Was ist Mission?

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Was ist Mission?
1. Was ist Mission?
2. Mission - ein kurzer Blick auf die Bibel
3. Zehn Arten von Mission
4. Neue Entwicklungen in der Mission
5. Moderne Herausforderungen an die Mission
6. Mission - aus kritischer Sicht der 3. Welt
7. Geben und Nehmen - gegenseitiges Lernen
8. Vereinnahmen wir andere Religionen?
WAS IST MISSION?
Man weiss heute, was Mission nicht sein will,
aber noch wenig, was sie eigentlich ist.
1. Allgemeine Bedeutung des Wortes
Wörtlich heisst Mission: Sendung. Sie bedeutet auch: Einsatz. So spricht man zum Beispiel
auch von einer UNO-Mission.
2. Bedeutung des Wortes im christlichen Sinn
Nach christlicher Überzeugung hat Gott selbst eine Mission: er wird Mensch, um die
Menschen von innen heraus aus ihrer Unfreiheit zu lösen und eine neue Gemeinschaft
unter Menschen anzuregen. Dazu zieht er Menschen in seine Mission hinein. Mission
beschreibt man so am besten als Mitwirken am Heilwerden der Welt.
3. Erfülltes Leben, sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft, das will die
Mission anstiften. Biblische Begriffe dazu sind "Heil" (Schalom) oder "Reich Gottes" wie
sich Jesus ausdrückte. Sie umfassen das Ganze des menschlichen Lebens: Körper und
Seele, Gemeinschaft, Einsatz für die Natur, Kultur und Politik und eine kräftige Grundhaltung der Hoffnung. Jesus vergleicht den Vorgang des "Reiches Gottes" mit dem sanften
Wachstum einer grossen Pflanze. Das Reich Gottes, die Fülle, sei nicht herstellbar, eher ist
es zu entdecken oder zu finden oder geschenkt zu erhalten. Je nach Kontinent und soziokulturellem Umfeld werden die Menschen das Heil unterschiedlich verstehen. Auch das
innerseelische Heil gehört zu diesem grossen menschlichen Frieden (Schalom), der zugleich ein Friede mit Gott und in Gott ist, nur war die Mission früher zu einseitig auf die
innerseelische Dimension ausgerichtet.
4. Die kirchliche Mission
Wie man die kirchliche Mission versteht, hängt davon ab, wie man Kirche versteht.
Das II. Vatikanische Konzil hat die Kirche als "Sakrament, Zeichen und Werkzeug für die
innigste Vereinigung mit Gott, wie für die Einheit der ganzen Menschheit" bezeichnet.
Hinter diesen frommen Worten des Konzils steckt eine wichtige Aussage: die Kirche sieht
sich nicht als Selbstzweck, sondern als Zeichen und Werkzeug. Die Kirche ist ein Ferment
für die Gesellschaft, und das macht ihre Sendung (ihre Mission) aus.
5. Alle Menschen sollen mitwirken
Gott hat sich in die gesamte Welt inkarniert, nicht bloss in die Kirche. Die Mitwirkung für
den Grossen Frieden gibt es nicht nur in der Kirche, sondern in der ganzen Welt. Es sind
auch andere Menschen Mittel und Zeichen für das Reich Gottes: Menschenrechtsgruppen,
Bewegungen für die Bewahrung der Schöpfung, für Frieden und Gerechtigkeit, für Kranke
und Leidende, Eltern, Erzieher, Arbeiter, Dichter, Therapeuten, Politiker, Wirtschaftler,
alle, die sich für ein Leben in Fülle, für Schalom, für das Reich Gottes einsetzen.
l (Lumen Gentium, I). Das Konzil erklärte auch: "Während die Kirche selbst der Welt hilft oder von dieser
vieles empfangt, strebt die Kirche nach dem einen Ziel, nach der Ankunft des Reiches Gottes und der
Verwirklichung des Heiles der ganzen Menschheit." (Gaudium et Spes, 45)
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6. Massstab Jesus Christus
Christen bemessen die Heilswerte einer Religion an der Person und dem Vorbild Jesu, der
nach christlichem Glauben das Ziel der Menschheit ist, in dem die Menschheit zu sich
selbst und zugleich zu Gott findet. Die christliche Botschaft wird nicht dadurch geschmälert, wenn sie anerkennt, dass Gott auch auf andere Art und durch andere Heilsbringer für
die Menschen gehandelt hat und immer noch handelt. Doch messen Christen diese
Heilsbringer an der Gestalt Jesu Christi. Er ist für sie das "Licht der Völker" (Lumen
Gentium, I).
Es schliesst nicht aus, dass es neben diesem Licht noch andere Lichter gibt. Christen haben
Christus nicht als einen Besitz, sondern als Massstab und Begleiter auf dem Weg.
7. Profetische Stimme
Das erneuerte Missionsverständnis nach dem Konzil führt die Kirche aus einem isolierten
Sonderbezirk heraus. Man darf ihr aber keine zu geringe Rolle zumessen. Sie ist besonders
autorisiert, die Stimme für das Reich Gottes zu erheben, weil sie die Worte, Zeichen und
Taten Jesu in sich birgt, auch wenn diese Quellen in der Kirche vielfach verschüttet und
verstaubt sind und der Kirche heute viel an aktuellem Lebenswissen fehlt. Unsere Zeit
braucht dringend ein Sprachrohr für das für Reich Gottes, eine profetische Kraft. Sogar der
kirchenferne Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich erwartete von der Kirche: "Sie soll
ein Stachel im Fleisch der Faulheit der Gesellschaft sein!"
