Theorie der Konsequenzoperationen und logische Unabhängigkeit Christian Wallmann Abstract This article deals with algebraic logic. In particular, it discusses the theory of consequence operations and the general concept of logical independency. The advantage of this general view is its great applicability: The stated properties of consequence operations hold for almost every logical system. The notion of independency is well known and important in logic, philosophy of science and mathematics. Roughly speaking, a set is independent with respect to a consequence operation, if none of its elements is a consequence of the other elements. The property of being an independent set guarantees therefore that none of its elements is superuous. In particular, I'm going to show fundamental results for every consequence operation, and hence for every logic: no innite independent set is nite axiomatizable, and every nite axiomatizable set has relative to a nitary consequence operation an independent axiom system. The main result is that in sentential logic every set of formulas has an independend axiom system. 1 Einleitung In dieser Arbeit wird der allgemeine Begri der Konsequenzoperation eingeführt. Die meisten üblichen Logiksysteme sind Konsequenzoperationen. Daher gelten die Eigenschaften von Konsequenzoperationen für die meisten Logiksysteme. Der hier untersuchte Begri ist jener der Unabhängigkeit. Es werden einige Resultate zur Unabhängigkeit bewiesen. Zwei seien erwähnt: 1. Eine unendliche unabhängige Menge ist nicht endlich axiomatisierbar. 2. Jede endlich axiomatisierbare Menge hat hinsichtlich einer nitären Konsequenzoperation ein unabhängiges Axiomensystem. Im zweiten Teil der Arbeit werden aussagenlogische Konsequenzoperationen eingeführt. Die üblichen aussagenlogischen Kalküle sind aussagenlogische Konsequenzoperationen. Das Hauptresultat dieser Arbeit Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523. http://www.kriterion.at c 2010 The author 6 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 ist, dass jede Menge hinsichtlich einer nitären aussagenlogischen Konsequenzoperation unabhängig axiomatisierbar ist. Insbesondere ist also jede Menge in jedem aussagenlogischen Kalkül unabhängig axiomatisierbar. Die Vorteile der allgemeinen Betrachtungsweise sind zum einen die breite Anwendbarkeit der Resultate und zum anderen das klare Hervortreten der Eigenschaften, die für die Beweisbarkeit eines Satzes wesentlich sind und jener, die für die Beweisbarkeit eines Satzes unwesentlich sind. 2 Konsequenzoperationen In diesem Abschnitt wird der Begri der Konsequenzoperation eingeführt. Um diesen Begri einführen zu können, wird der Begri der formalen Sprache deniert. Es werden die Begrie der Tautologie, der endlichen Axiomatisierbarkeit und der Unabhängigkeit deniert. Es wird bewiesen, dass jede unendliche unabhängige Menge nicht endlich axiomatisierbar ist. Das Hauptresultat dieses Kapitels ist, dass jede endlich axiomatisierbare Menge hinsichtlich einer nitären Konsequenzoperation ein unabhängiges Axiomensystem hat. 2.1 Abzählbare Sprachen Eine formale Sprache ist eine Menge, die eine abzählbar unendliche Teilmenge N hat und die unter einer endlichen Menge von Funktionen abgeschlossen ist (d.h., mit jeder Folge ihrer Elemente enthält sie auch die Funktionswerte der entsprechenden Funktionen). Weiters enthält sie nichts, auÿer eben dieser abzählbaren Teilmenge N , deren Funktionswerte und die Funktionswerte der Funktionswerte der Elemente von N usw. . . Es sei (fi )i≤n eine endliche Folge von Funktionen beliebiger Stelligkeit. Denition 1. M heiÿt unter (fi )i≤n abgeschlossen gdw. für alle i ≤ n gilt: Ist fi ∗ die Stelligkeit von fi und sind A1 , ..., Afi ∗ ∈ M , so ist fi (A1 , ..., Afi ∗ ) ∈ M . Denition 2. T M= M wird von N und (fi )i≤n erzeugt gdw. {M 0 : N ⊆ M 0 und M 0 ist unter (fi )i≤n abgeschlossen}. Denition 3. L ist eine formale Sprache gdw. es ein abzählbar unendliches N und (fi )i≤n gibt mit: L ist von N und (fi )i≤n erzeugt. Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 7 Eine formale Sprache ist also die kleinste von einer abzählbar unendlichen Menge und von endlich vielen Funktionen erzeugte Menge. Beispiele: 1. Die Sprache der Aussagenlogik ist eine formale Sprache. 2. Die Sprache der modalen Aussagenlogik ist eine formale Sprache. 2.2 Konsequenzoperationen In diesem Abschnitt wird der für die Untersuchung grundlegende Begri der Konsequenzoperation eingeführt. Die hierfür erforderlichen Bedingungen sind Minimalbedingungen, die Logiken erfüllen müssen. Es werden einige Lemmata über Konsequenzoperationen, die in späteren Teilen der Arbeit nützlich sind, bewiesen. Sei L eine formale Sprache und sei Cn eine Funktion auf P ow(L)1 und T, T 0 , T 00 ⊆ L und A, B ∈ L. Denition 4. Cn ist eine für alle T, T 0 ⊆ L gilt: Konsequenzoperation (kurz: KO) gdw. (1) T ⊆ Cn(T ). (Reexivität) (2) Wenn T ⊆ Cn(T 0 ), dann ist Cn(T ) ⊆ Cn(T 0 ). (Transitivität) Beispiele: 1. Diejenige Funktion, die jeder Teilmenge von L L zuordnet, ist eine Konsequenzoperation. 2. Sei L die Sprache der Aussagenlogik mit den Junktoren ¬, ∧, ∨, →. Dann ist diejenige Funktion, die jeder Teilmenge von L die Menge aller Sätze, die belegungssemantisch aus ihr folgen, zuordnet, eine Konsequenzoperation. 3. Diejenige Funktion, die jedem Satz der Sprache der modalen Aussagenlogik die Menge aller seiner S5-Konsequenzen zuordnet, ist eine Konsequenzoperation. Oft ist es leichter nachzuweisen, dass eine Funktion die folgenden Bedingungen erfüllt, um darauf schlieÿen zu können, dass sie eine Konsequenzoperation ist. Satz 5. Cn ist eine Konsequenzoperation gdw. für alle T, T 0 ⊆ L gilt: 1 Mit 'P ow(T )' wird die Menge aller Teilmengen von T bezeichnet. Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 8 (1) T ⊆ Cn(T ). (2) Cn(Cn(T )) ⊆ Cn(T ). (Idempotenz) (3) Wenn T ⊆ T 0 , dann ist Cn(T ) ⊆ Cn(T 0 ). (Monotonie) Beweis: =⇒: Monotonie: Sei T ⊆ T 0 . Dann ist aufgrund der Reexivität T ⊆ Cn(T 0 ) und also Cn(T ) ⊆ Cn(T 0 ). Idempotenz : Es ist Cn(T ) ⊆ Cn(T ). Also wegen der Transitivität Cn(Cn(T )) ⊆ Cn(T ). ⇐=: Sei T ⊆ Cn(T 0 ). Dann ist wegen der Monotonie Cn(T ) ⊆ Cn(Cn(T 0 )) = Cn(T 0 ). Im Folgenden sei Cn eine Konsequenzoperation. Satz 6. Es gilt: (1) Cn(T ∪ T 0 ) = Cn(Cn(T ) ∪ Cn(T 0 )). (2) Wenn T 00 ⊆ Cn(T ), dann ist Cn(T 00 ∪ T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). Insbesondere: Wenn A ∈ Cn(T ), dann ist Cn({A} ∪ T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). (Schnitt) (3) Sei n ∈ N und AiS∈ Cn(Ti ) für alle i: 1 ≤ i ≤ n. Dann ist n {A1 , ..., An } ⊆ Cn( i=1 Ti ). Beweis: von (1) : Es ist nach der Reexivität T ⊆ Cn(T ) und T 0 ⊆ Cn(T 0 ). Also T ∪ T 0 ⊆ Cn(T ) ∪ Cn(T 0 ). Also ist aufgrund der Monotonie Cn(T ∪ T 0 ) ⊆ Cn(Cn(T ) ∪ Cn(T 0 )). Es ist nach der Monotonie Cn(T ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ) und Cn(T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). Also ist Cn(T ) ∪ Cn(T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). Wegen der Transitivität ist folglich Cn(Cn(T ) ∪ Cn(T 0 )) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). von (2) : Es ist nach Teil 1 Cn(T 00 ∪ T 0 ) = Cn(Cn(T 00 ) ∪ Cn(T 0 )). Sei also T 00 ⊆ Cn(T ), dann ist wegen der Transitivität Cn(T 00 ) ⊆ Cn(T ). Also ist wegen der Monotonie Cn(Cn(T 00 ) ∪ Cn(T 0 )) ⊆ Cn(Cn(T ) ∪ Cn(T 0 )). Nach Teil 1 ist Cn(Cn(T ) ∪ Cn(T 0 )) = Cn(T ∪ T 0 ). Insgesamt also: Cn(T 00 ∪ T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ T 0 ). S von (3) : Sei A Si ∈ Cn(Ti ). Es gilt: Cn(Ti ) ⊆ Cn( Ti ) (Monotonie). Also ist Ai ∈ Cn( Ti ). Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 9 Satz 7. Wenn A ∈ Cn(T ), dann ist Cn(T ) = Cn(T ∪ {A}). Beweis: Sei A ∈ Cn(T ). Dann ist T ∪ {A} ⊆ Cn(T ) und also wegen der Transitivität Cn(T ∪ {A}) ⊆ Cn(T ). Die umgekehrte Inklusion gilt wegen der Monotonie. Denition S 8. Cn(T ) = Cn ist nitär gdw. für alle T ⊆ L gilt: {Cn(T 0 ) : T 0 ⊆ T und T 0 endlich} Eine Konsequenzoperation ist also genau dann nitär, wenn alles das aus einer Menge folgt, bereits aus einer endlichen Teilmenge dieser Menge folgt. 2.3 Tautologien `Tautologie' ist einer der wichtigsten Begrie der Logik. Eine Tautologie ist eine Konsequenz aus der leeren Menge und, da Konsequenzoperationen monoton sind, eine Konsequenz jeder Menge. Denition 9. A ist eine Cn-Tautologie gdw. A ∈ Cn(∅). Wenn T eine Menge und A eine Tautologie ist, dann ist aus {A} ∪ T nicht mehr ableitbar, als aus T alleine ableitbar ist. Ebenso ist aus T \ {A} nicht weniger als aus T ableitbar. Tautologien spielen also für das Konsequenzenziehen keine Rolle. Satz 10. Es ist Cn(T \ T 0 ) = Cn(T ) für alle T 0 ⊆ Cn(∅). Beweis: Es ist Cn(T ) ⊆ Cn(T \ T 0 ∪ Cn(∅)) (Monotonie) = Cn(Cn(T \ T 0 ) ∪ Cn(Cn(∅))) (Satz 6) = Cn(Cn(T \ T 0 ) ∪ Cn(∅)) (Idempotenz) = Cn(T \ T 0 ∪ ∅) (Satz 6) = Cn(T \ T 0 ). Satz 11. Es ist Cn(T ∪ T 0 ) = Cn(T ) für alle T 0 ⊆ Cn(∅). Beweis: Es ist Cn(T ∪ T 0 ) ⊆ Cn(T ∪ Cn(∅)) (Monotonie) = Cn(Cn(T ) ∪ Cn(Cn(∅)) (Satz 6) = Cn(Cn(T ∪ Cn(∅)) (Idempotenz) = Cn(T ∪ ∅) = Cn(T ) (Satz 6). Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 10 2.4 Axiomensysteme Axiomensysteme für eine Menge T sind Mengen, welche die gleichen Konsequenzen wie T haben. Denition 12. Cn(T 0 ). T ist ein Cn-Axiomensystem2 für T 0 gdw. Cn(T ) = Bemerkung: Es ist nicht zweckmäÿig, den Begri axiomatisierbar folgenderweise zu denieren: Eine Menge ist axiomatisierbar gdw. sie ein Axiomensystem hat. Es hat dann jede Menge ein Axiomensystem (nämlich sich selbst) und somit wäre jede Menge axiomatisierbar. Denition 13. T ist Cn-endlich axiomatisierbar gdw. es ein endliches Cn-Axiomensystem für T gibt. Der nächste Satz besagt, dass jede endlich axiomatisierbare Menge durch eine Teilmenge ihrer selbst endlich axiomatisierbar ist ([1], S.103, S.105 und S.173). Satz 14. Sei Cn eine nitäre KO. Dann hat jede Cn-endlich axiomatisierbare Menge T ein endliches Cn-Axiomensystem T 0 mit T 0 ⊆ T . Beweis: Da T endlich axiomatisierbar ist, gibt es ein endliches T 00 ⊆ L mit Cn(T ) = Cn(T 00 ). Ist T 00 = ∅ , so ist T 00 das gesuchte Axiomensystem. Sei also T 00 = {A1 , ..., An }. Wegen der Reexivität von Cn ist {A1 , ..., An } ⊆ Cn(T ). Also existieren, da Cn nitär ist, endliche Ti00 mit Ti00 ⊆ T und Ai ∈ Cn(Ti00 ) für alle i : 1 ≤ i ≤ n. S Nach Satz 6 Teil 3 ist folglich {A1 , ..., An } ⊆ Cn( Ti00 ). S Wegen der Transitivität ist Cn({A1 , ..., An })S= Cn(T ) ⊆ Cn( Ti00 ). Umgekehrt ist aufgrund der Monotonie Cn( Ti00 ) ⊆ Cn(T ). 2.5 Unabhängigkeit In diesem Abschnitt wird der Begri der Unabhängigkeit untersucht. Ein historisches Beispiel, das viele kennen, ist jenes der Euklidischen Geometrie. Man hatte sich lange Zeit gefragt, ob das Parallelenpostulat schon 2 Im Cn Folgenden wird oft bei diesem Begri und den weiteren Begrien das Präx weggelassen. Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 11 aus den restlichen Axiomen logisch folgt. Nach unzähligen Beweisversuchen, dass es folgt, wurde gezeigt, dass dem nicht so ist. Warum aber die ganze Mühe? Darüber gibt Satz 17 Auskunft. Er besagt, dass, wenn ein Satz A in einer Menge abhängig ist, nichts verloren geht, wenn A weggelassen wird, d.h. die Konsequenzenmenge ändert sich nicht durch das Weglassen von A. Dieses A ist sozusagen überüssig. Umgekehrt heiÿt dies, dass, wenn ein Satz unabhängig ist, man durch das Weglassen dieses Satzes eine kleinere Folgerungsmenge erhält. Es hat jede endlich axiomatisierbare Menge ein unabhängiges Axiomensystem, d.h. man kann jede Menge ohne überüssigen Balast axiomatisieren. Ein ebenfalls wichtiger Satz ist, dass eine unendliche unabhängige Menge nicht endlich axiomatisierbar ist. Denition 15. Sei A ∈ T . A ist in T Cn-unabhängig gdw. A 6∈ Cn(T \ {A}). Denition 16. Sei A ∈ T . A ist in T Cn-abhängig gdw. A in T nicht Cn-unabhängig ist. Beispiele: 1. Das Parallelenpostulat ist in der Euklidischen Geometrie unabhängig. 