Aus der Kardiologischen Klinik des Herz- und Diabeteszentrums Bad Oeynhausen - Lehrkrankenhausder Ruhr-Universität Bochum Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte Die linksventrikuläre Funktion bei Patienten mit Mitralklappenrekonstruktion, bzw. Mitralklappenersatz: Eine vergleichende echokardiografische Untersuchung unter Einschluss der Speckle Tracking Analyse Inaugural-Dissertation Zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät Der Ruhr-Universität Bochum Vorgelegt von Fabian Müller Aus Menden (Sauerland) 2014 Dekan: Prof. Dr. Klaus Überla Referent: Prof. Dr. Lothar Faber Koreferent: PD Dr. Axel Meissner Tag der Mündlichen Prüfung: 05.05.2015 Abstract Müller Fabian Die linksventrikuläre Funktion bei Patienten mit Mitralklappenrekonstruktion, bzw. Mitralklappenersatz: Eine vergleichende echokardiografische Untersuchung unter Einschluss der Speckle Tracking Analyse Problem: Der Effekt eines Ersatzes der Mitralklappe (MVR) gegenüber einer Rekonstruktion (MVr) auf die Funktion des linken Ventrikels (LV) soll einerseits anhand von echokardiografischen Standardparametern und anderseits mittels Speckle Tracking Analyse untersucht werden. Beide operative Verfahren werden im Langzeitverlauf nach chirurgischer Intervention in Bezug auf linksventrikuläre Funktionsparameter verglichen. Methode: Bei der Speckle Tracking Analyse (ST) handelt es sich um eine echokardiografische Methode zur quantitativen Bestimmung der regionalen und globalen linksventrikulären Funktion. Neben Standardparametern wie der Ejektionsfraktion (EF), linksventrikulären und linksatrialen Diametern erfolgte die Bestimmung der regionalen longitudinalen Strains sowie des Globalen longitudinalen Strains (GLS) als Mittelwert aller 18 longitudinaler Segmente des linken Ventrikel im 2-, 3- und 4-Kammerblick mittels Speckle Tracking. Eine grundlegende Untersuchung der linksventrikulären Synchronie erfolgte mittels segmentaler Time to Peak-Analyse. Die Studie umfasst 74 Patienten (48 Männer, 26 Frauen, mittleres Alter 70 ±12 Jahre) mit signifikanter Mitralregurgitation, welche vor erfolgreichem MVR (52 Patienten) oder MVr (22 Patienten) sowie im Langzeitverlauf nach 31±25 Monate echokardiografisch untersucht wurden. Ergebnis: Die Analyse der klinischen Daten im Gruppenvergleich zwischen MVR und MVr zeigte, dass die Rekonstruktionspatienten im Mittel 10 Jahre jünger waren und signifikant seltener übergewichtig waren (p=0,034). Bezüglich der kardiovaskulären Risikofaktoren wiesen beide Gruppen keine Unterschiede auf. MVR-Patienten erhielten signifikant häufiger Bypässe (p=0,019) und wiesen häufiger Vorhofflimmern auf (p=0,011). Im postoperativen Verlauf kam es bei beiden Gruppen zu einer Verbesserung der linksventrikulären und linksatrialen Diameter sowie zu einer Normalisierung der im Staging hohen E/A-Werte (>1,50). Die mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) lag bei beiden Gruppen im Staging und FollowUp im normalen bis leichtgradig eingeschränkten Bereich. Im Staging konnten 83% der longitudinalen Segmente und im Follow-Up 90% einer Auswertung zugeführt werden und der GLS wies eine gute Assoziation mit der nominalen Ejektionsfraktion auf. Die Analyse der regionalen und globalen longitudinalen Strains konnte keine Überlegenheit der MVr gegenüber dem MVR belegen. Ein basoapikaler Gradient, sprich ein Anstieg der Verkürzung von basal nach apikal, konnte bei beiden Gruppen als Zeichen einer normwertigen linksventrikulären Funktion detektiert werden. Als Prestreching wurde eine Vordehnung in Gegenrichtung der linksventrikulären Kontraktion definiert, welches präoperativ bei 25% der Segmente (basal >> apikal) auftrat. In der MVR-Kohorte kam es im Follow-Up zu einem deutlichen Anstieg auf 40% der Segmente während der Wert beim MVr auf 21% absank. Die segmentale Time to Peak-Analyse in den longitudinalen Blicken erbrachte keine signifikanten Unterschiede zwischen MVr und MVR, jedoch war eine reduzierte linksventrikuläre Funktion oft mit einer geringeren Synchronie assoziiert. Beide Gruppen boten postoperativ keinen Hinweis auf eine paradoxe septale Beweglichkeit mit einer lateralen Hyperkinesie. Diskussion: Auf Basis der linksventrikulären Funktionsdaten in der klassischen Echokardiografie und im Speckle Tracking kann die vermutete Überlegenheit der MVr gegenüber dem MVR bezüglich der linksventrikulären Funktion im Langzeitverlauf nicht belegt werden. Mittels Speckle Tracking kann eine sensitive Messung der regionalen und globalen linksventrikulären Funktion vorgenommen werden. Es scheint so, dass die positiven Effekte der Elimination des Low Impedance Leaks beim MVR und MVr die Unterschiede zwischen den beiden operativen Verfahren überlagern. Das uneinheitliche Patientenkollektiv mit einem deutlichen Übergewicht beim MVR beruht auf den operativen Fallzahlen des HDZ Bad Oeynhausen und ist der Multimorbidität des Patientenkollektivs geschuldet. Bei der Analyse der Speckle Tracking Analyse konnte gezeigt werden, dass eine vorliegende Tachyarrythmia absoluta zu falsch niedrigen longitudinalen Strains führt; 16 Einzelmessungen mussten daher aus der Auswertung genommen werden, um diesen systematischen Fehler auszuschließen. Familiae et amicis gratias ago. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ......................................................................................................................3 Klinische Grundlagen der Mitralklappenregurgitation (MR)…………………………3 1.1 Definition, Epidemiologie und Ätiologie .........................................................3 1.2 Pathophysiologie der primären und sekundären MR .......................................5 1.3 Diagnose der chronischen MR .........................................................................9 1.4 Therapie der chronischen MR ........................................................................14 2. Zielsetzung der Arbeit ................................................................................................20 3. Methoden .....................................................................................................................21 3.1 Historie der Echokardiografie ................................................................................21 3.2 Speckle Tracking (ST) ...........................................................................................22 3.3 Der Gewebedoppler (TDI) .....................................................................................25 3.4 Vorteile und Limitationen des Speckle Tracking ..................................................25 3.5 Methodik des klinisch experimentellen Teils der Arbeit………………………...27 3.5.1 Rekrutierung der Kohorte ............................................................................27 3.5.2 Ermittlung der Strains..................................................................................28 4. Ergebnisse....................................................................................................................31 4.1 Gruppenvergleich der Patienten mit Mitralklappenrekonstruktion (MVr) vs. Mitralklappen-Ersatz (MVR) .................................................................................31 4.1.1 Klinische Daten ...........................................................................................31 4.1.2 Standard-Echoparameter .............................................................................32 4.1.3 Perioperative Daten .....................................................................................34 4.2 Analyse des Speckle Tracking (ST)………………………………………….......35 4.2.1 Statistische Assoziation des Globalen longitudinalen Strain (GLS) mit der nominalen Ejektionsfraktion (EF) ........................................................................35 4.2.2 Paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) ......................................................38 4.2.3 Regionale Strains .........................................................................................39 4.2.4 Beurteilung der Kontraktionsstärke innerhalb der jeweiligen Wand ..........39 4.2.5 Prestreching .................................................................................................41 4.2.6 Analyse der linksventrikulären Synchronie.................................................43 5. Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................45 5.1 Analyse der Grundparameter ..........................................................................45 5.2 Speckle Tracking ...........................................................................................46 1 6. Diskussion ....................................................................................................................47 6.1 Klinische und klassische echokardiografische Parameter .....................................47 6.2 Speckle Tracking ...................................................................................................48 6.2.1 Regionale Strains ................................................................................................48 6.2.2 Globaler longitudinaler Strain (GLS) .................................................................49 6.2.3 Prestreching.........................................................................................................50 6.2.4 Paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) ..............................................................51 6.2.5 Analyse der linksventrikulären Synchronie ........................................................52 6.2.6 Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) ......................................................54 6.3 Einordnung der Ergebnisse/ Limitationen .............................................................56 7. Literaturverzeichnis ...................................................................................................60 2 1. Einleitung Klinische Grundlagen der Mitralklappenregurgitation (MR) 1.1 Definition, Epidemiologie und Ätiologie Als Mitralklappeninsuffizienz (MI) oder Mitralregurgitation (MR) bezeichnet man eine akut auftretende oder sich chronisch entwickelnde Schlussunfähigkeit der Herzklappe zwischen dem linken Atrium (LA) und dem linken Ventrikel (LV). Die Prävalenz der signifikanten MR in den Vereinigten Staaten von Amerika wird auf 1,7% beziffert; bei Personen ab dem 75. Lebensjahr hingegen wird eine Quote von beinahe 10% angegeben. Diese Ergebnisse basieren auf epidemiologischen Untersuchungen mit nahezu 100.000 Teilnehmern wie der Olmsted County Studie sowie anderen populationsbasierten Studien (Nkomo, Gardin et al., 2006). Anatomisch besteht die Mitralklappe aus einem anterioren und einem posterioren Segel, dem Klappenring oder -annulus, den Chordae tendineae sowie den Papillarmuskeln. Beim Annulus handelt es sich um einen bindegewebigen Ring, welcher die ventrikulären und die atrialen Wände mit den Segeln der Mitralklappe verbindet (Ghoreishi, Dawood et al., 2011). Während der linksventrikulären Kontraktion kommt es infolge des Druckanstiegs im Cavum zur Schließbewegung der Klappensegel bis hin zum Aneinanderlegen der Segelränder, die von den gespannten Papillarmuskeln in Position gehalten werden. Gleichzeitig führt eine Kontraktion annulärer Muselfasern zu einer Verkleinerung des Umfangs der Mitralklappe (Rusted, Scheifley et al., 1952). Bezüglich der Ätiologie wird zwischen einer primären und einer sekundären (funktionellen) Mitralregurgitation unterschieden. Der primären MR liegt immer eine direkte Pathologie der Mitralklappe zu Grunde. Die sekundäre MR hingegen entsteht im Rahmen einer kardialen Grunderkrankung bei intaktem Klappenapparat. Das Zusammenwirken primärer und sekundärer Faktoren ist ebenfalls möglich. 