Praxis in Deutschland und Österreich

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Theorie und Praxis der medizinanthropologischen Forschung
SE 634.701
Seminararbeit zum Thema: Migration und Gesundheit in Österreich
Eine aktuelle Bestandsaufnahme aus medizinanthropologischer Sicht
von: Mag. Alexandra Prinz
Matrikelnummer: 8802663
SS 2010
Inhaltsverzeichnis
Migration und Gesundheit- ein aktueller Überblick.......................................................3
Studium/Ausbildung......................................................................................................4
Grundlagen...................................................................................................................5
Projekte........................................................................................................................5
Kommunikation im Krankenhaus.................................................................................7
Ausgewählte Themenfelder.........................................................................................9
Migration und Alter.....................................................................................................10
Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere- Grundlagen in Europa.........11
Praxis in Deutschland und Österreich........................................................................12
(Gynäkologische) Behandlung muslimischer Frauen.................................................13
Lokale Einrichtungen für MigrantInnen...................................................................... 15
Unterschiedliche Gesundheits- und Krankheitstheorien.............................................15
Das salutogenetische Gesundheitsmodell.................................................................16
Felder der Medical Anthropology................................................................................18
Literaturnachweise.....................................................................................................19
2
Migration und Gesundheit Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen in Österreich
Im Österreichischen Gesundheitswesen ist Medical Anthropology noch kein sehr
bekannter Begriff, was mit der Ausbildung der MedizinerInnen in engem
Zusammenhang steht. Das Studium ist größtenteils naturwissenschaftlich orientiert
und bietet noch keinen verpflichtenden Besuch von Seminaren der Medical
Anthropology, obwohl das angesichts der zunehmenden Zahl von MigrantInnen in
Krankenhäusern sowohl als ÄrztInnen als auch als PatientInnen wünschenswert
wäre.
Medical Anthropology ist eine Querschnittsmaterie, in der sich Fachgebiete der
Medizin, Anthropologie, Philosophie und Soziologie treffen. Interdisziplinäres
Arbeiten zwischen den verschiedenen Disziplinen ist gefordert, was jedoch aufgrund
der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Ausrichtungen zu kontroversen
Auffassungen führt (Methoden und Zugangsweisen, qualitative und quantitative
Messkriterien).
Allgemein ist festzuhalten, dass sich durch den Zuzug von MigrantInnen nach
Österreich seit den 1960er Jahren vieles im Wandel befindet. Leider wird das Thema
„Gesundheit und Migration“ in Österreich noch nicht ausreichend wissenschaftlich
erforscht, vor allem im Bereich der Medizin gibt es Defizite. So wird dieses Gebiet
zwar aus soziologischer, anthropologischer und psychologischer Hinsicht beforscht,
einen Rahmen für eine breite gesellschaftspolitische Diskussion im Bereich
Gesundheit und Migration könnte die „Medical Anthropology“ bereitstellen, die in
Österreich eine noch junge Geschichte aufweist.
Aktuelle Auseinandersetzungen mit dem Thema können in Wien unter der Plattform
für Medical Anthropology geführt werden, die seit April 2010 online ist:
http://www.meduniwien.ac.at/med_audiovisuals/
3
An der Donau-Universität in Krems befindet sich soeben die Errichtung eines
Zentrums für Gesundheit und Migration, in dem an der Verbindung der Diskurse zu
Migration/Integration, Gesundheit/ Gesundheitsversorgung und der Gestaltung von
Arbeitswelten sowie interdisziplinär und international gearbeitet werden soll.
http://www.donauuni.ac.at/de/department/migrationglobalisierung/gesundheit/index.php
Studium/Ausbildung
In Österreich ist die Entwicklung der Medical Anthropology im Rahmen der
medizinischen Ausbildung erst am Beginn, (im Institut für Kultur-und
Sozialanthropolgie in Wien bereits seit 1986 möglich). Erst mit der Reform der
Medizinausbildung 2005 wurde Medical Anthropology als Wahlpflichtfach im Rahmen
einer EU-weiten Standardisierung von Ausbildungsplänen möglich1.
Der Rahmenlehrplan der Medizin entspricht diesbezüglich auch einer
ganzheitlicheren Auffassung von Gesundheit und Krankheit nach der WHODefinition, wonach „die Gesundheit ein Zustand des vollständigen körperlichen,
geistigen und sozialen Wohlergehens ist und nicht nur das Fehlen von Krankheit
oder Gebrechen.“2
Ziel der Ausbildungserweiterung ist die Sensibilisierung der zukünftigen ÄrztInnen für
die sozialen und kulturellen Hintergründe ihrer PatientInnen und die Auswirkungen
dieser „Stressoren“ auf ihre Gesundheit. Vor allem die Auswirkung des Sozialfaktors
im Zusammenhang mit Gesundheit, Prävention und Gesundheitsförderung wurde in
der vom naturwissenschaftlichen geprägten Krankheitsverständnis der
MedizinerInnen lange unterschätzt.