In diesem Sinn müsste Mission sogar wieder offensiver (für das Heil der Welt) werden und
sich nicht in sich zurückziehen. Die Kirche soll die Stimme Gottes in Jesus zur Geltung
bringen, und die Christen sollen möglichst sofort anfangen, diese Worte selbst in Taten
umzusetzen. Und vorwegnehmend spielen und feiern sie das Reich Gottes in der, Liturgie,
insbesondere in der Eucharistiefeier, der treuen Gegenwart Jesu.
WAS HEISST EVANGELISIEREN?
Evangelisierung oder Evangelisation sind im Grunde die gleichen Worte wie Mission. Papst
Paul VI definierte "Evangelisierung" im gleichen Sinn, wie wir oben Mission definiert haben:
als Dienst an der Menschheit. Die Evangelisierung will die Menschen auf Schalom, auf Heil
hin umwandeln, und nicht bloss Mitglieder für die Kirche gewinnen. In der Enzyklia "Evangelii Nunciandi" (1975) schreibt er:
"Wenn man es mit einem Wort ausdrücken müsste, so würde man wohl am richtigsten sagen:
die Kirche evangelisiert, wenn sie sich darum bemüht, durch die göttliche Kraft der Botschaft,
die sie verkündet, das persönliche und kollektive Bewusstsein der Menschen, die Tätigkeit, in
der sie sich engagieren, ihr konkretes Leben und jeweiliges Milieu umzuwandeln.
Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer grössere
Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, dass
durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenspunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der
Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt
werden." (Nr.18/19)
ns, 1994
MISSION
EIN KURZER BLICK AUF DIE BIBEL
Das Alte Testament
Das AT kannte keine Mission im eigentlichen Sinn. Das Volk Israel war eine feste Volksgruppe von 12 Stämmen und suchte sich nicht durch neue Glaubensanhänger auszuweiten.
Dennoch kreist das AT nicht nur um Israel. Es lehrt, dass Gott die Welt für alle Menschen
geschaffen habe und am Ende der Zeiten alle Völker am Berg Gottes zusammenkommen
werden.
Das eigene Volk Israel wird im AT oft kritisiert, dass es ein schlechtes Vorbild für die anderen
Völker sei und dem Namen Gottes keine Ehre mache. Im übrigen verdanken wir dem AT das
Verständnis von Heil in seinem sehr umfassenden Sinn von Ganzheit und Fülle.
Das Neue Testament
Man darf die Mission im NT keinesfalls an einigen - fast untypischen - Missionsworten festmachen (z.B. der sogenannte Missionsbefehl).
Man muss es im Gesamt betrachten:
1. Das NT ist weniger ein Dokument übe r die Mission, als vielmehr ein Dokument der
Mission. Es ist weniger ein Dokument über missionarische Verkündigung, sondern selber
missionarische Verkündigung. Die Mission beruht nicht auf einzelnen Bibelstellen, sondern ist die logische Konsequenz der Ankunft Gottes in Jesus Christus. .
2. Alle 4 Evangelien verbinden die Erscheinungen des Auferstandenen mit Mission/Sendung
zu Menschen. Die Ostererfahrungen haben die JüngerInnen zur Erkenntnis der weltweiten
Bedeutung Jesu geführt. Sie erfuhren die Überwindung von Leid, Niederlage und Tod, und
so ist ihnen das Reich Gottes in Jesus definitiv sichtbar geworden.
Für sie ist in seinem Leben und in seinem Tod ein neues Menschenbild, der "neue Adam"
sichtbar geworden, auf den sich die menschliche Gestalt ausrichtet. Somit hat die Person
Jesu universale Bedeutung für alle Menschen. Das ist die Begründung des christlichen
Sendungsauftrages und sein weltweiter Charakter.
3. Diese Erkenntnis war in der Urkirche das Ergebnis eines längeren Prozesses. Zunächst war
die christliche Mission auf Palästina beschränkt. Über jüdische Festbesucher gelangte dann
das Evangelium in die Diasporagemeinden. Dort kamen sehr schnell die frommen
"Heiden" (z.B. Griechen) mit dem christlichen Glauben in Berührung. Überhaupt war die
ganze damalige Zeit durch eine epochale Welle religiöser Propaganda von allen Seiten gekennzeichnet.
Ausgangspunkt der systematischen Völkermission war die Gemeinde von Antiochia. Dort
verkündeten als erste die aus Jerusalem vertriebenen Stefanusleute das Evangelium, frei
vom jüdischen Gesetz: Alle Menschen konnten sich voll und gleichberechtigt in die christliche Gemeinde integrieren, auch ohne Beschneidung.
In Antiochia scheinen sich die ersten unabhängigen Christengemeinden etabliert und von
der jüdischen Synagoge gelöst zu haben.
4. Auch der Autor des Mathäus-Evangeliums gehörte zur Gemeinde von Antiochia. Er formulierte
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das bekannte Sendungswort (Mt 28,16-20), das die fünfzigjährige Missionspraxis der
Gemeinde von Antiochia reflektierte: "Geht zu allen Völkern und macht alle
Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes..."
Dieses Wort verbindet nun ausdrücklich die universale Bedeutung des Auferstandenen mit
der Weltweite des Missionsauftrags.
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Die Mission der Kirche soll die noch verborgene universale Gegenwart Christi in der Welt
sichtbar machen. Mathäus arbeitete theologisch die Einsicht heraus, dass nun die Kirche
aus Heiden die ursprüngliche Stelle Israels als Gottesvolk eingenommen hat (Motiv der
"Verstocktheit Israels").
5. Auch Paulus stand vor seinen grossen Missionarreisen (seit dem Jahr 48) fünfzehn Jahre
lang im missionarischen Dienst der Gemeinde Antiochia. Die Kirche aus Heiden ist also
keineswegs seine "Erfindung".