3 Tabelle 1: Ätiologie der MR und Differenzierung nach häufigen primären sowie sekundären Ursachen (Silverman and Hurst, 1973) Chronische Mitralinsuffizienz Signifikante Mitralinsuffizienz Primäre MR a) Erkrankungen der Klappensegel Sekundäre MR b) Dysfunktion oder Ruptur der Papillarmuskeln c) Dysfunktion oder Ruptur der Chordae tendineae d) Veränderungen des Mitralklappenanulus zu a): Primäre Ursachen: Rheumatisches Fieber oder infektiöse Endokarditis unvollständige oder abnormale Entwicklung Mitralklappenprolaps-Syndrom Defekte des Bindegewebes wie Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom zu b): Primäre Ursachen: Endokarditis Trauma Sekundäre Ursachen: Infarkt oder Ischämie linksventrikuläre Dilatation bei ischämischer, dilatativer, hypertropher oder sonstiger Kardiomyopathie; Myokarditis; Aortenstenose zu c): Primäre Ursachen Degeneration Mitralklappenprolaps-Syndrom Endokarditis oder Rheumatisches Fieber Marfan-Syndrom oder Ehlers-Danlos-Syndrom Trauma idiopathisch zu d): Primäre Ursachen: Verkalkung und Degeneration Rheumatisches Fieber Marfan-Syndrom und sonstige Störungen des Bindegewebes Bakterieller Abszess am fibrotischen Anulus Mitralklappenprolapssyndrom Sekundäre Ursachen: Linksventrikuläre Dilatation Linksatriales Myxom Linksventrikuläre Aneurysmen 4 Die primäre, signifikante MR beruht in der Mehrzahl der Fälle auf einer degenerativen Klappenerkrankung. Die Folgen können eine Elongation oder eine Ruptur eines oder mehrerer Chordae tendineae mit resultierendem Segelprolaps sein. Ein Prolaps ist definiert als eine Überschreitung der Klappenebene durch ein oder beide Mitralklappensegel während der Systole (Gilbert, Schatz et al., 1976). Eine sekundäre (funktionelle) MR beruht vor allem auf einer linksventrikulären Dilatation auf Basis einer ischämischen oder sonstigen Kardiomyopathie. Funktionell macht sich dies durch annuläre Erweiterung, fehlende systolische Adaptation der Klappenränder, Lateralisierung und Schwäche der Papillarmuskulatur sowie durch eine zeitliche Asynchronie bemerkbar (Badhwar, Bolling et al., 2003). 1.2 Pathophysiologie der primären und sekundären MR Im Rahmen einer Mitralregurgitation kommt es aufgrund einer unzureichenden Aneinanderlagerung der beiden Mitralsegel während der linksventrikulären Systole zu einem retrograden Blutfluss vom ventrikulären Hochdrucksystem zum linksatrialen Niederdrucksystem. Die Differenzierung zwischen einer akuten und einer chronischen MR erfolgt anhand des zeitlichen Verlaufs. Patienten mit milder bis mittelgradiger chronischer MR bleiben zumeist asymptomatisch. Sie weisen über Jahre nur geringe hämodynamische Beeinträchtigungen auf. Die chronische MR verläuft insgesamt progredient mit einer signifikanten Volumenbelastung des linken Ventrikels. Das Fortschreiten der Erkrankung erweist sich als variabel, da es auf der zunehmenden Schwere der Läsion sowie auf der Größe des Anulus beruht. Gerade die primäre MR ist durch eine Steigerung der effektiven Klappenöffnungsfläche im Krankheitsverlauf gekennzeichnet (Enriquez-Sarano M, Basmadjian et al., 1999). Pathophysiologisch bedingt die MR eine Erhöhung der linksventrikulären Vorlast und ein spezifisches linksventrikuläres Remodelling. Dieses hat eine Erhöhung der Wandspannung zur Folge, welche anhand der Laplace-Gleichung genauer quantifiziert werden kann ( = p · r/2h mit r als Radius, h als Wanddicke und p als linksventrikulärer Druck). Von den vier möglichen linksventrikulären Vitien weist die 5 MR das größte Radius/ Wanddicke- sowie das kleinste Masse/ Volumen-Verhältnis auf (Carabello, 1995). Über die linksatriale und linksventrikuläre Dilatation können die regurgitierten Volumina nun bei geringeren Füllungsdrücken aufgenommen werden. Folglich kommt es temporär zu einem Abklingen der pulmonalen Stauungssymptomatik. Dieser Zustand wird als kompensierte MR beschrieben und hält meist über Jahre an. Zum Teil sind die Patienten in diesem Zeitraum auch unter maximaler körperlicher Belastung asymptomatisch. Ursächlich dafür ist die erhöhte Vorlast im Rahmen der linksventrikulären Dilatation und die leichtgradig reduzierte bis normale Nachlast (Corin, Monrad et al., 1987). Der Anstieg des linksventrikulären enddiastolischen Volumens erlaubt bei kompensierter MR über eine Erhöhung des totalen Schlagvolumens ein physiologisches aortales Ejektionsvolumen (Zile, Gaasch et al., 1984). Veränderungen der Aorta ascendens oder eine höhere Amplitude des arteriellen Blutdrucks, wie für eine Aortenregurgitation (AR) typisch, sind meist nicht zu verzeichnen (Carabello, 2008). Bei der MR handelt es sich um eine der wenigen kardialen Erkrankungen, bei der eine hochnormale diastolische Funktion anhand des E/A-Verhältnisses detektiert werden kann (Corin, Murakami et al., 1991). Klassischerweise schreitet die Erkrankung fort und es entwickelt sich eine chronisch dekompensierte MR. Charakteristisch sind ein beeinträchtigtes Ejektionsvolumen, eine progrediente linksventrikuläre Dilatation sowie erhöhte Füllungsdrücke. Ebenfalls tritt eine pulmonale Belastung auf (Carabello, 2001). Die gemessenen Ejektionsfraktionen liegen trotz signifikanter myokardialer Dysfunktion oft noch im niedrig normalen Bereich (0,50-0,60) (Carabello, 1988). Aus pathologischer Sicht konnte in tierexperimentellen Studien bei schwerer MR ein Verlust von kontraktilen Elementen und begleitend ein gestörter Kalziumstoffwechsel nachgewiesen werden (Urabe, Mann et al., 1992). Die exzentrische Hypertrophie des linken Ventrikels, welche aus der Volumenbelastung resultiert, beruht auf einer ungewöhnlichen Modifikation des Proteinumbaus. Anscheinend bleibt die Syntheserate konstant, allerdings wird der 6 Abbau der Proteine verzögert (Imamura, McDermott et al., 1994). Die Sarkomeren sind seriell gelagert und weisen eine gesteigerte Länge der myokardialen Fibrillen auf (Carabello, 1988). Dysfunktionen auf Ebene der Myozyten und eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems konnten bei fortgeschrittener Erkrankung objektiviert werden (Tsutsui, Spinale et al., 1994). Bei einer schweren, primären MR kann man innerhalb der nächsten 6 bis 10 Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem symptomatischen Verlauf der Erkrankung ausgehen (Enriquez-Sarano, Avierinos et al., 2005). Der natürliche Verlauf einer hochgradigen MR aufgrund eines posterioren Mitralklappenprolaps weist bei ausbleibender Therapie eine jährliche Mortalität von 10% auf. Nach 10 Jahren benötigen 90% eine Operation der Mitralklappe oder sind bereits verstorben. Mit einer schlechteren Prognose sind Ejektionsfraktionen kleiner 0,60 und Symptome der Klasse NYHA III-IV (Luftnot bei geringster Belastung) verbunden (Tribouilloy, Enriquez-Sarano et al., 1999). Bei der sekundären MR zeigt sich ein differierendes, komplexeres Bild. Strukturelle Herzerkrankungen wie ein Myokardinfarkt oder eine Kardiomyopathie unterschiedlichster Genese verursachen eine Leckage bei einer anatomisch voll funktionsfähigen Mitralklappe. Im Fall der erfolgreichen operativen Korrektur verbleibt der zugrundeliegende, myokardiale Schaden. Bei Patienten mit ischämischer Herzinsuffizienz konnte gezeigt werden, dass die 5-Jahresüberlebensrate in Abhängigkeit des Grades der MR signifikant abnimmt. Bei fehlender MR lag sie bei 55%, bei milder MR bei 52% und bei schwerer MR bei 42% (Trichon, Felker et al., 2003). Die Interpretation, ob nun die MR an sich die Prognose verschlechtert oder nur als Indikator für eine stärker reduzierte linksventrikuläre Funktion angesehen werden muss, gestaltet sich dabei jedoch als äußerst schwierig. 7 Bei einer chronischen, hochgradigen Mitralinsuffizienz gleich welcher Genese erfolgt eine Adaptation des Herzens an den Rückstrom in den linken Vorhof. Das erhöhte enddiastolische Volumen kann nur bei Vorliegen eines Shunts zum Niedrigdrucksystem des linken Atriums bewältigt werden. Nach einer operativen Korrektur kann es daher zu einer temporären, postoperativen Verschlechterung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) kommen. Dieses mit einem geringen Widerstand assoziierte Leck in Richtung des linken Atriums wird im Englischen als „Low Impedance Leak“ bezeichnet. Ein solcher temporärer EF-Abfall wird oft bei Patienten mit operativer Sanierung einer dekompensierten MR, persistierend erweiterten linksventrikulären Diametern sowie einem starken Anstieg der Nachlast gemessen (Gaasch and Meyer, 2008). Bei einigen Patienten mit Operation bei kompensierter MR sowie postoperativer Normalisierung der linksventrikulären echokardiografischen Standardparameter wurde ebenfalls ein Abfall der EF detektiert. Jedoch kann dieser vermutlich nur zum Teil auf einen massiven Anstieg der Nachlast zurückgeführt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen diesem Befund drei funktionell unterschiedliche Operationsmethoden zu Grunde, nämlich der Mitralklappenersatz (MVR) mit Erhalt des subvalvulären Apparates, ohne Erhalt des subvalvulären Apparates sowie die Rekonstruktion (MVr). Bei der MVr sowie dem geometrieerhaltenden Ersatz ließ sich kein signifikanter Abfall der EF ausmachen, wohingegen bei dem MVR ohne Erhalt des Apparates der Ventrikel eine eher sphärische Form erhielt und ein Abfall der longitudinalen Verkürzung wie auch der EF häufig zu verzeichnen war. Folglich beruht das linksventrikuläre Verhalten nach korrektiver Chirurgie vor allem auf dem präoperativen, funktionellen Status des Ventrikels sowie auf der verwendeten chirurgischen Technik (Gaasch and Meyer, 2008). Ein eventuell als Begleiterkrankung vorliegender Hypertonus muss medikamentös unbedingt ausreichend therapiert werden, da ein erhöhter Druckgradient von linken Atrium zum linken Ventrikel das Regurgitationsvolumen erhöht. Bei normwertiger Nachlast erbrachte eine Therapie der chronischen MR mit Hemmern des AngiotensinKonversionsenzyms keinen positiven Effekt (Marcotte, Honos et al., 1997). 