Moderne Therapie bei Rückenschmerzen

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Medizin Aktuell
Moderne Therapie
bei Rückenschmerzen
Fachübergreifende Konzepte überzeugen
Etwas überspitzt könnte man formulieren: Der Arzt
als Einzelkämpfer gehört einer aussterbenden Gattung an. Die Zukunft gehört Ärzten, denen die enge
interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht nur eine
Herzensangelegenheit, sondern tägliche Routine
ist. Vor allem bei der Behandlung von Rückenschmerzpatienten hat sich die kollegiale Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Neurochirurgen in fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen
bewährt. ORTHOpress sprach mit der Düsseldorfer
Neurochirurgin Frau Dr. Marita Ant, die die operativen Eingriffe an der „Rheintor Klinik Neuss“ durchführt, über einige Aspekte bei der interdisziplinären
Therapie von Rückenschmerzen.
Frau Dr. Ant, warum sollten Ihrer Ansicht nach Rückenschmerzen
heutzutage interdisziplinär behandelt werden?
Dr. Ant: Einfach gesagt, um dem einzelnen Patienten gerecht zu
werden und um ihn aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu
können. Rückenschmerzen können ja eine Vielzahl von verschiedenen Ursachen haben. Demgemäß sollten sie auch nicht nach
Schema F, sondern ganz individuell behandelt werden. Dazu muss
aber das therapeutische Angebot entsprechend groß und vielfältig
sein, damit alle unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten je
nach Einzelfall berücksichtigt werden können. Dies kann heutzutage eine Fachrichtung allein nicht mehr leisten.
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„Um für jeden Patienten die richtige Behandlung zu finden, ist interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig“, betont Dr. Marita Ant aus Düsseldorf.
Welche Verfahren kommen denn für eine
moderne Therapie bei Rückenschmerzen heute in Frage?
Dr. Ant: Das kommt – wie gesagt – ganz
auf die auslösende Ursache an. Nehmen
wir den klassischen Bandscheibenvorfall. Er wird – wenn keine Lähmungen vorliegen – zunächst konservativ behandelt.
Bringt das keinen ausreichenden Erfolg,
muss man aktiv werden, um die Patienten von ihren Schmerzen zu befreien. Das
bedeutet aber nicht, dass man gleich
zum Skalpell greifen sollte. Vielmehr
kann heute die Schmerzlinderung in der
Regel mit den sehr viel schonenderen, so
genannten interventionellen Verfahren
erreicht werden. Darunter versteht man
Methoden, mit denen schmerzauslösende Strukturen direkt behandelt werden,
ohne gleich zu operieren. Ein solches
minimalinvasives Verfahren ist z. B. die
Nukleoplastie.
Was ist darunter zu verstehen?
Dr. Ant: Bei der Nukleoplastie wird das vorgefallene Bandscheibengewebe ganz
gezielt mittels hochfrequenter Energie verdampft und damit geschrumpft. Der bedrängte Nerv wird wieder frei und die
Schmerzen lassen nach. Möglich wird
dies durch die modernen bildgebenden
Verfahren wie Computertomographie
oder Bildwandler. Unter deren ständiger
Kontrolle wird nämlich die feine Hitzesonde ganz vorsichtig an allen empfindlichen
Strukturen vorbei bis in die Bandscheibe
vorgeschoben. Erst wenn die korrekte Lage gesichert ist, wird die thermische Energie freigesetzt. Die Verkleinerung der
Bandscheibe erfolgt also ohne Schnitt und
Bild: ArthroCare
damit unter maximaler Schonung des umliegenden Gewebes. Durch vorsichtiges
Bewegen der Sondenspitze kann die
Bandscheibe genau so verkleinert werden, wie es nötig ist, um den Druck vom
Nerv zu nehmen. Gleichzeitig bleibt aber
genug Bandscheibengewebe erhalten,
um die Pufferfunktion der Bandscheibe zu
gewährleisten. Wenn der Vorfall noch
nicht allzu groß ist, erfahren durch die Nukleoplastie etwa 80 Prozent der Patienten
Linderung ihrer Beschwerden.
Vielfach sind – auch z. B. bei Bandscheibenvorwölbungen – die Schmerzen wesentlich durch entzündliche Veränderungen bedingt. Die kann man aber doch nicht
so einfach „verdampfen“.
Dr. Ant: Man muss sie aber auch nicht so
lassen, wie sie sind. Gerade bei der Entzündungsbehandlung haben in den letzten Jahren einige sehr interessante Entwicklungen stattgefunden. Eine der wichtigsten ist dabei sicherlich der Einsatz von
Orthokin. In der Arthrosetherapie ist dieses Verfahren ja schon seit längerem etabliert. Jetzt konnte der ausgezeichnete Effekt auch an der Wirbelsäule nachgewiesen werden. Die Studie hat gezeigt, dass
Orthokin genauso gut und schnell wirkt
wie Cortison, das bisherige Standardtherapeutikum, die Wirkung aber viel länger
anhält. Da es sich ja um einen körpereigenen Wirkstoff handelt, der für jeden Patienten aus seinem eigenen Blut hergestellt wird, treten zudem auch – anders als
bei Cortison – so gut wie keine Nebenwirkungen auf.
Was ist aber, wenn der Vorfall sehr groß
ist oder wenn Lähmungen auftreten,
dann muss doch operiert werden?
Dr. Ant: Ja und nein. Natürlich muss dann
der Vorfall beseitigt werden, aber auch
dazu ist heute in den allermeisten Fällen
keine große, offene Operation mehr erforderlich. Möglich wird dies durch die
endoskopische Technik, die ja heute
auch schon bei vielen anderen Erkrankungen, zum Beispiel Gallenblasenoder Blinddarmoperationen, zum medi-
zinischen Standard gehört. Endoskopisch bedeutet: Das Operationsgebiet
wird nicht über einen großen Schnitt eröffnet, sondern mit Hilfe einer winzigen
Kamera eingesehen. Dabei verschafft
die Vergrößerung des Kamerabildes auf
einen Monitor dem Operateur einen sehr
guten Überblick. Während bei der offenen Operation Muskelgewebe zerschnitten und sogar Teile des Knochens weggemeißelt werden müssen, um an den
Vorfall zu gelangen, kommt die endoskopische Bandscheibenoperation mit einem oder zwei Einstichen von etwa einem Zentimeter aus. Durch diese schonende Technik sind Entzündungen und
Narbenbildungen so gut wie ausgeschlossen. Die früher nach Bandscheibenoperationen so gefürchteten Verwachsungs- und Narbenschmerzen, die
so manchem Patienten das Leben
schwerer gemacht haben als vorher der
Vorfall, können gar nicht erst entstehen.
Zusammenfassend möchte ich sagen:
Wichtig ist mir, dass jeder Patient mit
Rückenschmerzen eine ihm und seinem
Leiden angepasste Therapie erhält. Nur
wenn ein breites Spektrum an sorgfältig
abgestuften Verfahren zur Verfügung
steht, wird sicher vermieden, dass bei einem Patienten sozusagen mit Kanonen
auf Spatzen geschossen wird, während
ein anderer hoffnungslos unterversorgt
bleibt. Das ist aber meines Erachtens nur
dann gewährleistet, wenn für die Therapie die speziellen Methoden und Verfahren von verschiedenen Fachdisziplinen
qualifiziert eingesetzt werden können.
Frau Dr. Ant, herzlichen Dank für das
Gespräch!
Nukleoplastie: Das Bandscheibengewebe wird koaguliert und zieht sich zurück.
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