Forum Protonentherapie 2 Protonen-Scanning in der klinischen Praxis Welche intratumorale StrahlendosisKonzentration ist erreichbar? Versuche, klinische Evidenz für eine unterschiedliche intrazelluläre Wirkung der verschiedenen Klassen ionisierender Strahlung – die Photonen elektromagnetischer Wellen bei Röntgenbehandlung und die Partikel Protonen – zu finden, haben keine grundsätzlichen gewebespezifischen Unterschiede gezeigt. Protonen wirken biologisch im Vergleich um einen Faktor 1,1 mehr als Photonen (Röntgen) auf die „Tumor Sterilization Probability“, TSP und „Healthy Tissue Complication Probability“, HTCP. Dies bezieht sich gleichermaßen auf alle Tumor- und Gewebearten. Klinische Vorteile der Protonen resultieren aus der physikalisch völlig unterschiedlichen OrtsDosisverteilung der beiden Strahlenarten: Der exponentielle intrakorporale Dosisabfall des Photonen/Röntgenstrahls einerseits und im Gegensatz dazu das Bragg-Peak-Phänomen der Protonen mit einem Dosisgipfel, der präzise in den Tumor lokalisierbar ist. Die unterschied- liche Tiefenlage der Tumoren wird durch Auswahl der Energieintensität des Protonenstrahls eingestellt. Im Gegensatz zu Röntgen ist Partikelbestrahlung somit nicht zwei-, sondern dreidimensional zielbar und im Tumor konzentriert. Im Einstrahlbereich weisen Protonen eine niedrigere, nicht höhere Strahlung als im Tumor auf. Wiederum im Gegensatz zu Röntgen gibt es hinter dem Tumor keinerlei Strahlung. Diese Dosisverteilung des Protonenstrahls entspricht nach §§ 6, 80 und 81 der Strahlenschutzverordnung von 2001 den Forderungen zur Dosisminimierung. Mit dem Protonen-Scanning – wie an vier Therapieplätzen des Rinecker Proton Therapy Centers, RPTC, in München realisiert – werden bis zu 10 000 überlappende einzelne Spots dosiskontrolliert in den Tumor gesetzt. Dieses Verfahren führt zu der niedrigsten Schadensstrahlung im tumorumgebenden gesunden Gewebe. a) Abb. 1 Fallbeispiel: Chondrosarkom der Schädelbasis eines 30 jährigen Mannes; Gegenüberstellung eines Bestrahlungsplans der Schädelbasis mit Protonenstrahlung (Abb. 1a) versus Photonen/Röntgenstrahlung (Abb. 1b). Der Vergleich der beiden Pläne zeigt die höhere Dosiskonfor- malität der Protonenbestrahlung. Die Photonen-/Röntgenbestrahlung gestattet die Einstrahlung der erforderlichen Kurationsdosis nicht. Die ausrei- Onkologische Welt 4/2010 chende Schonung von zentralnervösen Strukturen – wie beispielsweise des Hirnstamms – und damit die Bestrahlbarkeit wird erst durch die Protonenbestrahlung möglich. Der Patient wurde mit 35 Fraktionen zu je 2,0 CGE (Gesamtdosis 70,0 CGE) innerhalb des Zielvolumens von Juni bis Juli 2009 bestrahlt. Mehr als ein Jahr nach Protonenbestrahlung ist der Patient rezidivfrei und beschwerdefrei. © Schattauer 2010 Forum Protonentherapie In der klinischen Praxis erlaubt diese Methode in einem signifikanten Teil der Fälle eine Optimierung der Höhe der Tumordosis. Dies ist bei Tab. 1 Strahlenexposition im Gesunden – Röntgen versus Protonen Tumortyp und Klassifikation 3 der Röntgenbestrahlung wegen der genannten Umgebungsschäden, die auch bei modernsten Applikationsformen wie IMRT, Cyberknife und Strahlenexposition im Gesunden* [Joule] Röntgen Protonen Lunge (rechts) Stage I/II 67,6 18,1 Pankreas-Karzinom 97,4 32,0 Leber-Tumor (kleines Volumen) 32,5 10,8 Prostata-Karzinom 117,5 41,2 Chordom/Chondrosarkom (Schädelbasis) 18,2 7,7 Meningeom 20,8 5,9 Gliom 25,5 7,2 Nasopharynx-Karzinom 66,3 40,3 *bei rechnerisch gleicher Tumordosis (physikalisch) Rapid Arc auftreten, oft nicht möglich. Die Abbildung 1a und b sowie die Tabelle 1 verdeutlichen in den bisherigen klinischen Erfahrungen am RPTC bei mehr als 5500 Einzelbestrahlungen gewonnene Vergleichswerte Röntgen versus Protonen.Abhängig von der Tumorposition, kann rechnerisch bezogen als Mittelwert auf eine identische Tumordosis, eine Strahlenbelastung des gesunden Gewebes außerhalb des Zielgebiets von durchschnittlich nur 36% der Röntgenbelastung angenommen werden. Prof. Manfred Herbst und Priv.-Doz. Dr. med. Dr. habil. Hans Rinecker, München Dieser Beitrag entstand mit freundl. Unterstützung der Prohealth AG, München. b) Abb. 1 Fortsetzung © Schattauer 2010 Onkologische Welt 4/2010