8 Im Rahmen von tierexperimentell induzierter MR konnten Beta-Blocker bei eingetretener linksventrikulärer Dysfunktion eine Erholung der sarkomeren Strukturen sowie deren Funktion bewirken. Bezüglich der Wirksamkeit beim Menschen mit normaler LV-Funktion ist die aktuelle Studienlage hingegen noch unzureichend (Tsutsui, Spinale et al., 1994). 1.3 Diagnose der chronischen MR Die exakte Anamnese bezüglich der körperlichen Belastbarkeit im zeitlichen Verlauf ermöglicht bei Patienten mit chronischer MR die Detektion der ersten leichten Symptome. Zumeist beschreiben die Patienten lediglich einen Abfall der maximalen Belastbarkeit (Bonow, Carabello et al., 2006). Pathophysiologisch beruhen diese klinischen Zeichen entweder auf einer Reduktion des Herz-Zeit Volumens (HZV) oder einer pulmonalen Stauung bei nun ausgeschöpften Kompensationsmöglichkeiten des linken Herzens. Die Patienten beklagen dann oft Dyspnoe, Orthopnoe, nächtliche Hustenanfälle und Müdigkeit. Im Rahmen der linksatrialen Dilatation kann es zu Vorhofflimmern kommen. Dieses kann als Stolpern des Herzens oder auch als Palpitation wahrgenommen werden. Bei allen neu aufgetretenen Rhythmusstörungen sollte daher eine MR als eine mögliche Ursache ausgeschlossen werden (Bonow, Carabello et al., 2006). Den klassischen Auskultationsbefund stellt ein gleichförmiges holosystolisches Geräusch mit Fortleitung in die Axilla dar. Das Vorhandensein eines solchen apikalen Herzgeräusches führt in der Regel zur Verdachtsdiagnose einer signifikanten Mitralinsuffizienz. Allerdings kann bei Patienten mit resultierender hochgradig reduzierter linksventrikulärer Funktion das beschriebene Geräusch gänzlich fehlen (Desjardins, Enriquez-Sarano et al., 1996). Eine Graduierung aufgrund der Intensität des Strömungsgeräusches ist folglich nicht zulässig. Ein dritter Herzton oder diastolische Füllungsgeräusche können gewöhnlich detektiert werden. Sie sind jedoch nicht als pathognomonisch für eine linksventrikuläre Dysfunktion zu werten. Zeichen einer pulmonalen Hypertension sind stets als besorgniserregend zu werten, da sie mit einer deutlichen Verschlechterung der Prognose verbunden sind (Crawford, Souchek et al., 1990). 9 Bei Patienten mit schwerer, nicht therapierter MR treten im Verlauf der Erkrankung Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz wie periphere Ödeme, Aszites und progressive Müdigkeit auf. Die Durchführung eines Elektrokardiogramms (EKG) ist zur Rhythmusanalyse indiziert. Ebenfalls kann so nach Hinweisen für eine mitrale Pathologie gefahndet werden. Bei Patienten mit Mitralinsuffizienz findet sich oft ein P-sinistroatriale (P-mitrale) als Hinweis für die Volumenbelastung des linken Vorhofs. Dieses Zeichen hat sich allerdings als keinesfalls pathognomonisch erwiesen. Viel häufiger tritt es im Rahmen einer arteriellen Hypertonie, bei Vitien der Aortenklappe sowie bei dilatativer oder ischämischer Kardiomyopathie auf. Folglich wird dieser Befund als hinweisend auf ein belastetes, überdehntes, dilatiertes, hypertrophiertes, ischämisch oder entzündlich geschädigtes linkes Vorhofmyokard gewertet (Schuster and Trappe, 2005). Es handelt sich dabei um eine Verbreiterung der P-Welle > 0,1 sec mit einem doppelgipfligen Erscheinungsbild vor allem in den Extremitätenableitungen sowie um einen biphasischen Verlauf mit betontem negativen Anteil in V1. Im weiteren Krankheitsverlauf kann sich ein P-dextroatriale als Hinweis auf eine Hypertrophie des rechten Vorhofs bei pulmonaler Hypertonie manifestieren. In diesem Fall kann eine überhöhte, spitze P-Welle >0,25 mV speziell in den Extremitätenableitungen vorliegen. Auch dieses Zeichen darf keinesfalls als spezifisch gewertet werden (Schuster and Trappe, 2005). Aufgrund der Volumenbelastung des linken Ventrikels entwickelt sich eine linksventrikuläre Hypertrophie. Elektrokardiografisch liegt ein Linkstyp (oder ein überdrehter Linkstyp) sowie eine Zunahme der R-Amplituden in I, aVL, V5 und V6 vor. Die Ableitungen V1–V3 und III-aVF sind vom linken Ventrikel abgewendet und weisen folglich tiefe S-Zacken auf. Auf dieser theoretischen Grundlage basiert der Sokolow-Lyon Index (Summe R in V5/6 und S in V1/2 > 3,5mV) als Zeichen einer linksventrikulären Hypertrophie. Analog existiert ein Sokolow-Lyon Index für die rechtsventrikuläre Hypertrophie (Summe R in V1/2 und S in V5/6 > 1,05 mV) (Schuster and Trappe, 2005). 10 Mittels Röntgen-Thorax im posterioren-anterioren Strahlengang bei stehender Position des Patienten in maximaler Inspiration können vor allem der pulmonale Gefäßstatus sowie das Vorliegen einer pulmonalen Stauung beurteilt werden (Bonow, Carabello et al., 2006). Die transthorakale Echokardiografie (TTE) stellt bei Verdacht auf MR die wichtigste apparative Diagnostik auf Basis mindestens einer randomisierten Studie mit klinischen Endpunkten (Klasse I) dar (Bonow, Carabello et al., 2006). In einer ersten Untersuchung soll die Größe der Herzhöhlen, die linksventrikuläre Funktion und der Schweregrad der eventuell vorliegenden Vitien untersuchen werden. Ebenfalls gilt es den pulmonalarteriellen Druck anhand der physiologischen Trikuspidalinsuffizienz abzuschätzen (Evidenzgrad C). Leitliniengerecht sollte eine TTE bei moderater bis schwerer, asymptomatischer MR halbjährlich bis jährlich mit dem Fokus auf der Überwachung der linksventrikulären Funktion anhand der Ejektionsfraktion (EF) und der enddiastolischen Diameter durchgeführt werden (Evidenzgrad C). Die gleichen Empfehlungen gelten bei neu aufgetretenen oder progredienten Symptomen bei bekannter MR (Evidenzgrad C). Die Diagnose der schwerwiegenden MR beruht neben den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung vor allem auf der B-Mode- und Doppler-Echokardiografie. Als wichtige Parameter sind die Breite und Fläche des Insuffizienzjets im Farbdoppler, die Intensität des Signals im kontinuierlichen Dopplerstrahl, die Kontur des pulmonalvenösen Flussprofils, die Geschwindigkeit des maximalen frühen Blutstroms über der Mitralklappe sowie die quantitativen Messungen der effektiven Öffnungsfläche und des Regurgitationsvolumens zu nennen (Bonow, Carabello et al., 2006). Eine eventuell vorliegende Vergrößerung des linken Atriums oder des linken Ventrikels erweist sich als pathognomonisch für eine schwere MR, falls die Dilatation selektiv auf dieser beruht. Auch können Hinweise auf den Entstehungsmechanismus der MR mittels TTE gewonnen werden (Evidenzgrad B). Ein zentraler Insuffizienzjet bei anatomisch intakten Klappenstrukturen weist auf eine sekundäre, ein exzentrischer Jet mit morphologisch veränderten Anteilen eher auf eine primäre Ursache hin. 11 Bei vermutlich primärer MR sollte das Vorliegen eines verkalkten Anulus, die Funktionsfähigkeit der einzelnen Segel und die Ausdehnung der Pathologie untersucht werden. Auf Basis dieser Untersuchungsergebnisse kann die Entscheidung getroffen werden, ob eine Rekonstruktion der Mitralklappe möglich ist. Die Beweglichkeit des freien Segelendes wird relativ zur Ebene des Anulus beschrieben und soll dem Chirurgen eine adäquate Planung des Eingriffs ermöglichen (Carpentier, 1983). Wenn eingeschränkte Untersuchungsbedingungen vorliegen oder eine Diskrepanz zwischen den Befunden in der TTE und der Symptomatik des Patienten besteht, sollte zur sicheren Graduierung eine transösophageale Echokardiografie (TEE), eine Kardio-Magnetresonanztomografie oder eventuell sogar ein Linksherzkatheter vorgenommen werden (Evidenzgrad B). Die Leitlinien empfehlen auf Basis mindestens einer randomisierten Studie mit klinischen Endpunkten (Klasse I) den Einsatz der TEE ebenfalls bei Patienten mit schwerer, operationswürdiger MR zur Beurteilung der anatomischen Gegebenheiten sowie zur Evaluation der Rekonstruktionsfähigkeit der Mitralklappe (Evidenzgrad B). Nach erfolgter Mitralklappenrekonstruktion (MVr) oder Mitralklappenersatz (MVR) gilt es mittels TTE neben der linksventrikulären Funktion die Hämodynamik über der Mitralklappe zu beurteilen (Evidenzgrad C). Bei asymptomatischen Patienten mit milder MR sowie normaler linksventrikulärer Funktion und Diametern sind TTE und TEE im Rahmen einer Routinekontrolle nach Expertenmeinung nicht indiziert (Evidenzgrad C). Für den Einsatz einer Belastungsechokardiografie besteht im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung keine generelle Empfehlung, da lediglich klinische Studien auf Basis von Surrogat-Markern existieren (Evidenzgrad C). Mit dieser apparativen Diagnostik kann die Belastungstoleranz der Patienten gemessen werden. Ebenfalls werden Effekte der körperlichen Betätigung auf den pulmonalarteriellen Druck und die Schwere der MR detektiert. 