Das Heil besteht für ihn nicht in der Erfüllung des religiösen Gesetzes, sondern allein im
Glauben, d.h. des Vertrauens, dass ich (von Gott) angenommen bin, obwohl ich (als Sünder) unannehmbar bin. Zentral und unüberbietbar hat das nach Paulus am Kreuz stattgefunden. Mission ist für ihn die Hinführung zu diesem Glauben.
6. Der irdische Jesus hatte die Grenzen Israels nie überschritten. Dennoch findet die weltweite
Sendung der Kirche auch in seiner Botschaft und in seinem Auftreten Anhaltspunkte:
- Am deutlichsten in der Kernbotschaft Jesu selbst: er kündigt die Nähe des Reiches
Gottes an, das in seinem Wesen universal ist. Er sprengt Grenzen auch innerhalb der
eigenen Gesellschaft (Sünder, Zöllner, Dirnen). Jesus verstand das Reich Gottes nie
exklusiv, sondern immer Menschen einschliessend. Nie huldigte er einer sektiererischen
Ideologie des heiligen Restes.
- Jesus praktizierte eine Wandermission, indem er von Ort zu Ort zog, auch in die bei den
Juden beargwöhnten Grenzgebiete. Er lud andere zu seiner Wandermission ein.
ns, 1994
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Zehn Arten von Mission
1. Mission als Bekehrung der Menschen
In der christlichen Tradition sah die Mission hauptsächlich ihre Aufgabe darin, die Seelen
der Menschen zu retten. Dies geschah durch die Belehrung und Verkündigung des Evangeliums einerseits und durch den Übertritt und die Taufe der Menschen andererseits.
Angesichts so vieler individueller und kollektiver Fehlentwicklungen menschlichen Lebens
bleibt die christliche Glaubensverkündigung weiterhin als Chance für viele Menschen,
durch die frohe Botschaft Befreiung und einen neuen Horizont für ihr Leben zu finden,
sowohl als Individuum wie auch als Gesellschaftsganzes. Bekehrung beinhaltet persönliche
Entscheidung, eine Veränderung und neue Ausrichtung.
Eine spezielle Form der Bekehrungsmission findet sich in evangelikalen Bewegungen und
Sekten, welche die Menschen sehr individualistisch und fundamentalistisch (=buchstabengemäss) und manchmal sehr bedrängend zur Umkehr und Rettung ihrer Seelen aufrufen.
2. Mission als Ausbreitung der Kirche
In diesem Missionsmodell ist das Ziel der Aufbau und die Verbreitung der Kirche als Ort
der Gemeinschaft der Menschen mit Gott und des Aufbaues einer heileren Welt. Im traditionellen Sinn war das Ziel der Mission dann erfüllt, wenn die Menschen überall eine Kirche vorfinden, um an den Sakramenten teilnehmen zu können. Die innere Bekehrung der
Menschen war nicht mehr Aufgabe der Mission, sondern der Seelsorge.
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3. Mission als Nächstenhilfe
Diese MissionarInnen begründen ihre Spiritualität, ihren Dienst am Nächsten in Not, mit
den Worten Jesu: "Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben... ich war fremd und
ihr habt mich aufgenommen... ich war krank und ihr habt mich besucht." (Mt. 25,31-40)
4. Mission als zwischenkirchliche Hilfe
Die Mission ist die sachliche und personelle Hilfe, die eine Ortskirche einer schwächeren
Ortskirche gewährt, bis diese dann ihren Auftrag aus eigener Kraft erfüllen kann. Mission
ist hier Hilfe zur Selbsthilfe, aus einer Haltung weltweiter innerkirchlicher Solidarität.
Diese Mission will Abhängigkeiten vermeiden und stellt sich bewusst auf eine Ablösung
em.
Dieses Modell wird häufig erweitert durch einen gegenseitigen Lern- und Austauschprozess zwischen den verschiedenen Ortskirchen. Sie geben einander und empfangen von einander spirituelle Reichtümer, Lebenserfahrungen und neue Dimensionen von Kirchesein.
5. Mission als sozialpastorale Projektarbeit
Im Mittelpunkt dieses Modells steht der aktive Aufbau von Basisgemeinschaften, Bildung
von Eigenverantwortung in diesen Gemeinden und modellhafte Projekte für den Aufbau
einer gerechteren und humaneren Welt. Diese Mission geht von einer Analyse der Realität
aus und durchdringt ihre Arbeiten mit religiöser Feier und Besinnung und Deutung durch
das Evangelium.
6. Mission als Präsenz bei den Menschen
Im Vordergrund steht die Nähe der MissionarInnen bei den Menschen, um an deren Leben
Anteil zu nehmen. Aus dieser Gegenwart erwächst gegenseitiges Vertrauen. Es entstehen
auf beiden Seiten Impulse, um Wege und Aufgaben hin zum Reich Gottes zu entdecken.
Dieses Missionsmodell ist häufig auch die Grundlage und Voraussetzung von anderen
Missionsmodellen.
Im Hintergrund dieses Missionsmodells steht häufig eine Verkündigungsabsicht: "Was wir
tun, spricht mehr, als was wir sagen" (Verkündigung durch Zeugnis, nicht durch Worte).
7. Mission als Inkulturation
Die christliche Botschaft taucht in eine kulturelle Umgebung ein,
sie setzt sich dieser aus und empfangt von dieser und trägt auch an deren Prozess und
Entwicklung bei.
Inkulturation will das Evangelium nicht gleichmachen, sondern sucht eine solidarische und
zugleich kritische Teilnahme in der anderen Kultur.
Vorbild der christlichen Inkulturation ist Gott selbst, der sich in einem Menschen inkarnierte, ohne dass das göttliche oder das menschliche Wesen geschmälert wurden.