MedizinstudentInnen, die in ökonomisch minder entwickelten Ländern im Rahmen
eines Austauschprogramm Erfahrungen sammelten, gewinnen ein größeres
Vertrauen in ihre Fähigkeiten als ÄrztInnen, ein erweitertes Kostenbewusstsein,
einen adäquaten Umgang mit Technik in der Medizin und erlernen gleichzeitig die
1
Kutalek, Ruth; Prinz, Armin: Essays in Medical Anthropology, Wiener Ethnomedizinische Reihe,
Bd.6; S.19
2 Auszug aus der Verfassung der WHO, Stand Juni 2009,
aus: http://www.admin.ch/ch/d/sr/i8/0.810.1.de.pdf
4
Aufwertung von Cross-Cultural Communication. (Diverse Austauschprogramme
können bei www.amsa.at oder www.ippnw.at erfragt werden.)
Grundlagen
Eine Grundlage, warum sich das österreichische Gesundheitswesen hinkünftig
verstärkt mit der Situation von MigrantInnen auseinandersetzen sollte, bietet die von
der EU verabschiedete „Amsterdamer Erklärung“, nach der es in verschiedenen EULändern im Jahr 2005 Projekte in Krankenhäusern gab, die sich mit der Thematik
„Migration und Gesundheit“ im weitesten Sinn beschäftigten.
Ausgangspunkt des Migrant Friendly Hospital Projekts ist die Tatsache, dass es in
allen europäischen Ländern einen Zuzug durch MigrantInnen gibt, deren
Gesundheitszustand meist schlechter als jener der durchschnittlichen Bevölkerung
ist. Dies ist unter anderem auf den schlechteren sozioökonomischen Status dieser
Bevölkerungsgruppe zurückzuführen, aber auch auf traumatisierende
Migrationserlebnisse, die durch Flucht, Krieg, politische Verfolgung und Armut
bedingt sind.
Auch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen erstellte 2005 eine Studie
zum Thema „Interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen“3, deren Ergebnisse
bis heute auf eine flächendeckende Umsetzung warten.
Projekte
Obwohl es in Österreich noch keine Gesamtausrichtung wie z.B. in der Schweiz gibt,
(Strategie Migration und Gesundheit 2008-2013,
www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/07685/ ), macht man sich in einigen
Krankenhäusern auf Projektbasis Gedanken, wie man zur Verbesserung der
Gesundheitsversorgung von MigrantInnen beitragen kann.
Das SMZ-Süd wurde im Zuge des EU-Projektes ausgewählt und hat zu folgenden
Schwerpunkten gearbeitet:
3
Interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen; Hg. Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen, Wien, 2005
http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/attachments/6/5/0/CH0772/CMS1126253889077/bericht_interkulturelle_kompete
nz_im_gesundheitswesen.pdf
5
 migrantenfreundliche Serviceleistungen
 Mutter-Kind-Versorgung
 transkulturelles Kompetenztraining für Pflegepersonal
Gleichzeitig gab es auch ein ähnliches Projekt im Hanuschkrankenhaus
(Gynäkologie), das auch in einem sehr stark von MigrantInnen dominierten Bezirk
liegt (ca. 20%).
Als Ergebnis der Projektberichte ist festzuhalten, dass konkrete Schlüsse und
entsprechende Verbesserungen der eigenen Arbeit im Interesse der Patientinnen
gezogen werden können. Es zeigte sich, dass es erhebliche Unterschiede in der
Einschätzung von Migrantinnen zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal
gab, was im intensiveren Patientinnenkontakt des Pflegepersonals begründet sein
dürfte.
In der persönlichen Einstellung der Mitarbeiterinnen zu Migrantinnen spielen neben
Ausbildung und Berufsethos noch weitere Faktoren wie Erziehung, persönliche
Erfahrungen, gesellschaftliche Einflüsse und internalisierte (Vor-)Urteile eine Rolle.
Die dabei zustande kommenden Widersprüchlichkeiten und Divergenzen kommen
dabei besonders zum Tragen.
MigrantInnen werden oft überzeichnet wahrgenommen, was möglicherweise mit den
kommunikations- und kulturbedingten Barrieren zusammenhängt. „Ein hoher Anteil
an PatientInnen mit Migrationshintergrund wird für das Abteilungsimage als nicht
vorteilhaft eingeschätzt.“4 (Da dies in einem ähnlichen Zusammenhang auch in der
MFH-Studie des KFJ zu lesen war, wäre eine weitere Untersuchung interessant,
warum dies so ist und welche die zugrundeliegenden Ängste sind.)
Verglichen mit dem ärztlichen Personal neigte das Pflegepersonal im Sinne eines
vor-urteilsbeladenen ZuwanderInnenbildes zu pointierteren Stellungnahmen, wobei
der unterschiedliche Bildungsgrad der Berufsgruppen zu berücksichtigen ist.
Als Problemfelder wurden sowohl von ärztlichem als auch pflegerischem Personal
folgende Punkte (absteigend) aufgezählt: Deutschkenntnisse, muttersprachliche
Infos, Angehörige-Besucher, Compliance, Konflikte Inländer- Ausländer,
Stationsabläufe, religiöse Vorschriften.