12 Tabelle 2: Graduierung der chronischen MR und empfohlene Verlaufskontrollen nach den aktuellen Richtlinien (Bonow, Carabello et al., 2006) Chronische Mitralregurgitation III-IV II I Angiografischer Grad Fläche des Jets im Doppler (cm²) < 4cm² oder < 20% des linken Atriums (LA) gefüllt 20-40% des linken Atriums (LA) gefüllt > 40% des LA gefüllt, Anprall des Jets an die Wand, Verwirbelungen Breite der Vena contracta (cm) < 0,3 cm 0,30 - 0,69 cm ≥ 0,70 cm Regurgitationsvolumen (ml pro Schlag) < 30 ml 30 – 59 ml ≥ 60 ml Regurgitationsfraktion (%) < 30 % 30 – 49 % ≥ 50 % Öffnungsfläche der Regurgitation (cm²) < 0,20 cm² 0,20 – 0,39 cm² ≥ 0,40 cm² linksatrialer Diameter Normwertig Normwertig Vergrößert linksventrikulärer Diameter Normwertig Normwertig Vergrößert Diagnose: Milde MR Diagnose: Moderate MR Diagnose: Schwere MR Asymptomatische Patienten mit Status idem bezüglich der körperlichen Belastbarkeit sollen einmal jährlich körperlich untersucht werden; eine TTE ist nur bei klinischem Verdacht einer Progression indiziert. Asymptomatische Patienten mit Status idem bezüglich der körperlichen Belastbarkeit sollen einmal jährlich körperlich untersucht werden; eine TTE sollte nun jährlich durchgeführt sowie bei neuer Symptomatik Asymptomatische Patienten mit Status idem bezüglich der körperlichen Belastbarkeit erhalten alle 6-12 Monate eine körperliche Untersuchung sowie eine TTE zur Detektion von Dysfunktion sowie bei jedweder Symptomatik. Objektivierung eines Abfalls der Belastbarkeit mit einem Stress-TTE vertretbar. Empfohlene Kontrolluntersuchungen 13 Anhand der beschriebenen Vorsorgeuntersuchungen kann die subjektive Symptomatik eruiert und die linksventrikuläre Funktion objektiviert werden. Den wichtigsten Kontrollparameter im Rahmen der TTE stellt die Ejektionsfraktion (EF) dar. Bei dessen Beurteilung muss jedoch beachtet werden, dass die vorliegenden Füllungsbedingungen aufgrund der linksatrialen Regurgitation die systolische Ejektion erleichtern. Für Patienten mit einer präoperativen EF < 0,60 konnte postoperativ im Verlauf eine verminderte linksventrikuläre Funktion und resultierend eine statistisch geringere Überlebensrate nachgewiesen werden. Auf diesen Daten beruht die empfohlene Frequenz der klinischen Routineuntersuchungen in Abhängigkeit vom Grad der MR (Enriquez-Sarano, Tajik et al., 1994). Eine Alternative zur EF bietet der endsystolische Innendurchmesser des linken Ventrikels. Sein Vorteil beruht im Gegensatz zur EF auf einer geringeren Beeinflussung durch die Vorlast. Präoperativ sollte er unterhalb eines Grenzwertes von 40mm liegen. In diesem Fall zeigt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit postoperativ eine normwertige linksventrikuläre Funktion (Wisenbaugh T, Skudicky et al., 1994). 1.4 Therapie der chronischen MR Auf Basis der aktuellen Leitlinien wird eine medikamentöse Behandlung von asymptomatischen Patienten mit chronischer MR ohne Begleiterkrankungen wie arterielle Hypertonie oder Herzinsuffizienz jedweder Genese grundsätzlich nicht empfohlen (Bonow, Carabello et al., 2006). Die MR in ihrer kompensierten Form ist durch Nachlast auf niedrig normalem Niveau mit einem systolischen Blutdruck von kleiner 110 mmHg gekennzeichnet. Eine weitere Senkung unter Einsatz von Vasodilatatoren hätte eine chronisch verminderte Nachlast zur Folge. Für diesen Zustand liegt nur wenig therapeutische Erfahrung vor (Bonow, Carabello et al., 2006). Von großer Bedeutung ist hingegen die medikamentöse Therapie bei asymptomatischen Patienten mit einer sekundären MR auf der Basis einer dilatativen oder ischämischen Kardiomyopathie. Eine Senkung der Vorlast (Yoran C, Yellin et 14 al., 1979) sowie die Therapie der linksventrikulären Dysfunktion nach den aktuellen Richtlinien unter anderem mit Angiotensin-Konversionsenzymhemmern und ßBlockern haben einen positiven Effekt auf die Schwere der MR. Ebenfalls verbessern sie die Prognose der Patienten (Capomolla, Febo et al., 2000). Mittels einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) kann eine nahezu physiologische Erregungsausbreitung und eine zeitgleiche myokardiale Kontraktion erreicht werden, welche das Ausmaß einer begleitend vorliegenden sekundären MR vermindern kann (Linde, Leclercq et al., 2002) Bei Auftreten eines persistierenden Vorhofflimmerns (VHF) sollte eine Frequenzkontrolle und eine therapeutische Antikoagulation mit einem INR von 2-3 leitliniengerecht erfolgen. Die chirurgische Therapie der chronischen MR beinhaltet die Rekonstruktion der Mitralklappe (MVr) oder ihren Ersatz (MVR) mit Erhalt oder Entfernung des subvalvulären Apparates. In den aktuellen Leitlinien findet sich eine klare Präferenz der Rekonstruktion gegenüber dem Ersatz (Bonow, Carabello et al., 2006). Die folgende Tabelle vergleicht Indikationen sowie Vor- und Nachteile der jeweiligen Operationstechniken. 15 Tabelle 3: Chirurgische Operationsverfahren bei chronischer MR (Bonow, Carabello et al., 2006). MV-Rekonstruktion (MVr) Vorteile: keine Risiken der chronischen Antikoagulation oder valvulärer Dysfunktionen Erhalt der nativen MV, keine Gefahr einer Prothesendysfunktion Erhalt des subvalvulären Apparates in toto mit besserer postoperativer Prognose (Goldman, Mora et al., 1987) Reoperationsrate aufgrund schwerer Re-MR liegt mit 7-8% innerhalb von 10 Jahren auf dem Niveau des Ersatzes [70% ineffektive Reparatur, 30% Progress der valvulären Pathologie] (Mohty D, Orszulak et al., 2001; Gillinov, Cosgrove et al., 1997) Empfehlung bei fortgeschrittener MR und eingeschränkter LV-Funktion (Goldman ME, Mora et al., 1987) Nachteile: technisch anspruchsvoller längere extrakorporale Bypasszeit als reine MVR Erfolg abhängig von der Klappenmorphologie in Kombination mit der chirurgischen Erfahrung (Empfehlung der Überweisung an kardiochirurgische Zentren) eine gescheiterte MVr stellt die Indikation zum MVR, daher stets leitliniengerechtes Vorgehen MV-Ersatz mit Erhalt des subvalvulären Apparates (MVR) Vorteile: die Operation gewährleistet postoperativ eine hohe Dichtigkeit der MV Erhalt des subvalvulären Apparates mit besserer postoperativer Prognose sowie Bewahrung der LV-Funktion Erfolg ist deutlich weniger abhängig von der Klappenmorphologie Reserveoption falls eine Rekonstruktion scheitert oder eine Re-MR auftritt Im Rahmen einer schwerwiegenden Destruktion des subvalvulären Apparates bei rheumatischer Genese kann eine MVR ohne Erhalt angestrebt werden operatives Vorgehen ist standardisierter als bei der MVr Nachteile Lebenslange Antikoagulation (mechanisch) vs. geringere Haltbarkeit (biologisch) eventuelle Prothesendysfunktion 16 In der Literatur bezüglich der Wertigkeit der beiden Operationsverfahren zeigt sich die aus der obigen Tabelle ersichtliche klare Präferenz einer Rekonstruktion gegenüber dem Ersatz der Mitralklappe (Bonow, Carabello et al., 2006). Als signifikante Güte- und Qualitätskriterien der Rekonstruktion sind die kürzere Liegezeit im Krankenhaus, die geringere hospitale Mortalität und die höhere 10Jahres-Überlebensrate bei Patienten <60 Jahre ohne einen Aorto-koronar-venösen Bypass (AcvB) zu nennen. In der Kohorte mit AcvBs waren die Ergebnisse sehr ähnlich und wiesen keinen signifikanten Unterschied auf (Thourani et al., 2003). Bei Patienten im höheren Alter liegt laut Studienlage eine Gleichwertigkeit der beiden Operationen in Bezug auf die 10-Jahres-Überlebensrate vor. Jedoch sollte aufgrund der signifikant geringeren intraoperativen Mortalität, des deutlich reduzierten Thromboembolierisikos sowie der fehlenden prothesenassoziierten Komplikationen auch bei diesem Patientenklientel die Rekonstruktion dem Ersatz vorgezogen werden (Gillinov et al., 2008). Die Entwicklung der echokardiografischen Standardparameter des linken Ventrikels nach Rekonstruktion oder Ersatz der Mitralklappe wurde auch bei Patienten mit präoperativer linksventrikulärer Dysfunktion (Ejektionsfraktion <50%) untersucht. Bei der Auswertung dieser Daten erschien bei nicht-ischämischer Mitralregurgitation (MR) und präoperativer linksventrikulärer Dysfunktion die MVr in Bezug auf die genannten Standardparameter dem MVR signifikant überlegen. Als mögliche Erklärung wird die Bewahrung der linksventrikulären Geometrie mit Erhalt des subvalvulären Apparates, bestehend aus Chordae tendineae und der Papillarmuskulatur, angeführt (Kouris et al., 2005). Die linksventrikuläre Funktion nach einer Rekonstruktion liegt zumeist näher an den präoperativen Werten als nach einem Ersatz (Livesay and Talledo, 1991). 17 Tabelle 4: Langzeitergebnisse bei Mitralklappenersatz in Abhängigkeit vom verwendeten Prothesentyp. Endbericht des „Veterans Affairs Randomized Trial“ bei einem Beobachtungszeitraum von 15 Jahre nach Ersatz; Primärer Defekt= Nichtthrombotischer Klappenverschluss oder zentrale Regurgitation (Hammermeister et al., 2000) Mechanischer MVR Biologischer MVR Signifikanz (p) Gesamtmortalität n=88; 81±4% n=93; 79±4% 0,30 davon prothesenbedingt 44% 57% Valvuläre Komplikationen 73±6% 81±5% 0,56 Embolien 18±5% 22±5% 0,96 signifikante Blutungen 53±7% 31±6% 0,01 Perivalvuläre Regurgitation 17±5% 7±4% 0,05 Reoperation 25±6% 50±8% 0,15 Primärer Defekt 5±4% 44±8% <0,001 Anmerkungen zum zeitlichen Verlauf der oben genannten Parameter: I. Der biologische MVR ist bei den gesamten valvulären Komplikationen im Zeitraum der ersten 10 Jahre überlegen. II. Bei biologischem MVR treten erst ab dem 7. Jahr nach Operation primäre Defekte statistisch signifikant häufiger auf. III. Der biologische MVR ist bezüglich der Gesamtmortalität ausschließlich in den ersten 10 Jahren überlegen, in den folgenden 5 Jahren erfolgt eine Angleichung. IV. Die Rate der signifikanten Blutungen ist bei biologischem MVR nahezu durchgängig halb so groß wie bei mechanischem MVR. V. Die Anzahl der Reoperationen bei biologischem MVR liegt in den ersten 7 Jahre niedriger, steigt anschließend jedoch deutlich über die Rate bei mechanischem MVR. Auf Basis dieser Datenlage lässt sich schlussfolgern, dass ein biologischer MVR bei Patienten im hohen Alter mit einer prognostizierten Lebenserwartung von kleiner 10 Jahren gegenüber einem mechanischen MVR vorzuziehen ist. Nach 15 Jahren hingegen zeigt die mechanische Klappe eine deutlich bessere Zuverlässigkeit und Haltbarkeit. Aufgrund der höheren Reoperationsrate (Faktor 2 nach 15 Jahren) ist bei Patienten mit einer prognostizierten Lebenserwartung größer als 10 Jahre der 18 biologische MVR nur bedingt zu empfehlen. Allerdings darf keine Kontraindikation für eine dauerhafte therapeutische Antikoagulation vorliegen. Dazu muss auch eine generelle Sturzneigung gerechnet werden, welche mit einem hohen Risiko für eine schwere Blutung verbunden sein kann (Hammermeister et al., 2000). Tabelle 5: Indikationen für ein operatives Vorgehen nach den aktuellen Leitlinien. VHF entspricht Vorhofflimmern, TTE transthorakaler Echokardiografie, MR Mitralregurgitation, MVr Rekonstruktion der Mitralklappe, MVR Ersatz der Mitralklappe, EF Ejektionsfraktion und ESD endsystolischer Diameter (Bonow, Carabello et al., 2006). Chronische, schwere MR nach den Befunden der körperlichen Untersuchung sowie im TTE bei asymptomatischen Patienten Normale LV-Funktion (EF > 60% und/oder ESD < 40mm) Frage: Neu aufgetretenes VHF oder pulmonale Hypertension (> 50 mmHg in Ruhe und/oder 60mmHg bei Belastung) Ja: MVr (MVR falls keine Rekonstruktion möglich) [Klasse IIa] Nein: MVr nur bei vermuteter Erfolgswahrscheinlichkeit von größer 90% [Klasse IIa], sonst keine Operation sondern klinische Untersuchung und TTE-Kontrolle alle 6 Monate LV-Dysfunktion (EF ≤ 60% und/oder ESD ≥ 40mm) MVr (MVR falls keine Rekonstruktion möglich) [Klasse I] Chronische, schwere MR nach