2. Das Intervallschachtelungsaxiom bzw. das Vollständigkeitsaxiom ist in der Theorie der reellen Zahlen unabhängig. 3. Das Archimedische Axiom ist in der Theorie der reellen Zahlen abhängig. 4. Jede Tautologie ist in jeder Menge aussagenlogisch abhängig. 5. p ∧ q ist in {p, q, p ∧ q} aussagenlogisch abhängig. 6. p → q ist in {p → q, q → p} aussagenlogisch unabhängig. Satz 17. Sei A ∈ T , dann gilt: A ist in T abhängig gdw. Cn(T ) = Cn(T \ {A}). Beweis: =⇒: Sei A ∈ Cn(T \{A}). Dann ist {A}∪T \{A} = T ⊆ Cn(T \{A}). Wegen der Transitivität ist also Cn(T ) ⊆ Cn(T \ {A}). Die andere Inklusion folgt unmittelbar aus der Monotonie. ⇐=: Sei Cn(T \ {A}) = Cn(T ). Da A ∈ T ist, ist A ∈ Cn(T ). Also ist A ∈ Cn(T \ {A}). Denition 18. T ist Cn-unabhängig gdw. für alle A ∈ T gilt: A ist in T Cn-unabhängig. 12 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 Denition 19. T ist Cn-abhängig gdw. T nicht Cn-unabhängig ist. Beispiele: 1. Die Euklidische Geometrie ist unabhängig. 2. Die hyperbolische Geometrie ist unabhängig. 3. Jede Menge, die eine Tautologie enthält, ist aussagenlogisch abhängig. 4. Die Theorie der reellen Zahlen zuzüglich des Archimedischen Axioms ist abhängig. 5. {p, q, p ∧ q} ist aussagenlogisch abhängig. 6. {p → q, q → p} ist aussagenlogisch unabhängig. Satz 20. ∅ ist Cn-unabhängig. Beweis: Trivial. Satz 21. Sei Cn eine nitäre KO. Dann ist T genau dann unabhängig, wenn jede endliche Teilmenge von T unabhängig ist. Beweis: =⇒: Sei A 6∈ Cn(T \ {A}) für alle A ∈ T . Sei B ∈ T 0 ⊆ T . Dann ist aufgrund der Voraussetzung und der Monotonie B 6∈ Cn(T 0 \ {A}). ⇐=: Sei jede endliche Teilmenge von T unabhängig. Angenommen, T wäre nicht unabhängig. Dann ist A ∈ Cn(T \ {A}) für mindestens ein A ∈ T . Also ist, da Cn nitär ist, A ∈ Cn(T 0 ) für ein endliches T 0 ⊆ T \ {A}. Nun ist aber A ∈ {A} ∪ T 0 und A ∈ Cn({A} ∪ T 0 \ {A}). Was im Widerspruch zu {A} ∪ T 0 ist unabhängig steht. Das nächste Resultat ndet sich bei Asser ([1], S.115 und S.116). Dort wird allerdings der Begri der Unabhängigkeit nach Ordnung eingeführt und mithilfe dieses Begries der Satz bewiesen. Der Beweis in meiner Arbeit kommt ohne derartige Hilfsmittel aus. Satz 22. Sei Cn eine nitäre KO. Dann ist eine unendliche unabhängige Menge T nicht endlich axiomatisierbar. Beweis: Angenommen, T wäre endlich axiomatisierbar. Dann sind die Voraussetzungen von Satz 14 erfüllt, und also existiert ein endliches T 0 ⊆ T mit Cn(T ) = Cn(T 0 ). Da unsere Sprache abzählbar unendlich ist, ist auch T abzählbar unendlich. Sei also T := {Ai : i ∈ N}. Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 13 Es ist nach Voraussetzung Ai 6∈ Cn(T \ {Ai }). Also, da T 0 ⊆ T und Cn monoton ist, ist Ai 6∈ Cn(T 0 \ {Ai }). Folglich ist Ai ∈ T 0 . Denn: Es ist Ai ∈ Cn(T ) (weil Ai ∈ T ). Also: Ai ∈ Cn(T 0 ). Da nun Ai 6∈ Cn(T 0 \ {Ai }) und Cn eine Funktion ist, ist T 0 6= T 0 \ {Ai }. Es sind also alle Ai ∈ T 0 . Das ist ein Widerspruch dazu, dass T 0 endlich ist. Für nitäre Konsequenzoperationen lässt sich beweisen, dass jede endlich axiomatisierbare Menge ein unabhängiges Axiomensystem hat ([1], S.113). Wenn eine aussagenlogische Konsequenzoperation vorgegeben ist, hat sogar jede Menge ein unabhängiges Axiomensystem. Der folgende Satz ist abgesehen von seiner wichtigen Rolle in der Theorie der Konsequenzoperationen in diesem Beweis ein Lemma. Hauptsatz 23. Sei Cn eine nitäre KO. Dann hat jede Cn-endlich axiomatisierbare Menge T ein endliches unabhängiges Axiomensystem T 0 mit T 0 ⊆ T . Beweis: Nach Satz 14 hat T ein endliches Axiomensystem T 00 mit T 00 ⊆ T . Die Behauptung wird durch Induktion nach der Anzahl der Elemente n von T 00 gezeigt. Induktionsanfang: Sei n = 0. Dann ist T 00 = ∅. ∅ ist nach Satz 20 unabhängig. Somit ist ∅ selbst das gesuchte Axiomensystem. Induktionsschritt: n → n + 1. Induktionsvoraussetzung: Hat T ein Axiomensystem mit n Elementen, dann hat T ein endliches unabhängiges Axiomensystem T 0 mit T 0 ⊆ T . Sei also {A1 , ..., An+1 } ein Axiomensystem für T mit {A1 , ..., An+1 } ⊆ T . Fall 1: {A1 , ..., An+1 } ist unabhängig. In diesem Fall ist nichts zu zeigen. Fall 2: {A1 , ..., An+1 } ist abhängig. Dann ist mindestens ein Ai in {A1 , ..., An+1 } abhängig. Es ist o.B.d.A.: An+1 ∈ Cn({A1 , ..., An }). Nach Satz 7 ist also Cn({A1 , ..., An+1 }) = Cn({A1 , ..., An }). Somit ist {A1 , ..., An } ein nelementiges Axiomensystem für T . Wegen der Induktionsvoraussetzung hat T also ein endliches und unabhängiges Axiomensystem T 0 ⊆ T . 3 Aussagenlogische Konsequenzoperationen In diesem Kapitel werden aussagenlogische Konsequenzoperationen eingeführt. Im Wesentlichen sind dies die üblichen aussagenlogischen Kal- 14 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 küle. Um sie einführen zu können, muss die zugrundegelegte Sprache auf die aussagenlogische Sprache mit den gewöhnlichen Junktoren eingeschränkt werden. Das Charakteristische an aussagenlogischen Konsequenzoperationen sind Bedingungen, die angeben, unter welchen Umständen ein Satz aus einer Konjunktion, einer Adjunktion oder einer Implikation folgt und auch, wie eine Negation zu behandeln ist. Es werden einige aussagenlogische Tautologien bewiesen, die im Beweis des zentralen Satzes, dass jede Menge bezüglich jeder nitären aussagenlogischen Konsequenzoperation ein unabhängiges Axiomensystem hat, eine Rolle spielen. 3.1 Die aussagenlogische Sprache LAL Denition 24. LAL sei diejenige formale Sprache, die von der Menge der aussagenlogischen Variablen Av und den Funktionen ¬, ∨, ∧, → erzeugt wird. Wobei für alle A, B ∈ LAL : ¬(A) = ¬A. ∨(A, B) = (A ∨ B). ∧(A, B) = (A ∧ B). → (A, B) = (A → B). Im Folgenden gelten diese Klammerersparnisregeln: 1. In der Metasprache dürfen äuÿere Klammern weggelassen werden. 2. In der Metasprache bindet ¬ am stärksten. 3. In der Metasprache binden ∧ und ∨ stärker als →. Es seien T, T 0 ⊆ LAL und A, B, C ∈ LAL . 3.2 Aussagenlogische Konsequenzoperationen Zunächst wird der zentrale Begri der aussagenlogischen Konsequenzoperation deniert. Anschlieÿend werden einige Lemmata bewiesen. Wichtig ist vor allem, dass {A, ¬A} ein Axiomensystem für LAL und jede Konsequenzenmenge unter Modus Ponens abgeschlossen ist. 'Cn(T, {A1 , ..., An })' stehe für 'Cn(T ∪ {A1 , ..., An })' Denition 25. Eine KO Cn ist eine zoperation (kurz: AL-KO) gdw. aussagenlogische Konsequen- für alle A, B ∈ LAL und T ⊆ LAL gilt: (¬) A ∈ Cn(T ) gdw. Cn(T, {¬A}) = LAL . Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 15 (∧) Cn(T, {A ∧ B})=Cn(T, {A, B}). (∨) Cn(T, {A ∨ B})=Cn(T, {A}) ∩ Cn(T, {B}). (→) A → B ∈ Cn(T ) gdw. B ∈ Cn(T, {A}). Beispiele: 1. Die Konsequenzoperation, die jeder Menge die Sprache LAL zuordnet, ist eine AL-KO. 2. Jeder adäquate aussagenlogische Kalkül ist eine AL-KO. 3. Die intuitionistische Logik ist keine AL-KO. Satz 26. Sei Cn eine AL-KO. Dann ist LAL endlich axiomatisierbar. Insbesondere ist {A, ¬A} ein Axiomensystem für LAL . Beweis: Es ist aufgrund der Monotonie A ∈ Cn({A, ¬A}) und also mit (¬) Cn({A, ¬A}, {¬A}) = Cn({A, ¬A}) = LAL . Auch sind aussagenlogische Konsequenzoperationen unter Modus Ponens abgeschlossen; eine Tatsache, die in vielen Beweisen dieses Kapitels verwendet wird. Satz 27. Sei Cn eine AL-KO und seien A → B ∈ T, A ∈ T . Dann ist B ∈ Cn(T ). Beweis: Nach der Voraussetzung ist wegen der Reexivität A → B ∈ Cn(T ). Also ist nach (→) B ∈ Cn(T, {A}). Da A ∈ T ist, ist T ∪ {A} = T . Also: B ∈ Cn(T ). Satz 28. Sei Cn eine AL-KO. Sind A → B, B → C ∈ Cn(T ), so ist A → C ∈ Cn(T ). Beweis: Sei A → B, B → C ∈ Cn(T ), dann ist wegen (→) B ∈ Cn(T, {A}) und aufgrund der Monotonie B → C ∈ Cn(T, {A}). Also ist wegen Modus Ponens C ∈ Cn(Cn(T, {A})) = Cn(T, {A}) (Idempotenz) und also wegen (→) A → C ∈ Cn(T ). 