Hanusch-Krankenhaus: Abschlussbericht „Gelebte Integration im Krankenhaus“, Wien, 2004. S.17
http://vgarchiv.orf.at/austria/de/pool/dokumente/Gelebte%20Integration%20im%20Krankenhaus%20%20Pilotprojekt%20Hanusch%20Abschlussbericht.pdf
4
6
Kommunikation im Krankenhaus
Ein besonderes Problem in der Betreuung von MigrantInnen bildet die
Kommunikation. Erst seit 2005 gibt es die gesetzliche Auflage, bei längerem
Aufenthalt im Land einen Deutschkurs zu besuchen, womit die Kommunikation in
öffentlichen Einrichtungen erleichtert werden soll. Im Gesundheitssystem versucht
man sich mit den immer noch vorherrschenden Defiziten Abhilfe zu schaffen, in dem
DolmetscherInnen (hauptsächlich für Türkisch und Serbokroatisch) in zu geringer
Anzahl zur Verfügung gestellt werden. Im Wiener Krankenanstaltenverbund stehen
dafür laut Direktion 6 hauptberufliche Dolmetscher (von 32.000 MitarbeiterInnen) zur
Verfügung. Es wird oft kritisiert, dass man sich bei Übersetzungen immer wieder auf
Kinder und Reinigungspersonal stützt, was eine/n professionelle/n DolmetscherIn
nicht ersetzen kann. Im Rahmen eines EU-Projektes wurden im Kaiser- Franz-JosefKrankenhaus medizinische Aufklärungsbögen in diversen Fremdsprachen aufgelegt,
wobei aber nicht berücksichtigt wurde, dass MigrantInnen auch AnalphabetInnen
sein können.
Während es in der Justiz im Rahmen von Asylverfahren ein gesetzlich verbrieftes
Recht auf eine/n DolmetscherIn gibt, ist die gesetzliche Lage für DolmetscherInnen
im Gesundheitsdienst unklar.
Aus einer Anfragebeantwortung aus dem Gesundheitsministerium bezüglich
fehlender Sprachkenntnisse und medizinische Behandlung geht hervor, „dass es
keine
expliziten
Regelungen
zur
Frage
mangelnder
Sprachkenntnisse
im
Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung gibt.“5
Aus dieser Beantwortung ergeben sich weitere Probleme auf Länderebene, da die
Bundesgesetzgebung hierbei keine klare Regelung vorsieht und die einzelnen
Bundesländer eine unterschiedliche Herangehensweise an diese Problematik haben.
ÄrztInnen und Pflegepersonal sowie PatientInnen sind nun mit einer unklaren
Rechtslage konfrontiert, die zwar einerseits dem/r PatientIn uneingeschränktes Recht
auf Aufklärung zusichert, andererseits kein Recht auf eine/n DolmetscherIn vorsieht,
sobald die Aufklärung in einer anderen Sprache als Deutsch stattfindet.
5
Anfragebeantwortung vom 16.4.2009, Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Silvia Füszl
7
Christoph Pammer beschreibt diesen Umstand folgendermaßen: „Die realen
Konsequenzen dieser Sprachbarriere bestehen für das Medizinsystem darin, dass an
die Leistungserbringer berufsethisch und rechtlich appelliert wird, MigrantInnen
gleichwertig zu versorgen und die Akteure dabei das Dilemma erfahren, keine
professionellen
Dolmetscherdienste
beiziehen
zu
können,
wofür
die
Leistungserbringer verantwortlich zeichnen.“6
Diese Verantwortlichkeit der Leistungserbringer ergibt sich auch aus einem Erlass
des KAV und regelt die Angelegenheit in Wien wie folgt:
„Dass die Kosten für Dolmetschleistungen von der jeweiligen Krankenanstalt zu
tragen sind, ergibt sich aus §44WKAG und Artikel 20 Abs.1 der geltenden
Vereinbarung gem. Artikel 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des
Gesundheitswesens. Leistungen, die erforderlich sind, um die Elemente des
Behandlungsvertrages zu erfüllen, sind mit der Zahlung der Pflegegebühren sowie
mit der Zahlung der Träger der Sozialversicherung an die Landesgesundheitsfonds
zur Gänze abgegolten.“7
Dieser Erlass wird – vermutlich im Hinblick auf dadurch entstehende Kosten –
insofern eingeschränkt, als in einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung durch die
Generaldirektion des KAV folgende Mitteilung lanciert wurde: „Danach sind bevorzugt
Sprachmittlerinnen und Sprachmittler heranzuziehen, danach sollte in Hinblick auf
das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (BGBl. Nr.318/1969)
das Konsulat des Herkunftslandes ersucht werden, entsprechende Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter zur Seite zu stellen. Erst danach sollte auf Dolmetscherinnen und
Dolmetscher zurückgegriffen werden.“8
Wenn ein/e österreichische/r Patient/in sich im Krankenhaus schlecht behandelt fühlt,
dann weiß er/sie sich an die Patientenanwaltschaft zu wenden, wo weitergeholfen
werden kann. Dieser Weg ist aber auch nur denen vorbehalten, die die Sprache
ausreichend beherrschen. Bedenkt man, dass MigrantInnen generell einer eher
schwächeren
Bevölkerungsgruppe
zuzuordnen
sind,
die
sich
nicht
nur
sozioökonomisch am unteren Ende der Gesellschaft befinden, kann sich ein/e
6
Pammer, Christoph: Migration und Public Health in Österreich, S.10 In: Sprenger, Martin (Hg):
Public Health in Österreich und Europa. Festschrift anlässlich der Emeritierung von Univ.Prof.
