Höchste Präzision mit Protonen

Werbung
Medizintechnologie.de
Krebstherapie
Höchste Präzision mit Protonen
Die Protonentherapie schont das umliegende Gewebe eines Tumors besser als die
herkömmliche Bestrahlung. Ein neues Berechnungsverfahren zur Bestimmung der ProtonenReichweite macht sie noch zielsicherer.
Quelle: Philip Benjamin/NCT Dresden, OncoRay
03.08.2017 Die Protonentherapie schont das umliegende Gewebe eines Tumors
besser als die herkömmliche Bestrahlung. Ein neues Berechnungsverfahren zur
Bestimmung der Protonen-Reichweite macht sie noch zielsicherer. von Beate
Wagner
Protonen sind positiv geladene Teilchen. Zusammen mit Neutronen und Elektronen
bilden sie Atome. Bei der Protonentherapie gegen Krebs bewegen sich freie Protonen
durchs Gewebe bis zum Tumor – und werden dabei immer langsamer. In einer für den
Tumor spezifischen Tiefe stoppen die Teilchen. Kurz vor dem Stopp geben sie die
größte Energie ab, der Protonenstrahl entfaltet seine maximale Wirkung. Das
davorliegende gesunde Gewebe wird geschont, dahinter kommt keine Strahlung an.
Eingesetzt wird die Protonentherapie bei Tumoren an der Schädelbasis, im Kopf- und
Halsbereich, in der Lunge, der Speiseröhre, im hinteren Bauchraum, im Becken und bei
Kindern.
„Die Vorteile der Protonen kommen nur dann voll zum Tragen, wenn die positiv
geladenen Wasserstoffkerne genau an der richtigen Stelle im Körperinneren stoppen“,
sagt Christian Richter, Medizinphysiker und Leiter der Gruppe
„Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am OncoRay-Zentrum und am Helmholtz-Zentrum
Dresden-Rossendorf. „Um einen Tumor im Körperinnern so präzise wie möglich zu
bestrahlen, müssen wir die genauen Gewebeeigenschaften vor der Bestrahlung
analysieren, daraus resultiert die exakte Eindringtiefe der Protonen.“
Dual-Energy Computertomografie ist genauer
Bisher nutzen Experten für diese Bestrahlungsplanung standardmäßig eine
Computertomografie (CT). Weltweit erstmals ändern die Fachleute des OncoRayZentrums aufgrund konkreter Forschungsergebnisse nun dieses Vorgehen: Richters
Team konnte belegen, dass die sogenannte Dual-Energy Computertomografie (DECT)
weitaus konkretere Informationen liefert. Die Grauwerte der Standard-CTs lassen sich
zwar in ein Bremsvermögen übersetzen. „Wir können aber beispielsweise bestimmte
Gewebe nicht voneinander unterscheiden“, so Richter.
Anders die Dual-Energy-Methode: Das Verfahren liefert jeweils zwei CT-Aufnahmen,
die mit unterschiedlichen Röntgen-Energien erzeugt werden. „Aus den DECT-Scans
erkennen wir unterschiedliche Wechselwirkungen der Röntgenstrahlung – und können
so auf spezifische Gewebeeigenschaften zurückschließen“, sagt Richter. Er ist
überzeugt: „Durch die gewonnenen Zusatzinformationen aus der Dual-Energy-CT
kann die Planung und Behandlung präziser und patientenindividueller werden.“
Aufwendige Verifizierung
Zunächst musste das Verfahren aber in einem aufwendigen Verifizierungsprozess
getestet werden, das mit der Einführung der DECT-Methode 2015 begann. „Anfangs
erfolgte die Reichweiteberechnung, das heißt, wie tief die Protonen ins Körperinnere
vordringen, noch basierend auf der Standard-CT“, sagt Patrick Wohlfahrt. Der
Doktorand aus Richters Team hat den Verifizierungsprozess maßgeblich durchgeführt.
„Im nächsten Schritt haben wir die Daten dann mit denen der hochpräzisen DECTMethode verglichen.“ Insgesamt standen in der Datenbank rund 2.000 Aufnahmen aus
dem Patienteninnern zur Verfügung. Zur Auswertung der DECT-Bilder nutzten die
Wissenschaftler ein neues präzises Berechnungsverfahren, das Forscher des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ) als Teil des Heidelberger Instituts für
Radioonkologie (HIRO) entwickelten. Mit diesem Algorithmus lässt sich das
Bremsvermögen des Gewebes in jedem Bildpunkt bestimmen.
Protonen dringen vier Millimeter weiter vor
Der Vergleich der Daten hat sich gelohnt: Mithilfe der DECT zeigte sich deutlich, dass
die Bestrahlungsplanung basierend auf der herkömmlichen CT-Aufnahme klinisch
relevante Abweichungen erzeugt. „Die Protonen dringen bei tief liegenden Tumoren
etwa vier Millimeter weiter in den Körper ein, als es unsere bisherigen Berechnungen
voraussagen. Dies berücksichtigen wir derzeit in Form eines zusätzlichen
Sicherheitssaumes um den Tumor“, erklärt Richter. „Mit DECT können wir diesen in
Zukunft sehr wahrscheinlich verringern und somit mehr gesundes Gewebe schonen.“
Von den Erkenntnissen der DECT-Forschung profitieren seit Juli 2017 rund Dreiviertel
aller Patienten an der Dresdner Protonentherapie.
Außerdem konnten die Dresdner Forscher zeigen, dass auch die individuelle
Gewebezusammensetzung einzelner Patienten für die Strahlentherapie relevante
Unterschiede mit sich bringt. Die DECT-basierte Reichweitenvorhersage kann dies
berücksichtigen – und die Therapie passgenau machen. Ein in Zusammenarbeit mit
Siemens entwickelter Prototyp, der den innovativen Algorithmus klinisch anwendbar
macht, soll in Dresden 2018 eingeführt werden.
Herunterladen