den Befunden der körperlichen Untersuchung sowie im TTE bei symptomatischen Patienten Bei einer EF > 30% und ESD ≤ 55mm soll eine MVr erfolgen (MVR falls keine Rekonstruktion möglich) [Klasse I] Bei EF ≤ 30% und/oder ESD > 55mm mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Bewahrung der Chordae tendineae soll eine MVr erfolgen (MVR falls keine Rekonstruktion möglich) [Klasse IIa], sonst lediglich eine medikamentöse Therapie Isolierte Chirurgie der Mitralklappe bei milder bis moderater MR ist nach Expertenmeinung nicht indiziert (Klasse III) 19 2. Zielsetzung der Arbeit Analysiert wird eine Kohorte von Patienten mit operationsbedürftiger Mitralklappeninsuffizienz, die sich entweder einem Klappenersatz oder einer Klappenrekonstruktion unterzog. Es erfolgt zunächst anthropometrischer, eine klinischer Beschreibung (inkl. dieser Patienten operationstechnischer) hinsichtlich und klassischer echokardiografischer Parameter. Dabei soll die Frage beantwortet werden, inwieweit die Reduktion der Mitralregurgitation durch den operativen Eingriff eine Veränderung der linksventrikulären systolischen Funktion bewirkt, und ob die Ergebnisse bei den beiden beschriebenen operativen Verfahren differieren. Der klinisch-experimentelle Teil der Studie beinhaltet die retrospektive Durchführung einer Speckle-Tracking Analyse der globalen und regionalen linksventrikulären Funktion sowohl präoperativ als auch im postoperativen Follow-Up. Dabei werden aus digital archivierten Echokardiografie-Datensätzen Parameter der lokalen sowie globalen Myokardverformung erhoben; außerdem werden Aussagen über die zeitlichen Abläufe dieser Verformung getroffen. Die so gewonnenen zusätzlichen Daten bezüglich der linksventrikulären Funktion werden mit den konventionellen Funktionsparametern beider Patientengruppen in Beziehung gesetzt. 20 3. Methoden 3.1 Historie der Echokardiografie Die Echokardiografie hat in der kardiologischen Diagnostik und in der therapeutischen Überwachung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eine große Bedeutung erlangt. Sie ist schnell und unkompliziert durchzuführen, ihr Indikationsbereich wird stetig erweitert und ihre Aussagekraft unterliegt einer kontinuierlichen Verbesserung (Marcucci et al., 2008). Die ersten flächendeckend in der Kardiologie eingesetzten echokardiografischen Apparate besaßen lediglich einen M-Mode. Die Schallwellen werden in direkter Ausrichtung des Schallkopfes in gebündelter Form ausgesendet. Es entsteht mittels unterschiedlicher Reflektion dieser Wellen an kardialen Strukturen ein eindimensionales Bild, welches gegenüber der Zeit grafisch dargestellt wird. Um auf Basis dieser Technik Rückschlüsse auf die linksventrikuläre Funktion ziehen zu können, wurden Indices erstellt wie der von Harvey Feigenbaum (1969) mit dem anterioren-posterioren Diameter des Herzens als mathematische Variable. Einfache dreidimensionale Modelle des Herzens ermöglichten auch eine Abschätzung der Ejektionsfraktion sowie des linksventrikulären Volumens, wobei man ein konstantes Verhältnis von der langen zur kurzen Achse des Herzens annahm. Allerdings konnten so lediglich bei symmetrischen, normal konfigurierten Ventrikeln sowie bei fehlenden Wandbewegungsstörungen suffiziente Ergebnisse ermittelt werden (Marcucci et al., 2008). Einen Fortschritt stellte die Entwicklung des B-Mode dar. Mittels zweidimensionaler Schnitte in der longitudinalen sowie in der transversalen Achse konnte eine umfassende Beurteilung sämtlicher linksventrikulärer Wandabschnitte erfolgen. Bei dieser Form der Darstellung konnten nun erstmals regionale, abnormale Wandbewegungen sicher detektiert werden. Mittels manuellem Umfahren des Endokards in verschiedenen Funktionszuständen des Herzens war es möglich eine der tatsächlichen linksventrikulären Konfiguration angepasste Ejektionsfraktion zu berechnen (Marcucci et al., 2008). 21 Parallel erfolgte die Entwicklung des spektralen Dopplers, welcher eine nichtinvasive Messung des intrakardialen Blutflusses sowie die Berechnung von hämodynamischen Variablen ermöglicht. Neuere Technologien wie das Speckle Tracking (ST), der Gewebedoppler (TDI) sowie Kontrastechokardiografie und 3D-Echokardiografie ermöglichen eine exakte quantitative Beurteilung der linksventrikulären Funktion (Marcucci et al., 2008). 3.2 Speckle Tracking (ST) In Abhängigkeit von ihrem Verlauf interagieren die Schallwellen des Ultraschalls in einem jeweils unterschiedlichen Winkel mit den Muskelfaserbündeln, je nachdem in welcher Tiefe sie innerhalb des zu untersuchenden Wandabschnittes lokalisiert sind. Die resultierenden Differenzen in der Intensität der Reflektion werden im B-Mode mittels verschiedener Grau- und Weißwerte dargestellt. Diese Erkenntnis beruht auf dem strukturellen Aufbau des Myokards. Subepikardiale Fasern des Myokards verlaufen entgegen dem Uhrzeigersinn in einer longitudinalen Helix in Richtung Apex. Die mittleren myokardialen Fasern ziehen eher zirkulär und die subendokardialen im Uhrzeigersinn in helikaler Konfiguration nach apikal (Marcucci et al., 2008). Daher stellen sich beim 4-Kammerblick die mittleren Myokardabschnitte weißer als die Subepikardialen und Subendokardialen dar. Sie sind aufgrund ihres eher zirkulären Verlaufs den Schallwellen beinahe im rechten Winkel ausgesetzt und daher erfolgt eine intensivere Reflektion als bei einem longitudinalen Verlauf. Im B-Mode entsteht so ein buntes Bild variabel konfigurierter Muskelfaserbündel, welche sich aufgrund ihrer verschiedenen Reflexionseigenschaften voneinander abgrenzen lassen (Marcucci et al., 2008). Diese physiologischen Reflektoren werfen den einstrahlenden Ultraschall in immer gleicher Weise zurück. Sie existieren als natürliche akustische Marker mit einer Größe von 20-40 Pixeln überall im Myokard, wobei jeder Punkt durch die verschiedenen Graustufen seiner Pixel sicher detektiert und verfolgt werden kann (Leitman et al., 2004). 22 Durch die Analyse von mehreren solcher Marker innerhalb eines Herzsegmentes lässt sich anhand der wiederholten Abstandsmessung zwischen zwei Punkten eine Längenänderung berechnen. Dies wird im Englischen als Strain bezeichnet. Für jedes einzelne Herzsegment erfolgt eine Software gestützte, automatisierte Mittelwertbildung dieser Messungen, welche Aufschluss über die mittlere, segmentale Kontraktilität der Muskelfaserbündel im Verlauf des Herzzyklus gibt. Verschiedene Hersteller haben unterschiedliche Methoden entwickelt diese Längenänderung Software-gestützt zu berechnen. Das Analyseprogramm von General Electric verwendet ein 18 Segmentmodell zur Beurteilung der regionalen Kontraktilität. Die drei longitudinalen B-Mode-Loops werden daher in jeweils 6 Segmente unterteilt. Innerhalb eines Loops besitzen die beiden Wände jeweils ein basales, ein mediales und ein apikales Segment. Nehmen wir zur Verdeutlichung einen 4-Kammerblick im B-Mode und fokussieren auf die longitudinale Längenänderung der Muskelfaserbündel, bei welcher die Basis an den Apex angenähert wird. Im Zuge dieser Kontraktion rücken die längs ausgerichteten Marker innerhalb eines Herzsegmentes näher zusammen. Ihr Abstand verkleinert sich also im Vergleich zum enddiastolischen Status. Dies wird per Definition als negativer Strain gegen die Zeit aufgetragen. Abbildung 1: Schematische Darstellung eines longitudinalen Strain auf Basis eines 4Kammerblicks. Die farbigen Kurven kodieren die jeweiligen Herzsegmente. 23 Als Maß der myokardialen Deformierung wird die dimensionslose Variable Strain eingeführt. Sie ist definiert als Änderung der Länge zur initialen Länge. Eine Verkürzung des Abstandes der akustischen Marker hat nun also einen negativen, eine Verlängerung einen positiven Strain zur Folge. Da das Myokard als praktisch nicht komprimierbar beschrieben werden muss, hat die systolische Abnahme des longitudinalen Durchmessers von der Basis bis zum Apex eine Zunahme des Transversalen zur Folge (Leitman et al., 2004). In der grafischen Auftragung gegenüber der Zeit manifestiert sich ein negativer Ausschlag bei den longitudinalen Blicken und ein positiver Ausschlag bei denen der parasternalen kurzen Achse. Folglich gilt es zwischen einem longitudinalen und einem radialen Strain zu unterscheiden. Abbildung 2: Schematische Darstellung eines radialen Strain auf Basis einer parasternalen kurzen Achse. Die farbigen Kurven kodieren die jeweiligen Herzsegmente. Prinzipiell kann man aus der Längenänderung (Strain) jeweils eine Strain-Rate berechnen, welche mathematisch als Längenänderung im Bezug zur vergangenen Zeit, (ΔƐ/Δt) definiert wird. Die longitudinalen Strains weisen einen typischen zeitlichen Verlauf auf. Im Moment des Mitralklappenschlusses besitzen die Marker die Länge Lº. Der Graph schneidet an 24 dieser Stelle folglich die x-Achse. Während der anschließenden isovolumetrischen Anspannungsphase bleibt der Wert nahezu konstant. Mit der Öffnung der Aortenklappe erfolgt eine zunehmende Verkürzung mit einem Maximum zeitgleich zum Schluss der Taschenklappe (endsystolisch). In der sich anschließenden isovolumetrischen Entspannungsphase kommt es bereits zu einer Dehnung der kontrahierten Muskelfasern, welche durch die nun folgende Öffnung der Mitralklappe mit dem passiven Einstrom in den linken Ventrikel zunimmt. Nach dessen Versiegen bleibt der ermittelte Wert knapp unterhalb der Nulllinie stabil. Enddiastolisch erfolgt die Kontraktion des linken Atriums, welche den Wert zurück zu Nulllinie führt, und ein neuer Herzzyklus beginnt. Mit dem Verfahren des Speckle Tracking lassen sich die systolisch auftretende longitudinale Verkürzung und die radiale Verdickung der myokardialen Faserbündel messen und grafisch darstellen. Diese Parameter ermöglichen eine sehr detaillierte Aussage über die Funktion des linken Ventrikels (Marcucci et al., 2008). 3.3 Der Gewebedoppler (TDI) Eine weitere Möglichkeit die segmentale Kontraktilität des Myokards zu analysieren stellt der Gewebedoppler (TDI) dar. Mit dem gepulsten Doppler kann die maximale Gewebegeschwindigkeit in einer „Region of Interest“ mit einer akzeptablen zeitlichen Auflösung bestimmt werden. Der farbkodierte Gewebedoppler ermöglicht einen Überblick über die mittleren Geschwindigkeiten des linken Ventrikels und die Parameter Strain und Strain-Rate (SR) können aus diesen berechnet werden. Als Einschränkung muss die Winkelabhängigkeit des Gewebedopplers beachtet werden, so dass immer nur ein Teilbereich des linken Ventrikels untersucht werden kann. Im klinischen Alltag wird er jedoch wegen seiner Belastung mit Artefakten und seiner komplexen Handhabung nur selten eingesetzt (Marcucci et al., 2008). 