In neuerer Zeit gibt es auch den Begriff der "kontextuellen Theologie", d.h. die Theologie
will sich in den konkreten Kontext einer Situation stellen.
8. Mission als Dialog der Religionen
Hierunter wird das Religionsgespräch verschiedener Glaubensrichtungen verstanden, das auf der Grundlage des gegenseitigen
Respekts und ehrlichen Interesses geschieht und die Konflikte
zwischen den Religionen überwinden will.
9. Mission als beiderseitige Begleitung
Beide Seiten vermitteln einander die Werte ihrer kulturellen, sozialen und religiösen
Identität und ihrer Quellen und Wurzeln. Sie halten Gemeinsames und Unterschiedliches
fest und stellen sich von dieser Grundlage gemeinsam den Herausforderungen ihres Lebensraumes. Diese Mission ist eine Art gegenseitige Glaubensverkündigung und beruht auf
der Autorität beider Seiten. Dieses Modell wird auch reziproke oder komplementäre
Mission genannt.
10. Mission als Menschenrechtsarbeit
Mission macht sich hier zum Anwalt, dass jeder Mensch und jedes Volk sein Recht auf
eigene Identität leben und sich für seine konkreten Menschenrechte einsetzen kann. Die
Mission stellt hierbei ihr eigenes Glaubensbekenntnis zurück und setzt sich ganz für die
Stärkung oder Rettung einer anderen Identität ein.
Wenn die andere Identität in ihrem Selbstbewusstsein gesichert ist, kann sich evtl. eine
Begegnung im Sinn eines anderen Missionsmodells anschliessen.
ns, 1994
Mission heute
Aus dem Schlusskapitel der Plattform des Schweizerischen Katholischen
Missionsrats zum Missionsverständnis, 2002
In den letzten Jahren hat es viele neue und weiterführende Bewegungen in den entwicklungspolitischen Zusammenhängen gegeben:
. Vom Einzelnen zur Gemeinschaft. Bei der Förderung von mehr Lebensqualität ist heute nicht mehr nur der einzelne Mensch im Blick, sondern
die Dorfgemeinschaft und die Region.
. Von der Patenschaft zur Partnerschaft. Die früher eher Abhängigkeit
schaffenden Entwicklungsprojekte weichen heute partnerschaftlichen
Ansätzen. .
. Von der Vernachlässigung zum Einbezug der Ökologie. Die Zusammenhänge zwischen einer gesunden Schöpfung und einer wachsenden
menschlichen Lebensqualität sind immer besser erkennbar.
. Von der Dritten Welt zur Einen Welt. Eine solche Sicht soll nicht die
Unterschiede zwischen den verschiedenen Welten vermischen. Aber sie
steht für die Vision von immer gerechteren Lebensverhältnissen für alle
Menschen.
. Vom lehrenden zum lernenden. Lange hat die westliche Welt den ärmeren
Ländern ihr Weltbild aufgedrängt. Wir entdecken aber zunehmend der
grossen Reichtum, den es bedeutet, sich in die Rolle der Lernenden zu
begeben und von Menschen anderer Kulturen und Religionen zu lernen.
Dadurch kann verhindert werden, andere Kulturen, Religionen und
Lokalkirchen nur durch unsere Brille zu sehen.
. Von der Einbahnstrasse zur Strasse mit Gegenverkehr. Wenn eine
Missionarin oder ein Missionar früher in ein anderes Land zog, sagte man: "Sie / er
geht in die Mission." Diese Sicht war einseitig und hat die Welt in christliche und nichtchristliche Länder eingeteilt. Gerade in der momentanen pastoralen Situation in der
Schweiz ist spürbar, welcher menschliche Reichtum darin liegt, dass wir pastorale
Hilfe aus den Ländern des Südens erhalten. Deren Gedanken, Lieder, Spiritualitäten,
Gemeindemodelle und Theologien können helfen, bei uns verlorengegangene Werte
neu zu beleben.
. Gottes.
Von einer Mission der Kleriker zu einer Mission des gesamten Volkes
Lange Zeit galten fast ausschließlich Kleriker und Ordensleute als Träger der
Mission. In den letzten Jahrzehnten besinnen sich zunehmend auch alle anderen
Kräfte des Volkes Gottes ihres missionarischen Auftrags und entwickeln neue Wege,
missionarisch tätig zu werden.
. Von einer vorherrschend männlich geprägten zu einer geschwis-
terlichen Welt. Zu einer befreienden Mission und einer gelungenen Entwicklung
gehört es unbedingt, sich weltweit verstärkt für die Rechte aller Menschen,
insbesondere der Frauen, einzusetzen.
zusammengestellt von José Amrein-Murer, Bildungsdienst der Bethlehem Mission Immensee
MODERNE HERAUSFORDERUNGEN AN DIE MISSION
In seiner Missionsenzyklika "Redemptoris Missio" (1990) lenkt Papst Johannes Paul II die
Aufmerksamkeit auf folgende sechs Orte der Mission ( 37 b+c):
1. Die Gross-Städte ("Megacities“) der Welt, "in denen sozusagen eine neue
Menschheit mit neuen Entwicklungsmodellen heranwächst".
.'
.,
2. Die Jugend, die in vielen Ländern der Welt mehr als die Hälfte der
. Bevölkerung ausmacht und "nicht durch die herkömmlichen Mittel der
Pastoral evangelisiert werden kann".
3. Die Emigranten und Flüchtlinge, die ständig in Bewegung sind und deren Zahl
andauernd wächst.