Dr.med.Horst Richard Noack PhD. Pabst Science Publishers, Lengenrich, 2005
http://www.emn.at/modules/typetool/pnincludes/uploads/Tagungsunterlagen_ final gesamt.pdf
7 GED-145/08/R vom 22.8.2008; Übersetzungsleistungen im Krankenhaus
8 e-mail von Mag. Klima Susanne vom 19.5.2009 (Rechtsabteilung AKH)
8
Patient/in, der/die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, nicht mal an die
Patientenanwaltschaft wenden. In der Regel fehlen sowohl Kenntnisse über
Institutionen und Rechtslage, die erforderlichen Sprachkenntnisse wie auch das
entsprechende
Selbstbewusstsein,
Patientenanwaltschaft
teilte
diesen
auf
Rechtsweg
die
Anfrage
zu
beschreiten.
über
Die
fehlende
PatientendolmetscherInnen und daraus folgende medizinische Fehlleistungen mit,
dass dieses Problem ungelöst noch nie aufgetreten sei.
In Wien versucht man das Problem mit mehrsprachigen MitarbeiterInnen im
Gesundheitssystem zu lösen. Es gibt aber zu wenige türkische ÄrztInnen und
Pflegepersonen, die als SprachmittlerInnen eingesetzt werden können. Die Tendenz
geht dahin, fachlich geeignete MigrantInnen in die Planung gesundheitspolitischer
Maßnahmen einzubinden.
Ausgewählte Themenfelder
Aufgrund der dargestellten Problembereiche (Kommunikation, kein gesamtheitliches
Rahmenkonzept über Einbeziehung von MigrantInnen im Gesundheitswesen, kaum
finanzielle Ressourcen), ergeben sich für die Zukunft folgende Themenfelder, die im
Rahmen von Medical Anthropology beforschbar wären. Dazu zählen (auszugsweise):
 Migration und Alter, Demenz
 gesundheitliche Situation von Menschen ohne Papiere
 unterschiedliche Gesundheits-und Krankheitskonzepte
 Flucht, Trauma, Folter
 Frauen in den Wechseljahren
 gyn. Behandlung muslimischer Frauen
 GFM- genital female mutilation
 Schmerzbehandlung von MigrantInnen
 Zwangsverheiratung
Einige dieser Themen sollen in den nächsten Abschnitten kurz vorgestellt werden:
9
Migration und Alter
Jene Migranten (in jener Zeit handelte es sich vorwiegend um männliche Migranten),
die in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Österreich (und andere Länder
Europas) gekommen sind, werden in Hinkunft in diesem Land alt und pflegebedürftig
sein. Sofern Pflege- und Betreuung – wie bisher in sehr großem Maße – nicht mehr
von der Familie übernommen werden können, werden MigrantInnen in erheblichem
Maße in öffentlichen Einrichtungen (Spitäler, Pflegeheime) untergebracht werden.
Ein wichtiges Thema, bevor es dazu kommt, wird in den betroffenen Familien die
jahrelange Überlegung nach der Rückkehr ins Heimatland sein. Da jedoch die
Mehrheit der MigrantInnen (Kinder, Enkelkinder der ersten Generation der
Neuzuwanderer) das Aufnahmeland als Heimatland ansieht, ist die Rückkehr von
GastarbeiterInnen auf wenige Ausnahmen beschränkt.
Studien, die das Themenfeld „Gesundheit und Migration“ näher beleuchten, sind
bisher auf Kinder und Schwangere begrenzt. Ein Statement aus Deutschland besagt:
„Will man die Situation der Arbeitsmigranten konkret unter gerontologischen bzw.
geriatrischen Gesichtspunkten analysieren, stößt man auf eine Reihe von
Schwierigkeiten. Zur gesundheitlichen Situation dieser Bevölkerungsgruppe liegen
nur sehr wenige gesicherte Daten vor, da die Gesundheitsstatistik die Migranten
entweder unter der zu allgemeinen und wenig aussagekräftigen Rubrik „Ausländer“
subsumiert oder gar keine Aussagen in bezug auf Nationalität macht.“9
In Österreich sieht die Situation nicht viel anders aus, statistisches Datenmaterial
fehlt auch hierzulande.
Die Institutionen sind auf die zukünftige Versorgung von sehr alten MigrantInnen
kaum vorbereitet. Ein Projektbericht der Asylkoordination (2004) zur „interkulturellen
Altenpflege in Wien“ ortet nach einer Befragung der betroffenen MigrantInnen
folgende Schwerpunkte:
 Dominanz der sozioökonomischen Lage
 Bleibeabsicht
9
Dietzel, Maria-Papakryakou, Obermann, Elke: Gesundheitliche Lage und Versorgung alter
Arbeitsmigranten in Deutschland, S.283, in: Marschalck, Peter et.al. (Hg.): Migration und Krankheit;
IMIS- Schriften 10, Universitätsverlag Rasch, 2001 Osnabrück, S.283-311
10
 Hohe Akzeptanz für ambulante Dienste (Wunsch nach muttersprachlicher
Betreuung)
 Hohe Akzeptanz für Wohnheime (multikulturell angelegt)
 Bedürfnis nach Erleichterung der sozialen Kontakten
 Skepsis bezüglich innerfamiliärer Versorgung10
Angesichts der demografischen Entwicklung und der Zunahme an Demenzkranken in
der Gruppe der Hochbetagten, zu denen hinkünftig auch MigrantInnen vermehrt
zählen werden, sollten in der gerontopsychiatrischen Versorgung kulturelle Aspekte
vermehrt berücksichtigt werden.
Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere
Grundlagen in Europa
Nachdem es in fast allen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Probleme in der
gesundheitlichen Versorgung von „undocumented migrants“11 gibt, wurde 2000 in
Brüssel die Platform PICUM (Platform for International Cooperation on
Undocumented Migrants) mit dem Ziel gegründet, die Beachtung der
Menschenrechte von Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere in Europa zu
födern. „Das Recht auf Gesundheitsversorgung ist in vielen internationalen
Abkommen und in nationalen Verfassungen garantiert. Es gilt für alle Menschen,
unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Nirgends in Europa ist der Zugang zur
Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere verboten.“12
Die Arbeit von PICUM besteht darin, die europäischen Sozial- und
Integrationsstandards so zu harmonisieren, dass Menschen ohne Papiere als
besonders vulnerable Gruppe zu ihrem Recht kommen.
Ein weiteres EU- Gesundheitsprojekt ist „Health Care in NowHereLand“, in dem der
Zugang, die Qualität und die Bereitstellung der Gesundheitsversorgung für
Kremla, Marion, Dogan Ramis: Ergebnisbericht „interkulturelle Altenpflege in Wien“, 2004
dieser Begriff ist in der internationalen Literatur für „Menschen ohne Papiere“ vorherrschend
12 Penteker, Gisela: Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere (95-105),S.98,
in: Borde, Thea et.al.: Lebenslage und gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere,
Frankfurt/Main 2009, Mabuse-Verlag
10
11
11
MigrantInnen auf lokaler Ebene garantiert werden soll (Projektleitung und koordination: Zentrum für Gesundheit und Migration an der Donau-Universität Krems)
Praxis in Deutschland und Österreich
„Menschen ohne Papiere haben zwar nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einen
Anspruch auf medizinische Leistungen. Dieses garantiert ihnen bei akuten
Erkrankungen, Schmerzzuständen und Schwangerschaften sowie bei Impfungen und
im begrenzten Umfang im Rahmen der Bereitstellung von Heil- und Hilfsmitteln eine
medizinische Behandlung. Die Kosten sind von den örtlichen Behörden zu tragen.
Diesen zentralen Rechtsanspruch lösen Menschen ohne Papiere selten ein.“ 13
Oft wird vergessen, dass das Recht auf Gesundheit ein Menschenrecht ist und somit
eine staatliche Verpflichtung, wobei sich die unterschiedlichen Sichtweisen in einer
ordnungspolitischen und einer menschenrechtlich orientierten Position messen
lassen.
In Deutschland gab es eine Diskussion über mangelnde Rechtssicherheit von
ÄrztInnen bei der Behandlung von Menschen ohne Aufenthaltstitel (nach § 96 Abs.1
Aufenthaltsgesetzes), weil ÄrztInnen die Daten der PatientInnen umgehend der
Meldebehörde übermitteln müssen. Dies schreckt sowohl viele „undocumented
migrants“ von der Inanspruchnahme medizinischer Hilfe ab sowie ÄrztInnen von der
Behandlung solcher PatientInnen. „Nach Aussagen der Bundesärztekammer .....gab
es bereits strafrechtliche Ermittlungsverfahren, bei denen es bislang jedoch nicht zu
Verurteilungen kam.“14 Von einer abschreckenden Wirkung bei entsprechender
Veröffentlichung in Ärztezeitungen kann ausgegangen werden.
„In der österreichischen Gesetzgebung gibt es für die Gesundheitsversorgung
undokumentierter MigrantInnen zwar keine spezifische Regelung, gemäß dem
österreichischen Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz darf jedoch in
öffentlichen Krankenanstalten in Notfällen ärztliche Hilfe niemandem verweigert
werden. Wird medizinische Behandlung in Anspruch genommen, müssen
undokumentierte MigrantInnen für die entstandenen Kosten selbst aufkommen, da
Aichele, Valentin: Über den Zugang zu medizinischer Versorgung von Menschen ohne Papiere –
die menschenrechtliche Perspektive (25-34), S.26 in Borde, Thea et.al.: Lebenslage und
gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere, Frankfurt/Main 2009, Mabuse-Verlag
14 Hoff, Benjamin-Immanuel: Gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus in
Berlin, (S.35-75), S.57 in Borde, Thea et.al.: Lebenslage und gesundheitliche Versorgung von
Menschen ohne Papiere, Frankfurt/Main 2009, Mabuse-Verlag
13
12
sie von Leistungen des Sozialversicherungssystems ausgeschlossen sind. In Fällen,
in denen die nötigen Mittel nicht aufgebracht werden können bzw. die Identifikation
von PatientInnen nicht möglich ist, müssen die Krankenanstalten diese Kosten aus
ihrem Budget tragen.“15 In Österreich besteht für PatientInnen keine Verpflichtung,
die richtigen Personaldaten anzugeben.
(Gynäkologische) Behandlung muslimischer Frauen
Es ist allgemein bekannt, dass Religion und Kultur das Krankheitsempfinden, den
Umgang mit Krankheit, vorgeschriebene Therapien und Verhaltensweisen
entsprechend prägen. In der Medizin ist deshalb die interkulturelle Kompetenz von
Gesundheitspersonal (ÄrztInnen, Pflegende, PsychotherapeutInnen etc.) gefordert.