3.4 Vorteile und Limitationen des Speckle Tracking Die Kontraktion des Myokards erfolgt in drei Dimensionen. Eine Annäherung an diese 3-Dimensionalität erfolgt im B-Mode ebenso wie im anschließenden Speckle Tracking durch verschieden ausgerichtete Schnitte. Stets wandert ein Teil der verfolgten natürlichen akustischen Marker aus der Ebene aus. Kompensatorisch 25 werden sie vom Computer durch neu Eingewanderte ersetzt, welche in Bezug auf den zeitlichen Eintritt und die räumliche Lage innerhalb des Myokards vergleichbar sind. Eine aussagekräftige Analyse der linksventrikulären, segmentalen Kontraktilität mittels Speckle Tracking setzt eine ausreichende Bildqualität des B-Mode-Loops, eine vollständige, artefaktfreie Abbildung des Myokards im gesamten Herzzyklus, ein begleitend abgeleitetes EKG sowie eine Bildwiederholungsrate von mindestens 90/sec voraus. Das Speckle Tracking beruht nicht auf der Doppler-Technologie und kann daher winkelunabhängig interpretiert werden. Die separate retrospektive Ermittlung der zweidimensionalen Strains auf Grundlage des B-Mode-Loops kann im Gegensatz zum Gewebedoppler vorgenommen werden. Diese Tatsache stellt einen großen Vorteil dar (Marcucci et al., 2008). 26 3.5 Methodik des klinisch experimentellen Teils der Arbeit 3.5.1 Rekrutierung der Kohorte Die Rekrutierung eines geeigneten Patientenkollektivs erfolgte aus dem digitalen Massenspeicher des Echokardiografie-Labors der kardiologischen Klinik des Herzund Diabeteszentrums Bad Oeynhausen. Dazu wurden für den Zeitraum vom 01. 06. 2005 bis zum 30. 08. 2009 Datensätze ausgewählt, welche Suchbegriffen „Mitralklappenersatz“ und „Operation“ akquiriert worden waren. Ausgeschlossen wurden Fälle, die sich bei Durchsicht der Sequenzen als inkomplett erwiesen, deren Follow-Up-Dauer nur wenige Tage betrug, deren Bildqualität für das Speckle Tracking nicht ausreichend war, in denen eine Fehlcodierung vorlag oder deren Mitralinsuffizienz nur ein Teilaspekt eines komplexen angeborenen Herzfehlers war. Es ergab sich so ein Kollektiv von 74 Patienten, wobei bei 22 (30%) eine Mitralklappenrekonstruktion, bei 52 (70%) ein Mitralklappenersatz durchgeführt worden war. Anhand der echokardiografischen Befundbögen erfolgte die Ermittlung von grundlegenden patientenspezifischen Daten wie Geschlecht, Größe und Gewicht; ferner wurden die klassischen echokardiografischen Messgrößen erhoben wie Dimensionen der Herzhöhlen und –wände, Beurteilung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF), Graduierung der Mitralregurgitation sowie das Vorhandensein sonstiger Vitien. Aus den Krankenakten des HDZ Bad Oeynhausen konnten Informationen über das kardiovaskuläre Risikoprofil, das Vorliegen weiterer kardialer Vorerkrankungen sowie über Voroperationen am Herzen gewonnen werden. Aus den Operationsdokumenten wurden Informationen zu Art und Umfang des operativen Eingriffs (Klappenersatz oder –rekonstruktion, Bypass-Anlage oder weitere Prozeduren in gleicher Sitzung) sowie zur Dauer von Operation und kardiopulmonaler Bypasszeit extrahiert. Die Verwendung von Katecholaminen wurde als Marker einer eventuell vorliegenden Instabilität des Kreislaufs während der Operation festgehalten. Alle gesammelten Grunddaten wurden mittels einer ExcelTabelle der Auswertung zugänglich gemacht. 27 3.5.2 Ermittlung der Strains Die Strain-Messung bzw. -Berechnung erfolgte an einer Workstation mit einer speziellen, kommerziell erhältlichen Software (EchoPac, GE, Horten, Norwegen), indem die aufgezeichneten echokardiografischen endsystolisches Bild („Frame“) ausgewählt Zyklen wurde. geladen Durch und ein Markieren der Endokardgrenze wurde die innere Grenze der „Region of Interest“ (ROI, engl., zu untersuchende Region) festgelegt. Nach software-seitiger Abschätzung von Größe der ROI und Qualität der Analyse, sowie erforderlichenfalls manueller Korrektur durch den Auswerter, ermittelte die Software automatisch die Verformungswerte für jeweils 6 Segmente der jeweiligen Ultraschallansicht. Das Ergebnis (max. Strain in % der Ausgangslänge) wurde farbkodiert visualisiert sowie als Strain-Kurve gegen die Zeit in einem Koordinatensystem aufgetragen. Als nicht analysierbar deklarierte Segmente sind als fehlend in die Auswertung eingegangen. Auf diese Weise wurde der regionale longitudinale maximale Strain jeweils für das basale, mediale und apikale Segment im 2-, 3- und 4-Kammerblick aus apikaler Schallkopfposition ermittelt, insgesamt somit für 18 myokardiale Segmente (Abb. 3). Aus dem Mittelwert für alle analysierbaren Segmente ergab sich der Globale longitudinale Strain (GLS). Der radiale Strain wurde aus einem parasternalen Kurzachsenschnitt auf Höhe der Papillarmuskeln ermittelt. Hierbei kamen 6 Segmente (anteroseptal bis inferoseptal) zur Auswertung. Da jeder Patient sowohl präoperativ als auch im Follow-Up untersucht wurde, lagen pro Patient also maximal 48 segmentale Verformungswerte vor, sofern die B-ModeLoops vollständig waren und sämtliche Herzsegmente als auswertbar angesehen wurden. Neben dem Absolutbetrag der myokardialen Verformung in % der Ausgangslänge wurde für jedes einzelne Segment die Zeit bis zur maximalen Verformung ermittelt sowie visuell geprüft, ob der jeweiligen systolischen Hauptrichtung der Verformung eine kurze Deformation in der Gegenrichtung vorausging („Prestreching“). 28 Zur Aufdeckung eventuell systematisch auftretender Dyssynergien wurden pro echokardiografische Untersuchung weitere 15 Vergleichswerte (Abb. 3) gebildet, indem entweder die lokalen Strain-Werte einer Wandregion in longitudinaler Richtung (anterior bis inferior) oder gegenüberliegende Segmente der jeweiligen Ebene (basal bis apikal) gemittelt wurden. 29 Abbildung 3: Definition der einzelnen Parameter der Speckle Tracking Analyse. 30 4. Ergebnisse 4.1 Gruppenvergleich der Patienten mit Mitralklappenrekonstruktion (MVr) vs. Mitralklappen-Ersatz (MVR) 4.1.1 Klinische Daten Der Gruppenvergleich zwischen Mitralklappenrekonstruktion (MVr) und Mitralklappenersatz (MVR) erfolgte im ersten Schritt mithilfe von klassischen und echokardiografischen Grundparametern, welche folgend aufgelistet sind. Die Rekonstruktionskohorte wies als signifikante Unterschiede einen niedrigeren Altersdurchschnitt und eine höhere Körpergröße auf. Weitere Parameter (Ausmaß der Mitralregurgitation vor der chirurgischen Intervention, Häufigkeit der typischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie (aHT), Hyperlipidämie (HLP), Diabetes mellitus (DM), früherer oder aktueller Nikotinkonsum, Lipoprotein a-Erhöhung (LPa) sowie Vorliegen einer positiven Familienanamnese (FA+) für Erkrankungen des Herzens oder der Herzklappen) waren in beiden Gruppen gleich häufig. Tabelle 6: Klinische Daten der Patientenkohorte. Bei Anwendung eines Chi²-Tests sind lediglich die Häufigkeiten und die Signifikanzen angegeben. Parameter Rekonstruktion Ersatz p-Wert Alter (Jahre) 62,3 72,8 0,002 Körpergröße (cm) 176,2 170,7 0,034 Body Mass Index (kg/m²) 24,8 26,6 0,083 Übergewicht (0;1) 8/22 33/52 0,032 Arterielle Hypertonie (0;1) 9/14 38/45 0,102 Hyperlipidämie (0;1) 6/14 28/45 0,20 Diabetes mellitus (0;1) 2/14 10/45 0,519 Lipoprotein a erhöht (0;1) 0/14 3/45 0,321 Pos. Familienanamnese (0;1) 1/14 8/45 0,334 Nikotinabusus (0;1) 4/14 12/45 0,889 31 4.1.2 Standard-Echoparameter Auch die präoperativen echokardiografischen Ausgangsdaten lagen recht eng beieinander; es zeigte sich lediglich beim Vergleich des linksventrikulären Diameters (LVIDd) ein signifikant höherer Wert bei den Rekonstruktionspatienten. Im Verlauf ließ sich durchgehend eine Besserung des LA-Diameters und des LVIDd feststellen, wobei die MVr-Gruppe im Trend etwas besser abschnitt. Bezüglich der Ejektionsfraktion lagen die Werte sowohl präoperativ als auch postoperativ ebenfalls eng beieinander. Abbildung 4: B-Mode der parasternalen langen Achse in der Enddiastole. Definition der Standardparameter (Copyright by Dr. med. Derliz Mereles, modifiziert mit freundlicher Genehmigung). Weiterhin zeigte sich im Follow-Up eine deutliche Reduktion des E/A-Quotienten auf altersentsprechend normale oder niedrig-normale Werte. Bei der Analyse der Dezelerationszeit der E-Welle waren die Werte der MVR-Gruppe als Ausdruck der leichten Stenosewirkung der verwendeten Prothesen signifikant höher als die der 32 MVr-Kohorte. Demgegenüber fand sich im Hinblick auf die Dichtigkeit der Mitralklappe eine stärkere residuale Regurgitation in der MVr-Kohorte. Tabelle 7: Echokardiografische Standardparameter im präoperativen Staging sowie im Follow Up. Parameter Staging prä-OP Graduierung der Insuffizienz (I bis III) Linksatrialer Diameter (mm) Interventrikuläres Septum (mm) Diastolischer Innendurchmesser des linken Ventrikel (mm) Diameter der post. Wand (mm) Systolischer Innendurchmesser (mm) E-Welle der Mitralklappe (m/s) Dezelerationszeit (ms) A-Welle der Mitralklappe (m/s) E/A-Verhältnis Linksventrikuläre Funktion Follow-Up Graduierung der Insuffizienz (I bis III) Linksatrialer Diameter (mm) Interventrikuläres Septum (mm) Diastolischer Innendurchmesser des linken Ventrikel (mm) Diameter der post. Wand (mm) Systolischer Innendurchmesser (mm) E-Welle der Mitralklappe (m/s) Dezelerationszeit (ms) A-Welle der Mitralklappe (m/s) E/A-Verhältnis Linksventrikuläre Funktion Rekonstruktion Ersatz p-Wert 2,8 2,6 0,046 53,5 9,8 66,6 55,5 10,0 60,6 0,362 0,526 0,014 10,1 43,6 10,3 40,9 0,687 0,375 1,38 208,2 0,82 2,06 1,45 1,33 240,2 0,79 1,84 1,48 0,762 0,265 0,804 0,581 0,911 1,5 0,38 < 0,001 49,8 10,0 60,5 54,2 10,3 56,0 0,064 0,607 0,075 9,8 42,5 10,4 39,4 0,360 0,289 1,08 219,6 0,92 1,30 1,57 1,27 398,9 1,23 1,05 1,63 0,298 0,036 0,061 0,318 0,818 33 4.1.3 Perioperative Daten Die Daten aus dem anästhesiologischen Archiv des HDZ Bad Oeynhausen belegten beim Mitralklappenersatz eine signifikant längere Operationszeit. Resultierend lag ebenfalls eine im Mittel längere Narkosedauer, Bypasszeit und Aortenklemmzeit vor. Die MVR-Patienten wiesen signifikant mehr Aorto-coronar(-venöse) Bypässe [Ac(v)B] auf. Die Fragestellung nach Ac(v)Bs in gleicher Sitzung zeigte die gleiche Tendenz; das Ergebnis war jedoch knapp nicht signifikant. Bei den MVr war eine intraoperative Kreislaufstabilisierung mit Katecholaminen seltener von Nöten als beim Ersatz der Mitralklappe. Dies erwies sich jedoch in der anschließenden statistischen Auswertung als nicht signifikant. Ein permanentes Vorhofflimmern lag bei den Patienten, die sich einem Ersatz der Mitralklappe unterzogen, signifikant häufiger vor. Deutlich häufiger wies die Krankengeschichte eine Koronare Herzkrankheit (KHK) auf, auch wenn die statistische Auswertung knapp nicht signifikant ausfiel. Bei den Ersatz-Patienten waren zumeist mehrere Gefäßen ( 2 ) befallen, während bei den RekonstruktionsPatienten dies eher die Ausnahme darstellte. Prozentual mehr Patienten aus der MVRKohorte hatten einen Myokardinfarkt erlitten; dies fiel im Vergleich mittels Chi²-Test jedoch nicht signifikant aus. Bei den Variablen „Schrittmacherimplantation“ und „Implantierter Cardioverter Defibrillator (ICD)“ ließen sich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede nachweisen. Die Zeiträume zwischen Staging, der Operation und dem Follow-Up waren im Mittel bei beiden Operationsarten ähnlich. Jedoch ergab sich eine starke Streuung, da bei einzelnen Patienten postoperativ erst nach über 5 Jahre im HDZ Bad Oeynhausen eine erneute echokardiografische Untersuchung erfolgte (Staging bis Operation 105 Tage, p = 0,493; Operation bis Follow-Up 940 Tage, p = 0,718). 