4. Jene, die in Armut und in unmenschlichen Situationen leben.
5. Die Massenmedien und die von ihnen geschaffene neue Kultur.
6. Neue Bereiche der Evangelisierenden Aktivität, „wie zum Beispiel der Einsatz für
den Frieden, die Entwicklung und Befreiung der Völker, die Menschen und
Völkerrechte, vor allem jene der Minderheiten, die Förderung der Frau und des
Kindes, der Schutz der Schöpfung".
"Unsere Zeit hat zugleich etwas Dramatisches und Faszinierendes", so fasst der Papst diese
Erscheinungen zusammen und fährt fort: Die Menschen scheinen einerseits immer mehr in
konsumistischen Materialismus einzutauchen, auf der anderen Seite zeige sich auch eine
ängstliche Suche nach Sinn (38)
Aus der Sicht der 3. Welt:
Kritik an der Geschichte der Mission
Aus Stellungnahmen von Theologlnnen der 3. Welt (EATWOT)
Erstens: der «koloniale» Missionar.
Die Gestalten des neuzeitlichen Missionars und des Kolonisators haben in den
Augen der Dritten Welt mancherlei gemeinsam. Zum einen stammen sie beide aus
dem Westen - Europa oder Amerika -, letztlich also aus dem «Norden». Für beide
ist der «Westen» - bei allen Verschiedenheiten der Haltung - ursprünglich Heimat,
«Heimatkirche» oder «Heimatland». Leitbild beider ist der westliche Mensch - er
verwirklicht die menschlichen Möglichkeiten massgebend und gültig; seine
Errungenschaften sind ins überseeische «Ausland» zu übermitteln - Christentum,
Zivilisation, Wirtschaft, Wissenschaft. Freilich, was dort in der Fremde wird, bleibt
zurück hinter der Wirklichkeit der westlichen Heimat, weil hier die menschlichen
Möglichkeiten schmäler, weil «primitiv», sind.
Missionar und Kolonisator haben auch gemeinsam die Erfahrung der überseeischen Länder; der missionarische Lebensstil ist eine bloße Abart jenes des kolonialen Administrators; der Missionar ist Pionier wie der Kolonisator. Gemeinsame von
den gesetzten «Idealen» her meist - bittere Erfahrung schafft zwischen ihnen
Solidarität. Haben sie Erfolg, vermögen sie - jeder in seinem Bereich - das Werk
ihrer Hände vorzuweisen; Schöpfungen, die aus ihrem Wagemut und Einsatz
hervorgehen. Die entstehende Missionskirche hat ihren Grund in der Initiative und
der Kompetenz des Missionars und den von ihm aus der Heimat beschafften
Finanzen.
- Zweitens: die «ekklesiologische Autorität)
Der europäische Missionar ist also der eigentliche auctor ecclesiae. Er ist zunächst theologisch - der massgebende Tradent des Christentums; ihm gegenüber sind die
einheimischen Christen «hörende Kirche», auf ihn angewiesen. Er ist zweitens sozial gesehen - von erstaunlichen Ressourcen an Talent, Initiativen und Finanzen;
ihm gegenüber sind die Christen von beschränkter Befähigung. Er ist schliesslich nochmals vom Sozialen her - seiner Kompetenz bewusst; er weiss sich zuständig,
die alten Autoritäten zu suspendieren und Neuerungen durchzusetzen - bei ihm ist
Verlass und Sicherheit. - Die vom Missionar begründete und im Bestehen erhaltene
Gemeinde ist weiterhin Bezügerin des Christentums. Überzeugungen sind - weil der
Gefahr des Opportunismus ausgesetzt - oft zweifelhaft. Die Christen sind in Abhängigkeit geraten; sie haben die Freiheit der Selbstentscheidung eingebüsst, zugleich
mit der Verantwortung der Mitsprache. Gemeinsame kirchliche Angelegenheiten
sind nicht eigentlich ihre Sache: Es mangelt die Identifizierung; Apathie lähmt
gemeinsame Anstrengung
- die Initiative des Missionars gewährleistet der
Gemeinde Bestand.31
Drittens: Agent «westlicher Innovation»
Mit dem Aufbau des Schulsystems, den Initiativen im Gesundheitswesen - kurzum
mit den verschiedenen Innovationen, die der Missionar an der Seite des
Kolonisators an die Hand nimmt, wird er zum Kollaborateur der Kolonisation;
dabei reproduziert er den Verhaltensstil «seines Partners», des Kolonisators:
Sie sind beide Agenten einer umfassenden Innovation: Von völlig verschiedenen
Voraussetzungen herkommend, stellen sie die einheimische Überlieferung in Frage,
missachten sie und rotten sie aus; umgekehrt verkörpern sie die Möglichkeit der
Emanzipation und des Fortschrittes für einige wenige; sie sind von überlegener
Kompetenz, vielseitigen Initiativen und scheinbar unerschöpflichen Ressourcen.
Sie sind Repräsentanten der europäischen Aggression: Sie stürzen die Machtverhältnisse um, herkömmliche Machtinhaber werden zweifelhaft - umgehbar (vgl.
Gerichtsbarkeit); beim Missionar vermischt sich der Absolutheits-Anspruch des
Christentums mit dem Bewusstsein der kulturellen und rassischen Überlegenheit
des Europäers.
Missionar und Kolonisator sind beide Europäer, die in derselben Epoche der
Umstürze von derselben Überlegenheit und Anmassung und - offenbar - im gcgenseitigen Einvernehmen in die Dritte Welt eingebrochen sind: Sie sind Partner.
