Gezielte Tumorbehandlung mit Vakuumtechnik

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20 Turbopumpstände mit einer Spezialsteuerung erhalten das Hochund Ultrahochvakuum im Teilchenbeschleuniger aufrecht und ermöglichen so eine effizientere Strahlentherapie.
Gezielte Tumorbehandlung
mit Vakuumtechnik
D
W 2011 Carl Hanser Verlag, Mbnchen
Turbopumpstand am Synchrotron
Bei der Behandlung von lokalen Tumoren nimmt die Operation
22 Prozent, die konventionelle Radiotherapie 12 Prozent und die
Kombination von OP und Radiotherapie sechs Prozent ein. Der
ermittelte Bedarf für die Partikeltherapie, bei der der Tumor mit
hochenergetischen positiven Atomionen bestrahlt wird, liegt damit bei etwa 18 Prozent. Das entspricht jedem fünften Tumor.
Patienten, deren Tumore kompliziert und tief im Körper liegen
oder die auf herkömmliche Strahlentherapie nur bedingt ansprechen, lassen sich mit dieser Therapie erfolgreich behandeln.
Früher wurden hauptsächlich Photonenstrahlen (Gamma- und
Röntgenstrahlen) eingesetzt. Da die Energieabgabe der Strahlung nicht nur auf den Tumor konzentriert werden kann, belastet die harte Strahlung auch das gesunde Gewebe. Strahlquellen
mit einer höheren und für den Patienten günstigeren Energie
brachten zusammen mit der Planungssoftware Verbesserungen.
Ein wichtiger Unterschied zur Protonen- und Schwerionenstrahlung liegt in einer höheren Dosisabgabe bei der Gewebeeindringtiefe von 1 bis zirka 7 cm
und in einer abfallenden
Dosis bei weiterem EinKontakt
dringen (Bild 1a).
Pfeiffer Vacuum GmbH
35614 Asslar
Bei Partikelstrahlen hanTel. +49 (0)6641 8020
delt es sich um Protonen
Fax +49 (0)6641 802-202
(ionisierte Wasserstoffatowww.pfeiffer-vacuum.de
me) oder Kohlenstoffionen
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Bild: Heidelberger Ionenstrahltherapiezentrum (HIT) und Pfeiffer Vacuum
ie Strahlentherapie wird seit Jahrzehnten zur Bekämpfung
bösartiger Tumore eingesetzt. Im Vergleich zur harten
Röntgenstrahlung zerstört die ionisierte Strahlung das
Erbgut (DNA) der Krebszelle. Eine weitere Zellteilung wird so verhindert, da die Informationen, die die Zelle zur Teilung benötigt,
nicht mehr verfügbar sind. Die Zelle stirbt ab. Die Strahlentherapie macht nur bei lokalen, also nicht metastasierenden Tumoren
Sinn. Das Verhältnis lokaler zu metastasierender Tumore liegt
laut einer im Jahre 1991 veröffentlichten EU-Studie bei 58 zu 42
Prozent. Die palliative Therapie bei streuenden Tumoren (Verhinderung von Ausbreitung und Wachstum) liegt bei 37 Prozent,
die restlichen fünf Prozent fallen der Chemotherapie zu.
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Medizingeräte Molekular-Vakuumpumpen
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» Die Behandlung mit
Partikelstrahlen ist schonend für
das gesunde Gewebe.«
Heinz Barfuss, Pfeiffer Vacuum
(ionisierte Kohlenstoffatome). Die höchste Dosisabgabe bei Protonen und Schwerionen liegt bei einer Gewebeeindringtiefe zwischen 9 und 15 cm (Bild 1b). Kohlenstoffionen haben sechs Protonen und sechs Neutronen, sind 12-mal schwerer als Protonen
und besitzen die sechsfache Kernladung. Dies spiegelt sich in der
hohen relativen Dosis wider. Sie liegt etwa 20 Prozent höher und
hat die 2,5-fache Intensität gegenüber der Photonenstrahlung.