Während bei durchschnittlich religiösen Patientinnen das auf Unwissenheit
beruhende Verhalten des/der behandelnden Arztes/ÄrztIn keine Verfehlung darstellt,
kann dies bei sehr religiösen Patientinnen zu einem Arztwechsel führen. Gerade
Frauen neigen sehr dazu, ihre gynäkologischen Untersuchungen dezidiert bei einer
Gynäkologin machen zu lassen, da ihnen die Untersuchung durch einen Arzt sehr
unangenehm ist.
Wichtig in der Behandlung muslimischer Frauen ist auch die Beachtung bzw.
Miteinbeziehung des soziokulturellen Umfeldes. Krankheit wird mitunter auch
ganzheitlicher bzw. vereinfachter verstanden, als dies in einem westlich
medizinischen Kontext der Fall ist. „In der westlichen Medizin sind Anamnese,
Untersuchung und Therapie untrennbare Komponenten des Arzt/Ärztin – Patient/inVerhältnisses. Im Unterschied hierzu haben manche muslimische Patient/inn/en ein
ganzheitliches, vereinfachtes Bild der Krankheit: nicht einzelne Symptome, sondern
die Schwere der beklagten Krankheit steht im Vordergrund. Oft werden „exogene“
Faktoren, wie der „böse Blick“, von anderen ausgehende soziale Konflikte oder
„schwache Nerven“ als Ursachen der Beschwerden oder Krankheiten genannt.
Psychosomatische Zusammenhänge sind mitunter schwer zu vermitteln, wiewohl die
Situation der Migration und die damit verbundenen Probleme zu psychischen und
psychosomatischen Erkrankungen führen können. Die Einsicht in die Notwendigkeit
15
Karl-Trummer, Ursula: Inklusion durch Exklusion (107-118),S. 111, in: ebda
13
von Vor- und Nachsorge ist selten vorhanden und Behandlungen mit Tabletten
haben ein eher geringeres Ansehen bei diesen Patient/inn/en als Spritzen.“ 16
Bei der Untersuchung und Therapie muslimischer Patientinnen kann es zu folgenden
Konfliktsituationen kommen:
1. Der Körper stellt im Islam einen hohen Wert dar, dessen Unversehrtheit es zu
bewahren gilt. Muslimische Patientinnen haben ein sehr ausgeprägtes
Schamgefühl, wenn sie sich für eine Untersuchung entkleiden müssen. Selbst
der Händedruck einer Person des anderen Geschlechts wird als Angriff auf die
Unversehrtheit des Körpers verstanden. Es besteht jedoch ein Unterschied, ob
ein männlicher Arzt einer muslimischen Patientin den Blutdruck misst oder
eine gynäkologische Untersuchung vollzieht.
2. Die Therapie soll in Einklang mit den islamischen Speisevorschriften erfolgen.
Der Koran verbietet den Konsum von Schweinefleisch und Alkohol. „Vor
diesem Hintergrund empfiehlt es sich , bei diesen Patient/inn/en nach
Möglichkeit keine Präparate zu verschreiben, die Alkohol (z.B.
homöopathische Tinkturen) enthalten oder Produkte, die vom Schwein
stammen (z.B. Gelatine).17
3. Die Einhaltung der Therapie kann oft zu einem Hindernis in der Einhaltung
islamischer Grundpflichten führen und wird deswegen nicht entsprechend
ausgeführt. Das Fasten im Monat Ramadan ist die am häufigsten ausgeführte
Grundpflicht. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang ist Essen und
Trinken strengstens verboten. Die regelmäßige Einnahme von Medikamenten
kann dieser Pflichtausübung widersprechen.
Dem gegenüber steht allerdings „die Verpflichtung, die von Gott auferlegte
Gesundheit zu bewahren“.18
16
Anegg-Moazedi, Schahrazad: Gynäkologische Behandlung muslimischer Frauen (180-186), S.182,
in Rasky, Eva (Hg.): Gesundheit hat Bleiberecht, Facultas-Verlag, Wien 2009
17 ebda, S.184
18 ebda, S.184
14
Lokale Einrichtungen für MigrantInnen
•ZEBRA: interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum, Graz (seit 1986)
•Frauengesundheitszentrum, Graz
•FEM, Wien
•AmberMed: Wien (seit 2004)
•Deutschland: Malteser Migranten Medizin (seit 2001)
•Schweiz: Rotes Kreuz: Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer
•Spezielle Randgruppen: med. Versorgung von Illegalen, Prostituierte
Unterschiedliche Gesundheits- und Krankheitstheorien
Das westliche medizinische System ist auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaft
aufgebaut, die die Beweggründe des menschlichen Daseins und Fragens im Sinne
einer holistischen Betrachtungsweise des Lebens und der Welt weitgehend
ausblendet. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaft mögen bis zu einem gewissen
Grad der Spezialisierung unüberbietbar sein. In einem biopsychosozialen
Menschenbild werden in der rein naturwissenschaftlichen Betrachtung des kranken
Menschen in seinen sozialen und kulturellen Zusammenhängen Mängel sichtbar.