34 Tabelle 8: Operative Variablen. Bei nominal kodierten Variablen sind die Häufigkeiten angegeben. Parameter Rekonstruktion Ersatz p-Wert Narkosedauer (min) 194,43 245,77 < 0,001 Operationsdauer (min) 128,75 175,81 < 0,001 Bypasszeit (min) 64,95 100,06 < 0,001 Aortenklemmzeit (min) 38,57 60,92 < 0,001 Katecholamine 6/21 25/48 0,151 Bypässe 3 bei 2 Patienten 40 bei 18 Patienten 0,019 Bypässe in gl. Sitzung 3 bei 2 Patienten 29 bei 15 Patienten 0,06 Vorhofflimmern 6/22 31/52 0,011 Koronare Herzkrankheit 4/20 20/50 0,068 KHK ≥2 Gefäße 1/4 16/20 Z.n. Myokardinfarkt 1/22 10/52 0,105 Schrittmacher 3/22 8/52 0,847 Implantierter Defibrillator 3/22 6/52 0,801 4.2 Analyse des Speckle Tracking (ST) 4.2.1 Statistische Assoziation des Globalen longitudinalen Strain (GLS) mit der nominalen Ejektionsfraktion (EF) Bei dem Globalen longitudinalen Strain (GLS) handelt es sich wie beschrieben um die Mittelung aller verwertbaren longitudinalen Segmente im Rahmen des Speckle Tracking. Seine Bestimmung im Staging sowie im Follow-Up ermöglicht dem Untersucher einen grundlegenden Überblick über die linksventrikuläre Funktion des Patienten. Nach der vergleichenden Assoziation mit der nominalen Ejektionsfraktion (EF) zeigten sich bei wenigen Patienten deutliche Diskrepanzen, welche ich näher untersucht habe. Patienten, welche in den echokardiografischen Sequenzen eine Tachykardie bei absoluter Arrhythmie aufwiesen, zeigten deutlich zu geringe GLS Werte bei normaler LV-Funktion. Beim Staging und im Follow-Up mussten aufgrund dieser Einschränkungen jeweils 8 Messungen ausgeschlossen werden. Die Auswirkungen 35 eines normofrequenten Vorhofflimmerns auf die Aussagekraft des Speckle Tracking waren weniger drastisch. Die ermittelten Werte für den GLS konnten bei den betroffenen Patienten mit den linksventrikulären Funktionsdaten in Einklang gebracht werden. Tabelle 9: Mittelwerte des Globalen longitudinalen Strain (GLS) in Assoziation mit der visuellen Graduierung der Ejektionsfraktion (EF). Staging Nominale EF Anzahl der Patienten Mittelwert GLS [%] normal 48 -20,29 leichtgradig reduziert 9 -13,70 mittelgradig reduziert 3 -13,45 hochgradig reduziert 6 -9,22 Nominale EF Anzahl der Patienten Mittelwert GLS [%] normal 46 -18,75 leichtgradig reduziert 6 -15,60 mittelgradig reduziert 6 -10,49 hochgradig reduziert 8 -9,40 Follow-Up Tabelle 10: Beurteilung der linksventrikulären Funktion anhand des Globalen longitudinalen Strain (GLS). Linksventrikuläre Funktion │GLS│ [%] Sehr gut >20 Normal 15-20 Leicht- bis mittelgradig reduziert 10-15 Hochgradig reduziert <10 36 Auf Basis der Grenzwerte aus Tabelle 10 konnte ein Cut-Off von -15% definiert werden. Werten kleiner -15% für den GLS wurde eine 1 und Werten ≥ -15% eine 0 zugeordnet. So konnte bei jedem Patienten der Verlauf der linksventrikulären Funktion mit einem Parameter beurteilt werden. Tabelle 11: Verlaufsbeobachtung der linksventrikulären Funktion (Cut-Off des Globalen Longitudinalen Strain). Staging │GLS│>15% Follow-Up │GLS│>15% Anzahl der Patienten % Ja (1) Ja (1) 41 67,2 Ja (1) Nein (0) 7 11,48 Nein (0) Ja (1) 3 4,92 Nein (0) Nein (0) 10 16,4 Summe 61 100 Mittels durchgeführter Archivarbeit waren sechs der sieben Reduktionen mit Neuerwerb oder zunehmender Verschlimmerung einer Koronaren Herzkrankheit (KHK) mit resultierender ischämischer Herzinsuffizienz in Einklang zu bringen. Der Gruppenvergleich auf Basis des GLS belegte eine bessere mittlere linksventrikuläre Funktion in der MVr-Kohorte, welche jedoch sowohl im Staging als auch im Follow-Up nicht signifikant ausfiel (präoperativ -19,50% vs. -17,36%, p=0,095; postoperativ –17,56% vs. -15,90%, p=0,261). Dies wird wohl vor allem auf dem deutlich niedrigeren Durchschnittsalter beruhen. 37 4.2.2 Paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) Eine paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) ist durch eine septale Hypokinesie aufgrund einer zeitversetzten sowie fraktionierten Bewegungsamplitude charakterisiert. Die resultierenden negativen hämodynamischen Effekte werden mithilfe einer lateralen Hyperkinesie kompensiert. Eine Hypertrophie der Lateralwand kann durch die vergleichende Analyse der longitudinalen Strains der lateralen und der septalen Wand belegt werden. Die Rechenoperationen wurden im Staging und auch im Follow-Up vorgenommen: 1. Mittelwert 4-Kammer lateral - Mittelwert 4-Kammer septal 2. 4-Kammer lateral medial - 4-Kammer septal medial Ein Überwiegen der Lateralwand schlug sich als negatives Vorzeichen bei den aufgeführten Werten nieder. Neben den absoluten Werten verdient der Verlauf besondere Beachtung. Tabelle 12: Untersuchung auf Vorliegen einer paradoxen septalen Beweglichkeit (PSM) [D=Differenz, MVr= Rekonstruktion, MVR= Ersatz der Mitralklappe, I= Staging, II= Follow-Up]. D I, MVr [%] D I, MVR [%] D II, MVr [%] D II, MVR [%] Staging 0,96 -0,75 0,69 -0,94 Follow-Up 0,84 0,40 2,26 0,97 Änderung -0,12 1,15 1,60 1,91 Wie in Tabelle 12 ersichtlich überwog bei der MVr-Gruppe im Staging die Septalwand geringfügig und blieb im Verlauf nahezu konstant. Das MVR-Kollektiv offenbarte im Follow-Up eine stärkere Septalwand mit einer Änderung der Differenz um circa einen Prozentpunkt. Beide Gruppen wiesen in den spezifischeren Differenzen eine Zunahme um circa zwei Prozentpunkte zu Gunsten der Septalwand auf. Es finden sich folglich keine Belege für eine PSM. 38 4.2.3 Regionale Strains Der Gruppenvergleich zwischen Rekonstruktion und Ersatz der Mitralklappe unter Fokussierung auf die Mittelwerte der jeweiligen segmentalen Strains erbrachte bei beiden Gruppen einen nahezu synchronen Anstieg der Beträge von basal nach apikal. Dies belegen die Summen der Zunahmen in den drei longitudinalen Blicken. Die MVr-Kohorte wies neben einem in der Summe um etwa zwei Prozentpunkte größeren Anstieg von basal nach apikal (Staging 19,05 % vs. 17,09%; Follow-Up 16,00% vs. 13,88%) auch einen höheren globalen Mittelwert auf (siehe Tabelle 13). Tabelle 13: Mittelwerte der regionalen Strains über den Wänden in den apikalen Blicken [MW= Mittelwert, MVr= Rekonstruktion, MVR= Ersatz der Mitralklappe]. Staging 4-Kammer lateral 4-Kammer septal 3-Kammer septal 3-Kammer posterior 2-Kammer anterior 2-Kammer inferior MW MW MVR MVr [%] [%] -18,88 -19,84 -21,24 -18,58 -17,69 -18,11 -18,19 -17,44 -17,10 -15,82 -16,53 -16,35 Follow-Up MW MVr [%] 4-Kammer lateral 4-Kammer septal 3-Kammer septal 3-Kammer posterior 2-Kammer anterior 2-Kammer inferior -16,49 -17,33 -18,49 -17,85 -17,77 -16,97 MW MVR [%] -14,89 -15,29 -17,34 -15,23 -16,33 -15,38 4.2.4 Beurteilung der Kontraktionsstärke innerhalb der jeweiligen Wand Für jede echokardiografische Untersuchung wurde der mittlere longitudinale StrainAnstieg von basal nach apikal berechnet. Dazu erfolgte die Mittelung von 6 Wänden in den drei longitudinalen Blicken jeweils im Staging sowie im Follow-Up. Als Gruppenvariable wurde erneut ein Cut-Off des GLS von -15% verwendet. Einem zweimaligen GLS < -15% wurde eine eins, einem einmaligen GLS -15% mit postoperativer Verbesserung eine zwei, mit Verschlechterung eine drei und einem zweimaligem GLS -15% eine vier zuordnete. Im Staging ergab sich eine proportionale Assoziation von vermindertem Anstieg von basal nach apikal und reduzierter linksventrikulärer Funktion. Bei der Erstuntersuchung wiesen per definitionem die Werte eins und drei, beim Follow-Up die Werte eins und zwei einen GLS < -15% auf. Die Verbesserung der linksventrikulären Funktion der unter zwei gefassten Patienten ging im Mittel mit 39 einem Anstieg um drei Prozentpunkte einher. Die postoperativ unter drei subsummierten Patienten wiesen wie beschrieben eine schwere, hämodynamisch relevante Koronare Herzkrankheit auf. Bei ihnen ergab das Speckle Tracking eine synchrone, gleichmäßig verteilte Reduktion der longitudinalen Strains und daher keinen wesentlichen Unterschied beim Strain-Anstieg von basal nach apikal (siehe Tabelle 14). Tabelle 14: Mittelwerte des Strain-Anstieges von basal nach apikal als Marker der linksventrikulären Funktion [MW=Mittelwert]. Die Gruppierung beruht auf dem zuvor beschriebenen GLS Cut-Off von -15%. Gruppe Staging MW [%] Anzahl Follow-Up MW [%] Anzahl 1 7,23 41 7,11 41 2 2,48 3 5,28 3 3 6,00 7 6,97 7 4 0,82 10 0,26 10 Summe 61 61 Die assoziierten GLS Werte im Staging und Follow-Up belegen bei gleicher unabhängiger Variable die Wertigkeit des Strain-Anstieges von basal nach apikal. Tabelle 15: Mittelwerte der Globalen longitudinalen Strains (GLS) als Marker der linksventrikulären Funktion [MW=Mittelwert]. Die Gruppierung beruht auf dem GLS Cut-Off von -15%. Gruppe Staging MW [%] Anzahl Follow-Up MW [%] Anzahl 1 -20,74 41 -19,33 41 2 -11,88 3 -17,47 3 3 -16,90 7 -12,74 7 4 -10,27 10 -9,72 10 Summe 61 61 40 4.2.5 Prestreching Ein Prestreching bei den longitudinalen Blicken wurde als positiver Ausschlag der Kurve definiert bevor es nach Durchschneiden der x-Achse zu dem charakteristischen negativen maximalen Ausschlag kommt. Abbildung 5: Schematische Darstellung eines longitudinalen 2d-Strain auf Basis eines 4-Kammerblicks. Die rote Kurve weist ein Prestreching auf. Präoperativ lag die Quote der verwertbaren longitudinalen Segmente bei ungefähr 83% und postoperativ sogar bei ungefähr 90%. Beim Staging wiesen 289 von 1105 (227 fehlend) und beim Follow-Up 423 von 1202 (130 fehlend) ein solches Prestreching auf. Jedem longitudinalen Segment mit Prestreching wurde eine -1 zugeordnet, jedem ohne Prestreching eine 1. Anschließend erfolgte bei jedem Patienten separat für Staging und Follow-Up eine Summenbildung. Hohe positive Werte spiegeln folglich ein geringes Auftreten wider, kleine Positive und Negative entsprechen einer großen Anzahl an Prestrechings. 