3.3 Einige aussagenlogische Tautologien Im Folgenden werden Tautologien aufgelistet, von denen einige eine wichtige Rolle im Beweis des Satzes, dass jede Menge bezüglich einer nitären AL-KO ein unabhängiges Axiomensystem hat, spielen. Satz 29. Sei Cn eine AL-KO. Alle Formeln der folgenden Formen sind Cn-Tautologien. 16 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 A → (B → A) (A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C)) (¬A → ¬B) → (B → A) A∧B →A A∧B →B A → (B → A ∧ B) A→A∨B B →A∨B (A → C) → ((B → C) → (A ∨ B → C)) Beweis: ad 1.: Es ist wegen der Reexivität und Monotonie von Cn A ∈ Cn({A, B}). Also ist wegen (→) B → A ∈ Cn({A}) und also wegen (→) A → (B → A) ∈ Cn(∅). ad 2.: Es ist wegen mehrmaliger Anwendung von Modus Ponens C ∈ Cn({A, A → B, A → (B → C)}). Durch mehrmalige Anwendung von (→) erhält man die Behauptung. ad 3.: Es ist {B, ¬B} ⊆ Cn({¬A, ¬A → ¬B, B}) und also wegen der Transitivität LAL = Cn({B, ¬B}) = Cn({¬A, ¬A → ¬B, B}). Deswegen ist nach (¬) A ∈ Cn({B, ¬A → ¬B}). Aufgrund von (→) gilt die Behauptung. ad 4.: Es ist wegen (∧) Cn({A, B}) = Cn({A ∧ B}). Da A ∈ Cn({A, B}) ist, ist auch A ∈ Cn({A ∧ B}). Also gilt wegen (→) die Behauptung. ad 5.: Analog zu 4. ad 6.: Es ist wegen (∧) Cn({A ∧ B}) = Cn({A, B}). Also ist A ∧ B ∈ Cn({A, B}). Durch zweimalige Anwendung von (→) erhält man die Behauptung. ad 7.: Es ist Cn({A ∨ B}) = Cn({A}) ∩ Cn({B}). Also ist A ∨ B ∈ Cn({A}). ad 8.: Analog zu 7. ad 9.: Es C ∈ Cn({A → C, B → C, A}) und C ∈ Cn({A → C, B → C, B}). Also ist C ∈ Cn({A → C, B → C, A}) ∩ Cn({A → C, B → C, B}). Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 17 Also ist nach (∨) C ∈ Cn({A → C, B → C, A ∨ B}). Durch mehrmalige Anwendung von (→) ergibt sich die Behauptung. Satz 30. Weitere Tautologien sind alle Formeln der Formen: 1. ¬¬A → A 2. A → ¬¬A 3. A ∨ ¬A 4. ((A → B) ∧ (¬A → B)) → B 5. (A → (B ∧ C)) → (A → B) 6. ¬A → (A → B) 7. ¬(A → B) → A 8. A ∨ B → (¬A → B) 9. A ∨ B → (¬B → A) 10. (¬A → B) → A ∨ B 11. (¬A → B) → B ∨ A 12. (A → B) → (A ∧ C → B ∧ C) 13. V (A ∨ C) ∧ (B ∨ C)V→ ((A ∧ B) ∨ C) n n 14. Vi=1 (Ai ∨ B) → ( i=1 Ai ) ∨ B 3 n 15. ( i=1 Bi ) → Bj für alle j : 1 ≤ j ≤ n. Beweis: ad 1.: Es ist Cn({¬A, ¬¬A}) = LAL . Also ist wegen (¬) A ∈ Cn({¬¬A}). Woraus die Behauptung folgt. ad 2.: Nach Teil 1 ist ¬¬¬A → ¬A ∈ Cn(∅). Auÿerdem ist nach Satz 29 Teil 3 (¬¬¬A → ¬A) → (A → ¬¬A) ∈ Cn(∅). Also ist A → ¬¬A ∈ Cn(∅). ad 3.: Nach Satz 29 Teil 8 ist ¬A → A ∨ ¬A ∈ Cn(∅). Also ist ¬A → A ∨ ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬A}). Also ist A ∨ ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬A}). Auÿerdem ist ¬(A ∨ ¬A) ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬A}). Insgesamt also {¬(A ∨ ¬A), A ∨ ¬A} ⊆ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬A}). Also ist wegen der Transitivität und (¬) A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A)}). Es ist ¬¬A → A nach dem 1. Teil dieses Satzes eine Tautologie. Darüber hinaus ist A → A ∨ ¬A eine Tautologie. Deswegen ist ¬¬A → A ∨ ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬¬A}). Also ist A ∨ ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬¬A}). Auÿerdem ist ¬(A ∨ ¬A) ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A), ¬¬A}). 3 Wobei: V1 i=1 Ai := A1 und Vn i=1 Ai := ( Vn−1 i=1 Ai ) ∧ An . 