Man unterscheidet das Weltbild des/der Mediziners/in, der/die den Menschen als rein
funktionierende Körperlichkeit (Materie) betrachtet von dem des/der HumanistIn,
der/die Leib, Geist und Seele als eine Einheit sieht. Auf dieser Tradition baut nun die
Medical Anthropology auf, die aufgrund ihres Anspruches, den Menschen in seinen
Zusammenhängen (Migration, Kultur, Krankheit und Gesundheit) zu sehen, diese
Voraussetzungen mitdenken muss.
Sowohl in Österreich als auch in Deutschland sind die Entstehungsbedingungen und
Behandlungsnotwendigkeiten sowie insbesondere die gesundheitlichen Probleme
von MigrantInnen kaum wissenschaftlich erforscht.
In der gegenwärtigen Diskussion über die Zukunft des Gesundheitswesens wird
zunehmend die Gesundheitsförderung ein wichtiger und notwendiger Zweig, in der
15
die Eigenverantwortung über das gesundheitliche Handeln im Vordergrund steht. Für
MigrantInnen erheben sich diesbezüglich folgende Fragen:
„Welche Einflüsse auf die Gesundheit von MigrantInnen bestehen in einer
multikulturellen Gesellschaft? Wie gehen MigrantInnen mit ihrer Gesundheit und
deren Gefährdungen um? Welche Maßnahmen zur Förderung ihrer Gesundheit
wären auf dieser Grundlage sinnvoll und notwendig?“19
MigrantInnen bilden keine homogene Gruppe und in wissenschaftlichen
Untersuchungen muss differenziert werden.
Das salutogenetische Gesundheitsmodell
Das salutogenetische Gesundheitsmodell von Aaron Antonovsky versucht die
Entstehung von Gesundheit zu erklären und baut auf der Stärkung der
gesundheitsfördernden Ressourcen auf. „ Salutogene Ressourcen (wie eine stabile
körperliche Konstitution, psychische Merkmale wie Intelligenz oder Selbstwertgefühl,
soziale Unterstützungsnetzwerke oder eine kulturelle Einbindung) entstehen aus
einem soziokulturellen Kontext heraus als auch durch die Einflüsse der Sozialisation
und der individuellen Biographie. Sie sind die Voraussetzungen für jene Art des
Gesundheitshandelns, bei dem körperliche und psychische Spannungen erfolgreich
bewältigt werden. Als zentrales integrierendes Konstrukt der Salutogenese wurde
von Antonovsky das Gefühl der Koheränz (sense of coherence) postuliert. Er
umschreibt damit eine globale und relativ stabile Lebensorientierung die durch
folgende drei Aspekte definiert ist: Die Überzeugung, dass erstens die Ereignisse im
eigenen Leben im Prinzip verstehbar sind, dass zweitens die Risiken und
Belastungen im Leben, wenn sie auch nicht immer zu vermeiden sind, doch potentiell
bewältigt werden können, und dass drittens diese Lebenserfahrungen als sinnvoll
und bedeutungsvoll verstanden werden können.“20
Auf der Basis des salutogenetischen Modells können Fragen nach der Gesundheit
von MigrantInnen anders gestellt werden. Gesundheit wird nicht mehr nur als
monolithischer Einzelteil analysiert, sondern man spricht von einem
19
Faltermaier, Toni: Migration und Gesundheit. Fragen und Konzepte aus einer salutogenetischen
und gesundheitspsychologischen Perspektive (93-112),S.93 in: Marschalck,Peter (Hg.): Migration
und Krankheit, Bd.10 IMIS-Schriften, Universitätsverlag Rasch, Osnabrück 2001
20 ebda., S.96
16
„Gesundheitskontinuum“, in dem die ethnische Zugehörigkeit (Identität), der
Migrationsprozess per se und die soziale Lage der Betroffenen eine wesentliche
Rolle spielen.
Antonovskys Modell zielt in jedem Fall auf eine Stärkung der eigenen Verantwortung
für Gesundheit ab, die jedoch nur in einem System wahrgenommen werden kann,
das auch Rahmenbedingungen zur Förderung der Gesundheit zur Verfügung stellt.
Diese Rahmenbedingungen (gesunde Umwelt, gesundheitsfördernde
Arbeitsbedingungen, leistbarer Wohnraum etc.) müssen in einem von der Politik
durchdachten Gesundheitsgesamtkonzept geschaffen werden.
„Für eine angemessene Prävention und Gesundheitsförderung in der
Migrantenbevölkerung müsste auch stärker die Ebene der Gesundheit und des
Gesundheitshandelns im Alltag berücksichtigt und systematisch auf die
verschiedenen Migrantengruppen bezogen werden.“21
Aus vorliegenden Untersuchungen geht hervor, dass „der subjektive Stellenwert und
die praktische Bedeutung von Gesundheit im Leben von Migranten eher gering ist.“ 22
Es wird vermutet, dass durch die von der Gesellschaft geforderte Arbeits- und
Leistungsfähigkeit von MigrantInnen zur Folge hat, dass Körper und Gesundheit
überwiegend als funktional für die Erwerbstätigkeit essentielles Element gesehen
werden. Gesundheit in dieser doch sehr physisch geprägten Auslegung ist nur durch
die Abwesenheit von Krankheit/Schmerzen garantiert.
