Pressekonferenz BÜNDNIS 8. MÄRZ Montag, 5. Dezember 2011 11 Uhr Frauenstiftung Steyr 16 Tage gegen Gewalt Volles Programm gegen Gewalt an Frauen Gewalt gegen Frauen ist der brutalste, der deutlichste Ausdruck männlicher Herrschaft. Jede kritische Auseinandersetzung mit dem Geschlechterverhältnis führt unweigerlich zur Thematisierung von Männergewalt gegen Frauen, der schlimmsten Form von Diskriminierung. Selbst dann wenn wir davon ausgehen, dass nicht alle Männer Täter und nicht alle Frauen unmittelbar von Gewalt betroffen sind, so hat die Tatsache massenhafter Gewalt gegen Frauen doch Auswirkungen auf alle Männer und alle Frauen und der Grad der Menschenwürde in unserer Gesellschaft wird daran sichtbar. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist nicht privat, es ist geprägt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Männergewalt über Frauen – und es ist männliche Gewalt gegen Frauen, die Zahlen verdeutlichen, dass 97% der Täter männlich und 92% der Opfer weiblich sind, basiert auf: • gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen zum Beispiel wie eine richtige Frau, eine gute Mutter zu sein hat. Gewalt basiert auf • öffentlichen Herabwürdigungen, wenn Frauen zum Beispiel nicht in das übliche Rollenbild passen, werden sie lächerlich gemacht, als Monster, als Mannweib dargestellt, gleichsam als Abschreckung für andere Frauen dingfest gemacht. Gewalt basiert auf • ökonomischer Abhängigkeit und auf eklatanten Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern. Nur ein Beispiel dazu: 90% der Klientinnen des Linzer Frauenhauses leben unter der Armutsschwelle. Gewalt basiert auf • ungleichen Rechten und fehlender Chancengleichheit. Die ungleiche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern in allen Bereichen, das Festhalten an Klischees von Männlichkeit und Stärke und nicht zuletzt die Toleranz einer breiten Öffentlichkeit, dass das, was zwischen den vier Wänden passiert, privat sei und eben die Angelegenheit von diesem Mann und dieser Frau sei, all das begünstigt sexuelle und alle anderen Formen von Gewalt gegen Frauen. Benachteiligungen und die Beendigung von Ungerechtigkeiten gehen nicht nur Frauen etwas an. Eine Gesellschaft, die Ungerechtigkeiten nicht entschieden bekämpft, ist eine ungerechte, eine undemokratische Gesellschaft und diese Tatsache trifft alle Mitglieder dieser Gesellschaft – Frauen und Männer. Gewalt verletzt Menschen körperlich und geistig. Gewalt beschränkt Menschen, sich frei zu entfalten und ihr Leben selbst zu gestalten. Häusliche Gewalt ist die am weitesten verbreitete Todesursache von Frauen. Weltweit sterben mehr Frauen an den Folgen von Misshandlungen als an Krebs. Gewalt in der Familie bzw. Beziehung ist weltweit gesehen die häufigste Form von Gewalt gegen Frauen. Sie zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und kennt keine kulturellen, religiösen oder schichtspezifischen Grenzen. Allein in Österreich ist laut Schätzungen jede fünfte Frau einmal in ihrem Leben von Gewalt durch einen nahen männlichen Angehörigen betroffen. Das Gewaltschutzzenrtum OÖ betreut jährlich ca. 1500 Frauen und führt über 11.000 Beratungsgespräche. Die Frauenhäuser verzeichnen im Jahr 220 Frauen, die bei Ihnen Schutz, Hilfe und Unterkunft suchen. Darüber hinaus beraten sie im Jahr ca. 3.500 Frauen. Eine Gewaltbeziehung basiert auf einem Kreislauf, einer Spirale der Gewalt. Die Formen männlicher häuslicher Gewalt sind unvorstellbar. Die Übergriffe reichen von Ohrfeigen oder Schlägen mit Händen und Fäusten bis hin zum Zufügen von Verbrennungen. Die Frauen werden mit Gegenständen wie Sesseln, Vorhangstangen und Gürteln geschlagen. Sie werden mit Füßen getreten, an den Haaren gerissen, gewürgt oder auf den Boden geworfen. Häusliche Gewalt beschränkt sich aber nicht auf Verletzungen der physischen Integrität, sondern es geht vielmehr auch um massive Einschränkungen der autonomen Lebensführung und um sexualisierte Gewalt. 