Was wir von den Schwarzen Kolumbiens lernen können:
1.Lebensbejahung und Unbesorgtheit, nicht ungeduldig werden und explodieren
2. Kraft und Ausdauer, schwere Situation in den Grossfamilien zu bestehen
3. Kommunikationsfähigkeit: niemand bleibt allein
4. eine natürliche Glaubensstärke
Was die Schwarzen von der europäischen Kultur lernen können:
1. Solidarität auch ausserhalb der Grossfamilie
2. Gleiche Würde aller Menschen, am Beispiel: sie können uns widersprechen
3. Nicht auf Hilfe von aussen warten, sondern selbst etwas anfangen
Was wir von den Mestizen lernen können;
1. Die Kraft der Spontaneität, die spontane Grossherzigkeit, jmd. Willkommen heissen
2. Aus einem Grundvertrauen in Gott heraus leben, weil man sich als Teil und nicht als
Besitzer/in des Lebens fühlt
3. Die Kraft und Hartnäckigkeit von Frauen, das Leben in Zwangslagen zu bejahen und
zu verteidigen
Was die Mestizen von der europäischen Kultur lernen können:
1. Mitgefühl, Wertschätzung, Gewaltlosigkeit den Dingen und Menschen gegenüber
2. Organisation und prozesshaftes Arbeiten
3. Transparenz in Beziehungen, Sachen und Vorgängen
Was wir von den Indianern lernen können:
1. Ein anderer Zeitrhythmus
2. Das Miteinander, das Palavern, eine Konsenskultur
3. Toleranz: Verschiedenheit akzeptieren
Was die Indianer von der europäischen Kultur lernen können:
1. Wie in einem Spiegel ihre eigene Identität erkennen, Selbstwert, Autonomie, Territorium
2. Brückenfunktion, Übersetzungsdienste: die Aussenkultur sehen und deren Logiken verstehen,
sich vorsehen lernen, Tipps wie man in der Aussenwelt vorgehen muss. .
Erarbeitet von: Equipen der Bethlehem Mission Immensee in Kolumbien, 2004
Norbert Spiegler:
Vereinnahmen wir andere Religionen?
Zum Wahrheitsanspruch des Christentums im Dialog mit den Religionen
Diese Gedanken habe ich vor allem aus Studien und Dialogerfahrungen des 1982 verstorbenen Hamburger evangelischen Missionswissenschaftlers Hans Jochen Margull zusammengestellt.
Das Wort Absolutheitsanspruch des Christentums ist ein typisch deutsches Wort. Es stammt
aus der Ideologie des deutschen Idealismus des letzten Jahrhunderts und führt sich auf das
Hegelwort zurück "Die absolute Religion ist die offenbare...die vollendete... die christliche."
Auch schon durch die Jahrhunderte hatte die Kirche unter Berufung auf die biblischen Quellen
den Anspruch vertreten, dass es für Nichtgläubige ausserhalb der Kirche keine Rettung und
kein Heil gebe. Der strenge Anspruch, die einzig wahre Religion zu sein, hatte Judenprogrome, Kreuzzüge, weissen Rassismus und Kolonialismus in die Welt gebracht. Man spürt das
Herrschaftsinteresse hinter solchem vorgeblich religiösen Denken. Aus dem Blick der
Religionswissenschaft verrät solcher Absolutheitsanspruch einer Religion die Naivität der Ichhaftigkeit.
Einen anderen Eindruck macht demgegenüber das Wort "Gewissheit". Ein Mensch, der in
seinem Glauben ruht und sich seines Glaubens gewiss ist, kann sogar eine sehr anziehende
Ausstrahlung haben. Die Gewissheit ist ebenfalls absolut, aber es ist eine Absolutheit des
Herzens und der persönlichen Betroffenheit, so wenn z. B. der Hauptmann unter dem Kreuz
Jesu sagt: "Das ist wahrhaft Gottessohn."
Es fehlt dann das Aggressive, Bedrängende und Rechthaberische gegenüber Andersgläubigen.
Freilich können "Gewissheiten" auch nerven, wenn sie z. B. in allzu grosser Begeisterung vertreten werden. Auch theologische Raffiniertheit, klerikale Routine und pietistische Plumpheit
können die Sympathie für eine Glaubensgewissheit dämpfen.
Wer von einer Wahrheit überzeugt ist, hält sie auch für andere Menschen zutreffend, sonst
wäre sie nicht "wahr", sondern situativ. Solche "universale" Einsichten gibt es bereits im Alltag: z. B. wenn jemand glaubt, dass Zusammenwirken unter Menschen besser sei als Egoismus, dass Menschen aller Hautfarben die gleichen Rechte haben usw. Solche Überzeugungen
erfordern sogar ein überzeugtes Eintreten dafür.
Religiöse Erfahrung hat in sich einen Charakter von Entscheidung: sie ist ein Weg, der das
Ganze des Lebens eines Menschen verändert. Sie wäre ein blosses Gefühl oder ein mehr
intellektuelles Erlebnis, wenn jemand gleichzeitig mehreren religiösen Wegen anhängen will.
Im religiösen Bereich glaubt z. B. ein Buddhist, dass die Erleuchtung nicht nur für ihn, sondern
für alle Menschen wichtig ist. Der Muslim sieht seine Erfahrungen, den Islam zu üben, auch für
die anderen Menschen als den Lebensweg. Der Jude hält die Tora grundsätzlich für die höchste
Lebensweisheit, auch gegenüber den anderen Religionen. Der Christ sieht die Schöpfung in der
Person Jesu Christi an ihr Ziel gekommen. Afrikaner streben nach Harmonie zwischen Natur,
Mensch und Gott und halten dieses ihr Lebenswissen für die ganze Welt zutreffend.
