Zusammenfassung_Schmitter - IZZ-ON

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15. IZZ-presseforum Heidelberg 2009
(Es gilt das gesprochene Wort)
Beitrag:
Wenn Kauen zur Qual wird.
Von:
Prof. Dr. M. Schmitter
Funktionsstörungen
im
Kiefer-Gesichtsbereich
gehen
meist
von
der
Kaumuskulatur und/oder den Kiefergelenken und/oder assoziierten Strukturen
aus.
Insbesondere
Unterkieferbeweglichkeit
Schmerzen,
sind
häufig
aber
auch
Ausdruck
Limitationen
einer
der
bestehenden
Funktionsstörung. Neuere Studien konnten zeigen, dass ca. 16% der
Bevölkerung behandlungsbedürftige Funktionsstörungen aufweisen.1 Somit
liegt bei ca. jeder 6. erwachsenen Person eine Behandlungsbedürftigkeit vordies betont die Notwendigkeit, funktionsdiagnostische Untersuchungen in die
tägliche Praxis zu integrieren. Viele Patienten sind sich jedoch nicht bewusst,
dass ihre Beschwerden durch Funktionsstörungen bedingt sind, da z.B. auch
Kopfschmerzen hierzu zählen können.2
Viele Patienten mit Funktionsstörungen beklagen die reduzierte Fähigkeit zu
Kauen und/oder Nahrungsmittel abzubeißen. Dies kann mehrere Ursachen
haben, wobei Schmerzen (in den Kiefergelenken, der Kaumuskulatur und/oder
den Zähnen) am häufigsten vorkommen. In einigen Fällen treten die Schmerzen
auch in Ruhe auf, d.h. wenn keine Belastungen auf das Kausystem einwirken.
Zusätzlich kann die Unterkieferbeweglichkeit limitiert sein oder störende
Kiefergelenkgeräusche auftreten.
Doch welche funktionellen Erkrankungen (also keine Traumata oder Tumoren
etc.) führen zu Schmerzen in den verantwortlichen Strukturen (Gelenk,
Muskulatur, Zähne)?
Im Kiefergelenk können Verlagerungen des Diskus und Formveränderungen
des Gelenkköpfchens ursächlich für die länger andauernden Schmerzen
verantwortlich sein.3-5 Diese Erkrankungen treten natürlich mit wachsender
Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Lebensalter auf- und sind damit in der
„überalternden“ Gesellschaft immer häufiger anzutreffen4- können jedoch auch
bei jüngeren Patienten und sogar Kindern auftreten.6
Muskuläre Beschwerden können durch eine muskuläre Überbelastung oder
andere Ursachen hervorgerufen werden.
Frauen sind (aus bisher noch nicht vollständig aufgeklärten Gründen) häufiger
betroffen als Männer und die Prävalenz von Funktionsstörungen wird, je nach
Altersklasse,
mit
bis
zu
50%
angegeben,
die
Aktionen\Presseforum\15
F:\Veranstaltungen
-
Presseforum
Heidelberg\Pressemappe\Zusammenfassung_Schmitter.docPrävalenz
behandlungsbedürftiger Funktionsstörungen mit 16%.
D:\68615082.doc
1
Insbesondere bei Patienten mit funktionell bedingten Schmerzen ist die
(mundgesundheitsbezogene) Lebensqualität deutlich reduziert.7 Dies geht
soweit, dass betroffene Patienten ihr soziales Umfeld vernachlässigen, Kontakt
zu anderen Menschen meiden, oder dramatisch an Körpergewicht verlieren, da
die Nahrungsaufnahme mit Schmerzen verbunden ist. Insbesondere bei
muskuläre Beschwerden ist dieser Befund recht häufig anzutreffen: für diese
Patienten wird das Kauen und die Nahrungsaufnahme tatsächlich zur „Qual“. Je
intensiver die Schmerzen ausgeprägt sind, desto stärker resultiert eine
Reduzierung der Lebensqualität. Doch auch bei „leichteren“ Formen, die mit
wenig oder keinen Schmerzen einhergehen, können Auswirkungen auf die
Lebensqualität identifiziert werden: so können z.B. auch laute Knackgeräusche
beim Kauen den Patienten dazu veranlassen, gesellschaftliches Essen zu
vermeiden.
Bei einigen Patienten können durch Parafunktionen (nicht-funktionelles
Zähneknirschen und Pressen) die Zähne soweit abgenutzt (Attrition) werden,
dass der schmerzempfindliche Dentinkern freiliegt. Dies hat zur Folge, dass die
Nahrungsaufnahme (insbesondere temperierte Nahrung) mit Schmerzen
einhergeht. Diese Parafunktionen sind in der Bevölkerung ebenfalls weit
verbreitet, wobei nicht bei allen Patienten der Verschleiß der Zähne so
ausgeprägte Formen annimmt.
Die Therapie von Funktionsstörungen stellt somit einen wichtigen Beitrag zur
Verbesserung der Lebensqualität dar und muss in komplexen Fällen
interdisziplinär erfolgen, um die best mögliche Therapie für den Patienten
umzusetzen. Zahnärtzlicherseits stehen hier reversible und nicht-invasive
Verfahren im Mittelpunkt: Schienentherapie,8 Medikation und physikalische
Verfahren (Physiotherapie etc.).9
Trotz dieser interdisziplinären Behandlungsstrategie tendieren einige Patienten
zur Chronifizierung, was die Therapieerfolgsaussichten deutlich mindert. Daher
muss es das primäre Ziel der Initialtherapie sein, diese Chronifizierung zu
verhindern. Da sich die Patienten beim Auftreten der Beschwerden in
verschiedenen Facharztpraxen vorstellen (neben dem Zahnarzt z.B. auch beim
HNO-Arzt, Neurologen, Orthopäden usw. - je nachdem, welchen Facharzt sie
für „zuständig“ halten), sollte hier eine effiziente und zielgerichtete Initialtherapie
erfolgen und ein Bewusstsein für die Vielschichtigkeit dieses Problems bei den
(Zahn-)Ärzten geschaffen werden.
D:\68615082.doc
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