EN 1992 As, längs As, quer Md [kNm] [cm²] [cm²] Rtr,k [kN/lfm] Raster a [m] Reihen Anzahl n R*tr,k [kN] I [4+040] 592,8 5 1 2.964 4.192 137,1 48,0 II [4+060] 2001,1 5 3 3.335 5.303 185,8 53,2 III [4+107] 1769,6 5 3 2.949 3.852 125,5 49,9 IV [4+160] 414,1 5 1 2.071 2.988 104,1 33,4 [Bau-km] Rasterabstand und Anzahl der Pfahlreihen wurden nach wirtschaftlichen und baubetrieblichen Aspekten gewählt. Zwischen den Berechnungsquerschnitten wurde bei unterschiedlicher Reihenanzahl eine konstruktive Staffelung vorgenommen (Abbildung 11). Abbildung 11: 8 Darstellung der reihenweise gestaffelten Dübelpfahlanordnung Bauausführung Zur Böschungssanierung wurden im Mai 2011 insgesamt 72 St. Dübelbohrpfähle mit einem Durchmesser von 1,5 m und einer Länge von 20 m hergestellt. Zur Vorbereitung der Bohrarbeiten wurde eine bauzeitlich standsichere Bohr- und Arbeitsebene geschaffen (Abbildung 12). 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Arbeitsebene Abbildung 12: Darstellung Arbeitsebene und Dübelpfahlanordnung Bau-km 4+100 mit Bewehrungsdetail Nachfolgende Bilder vermitteln einen Eindruck von der Baudurchführung und vom Zustand nach Fertigstellung der Dammsanierung. Bild 3: Herstellung der Dübelbohrpfähle im Mai 2011 9 Bild 4: Fertiggestellte Dammsanierung Zusammenfassung, Fazit Im Ergebnis der Erkundung konnte ein plausibles geologisch-geomechanisches Bruchkörpermodell erstellt und durch numerische Untersuchungen sowie ein begleitendes Monitoring verifiziert werden. Anhand des Modells wurde nachgewiesen, dass eine unmittelbar unter der Dammflanke verlaufende Störungszone mit ungünstig einfallenden Schichten ursächlich für das Bruchversagen war. Im Weiteren konnte das Baugrundrisiko realistisch beurteilt und eine hinreichend genaue Planungsgrundlage erstellt werden. Damit war die Voraussetzung für eine sichere und wirtschaftliche Sanierung geschaffen. 13. Erdbaufachtagung – Dipl.-Ing. Aiko Stockmann Bauakademie Sachsen Die Lösung der vergleichsweise komplexen Aufgabenstellung konnte im vorliegenden Fall dadurch erreicht werden, dass bewährte Untersuchungsmethoden schrittweise eingesetzt und miteinander kombiniert wurden. Die Zwischenergebnisse wurden jeweils auf Plausibilität geprüft und der Kenntnisstand in interdisziplinärer Zusammenarbeit vervollständigt. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und dessen Akzeptanz dieser Vorgehensweise waren dabei wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der Untersuchungen und auch der anschließenden Sanierung. Die gebrochene Dammböschung wurde durch Herstellung eines normgerechten Standsicherheitsniveaus erfolgreich saniert. Die Sanierungsarbeiten konnten ca. 1 Jahr nach Feststellung des Schadens und damit rechtzeitig vor der planmäßigen Inbetriebnahme der Fahrbahn abgeschlossen werden. Dipl.-Ing. Aiko Stockmann, witt & partner geoprojekt GmbH Unterlagenverzeichnis [U 1] Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung DIN EN 1997-1:2004 + AC:2009 (Sept. 2009) + A1:2013 [U 2] DIN 1054 Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1 (Dez. 2010) [U 3] DIN 4084 Baugrund; Gelände- und Böschungsbruchberechnungen (01’2009) [U 4] Deutsche Gesellschaft für Geotechnik, DGGT [Hrsg.], 2012: Empfehlungen des Arbeitskreises "Pfähle. Verlag Ernst & Sohn 2012" [U 5] DIN EN 1997-1:2009-09, Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004+AC:2009 [U 6] Brandl, H.: "Stützbauwerke und konstruktive Hangsicherungen", K. J. Witt (Hrsg.): Grundbautaschenbuch, 7. Auflage, Band 3,Ernst & Sohn Verlag, Berlin 2009