18 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 Also ist ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A}). Ingesamt ist also A, ¬A ∈ Cn({¬(A ∨ ¬A)}). Also ist mit (¬) A ∨ ¬A ∈ Cn(∅). ad 4.: Nach Satz 29 ist (A → B) → ((¬A → B) → (A ∨ ¬A → B)) ∈ Cn(∅). Also ist A ∨ ¬A → B ∈ Cn({A → B, ¬A → B}). Also ist, da A ∨ ¬A ∈ Cn(∅) B ∈ Cn({A → B, ¬A → B}). Nach (∧) ist Cn({A → B, ¬A → B}) = Cn({(A → B) ∧ (¬A → B)}). Woraus die Behauptung folgt. ad 5.: Es ist B ∧ C → B ∈ Cn(∅). Also ist B ∈ Cn({A, A → B ∧ C}). Woraus mit (→) die Behauptung folgt. ad 6.: Es ist Cn({A, ¬A}) = LAL . Also ist B ∈ Cn({A, ¬A}). Woraus die Behauptung folgt. ad 7.: Nach Teil 6 ist ¬A → (A → B) ∈ Cn(∅). Also ist Cn({¬(A → B), ¬A}) = LAL Also ist wegen (¬) A ∈ Cn({¬(A → B)}). ad 8.: Es ist nach (∨) B ∈ Cn({A ∨ B, ¬A}) gdw. B ∈ Cn({A, ¬A}) ∩ Cn({B, ¬A}). Letzteres gilt aber. Also ist B ∈ Cn({A ∨ B, ¬A}). Also gilt wegen (→) die Behauptung. ad 9.: Analog zu 8. ad 10.: Es ist, da B → A ∨ B eine Tautologie ist, A ∨ B ∈ Cn({¬A → B, ¬A}). Auch ist A ∨ B ∈ Cn({¬A → B, A}). Also ist mit Teil 4 dieser Behauptung A ∨ B ∈ Cn({¬A → B}). ad 11.: Analog zu 10. ad 12.: Es ist B, C ∈ Cn({A → B, A, C}) = Cn({A → B, A ∧ C}). Und da B → (C → B ∧ C) eine Tautologie ist, gilt die Behauptung. ad 13.: Nach Teil 9 ist A ∈ Cn({A ∨ C, ¬C}) und B ∈ Cn({B ∨ C, ¬C}). Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 19 Also ist A, B ∈ Cn({A ∨ C, B ∨ C, ¬C}). Also ist wegen (∧) A ∧ B ∈ Cn({A ∨ C, B ∨ C, ¬C}). Also wegen (→) ¬C → A ∧ B ∈ Cn({A ∨ C, B ∨ C}). Nach Teil 11 ist (A ∧ B) ∨ C ∈ Cn({A ∨ C, B ∨ C}). Also ist wegen (∧) (A ∧ B) ∨ C ∈ Cn({(A ∨ C) ∧ (B ∨ C)}). Aufgrund von (→) gilt die Behauptung. ad 14.: Beweis durch Induktion nach der Anzahl der Konjunktionsglieder n. Induktionsanfang: n=1 . In diesem Fall ist zu zeigen, dass (A1 ∨ B) → (A1 ∨ B) ∈ Cn(∅). Dies gilt aber aufgrund von (→). Induktionsschritt: n → n +V1 Vn n Induktionsvoraussetzung: i=1 (Ai ∨ B) → ( i=1 Ai ) ∨ B ∈ Cn(∅). Aufgrund von Teil 12 dieses Satzes folgt aus der Induktionsvoraussetzung: Vn Vn i=1 (Ai ∨ B) ∧ (Ai+1 ∨ B) → (( i=1 Ai ) ∨ B) ∧ (Ai+1 ∨ B) ∈ Cn(∅). Wegen Teil 13 dieses Satzes ist also Vn Vn (A ∨ B) → (( i=1 Ai ∧ Ai+1 ) ∨ B) ∈ Cn(∅). Nach i=1 (Ai ∨ B) ∧ V i+1 Vn+1 Vn+1 Denition von folgt, dass i=1 (Ai ∨ B) → ( i=1 Ai ) ∨ B ∈ Cn(∅). ad 15.: Beweis durch Induktion nach der Anzahl der Konjunktionsglieder n. Induktionanfang: n = 1. Es ist A1 → A1 eine Tautologie. Induktionsschritt: n → n +V 1 n Induktionsvoraussetzung: ( i=1 Bi ) → Bj ist für alle j : 1 ≤ j ≤ n eine Tautologie. Wir unterscheiden zwei Fälle: V Fall 1: j = n + 1. Dann ist, da ( ni=1 Bi ) ∧ Bn+1 → Bn+1 eine Tautologie ist, die Behauptung gezeigt. Fall Vn 2: j ≤ n. Es ist wegen der Induktionsvoraussetzung Bj für alle j : 1 ≤ jV≤ n eine Tautologie. ( i=1 Bi ) → V n n Also ist, da ( i=1 Bi ) ∧ Bn+1 → i=1 Bi eine Tautologie ist, wegen Satz 28 die Behauptung gezeigt. 3.4 Aussagenlogische Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit Das Hauptresultat dieser Arbeit ist, dass jede Menge ein unabhängiges Axiomensystem hat (vgl. Hauptsatz 31). Dieses Resultat gilt aber nur für nitäre aussagenlogische Konsequenzoperationen und abzählbare Sprachen. Es ndet sich bei Monk ([2], S.370-371). Der Beweis dort ist allerdings eher skizzenhaft und geschieht innerhalb eines spezielleren 20 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 Rahmens, sodass eine Verallgemeinerung und ein ausführlicher Beweis dringend notwendig waren. Beachtenswert ist, dass im Beweis der Satz, dass jede endlich axiomatisierbare Menge hinsichtlich nitären Konsequenzoperationen ein unabhängiges Axiomensystem hat, wesentlich einieÿt. Insbesondere ist es also notwendig, diesen Satz vorher zu beweisen und nicht als bloÿen Spezialfall des nächsten Satzes anzusehen. Hauptsatz 31. Sei Cn eine nitäre AL-KO und T eine abzählbare Satzmenge 4 . Dann gibt es ein unabhängiges Axiomensystem S 0 für T . Beweis: Da T abzählbar ist, gibt es zwei Fälle: Fall 1: T ist endlich. Dann ist T endlich axiomatisierbar. Da Cn nitär ist, existiert folglich nach Satz 23 ein unabhängiges Axiomensystem für T. Fall 2: T ist abzählbar unendlich. Dann ist T = {Ai : i ∈ N}. Sei B1 := A1 V k und Bk+1 := ( i=1 Ai → Ak+1 ). Sei S := {Bi : i ∈ N} Es wird wie folgt vorgegangen: Zunächst wird gezeigt, dass S ein Axiomensystem von T ist, dann wird ein S 0 deniert, das unabhängig ist und ein