16 Tage gegen Gewalt an Frauen ist eine internationale Kampagne, die jedes Jahr von 25. November bis 10. Dezember stattfindet. Weltweit machen Frauen in diesem Zeitraum vom Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November) bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte (10. Dezember) auf das Recht auf ein gewaltfreies Leben aufmerksam. Unsere Forderungen: Versorgungslücken bei Frauenhäusern schließen Laut einer Empfehlung des Europarates ist ein Frauenhaus-Platz pro 7.500 EinwohnerInnen notwendig. Die Erfahrungsberichte von ExpertInnen zeigen eindeutig, dass es vor allem aufgrund der ländlichen Strukturen umso wichtiger ist, dass Hilfe direkt vor Ort angeboten werden kann, da große räumliche Entfernung schnell zu einer unüberwindbaren Hürde für Frauen werden können, und es noch schwerer wird, sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien. In Oberösterreich sind wir von der Erreichung des Europarat-Zieles noch weit entfernt, insgesamt fehlen über 70 Plätze. Zurzeit bestehen fünf Frauenhäuser (Linz, Wels, Steyr, Vöcklabruck, Innviertel), die insgesamt 117 Plätze zur Verfügung stellen. Besonders betroffen sind das Salzkammergut und das Mühlviertel, wo es überhaupt keine Frauenhäuser gibt. Plätze fehlen aber auch im Innviertel. Es fehlen spezifische Versorgungsplätze, wo Frauen auch mit ihren Kindern Schutz finden, wenn sie sich in einer psychischen Extremsituation befinden und Gefahr besteht, dass sie sich oder andere gefährden. Die Trennung vom Kind hindert derzeit viele Frauen daran, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüberhinaus fehlen betreute Wohneinrichtungen für von häuslicher Gewalt betroffene Asylwerberinnen und deren Kinder. Darum braucht es: • den Ausbau von Frauenhaus- und Nachversorgungsplätzen in den ländlichen Regionen wie Mühlviertel, Salzkammergut und Innviertel • Versorgungsplätze für Frauen mit Kindern in akuten psychischen Krisensituationen • betreute Wohneinrichtungen für von häuslicher Gewalt betroffene Asylwerberinnen und deren Kinder Ausstieg aus der Abhängigkeit Jede fünfte Frau in Österreich wird Opfer von Gewalt in der Familie. Migrantinnen sind in gleichem Maße betroffen, aber es ist für sie um vieles schwieriger, Hilfe zu bekommen, die auf ihre speziellen Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Die Gründe dafür sind vielfach, es geht um eingeschränkte Mobilität, wirtschaftliche Abhängigkeit, soziale Kontrolle, den schwierigen Ausbruch aus tradierten Wertvorstellungen und ein Tabu, das es schwierig macht, darüber zu reden, dass nicht alles heil ist, was in der Familie passiert. Erschwerend kommt oftmals die Abhängigkeit vom Ehemann beim Aufenthaltstitel dazu und damit verbunden auch die fehlende Möglichkeit erwerbstätig zu sein. Der Ausstieg aus der Gewaltbeziehung ist für diese Frauen manchmal viel schwieriger. Darum braucht es: • verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für von Gewalt betroffene Migrantinnen in Trennungs- und Scheidungssituationen: eigenständiges Aufenthaltsrechts mit Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrantinnen, die Opfer von Gewalt in der Famlie wurden. (Die Möglichkeit für Opfer von Gewalt in der Familie ein weiteres Jahr in Österreich zu bleiben und dann eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten, scheitert