2
Wollte man solches Lebenswissen für sich behalten, würde man anderen Menschen
wesentliche Quellen seines Lebens vorenthalten und das Zusammenleben würde an
lebendiger Tiefe verlieren. Wo man sich in Glaubensüberzeugungen nicht zu nahe treten will,
mag das tolerant erscheinen, eine solche Begegnung bleibt dann aber mehr blass. Die
persönliche Glaubensgewissheit gibt dem Leben Identität, Farbe und Konturen, aber auch
Kanten.
Man sollte neben der Glaubensgewissheit auch seine Unsicherheiten einbringen und miteinander teilen. Denn das Heiligste lässt sich nie sicher erkennen. Gerade im Christentum erleben
wir, wie uns die eigenen religiösen Ueberlieferungen in manchem unklarer und brüchiger geworden sind. Die Klärung unseres eigenen Glaubensverständnisses ist noch keinesfalls erfolgt.
Doppelt schwer wird man sich dann tun, wenn man anderen etwas von diesem Glauben
vermitteln will.
Solche Ungewissheit in der Gewissheit ist ein Teil unserer menschlichen Existenz und besonders des christlichen Glaubens, wie uns die neutestamentlichen Quellen etwa in den Personen
der Jünger und insbesondere des Petrus vor Augen halten (Herr, ich glaube. Hilf meinen Unglauben.) Man kann die Wahrheit Christi nicht "haben", man kann sie nur "sein". Denn die
Wahrheit Christi ist ein Weg der Nachfolge und eine Form universaler Liebe, und diese erweisen ihre Wahrheit in der Praxis, nicht in der Theorie.
Papst Johannes Paul II 4at 1990 den Absolutheitsanspruch der
Katholischen Kirche in seiner Enzyklika "Redemptoris Missio"
wie einen Besitzstand ausgedrückt;
"Der Dialog muss geführt und realisiert werden in der Überzeugung, dass die Kirche der eigentliche Weg des Heils und sie
allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist." (55)
Wo Menschen allzu grosse Sicherheiten vorgeben, oder auch aus anderen Gründen,
entstanden in der Geschichte und Gegenwart Spannungen und Kämpfe auch um der Religion
willen. Aus diesem Grund haben sich die Religionen zusammengetan und verschiedene
Verhaltensweisen erarbeitet, um solchen Konflikten entgegenzuwirken. Hierzu etwa folgende
Anregungen:
1. Mit Martin Buber kann man prüfen,
a. ob ein Dialog eine lebendige Gegenseitigkeit ist, sei es in Reden oder Schweigen, in der jeder den
anderen ernst nimmt,
b. ob ein Dialog nur die Technik einer sachlichen Verständigung ist,
c. ob ein Dialog ein dialogisch verkleideter Monolog ist, bei dem jeder nur an sich selbst denkt.
Zu letztem meint Paul Löffler kritisch: Die Dialogversuche das Christentums "arrangieren jeweils das ererbte Mobiliar neu im christlichen Haus, so dass es zu einer weniger
abschreckenden Stätte für die Fremden wird. Sie stellen nicht den Versuch dar,
gemeinsam an einem Haus zu bauen, dessen Tür der gegenseitige Respekt vor dem
(jeweiligen) Selbstverständnis ist."
2.
Dialog bedeutet für den Christen auch, den Schmerz auszuhalten, dass das Christentum
nur eine Religion unter vielen ist, und dass andere Religionen unser Heiligstes und Absolutes aus innerster Überzeugung nicht mitvollziehen können.
3
3.
Der Dialog erfordert von allen Beteiligten viel Geduld und Warten. Es muss zunächst
eine profunde dialogische Ausgangslage sowohl bei sich selbst, beim anderen und
zwischen beiden Seiten gefunden und erarbeitet werden.
Ein echter Dialog lässt sich nicht bloss aus der eigenen Theologie ableiten (z. B. Gott ist
dialogisch, Christus ist dialogisch, der Heilige Geist ist dialogisch).Die eigene Theologie
hat notwendigerweise die eigene "Meinheit" im Zentrum und ordnet von dieser eigenen
Struktur her den anderen - vielleicht liebevoll - ein, was letztlich auch eine Form der
Vereinnahmung ist. Sogar der Dialog selbst kann dem Eigeninteresse einer dialogisch
ausgerichteten Religion entspringen und nicht so sehr dem tatsächlichen Interesse am
anderen.
4.
Im Dialog sollte man keinen Harmonie-Idealen nachhängen. Religiöse Überzeugungen
schliessen sich häufig gegenseitig aus. Die Gegensätze sind oft sehr gross. Die Stunden
des Dialogs sind daher kurz, die Stunden des Monologs in der eigenen Religion werden
lang bleiben.
Die Meinung, alle Religionen seien im Grunde eins und Variationen des gleichen Themas und desselben Wesens, ist ebenfalls nur eine Glaubensmeinung, die voraussetzt, es
gäbe dasselbe Wesen und was dieses sei. Das Aufgehen aller Religionen in einer
Ewigen Religion ist eine quasi hinduistische Lösung.
5.
Wichtig ist vor allem das echte Interesse am andern.
Im Dialog gilt nicht die Feindesliebe, sondern die Bruderliebe. Wo sich die eigene Identität mit Offenheit für den anderen paart, kommt es zu Begegnung und echter Mitteilung.
Ein gutes Ergebnis wäre dann, wenn sich der Christ in dem wiedererkennt, was der
Muslim über ihn sagt, und der Muslim in dem, was der Christ über ihn sagt.
6.
Die Religionen sollten ihren Absolutheitsanspruch "einklammern", d. h. sie sollten auf
den darin enthaltenen Herrschaftsanspruch über andere verzichten, nicht aber auf die
eigene Gewissheit.
7.
Die Religionen sollten sich auf ihre gemeinsamen Aufgaben in der Welt besinnen und
ausrichten. Es geht um den Aufbau des Reiches Gottes, nicht im dessen Besitz.