Eine Bestrahlung
kostet 20 000 Euro
Im Strahl fliegen etwa 106 bis 1010
Partikel pro Sekunde. Die Partikel
werden im unter Hoch- und Ultrahochvakuum stehenden Partikelbeschleuniger auf 30 bis 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Partikelstrahlen haben den Vorteil, dass sie, wenn sie auf den Körper treffen, die
ersten Schichten ungebremst durchdringen und dabei kaum
Energie einbüßen. Bei weiterem Eindringen werden sie langsamer, um am Ende ihrer Reichweite ihre Energie gezielt in das Tumorgewebe abzugeben. Die benötigte Energie und Eindringtiefe (Bragg Peak) lassen sich genau berechnen, im Beschleunigerbetrieb vorgeben und exakt steuern. Die freiwerdende Dosis im
Tumor wird dadurch erhöht und im gesunden Gewebe reduziert,
wodurch die Behandlung schonender ist.
Partikelstrahlen lassen sich sehr gut durch magnetische Felder
lenken und ablenken, haben einen geringen Streueffekt, und mittels Raster-Scan-Verfahren können unregelmäßig ausgebildete
Tumore mit hoher Dosis bestrahlt und in der Nähe befindliche
kritische und empfindliche Organe geschont werden. Anwenderkreise sprechen von Behandlungskosten bei einer Strahlenbehandlung mit Schwerionen (Kohlenstoff) von etwa 20 000 Euro
pro Patient. Im Vergleich dazu betragen die Kosten für Operation und Chemotherapie mit anschließender Rehabilitation 70 000
bis 90 000 Euro. Die Chemotherapie gehört nicht zu den schonenden Behandlungen und belastet den Organismus erheblich.
Auf der Basis des bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung
(GSI) in Darmstadt entwickelten Therapieverfahrens und der erfolgreichen Behandlungsergebnisse an Hunderten von Tumorpatienten wurde am Universitätsklinikum Heidelberg im November 2009 ein Partikeltherapiebeschleuniger (Bild 2) in den Pa-
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Tumor
50%
Effektive Dosis (rel. Einheiten)
100%
Dosis
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Röntgenstrahlen
Ionenstrahlung
0%
1
2
6
10
14
Tiefe im Gewebe (cm)
18
a) Tiefendosisprofil
Der Gantry wiegt
600 Tonnen
Tumor
8
6
4
Kohlenstoff
Photonen
Protonen
2
0
3
6
9
12
15
18
(cm)
© MED engineering
b) Eindringtiefe der unterschiedlichen Strahlungsarten (Quelle HIT)
tientenroutinebetrieb übergeben. In der Anlage können jährlich
zirka 1000 Patienten behandelt
werden. Die Behandlungsdauer
mit Anlegen der Maske, Positionieren des Patienten und Bestrahlen
ist mit etwa 20 Minuten relativ
kurz. Allerdings reicht eine Bestrahlung zur Zerstörung des Tumors nicht aus. Deshalb kommen
die Patienten an mehreren Tagen
hintereinander zur Bestrahlung.
Ein Behandlungszyklus dauert etwa 15 Tage. Mehrere Wochen nach
den Bestrahlungen kontrollieren
die Ärzte mit CT oder MRT, ob der
Tumor kleiner geworden oder sogar ganz verschwunden ist. Der
abgestorbene Tumor wird mit der
Zeit vom Körper absorbiert. Einzelne Segmente des Beschleunigers
sind:
1) Zwei Ionenquellen, die sowohl
Protonen (Wasserstoff und Helium) als auch Schwerionen
(Kohlenstoff 12C und Sauerstoff)
generieren.
2) Im Niedrigenergiepartikeltransfer und Linearbeschleuniger
(Vakuumniveau bei 5E-7 mbar)
wird der Ionenstrahl durch Magnete gebündelt und beschleunigt. In dieser Strecke wird der
Strahl zusätzlich gefiltert und
mit angebauter Diagnostik charakterisiert.
3) Im Synchrotron (Vakuumniveau etwa 5E-9 mbar) werden die
Teilchen mit elektrischen Feldern weiter beschleunigt und
durch Führungsmagnete im Strahlrohr in der Bahn gehalten.
Ablenkmagnete am Strahlaustritt führen die Ionen in den
Hochenergiestrahlenspot
4) Hier sind die Ionen bereits auf 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt worden. Das Vakuum liegt in dieser Sektion bei 5E-8 bar.
5) In den beiden Horizontalbestrahlplätzen wird der Tumor des
auf einem Robotertisch fixierten Patienten mittels Computertomograf (CT) und Magnetresonanztomograf (MRT) genauestens bestimmt und vermessen, sodass der Ionenstrahl zehntelmillimetergenau auf die ermittelten Koordinaten in 3D eingestellt werden kann.