an den Voraussetzungen bei Einkommen und Unterkunft. • Ein eigenständiges Aufenhaltsrecht für Migrantinnen von arrangierten oder unter Zwang zustande gekommenen Ehen. • Einsatz von geschulten Dolmetscherinnen für Opfer von Gewalt im Bereich der Polizei. • Muttersprachliche Betreuung durch die Frauenhelpline ausbauen (bisher nur stundenweise) Gewaltprävention braucht Männer – Täterarbeit ist Opferschutz. „Gewalt wird vorwiegend von Männern ausgeübt (...) Insofern ist das Problem Gewalt zunächst einmal Männersache. Männer stellen sich diesem Sachverhalt bisher aber kaum. Vielmehr versuchen sie auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen dieses Problem totzuschweigen und ihre jeweilige direkte oder indirekte Beteiligung zu leugnen“. (Michael Baurmann, Soziologe und Experte zum Thema Männergewalt). Prävention ist die große Herausforderung, um die Entstehung der Gewalt zu verhindern. Darum braucht es: • Die gesetzliche Verankerung der Täterarbeit (in Anlehnung an die gesetzliche Verankerung Interventionsstellen bzw. Gewaltschutzzentren). Folgende wichtige Standards müssen für Täterarbeit unbedingt eingehalten werden: o Die finanzielle Sicherstellung der Täterarbeit darf nicht zu Lasten der Budgets für Opferarbeit gehen. o Der Schutz und die Sicherheit der Opfer müssen oberste Priorität bei der Durchführung von Täterprogrammen haben. o Täter- und Opferarbeit muss institutionell getrennt sein und soll nicht von demselben Personal durchgeführt werden. • (muttersprachliche) Männerberatung mit Gewaltpräventions- bzw. Aggressionsbewältigungsprogrammen • Ausbau von Präventionsmaßnahmen (in Schulen) und AntiGewalttrainingsangeboten „Handeln gegen Häusliche Gewalt“ verpflichtend in die Ausbildung entsprechender Berufe Für die Durchsetzung eines umfassenden Opferschutzes nimmt die Strafjustiz eine wichtige Rolle ein. Die Komplexität von Gewaltbeziehungen und die auf Grund von komplexen Traumatisierungen massive Symptomatik von langjährigen Gewaltopfern sind für ungeschulte Personen oft nicht nachvollziehbar. Gerade bei Strafverfahren wegen sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt gegen Frauen sind Beweisbarkeit und Beweiswürdigung sehr schwierige Themen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass es – gerade bei Verfahren wegen Gewalt gegen Frauen - sehr häufig zu einem Freispruch im Zweifel oder zu einer Verfahrenseinstellung kommt und dass die zur Verfügung stehenden Strafrahmen selten ausgeschöpft werden. Es gibt sehr unterschiedliche Maßstäbe im Umgang mit Gewaltopfern durch RichterInnen und StaatsanwältInnen. Gewaltopfer kommen verletzt in Krankenhäuser, besuchen Beratungseinrichtungen, sie gehen zur Schule, machen Ausbildungen. Gerade MitarbeiterInnen in medizinisch- gesundheitlichen, pädagogischen und sozialen Einrichtungen kommt in der Früherkennung von Gewalt eine wichtige Funktion zu. Das Wahrnehmen von Gewalt, der Umgang mit (potentiellen) Opfern und das Wissen über spezifische Unterstützungs- und Beratungseinrichtungen kann essentiell für den weiteren Fallverlauf sein. Darum braucht es: • Verpflichtende Seminare zum Thema Häusliche Gewalt im Studium der Rechtswissenschaften und bei der Ausbildung der RichteramtsanwärterInnen • Verstärkte/Verpflichtende Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen zum Thema Häusliche Gewalt • Verstärkte/Verpflichtende Weiterbildung zum Thema Häusliche Gewalt im pädagogischen, sozialarbeiterischen sowie im medizinisch- gesundheitlichen Bereich Steyrs Frauen gegen Männergewalt: Frauenhaus Steyr Frauenstiftung Steyr Grüne Frauen ÖVP-Frauen SPÖ-Frauen