Axiomensystem für S ist. Dann ist S 0 auch ein unabhängiges Axiomensystem für T . Es gilt: 1) S ist ein Axiomensystem für T , d.h. Cn(S) = Cn(T ). Beweis: "⊆": Cn(S) ⊆ Cn(T ). Es genügt wegen der Transitivität zu zeigen, dass S ⊆ Cn(T ). Sei B ∈ S . Dann ist B = Bk für ein k . Fall 1 : k = 1. Dann ist B =V A1 und A1 ∈ T . Fall 2 : k ≥ 2. Dann ist B = k−1 i=1 Ai → Ak . Es ist Ak ∈ T und also nach Satz 29 Teil 1 Vk−1 i=1 Ai → Ak ∈ Cn(T ). "⊇": Cn(T ) ⊆ Cn(S). Wieder genügt es zu zeigen, dass T ⊆ Cn(S). Sei An ∈ T . Gezeigt wird: An ∈ Cn({B1 , ..., Bn }) Beweis durch Induktion nach n. Induktionsanfang: Sei n = 1. Es ist A1 ∈ Cn({A1 }) und also da A1 = B1 gilt die Behauptung. Induktionsschritt: k ≤ n → n + 1 4 Da L AL abzählbar ist, ist es auch T . Man bräuchte dies also von T nicht zu fordern. Es soll aber explizit gemacht werden. Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 21 Induktionsvoraussetzung: Ak ∈ Cn({B1 , ..., Bk }) für alle k ≤ n. Zu zeigen ist An+1 ∈ Cn({B1 , ..., Bn+1 }). Nach der Induktionsvoraussetzung gilt: Ak ∈ Cn({B1 , ..., Bk }) für alle k : 1 ≤ k ≤ n. Folglich ist aufgrund der Monotonie {Ai : 1 ≤ i ≤ n}V⊆ Cn({B1 , ..., Bn }). n Wegen (∧)5 V ist i=1 Ai ∈ Cn({B1V, ..., Bn }) (*). n n Da Bn+1 = i=1 Ai → An+1 , ist i=1 Ai → An+1 ∈ Cn({Bn+1 }) (**). Aus (*) und (**) folgt wegen des Schnittes An+1 ∈ Cn({B1 , ..., Bn+1 }). Womit die Behauptung gezeigt ist. Sei nun S 0 := S \ {A : A ist eine Tautologie}. Dann ist wegen Satz 11 2) Cn(S 0 ) = Cn(S). S 0 ist unabhängig. Um dies einzusehen, wird ein Hilfssatz benötigt: 3) Für alle k, j ∈ N : Bk ∨ Bj ist eine Tautologie, falls j 6= k. Beweis: Sei o.B.d.A. j < k.V Vk−1 k−1 Nach Satz 30 Teil 7 ist ¬( i=1 Ai → Ak ) → i=1 Ai ∈ Cn(∅). Vk−1 Also ist, da j < k und folglich Aj in i=1 Ai auftritt, Vk−1 Aj ∈ Cn(∅) (Satz 30 Teil 15) i=1 Ai → V k−1 und also ¬( i=1 Ai → Ak ) → Aj ∈ Cn(∅). Vj−1 Nach Satz 29 Teil 1 ist Aj → ( i=1 Ai → Aj ) ∈ Cn(∅). Vk−1 Vj−1 Insgesamt also ¬( i=1 Ai → Ak ) → ( i=1 Ai → Aj ) ∈ Cn(∅). d.h.¬Bk → Bj ∈ Cn(∅). Nach Satz 30 Teil 10 ist also Bk ∨ Bj eine Tautologie. Nun lässt sich Folgendes zeigen: 4) S 0 ist unabhängig. Beweis: Angenommen, S 0 ist nicht unabhängig. Dann ist B ∈ Cn(S 0 \ {B}) für ein B ∈ S 0 . Es ist B = Bn für eine natürliche Zahl n und Bn ist nicht tautolog. Also existiert, da Cn nitär ist, ein endliches S 00 mit S 00 ⊆ S 0 \ {Bn } und B ∈ Cn(S 00 ). Zwei Fälle sind zu unterscheiden: Fall 1 : S 00 = ∅. Dann ist Bn tautolog. Widerspruch! Fall 2 : S 00 = {Bl1 , ..., Blm }. V m Dann ist wegen (→) und (∧) r=1 Blr → Bn ∈ Cn(∅)(∗). 00 Nach 3) gilt, da Bn 6∈ S und also Bn 6= Blr Blr ∨ Bn ∈ Cn(∅) für alle r : 1 ≤ r ≤ m. 5 Wie man leicht durch Induktion zeigen kann. 22 Kriterion Journal of Philosophy (2010) 23: 523 Vm Also ist wegen (∧) r=1 (Blr ∨ Bn )V∈ Cn(∅). m Aufgrund von Satz 30 Teil 14 istV( r=1 Blr ) ∨ Bn ∈ Cn(∅). m Also ist wegen Satz 30 Teil 8 ¬ r=1 Blr → Bn ∈ Cn(∅) (**). Aus (*) und (**) folgt mit Satz 30 Teil 4, dass Bn ∈ Cn(∅). Das ist ein Widerspruch zu: Bn ist keine Tautologie. Somit ist S 0 ein unabhängiges Axiomensytem für T . Bemerkung: Der Satz liefert, wie aus dem Beweis ersichtlich ist, eine eektive Methode, um zu einer vorgegebenen Menge ein unabhängiges Axiomensystem zu nden. Christian Wallmann Fachbereich Philosophie (KGW) Universität Salzburg Franziskanergasse 1 5020 Salzburg, Austria <[email protected]> Christian Wallmann: Konsequenzoperationen und Unabhängigkeit 23 Literatur [1] Günter Asser. Einführung in die mathematische Logik, Teil 1 Aussagenkalkül. B.G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 6. Auage edition, 1983. [2] J. Donald Monk. Mathematical Logic. Springer, New York, 1976. [3] Witold Pogorzelski and Piotr Wojtylak. Completeness Theory for Propositional Logics. Birkhäuser, Basel, 2008. [4] Ryszard Wojcicki. Theory of logical calculi. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, 1988.