8.
Dialog ist nicht nur Begegnung von Überzeugungen, sondern enthält auch die Bereitschaft zu gegenseitiger Mission. Man muss dem anderen das Missionsanliegen dessen
Religion zugestehen. In seinem natürlichen Selbstverständnis des Glaubens würde sich
jeder Dialogpartner darüber freuen, wenn sich der andere zu den Reichtümern seiner
Religion bekehrt. Schmerzlich ist es jedoch, wenn man bei einem anderen Menschen
das arrogante Ueberlegenheitsgefühl spürt: Ich weiss schon, wo Dein Heil ist."
Andererseits hat etwa der Shintoismus gar kein Interesse, seinen Glauben zu benennen.
Er will ihn ausschliesslich in seinen alltäglichen Ritualen ausüben.
fI
9.
Für den Christen kann die Unterscheidung von Verkündigung (synoptische Evangelien,
Paulus) und Zeugnis (Johannes-Evangelium, Pastoralbriefe) wichtig sein. Einem fremden Mensch gegenüber mag das Zeugnis der richtige Weg des Bekenntnisses sein, das
Verkündigen jedoch für Menschen, die an der Verkündigung interessiert sind.
10.
Der Dialog mit anderen Religionen lässt den eigenen Glauben oft klarer erkennen. Der
Dialog zwingt nämlich zu läutern, zu klären und neu und besser zu erkennen, (siehe
hierzu den folgenden Text des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog).
Voraussetzungen für den interreligiösen Dialog
und seine Früchte
Der Dialog verlangt Ausgewogenheit,
47.
Der Dialog verlangt sowohl von seiten der Christen als auch
von seiten der Anhänger anderer Religionen eine ausgewogene Haltung. Sie
sollten weder zu arglos noch zu kritisch sein, aber offen und
aufnahmebereit. Selbstlosigkeit und Unparteilichkeit,
Annahmebereitschaft von Unterschieden und möglichen Widersprüchen, wurden
schon erwähnt. Der Wille, gemeinsam zur Wahrheitsfindung beizutragen und
die Bereitschaft, sich selbst durch die Begegnung verwandeln zu lassen,
sind weitere erforderliche Voraussetzung.
Religiöse Überzeugung
48.
Dies bedeutet nicht, dass die Dialogpartner mit dem Beginn
der Begegnung ihre religiöse Überzeugung beiseite legen sollen.
Das
Gegenteil
ist
richtig:
Die
Aufrichtigkeit
des
interreligiösen
Dialogs verlangt, dass jeder mit der ganzen Integrität seines Glaubens
in den Dialog eintritt. Während Christen weiterhin von ihrem Glauben,
dass in Jesus Christus, dem einzigen Mittler zwischen Gott und dem
Menschen (vgl. 1 Tim 2,4-6), die Offenbarung erfüllt ist, überzeugt
bleiben, müssen sie sich auch dar an erinnern, dass sich Gott in gewisser
Weise auch den Anhängern anderer religiöser Traditionen gezeigt hat.
Folglich haben sie sich den Überzeugungen und Werten anderer Menschen mit
aufnahmebereitem Sinn zu nähern.
und Offenheit für die Wahrheit, .
49.
Zudem gibt die in Jesus Christus geschenkte Fülle der Wahrheit nicht
jedem einzelnen Christen die Garantie, dass er in deren Vollbesitz sei.
Letztendlich wissen wir, dass die Wahrheit nicht einer Sache gleicht, die
wir besitzen, sondern eine Person ist, der wir zugestehen müssen, von uns
uns Besitz zu ergreifen. Dies ist ein nicht endender Prozess. Ohne
ihre Identität zu verlieren, müssen Christen dazu bereit sein, von und
durch andere Menschen die positiven Werte ihrer Traditionen kennenzulernen und zu empfangen. Der Dialog kann sie dazu bewegen, verwurzelte
Vorurteile aufzugeben, vorgefasste Meinungen zu revidieren und
manchmal sogar einer Reinigung ihres Glaubensverständnisses
zuzustimmen.
Verspricht aber auch reiche Belohnung,
50.
Wenn Christen eine solche Offenheit kultivieren und es zulassen, selbst
geprüft zu werden, werden sie die Früchte des Dialogs ernten können. Sie
werden mit Bewunderung feststellen, dass sich Gottes Handeln durch Jesus
Christus in seinem Geist vollendet und noch fortfährt, sich in der Welt und
innerhalb der gesamten Menschheit zu vollenden. Weit davon entfernt, ihren
eigenen Glauben zu schwächen, wird der echte Dialog ihn vielmehr ver.
tiefen. Sie werden ihre christliche Identität immer mehr verstehen und
die unterscheidenden Merkmale der christlichen Botschaft immer klarer
wahr nehmen. Ihr Glaube wird neue Dimensionen dazu gewinnen, sobald sie nur
die wirkmächtige Gegenwart des Geheimnisses Jesu Christi jenseits der sichtbaren Grenzen der Kirche und der christlichen Gemeinschaft entdecken.
Aus: DIALOG UND Verkündigung; Überlegungen und
Orientierungen zum Interreligiösen Dialog und ~ur
Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, 19. Mai 1991.
Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog /
Kongregation für die Evangelisierung der Völker.
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 102. Herausgeber:
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstrasse
163, D-5300 Bonn 1.
Komm, wir gehen miteinander
ganz hinunter
zu Deinen und meinen Wurzeln
Komm,
wir suchen miteinander
den festen 'Grund,
wo Dein und mein Fundament
liegt
Komm, wir schwimmen gemeinsam
gegen den Strom,
um unser aller Quelle zu finden.
Quelle unbekannt
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