6) Vor der Bestrahlung wird mit einer robotergesteuerten Röntgenapparatur die richtige Position des Patienten überprüft. Die
Bilder erscheinen sofort auf den Monitoren im Kontrollraum.
7) Der sogenannte Gantry, der 600 Tonnen schwer und drei Stockwerke hoch ist, lenkt den Ionenstrahl exakt im optimalen Behandlungswinkel auf den Patienten. Der Ionenstrahl Optimal:
dringt bis zu 30 cm in das Ge- Pumpenkombination
webe ein und hat eine Positioniergenauigkeit von weniger als 0,5 mm. Die Vakuumröhren, durch die der Strahl geführt wird, sind an einem Gestänge aufgehängt. Das drehbare Strahlführungssystem (Gantry)
für Schwerionen des HIT ist weltweit das erste seiner Art.
Die Erzeugung des Hoch- oder Ultrahochvakuums muss kohlenwasserstofffrei sein, um eine Kontamination des Vakuumsystems zu verhindern und das Erreichen der geforderten Vakua zu
ermöglichen. Als optimale Lösung werden Pumpkombinationen
bestehend aus Turbomolekularpumpen und trockenen Vorpumpen in den einzelnen Sektionen eingesetzt. Insgesamt wurden
20 so genannte Turbopumpstände mit einer speziellen Steuerung, die auch Ventile betätigt, installiert. Diese Steuerung ist
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larität, Saugvermögen und Kompressionsverhältnis für leichte Gase, Zuverlässigkeit, lange Standzeit und Wartungsfreundlichkeit
geachtet, da der Beschleuniger
auch während der Wartungszyklen
rund um die Uhr an 365 Tagen im
Jahr läuft. Bei einer Investition von
etwa 100 Millionen Euro ist eine
optimale Nutzung mit Präventivwartungszyklen aus wirtschaftlicher Sicht anzustreben. Man geht
davon aus, dass Partikeltherapiebeschleunigern 25 Jahre lang verfügbar sind.
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1
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Ionenquelle
Linearbeschleuniger
Synchrotron
HochenergieStrahlenspot
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Horizontalbestrahlplätze
Digitales Röntgen
Gantry
Ionenstrahl
und Röntgen
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© MED engineering
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Prinzip des Beschleunigers mit seinen Sektionen (Quelle HIT)
beim Synchrotron, der in mehrere durch Ventile isolierbare Sektionen eingeteilt ist, besonders wichtig. Denn bei Verlust des Vakuums muss nur die Sektion belüftet und heruntergefahren werden, die vom Vakuumverlust betroffen ist. Die anderen Sektionen bleiben weiterhin unter Vakuum.
Es kommen nur Turbomolekularpumpen zum Einsatz, die sich
durch ein hohes Saugvermögen und Kompressionsverhältnis für
leichte Gase wie Helium und Wasserstoff auszeichnen, damit das
Vakuum ohne Ausheizen in der geforderten Zeit erreicht wird.
Die Pumpen sind direkt am Strahlrohr angebracht, um Einbußen im Saugvermögen und Endvakuum durch Leitwertverluste
zu vermeiden. Da im LINAC und Synchrotron Röntgen-, Gammaund Neutronenstrahlung auftreten, muss jede Elektronik fern
des Strahlungsbereichs installiert und über abgeschirmte Kabel
mit den Pumpen und Messaufnehmern verbunden werden. Dies
gilt besonders für die Turbopumpen- und Messelektronik, die
mit strahlungsempfindlichen Hochleistungshalbleitern bestückt
sind. Zur Verlängerung der Standzeit werden die trockenen Vorpumpen im intermittierenden Betrieb gefahren. Das heißt, sie
laufen nur, wenn die Elektronik signalisiert, dass das Vorvakuum der Turbomolekularpumpen angestiegen ist.
Alle Flanschverbindungen sind mit metallischen Dichtungen in
ISO-CF ausgeführt, damit die niedrige Leckrate des Gesamtsystems erreicht und langfristig gehalten wird. Elastomerdichtungen, besonders in Strahlungsbereichen, sind wegen der Versprödung durch die Strahlung ungeeignet und erfüllen die Leckratenspezifikationen nicht. Bei den Vakuumpumpen, die kritische
Komponenten im Beschleunigerbetrieb sind, wurde auf Modu-
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Heinz Barfuß
ist Market Management Industry bei Pfeiffer Vacuum in Asslar.
[email protected]
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