Weiters ist festzustellen, dass das Gesundheitsverhalten von MigrantInnen nicht
mehr auf Prävention ausgelegt ist. Lebenseinstellungen, traditionelle
Verhaltensweisen (riskantes Autofahren, Konsum von Alkohol, Drogen), geringere
Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen zeigen, dass bei einer Erstellung
eines nachhaltigen Gesundheitskonzeptes für MigrantInnen diese Gruppen massiv
miteingebunden werden und dass vorab erstellte wissenschaftliche Untersuchungen
sehr differenziert durchgeführt werden sollten. „Eine wesentliche Prämisse der
Forschung stellt auch das zugrundegelegte Menschenbild dar. Es wäre zu klären, ob
Migranten als Opfer von Krankheitsrisiken gesehen und dann als Opfer einer
,fürsorglichen Hilfe´ von Experten behandelt werden oder ob sie auch als Subjekte
21
22
ebda., S.107
ebda., S.108
17
ihrer Gesundheit und Alltagsgestaltung verstanden werden und damit als mündige
Bürger in ihren gesundheitlichen Belangen.“23
Felder der Medical Anthropology:
Da die Medical Anthropology in Österreich noch ein sehr junges Feld ist, braucht sie
sich ein Betätigungsfeld nicht erst zu erobern, sondern es „liegen riesige Flächen
brach“, die es zu bearbeiten gilt. Einige davon könnten sein:
International/Global Health bedingt durch Migration, Reisen
MigrantInnen in österreichischen Krankenhäusern
transkulturelle Altenpflege
Transkulturelle Psychiatrie
Erweiterung des traditionellen Gesundheitsverständnisses (TCM, Homöopathie,
Ayurveda, Schamanismus)
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ebda., S.112
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Literaturnachweise
Primärliteratur
Borde, Theda et.al.: Lebenslage und gesundheitliche Versorgung von Menschen
ohne Papiere, Frankfurt/Main 2009, Mabuse-Verlag
Kremla, Marion; Dogan, Ramis: Ergebnisbericht „interkulturelle Altenpflege in Wien“,
2004
Kutalek, Ruth; Prinz, Armin: Essays in Medical Anthropology, Wiener
Ethnomedizinische Reihe, Bd.6
Marschalck, Peter et.al. (Hg.): Migration und Krankheit; IMIS- Schriften 10,
Universitätsverlag Rasch, 2001 Osnabrück
Pammer, Christoph: Migration und Public Health in Österreich, S.10 In: Sprenger,
Martin (Hg): Public Health in Österreich und Europa. Festschrift anlässlich der
Emeritierung von Univ.Prof. Dr.med.Horst Richard Noack PhD. Pabst Science
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Rásky, Éva [Hrsg.]: Gesundheit hat Bleiberecht: Migration und Gesundheit ;
Facultas-Verlag, Wien 2009
Sekundärliteratur
Assion, Hans-Jörg: Migration und seelische Gesundheit, Heidelberg 2005, SpringerVerlag
David, Matthias et.al. (Hg.): Migration-Frauen- Gesundheit, Mabuse-Verlag,
Frankfurt/Main 2000
Fürbaß, Margaretha: Die Welt des chronischen Schmerzes, Diplomarbeit 2007,
Universität Wien
Greifeld, Katharina: Ritual und Heilung: eine Einführung in die Medizinethnologie,
Berlin 2003
Hadolt, Bernhard: "Zur Relevanz der Medical Anthropology: Beiträge und
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Inthorn, Julia et al.: Gesundheit und Gerechtigkeit –Ein interkultureller Vergleich
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Kilaf, Esra : Turkish migration to Austria and women's health / eingereicht von Esra
Kilaf , 2004
Koch, Eckhardt et.al. (Hg.): Psychologie und Pathologie der Migration, LambertusVerlag, Freiburg im Breisgau 1995
Lux,Thomas: Kulturelle Dimensionen in der Medizin; Berlin 2003
Scheifele, Sigrid (Hg.): Migration und Psyche, Psychosozial-Verlag, Gießen 2008
Schindlauer, Benjamin: Gesundheits- und Krankheitsverhalten von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund - eine qualitative Studie mit Jugendlichen im 5. Wiener
Gemeindebezirk
Schneider, Sabine : Gesundheits- und Belastungssituation von tschechischen und
slowakischen Pflegekräften im Krankenhaus , Diplomarbeit Universität Wien, 2009
Zimmermann, Emil: Kulturelle Missverständnisse in der Medizin, Verlag Hans Huber,
Bern 2000
Links und pdf-Dokumente:
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http://www.admin.ch/ch/d/sr/i8/0.810.1.de.pdf
Interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen; Hg. Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen, Wien, 2005
http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/attachments/6/5/0/CH0772/CMS1126253889077/beri
cht_interkulturelle_kompetenz_im_gesundheitswesen.pdf
Hanusch-Krankenhaus: Abschlussbericht „Gelebte Integration im Krankenhaus“,
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http://vgarchiv.orf.at/austria/de/pool/dokumente/Gelebte%20Integration%20im%20Kr
ankenhaus%20-%20Pilotprojekt%20Hanusch%20Abschlussbericht.pdf
http://www.integrationsfonds.at/wissen/zahlen_und_fakten_2009/bevoelkerung/
http://www.medicalanthropology.de/Deutsch/faq.html - 1
http://www.meduniwien.ac.at/med_audiovisuals/
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