Interdisziplinäres Modul Gesundheit, Soziologische Beiträge“ Kurze Einführung Bitte bereiten Sie sich mit Hilfe des folgenden Textes auf die erste Lehrveranstaltung am Mittwoch, den 26. 3. vor! Kurzer Rückblick auf das Modul 1.6: „Soziologische Grundlagen“ 1. Gesundheit als Normalitätskonstruktion Die soziologische Perspektive sensibilisiert für den Einfluss, den Kultur und Gesellschaft auf das Handeln von Menschen, damit auch auf die KlientInnen der Sozialen Arbeit und auf unser berufliches Handeln ausüben. Die Fragestellungen und Grundbegriffe der Soziologie können für ein besseres Verständnis von sozialen Prozessen und Strukturen in unserer alltäglichen Umwelt beitragen. In dem Modul „Soziologische Grundlagen“ haben wir unterschieden: Mikro - Ebene, Meso - Ebene und Makro- Ebene, sowie die Wechselwirkung von Mikro - und Makro - Ebene: (die „Badewanne“ von Coleman) auf die sich die analytische Aufmerksamkeit richten kann in der Soziologie; Themen und soziologische Begriffe der Lehrveranstaltungen waren: Familie, Sozialisation, Rolle, Das Menschenbild der Soziologie, Soziales Handeln, Soziale Beziehungen: Kleingruppe, soziale Institutionen und soziale Organisationen, (totale Institutionen), Macht und Herrschaft, die Entwicklung zur modernen Gesellschaft, Kultur moderner Gesellschaften, Globalisierung und moderne Gesellschaft. Im Modul wurden auch verschiedene theoretischen Strömungen in der Soziologie vorgestellt: Struktur Funktionalismus, Symbolischer Interaktionismus aber auch wesentliche Klassiker bzw. aktuelle Theoretiker der Soziologie vorgestellt: z.B. Max Weber, Emile Durkheim, Karl Marx, Jürgen Habermas u.a. Wir werden im Laufe der Veranstaltung sehen, wie fruchtbar die soziologische Perspektive auf das Thema Gesundheit angewendet werden kann und welcher spezifische Erkenntnisgewinn für die berufliche Praxis daraus resultiert. 1 Gesundheit als Normalitätskonstruktion Es gibt im Alltagsverständnis natürlich ein Begriffsverständnis davon was Gesundheit ist; sofort fallen uns sicherlich einige Anzeichen auf, woran wir Gesundheit von anderen Menschen und von uns selbst feststellen : Zunächst wird sich das sicherlich auf körperliche Zustände beziehen oder auf das Verhalten von Menschen; verhalten sich Menschen, wie wir es als „normal“ erwarten, erscheinen sie uns gesund. Nach Klaus Hurrelmann1: 1 Hurrelmann, Klaus: Gesundheitssoziologie. Weinheim und München 2006 , S. 7. Juventa Der Begriff „Gesundheit“ spielt im Lebensalltag eine große Rolle. Er bezeichnet eine Befindlichkeit, die wohl jeder an die Spitze seiner persönlichen Wünsche setzt. Was aber ist genau darunter zu verstehen? Gegensatz zu „Krankheit“. Wissen wir mit Sicherheit was gesund sein und was krank sein bedeutet? Es lassen sich sehr unterschiedliche Definitionen von Gesundheit finden, meist sind diese Definitionen geprägt von den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, z. B. Gesundheit als erfolgreiche Überwindung von Störungen in einem biologischen System, Gesundheit als persönliche Stärke, mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen umzugehen. Folgende Definitionen sind eher der sozialwissenschaftlichen Perspektive zuzuordnen: Gesundheit als Leistungsfähigkeit bei der Erfüllung von gesellschaftlichen Anforderungen. Der US- amerikanische Soziologe Talcot Parsons definiert Gesundheit als den Zustand der optimalen Fähigkeiten zur wirksamen Erfüllung von für wertvoll gehaltenen gesellschaftlichen Aufgaben, d.h. dass ein Mensch seinen verschiedenen sozialen Rollen in der Gesellschaft erfüllt (Hurrelmann a.a.O., S. 113ff). Nur diejenigen Rolleninhaber, die feststehende soziale Erwartungen erfüllen, die sich aus den Funktionserfordernissen von gesellschaftliche Institutionen ergeben, könnten gesund bleiben (vgl. Parsons 1981 zit. nach Hurrelmann a.a.O., S. 91) Eine immer wieder zitierte Definition von Gesundheit hatte bereits 1946 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgelegt ,damals eine Provokation: Gesundheit ist der „Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“. Klaus Hurrelmann definiert Gesundheit wie folgt: „Gesundheit bezeichnet den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich körperlich, psychisch und sozial in Einklang mit den jeweils gegebenen inneren und äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muß. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich und steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren“ (S. 7) Gesundheit wird als Gegensatz zum Begriff Krankheit definiert; hier dominieren eher die biomedizinischen Vorstellungen von Krankheit als „Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen beziehungsweise objektiv feststellbaren, körperlichen und geistigen bzw. seelischen Veränderungen“. (Pschyrembel 1994 zit. nach Hurrelmann a.a.O., S. 114) Allgemein läßt sich für die soziologische Perspektive sagen, dass sie nach den sozialen Einfluss- und Bedingungsfaktoren für Gesundheit und Krankheit fragt, also wie sich das Zusammenleben von Menschen auf Gesundheit und Krankheit auswirkt. Literatur Badura, Bernd/Feuerstein, Günther: Gesundheit und Gesellschaft. In: H. Joas(Hg.) Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt/New York 2007 (3. Überarbeitete und erweiterte Auflage), S. 395 – 418 Baumann, Zygmunt: Leben in der flüchtigen Moderne. Frankfurt am Main 2007 Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Frankfurt/Main 1986 Cuntz, Ulrich/Hillert, Andreas: Eßstörungen Ursachen, Symptome, Therapien. München 2003. , Elias, Norbert Über den Prozess der Zivilisation. 2 Bände. Frankfurt am Main 1976 Giddens, Anthony: Soziologie ( insbesondere: Kapitel 6:Der Körper: Essen, Krankheit und Alter S. 125- 150) Graz - Wien 1999 Goffman, Erving : Stigma – ÜberTechniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt/Main 1963 Goffman, Erving: Asyle - Über die Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt/Main 1973 Hurrelmann, Klaus: Gesundheitssoziologie. Weinheim und München 2006 Lampert, Thomas/Saß, Anke-Christin/Häfelinger, Michael/Ziese, Thomas: Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Robert Koch- Institut Berlin 2005 Matzat, Jürgen: Wegweiser Selbsthilfegruppen. Gießen 2004 Mayr-Kleffel, Verena :Netzwerke in Lebenswelten identifizieren und initiieren. In: C. Schachtner (Hg.): Das soziale Feld im Umbruch. Göttingen 2004, S. 141 – 164 Mayr-Kleffel, Verena: Netzwerkforschung Analyse von Beziehungskonstellationen. In: R. Becker/B. Kortendiek (Hrsg.): Handbuch der Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden (2. Auflage in Vorbereitung) Senett, Richard: Die Kultur des Neuen Kapitalismus. Berlin 2005