41 Tabelle 16: Häufigkeit des Prestreching bei den jeweiligen Segmenten der longitudinalen Schnitte (∑=Summe). Segmente Staging ∑ Differenzen Follow-Up ∑ Differenzen Basal 101 9 Medial 203 153 Apikal 223 193 Die Assoziation der Prestrechings zu den jeweiligen kardialen Segmenten erbrachte eine deutlich abfallende absolute Häufigkeit von basal nach apikal (siehe Tabelle 16). Beide Gruppen (MVr und MVR) wiesen im Staging in den longitudinalen Blicken einen mittleren Prestreching- Anteil von ca. 25 % auf. In der MVr-Kohorte zeigte sich postoperativ eine leichte Reduktion der Häufigkeit des Auftretens während bei den Patienten mit Mitralklappenersatz ein massiver Anstieg zu verzeichnen war (0,2071 vs. 0,4028; p<0,001). Tabelle 17: Gruppenvergleich der Häufigkeit des Prestrechings bei den longitudinalen Blicken. Prestreching Rekonstruktion Prestreching Ersatz Staging 25,54% aller Segmente 24,51% aller Segmente Follow-Up 20,71% aller Segmente 40,28% aller Segmente 42 4.2.6 Analyse der linksventrikulären Synchronie Die Analyse der linksventrikulären Synchronie erfolgte mittels segmentaler Time to Peak-Analyse. Für jedes longitudinale Herzsegment wurde dazu die Zeit bis zur maximalen Kontraktion notiert. Aufgrund der unterschiedlichen Herzfrequenzen ließen sich die absoluten Werte keinesfalls sinnvoll vergleichen, so dass die Auswertung der Streuung sequenzimmanent erfolgen musste. Bei jedem Patienten wurde jeweils die Standardabweichung für den 4-, den 3- sowie den 2-Kammerblick ermittelt. Geringe Werte belegen eine große Synchronie in der linksventrikulären Systole, während eine starke Streuung eher auf eine Asynchronie hindeutet. Der Gruppenvergleich zwischen MVr und MVR erbrachte sowohl im Staging als auch im Follow-Up eine höhere Synchronität bei den Rekonstruktionspatienten, welche allerdings nicht signifikant ausfiel. Tabelle 18: Linksventrikuläre Synchronie im Gruppenvergleich (Mittelwerte der Standardabweichung [ms] ). Staging Mittelwert Mittelwert Ersatz Signifikanz Rekonstruktion 4-Kammer 48,43 61,31 0,227 3-Kammer 50,43 58,14 0,445 2-Kammer 51,74 50,14 0,842 4-Kammer 60,84 63,90 0,674 3-Kammer 56,99 69,26 0,129 2-Kammer 57,05 68,55 0,074 Follow-Up Bei jeder echokardiografischen Untersuchung wurde eine Mittelwertbildung der drei longitudinalen Standardabweichungen durchgeführt. Als Gruppenvariable definierte ich die oben beschriebene vierstufige Einteilung (GLS Cut-Off -15%). 43 Tabelle 19: Linksventrikuläre Synchronie in Abhängigkeit von der linksventrikulären Funktion anhand des GLS Cut-Offs (Mediane der Standardabweichung [ms] ). Staging Median Rekonstruktion Median Ersatz Anzahl 1 40,46 42,00 41 2 37,33 34,09 3 3 67,95 41,78 7 4 68,89 66,81 10 1 53,70 51,23 41 2 57,89 52,33 3 3 75,02 81,34 7 4 82,51 75,54 10 Follow-Up Die präoperativen Mediane bescheinigen den ersten beiden Gruppen im Staging wie auch im Follow-Up eine gute Synchronie. Die Gruppe 4 umschließt Patienten, welche bei beiden echokardiografischen Untersuchungen den GLS Cut-Off nicht erreicht haben. Eine reduzierte linksventrikuläre Funktion geht hier mit einer zunehmenden Asynchronie einher. Die Formulierung von Grenzwerten wird jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen in den beiden mittleren Gruppen erschwert. 44 5. Zusammenfassung der Ergebnisse 5.1 Analyse der Grundparameter Tabelle 20: Gruppenvergleich MVr (Rekonstruktion) vs. MVR (Ersatz) in Bezug auf die Grundparameter. MVr-Patienten sind im Mittel 10 Jahre jünger. BMI der MVr-Kohorte 24,78 kg/m² (Normbereich), BMI der MVR-Patienten 26,59kg/m² (Übergewicht) Kardiovaskuläre Risikofaktoren sind vergleichbar; hoher Anteil an Hypertonikern Präoperativ: Mitralinsuffizienz 3. Grades Echokardiografische Grundparameter verbessern sich bei beiden Gruppen, MVr überwiegt leicht. Normalisierung der präoperativ hohen E/A-Werte (> 1,50) im Follow-Up sind bei beiden Operationsarten statistisch nachweisbar. Signifikant höherer Restinsuffizienzgrad bei der MVr Die mittlere Ejektionsfraktion (EF) lag bei beiden Gruppen im Staging und Follow-Up im normalen bis leichtgradig eingeschränkten Bereich. Operationszeit beim MVR war signifikant länger als bei der MVr aufgrund additiver Eingriffe in gleicher Sitzung. nicht signifikant höherer intraoperativer Katecholaminbedarf beim Ersatz der Mitralklappe. ähnliche zeitliche Abstände zwischen Staging, Operation und Follow-Up (105 Tage; 940 Tage). 45 5.2 Speckle Tracking Tabelle 21: Gruppenvergleich MVr (Rekonstruktion) vs. MVR (Ersatz) mittels Speckle Tracking. verwertbare longitudinale Segmente (Staging ca. 83%; Follow-Up ca. 90%). gute Assoziation des Globalen longitudinalen Strain (GLS) mit der nominalen Ejektionsfraktion (EF) (Tabelle 9). 41/61 Patienten (67,2%) wiesen zweimalig einen GLS < -15% auf, 10/61 (16,4%) nur einmalig und 10/61 (16,4%) lagen weder im Staging noch im Follow-Up im Normbereich. Beinahe jede Reduktion der LV-Funktion im Verlauf ließ sich auf Neuerwerb oder Verschlechterung einer KHK zurückführen. Ausschluss von Patienten mit Tachyarrythmia absoluta zum Untersuchungszeitpunkt aufgrund falsch niedriger GLS Werte. MVr bei GLS und regionalen Strains nicht signifikant besser als MVR. keine Tendenzen einer paradoxen septalen Beweglichkeit (PSM) nach chirurgischer Intervention in beiden Kohorten erkennbar (Tabelle 12). Baso-apikaler Gradient war bei MVr und MVR vergleichbar; Verwendung als Gütekriterium für eine normwertige linksventrikuläre Funktion möglich. präoperative Prestreching-Quote betrug bei MVr und MVR ca. 25%. Im Follow-Up trat ein Prestreching beim MVR doppelt so oft auf (21% vs. 40%; p<0,001). Prestreching basal >> apikal. Analyse der linksventrikulären Synchronie erfolgte in den longitudinalen Blicken mittels segmentaler Time to Peak-Analyse. Sowohl im Staging als auch im Follow-Up wiesen die MVr-Patienten eine bessere Synchronie auf. Diese erwies sich jedoch als nicht signifikant. Eine reduzierte linksventrikuläre Funktion war oft mit einer geringeren Synchronie assoziiert. 46 6. Diskussion 6.1 Klinische und klassische echokardiografische Parameter Die vergleichende Analyse der linksventrikulären Funktion im Langzeitverlauf bei Patienten mit Mitralklappenrekonstruktion (MVr) und Mitralklappen-Ersatz (MVR) erfolgte zunächst anhand von echokardiografischen Grundparametern, welche in der klinischen Routine mittels B- oder M-Mode bestimmt wurden (siehe Tabelle 7). In der statistischen Auswertung der echokardiografischen Surrogatmarker konnte belegt werden, dass beide Gruppen gemessen an diesen Werten signifikant von der Operation profitiert haben. Im Gruppenvergleich ließen sich allerdings kaum Unterschiede erkennen. Präoperativ lag in beiden Kohorten meist eine Mitralinsuffizienz dritten Grades vor. Beide operative Verfahren sind gut geeignet das Regurgitationsvolumen deutlich zu reduzieren, wobei der Mitralklappenersatz eine signifikant bessere Dichtigkeit aufwies. Dieser Befund kann einerseits auf der erschwerten, echokardiografischen Beurteilung einer leichtgradigen Insuffizienz nach MVR beruhen, und andererseits belegen, dass im Rahmen der MVr oft eine leichte Mitralinsuffizienz verbleibt, welche hämodynamisch nicht relevant ist. Eine vergleichende Analyse der Wertigkeit der beiden operativen Eingriffe gestaltete sich schwierig, da die Patientenkollektive sehr asymmetrisch waren. Die Patienten, welche einen MVR erhielten, waren im Mittel 10 Jahre älter, wiesen signifikant häufiger Vorhofflimmern auf und begleitend zum Ersatz wurde bei dieser Kohorte oft eine Bypass-Operation (29 Bypässe bei 15 Patienten vs. 3 bei 2 Patienten, p= 0,06) vorgenommen, bei wenigen Fällen sogar additiv ein Ersatz der Trikuspidal- oder Aortenklappe. So kommt es aufgrund ungleicher Verteilung der additiven Eingriffe zu einer Verfälschung der Parameter Narkose-, Operationsdauer, Bypass- und Aortenklemmzeit (Tabelle 8). Der singuläre MVR benötigt im Mittel weniger Zeit als eine komplexe Rekonstruktion der Mitralklappen bei hochgradiger Insuffizienz, jedoch wurde dieser Benefit durch die begleitenden operativen Handlungen verschleiert und konnte so nicht einer Auswertung zugeführt werden. Vielleicht sind die zeitlichen Abstände bis zur erneuten echokardiografischen Evaluierung nach dem operativen Eingriff mit einem Mittelwert von 940 Tage zu lang um eine vergleichende Analyse der beiden Operationsverfahren vorzunehmen. 47 Diese Langzeiteffekte nach Rekonstruktion oder Ersatz der Mitralklappe bieten keinerlei Hinweise auf temporäre Phänomene wie eine begrenzte Verschlechterung der linksventrikulären Funktion nach Wegnahme des Low-Impedance Leaks. Eine vergleichende Analyse der Wertigkeit einer Rekonstruktion versus eines Ersatzes der Mitralklappe bei ischämischer Regurgitation wurde in einer aktuellen Studie mittels Echokardiografie ebenfalls untersucht. Der Follow-Up Zeitraum betrug ein Jahr und man verwendete als klassischen, echokardiografischen Parameter lediglich den linksventrikulären, endsystolischen Index. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Kohorten sowohl echokardiografisch als auch in Bezug auf die Sterblichkeit der Patienten im Follow-Up Zeitraum ermittelt werden. Des Weiteren lagen keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf den funktionellen Status, die Lebensqualität, sowie in der Häufigkeit von Myokardinfarkten und cerebralen Insulten vor. Lediglich war bei den Rekonstruktionen im Schnitt nach 12 Monaten eine höhere Rate an Re-Insuffizienzen im Vergleich zum Ersatz zu bemerken (Acker, Parides et al., 2013). Diese Ergebnisse lassen sich mit den meinigen aus dem ersten Teil der vergleichenden Analyse sehr gut in Einklang bringen. 6.2 Speckle Tracking 6.2.1 Regionale Strains Das Speckle Tracking stellt ein modernes echokardiografisches Verfahren dar, dessen Aussagekraft gegenüber der standardmäßigen B- und M-Mode Echokardiografie, dem Gewebedoppler sowie weiteren bildgebenden Verfahren validiert werden sollte. Neben den zuvor beschriebenen klinischen und klassischen echokardiografischen Verfahren ermöglicht es eine detaillierte Analyse der regionalen Kontraktilität des linken Ventrikels. Die statistische Auswertung der regionalen Strains über den Wänden in den drei longitudinalen Blicken (Tabelle 13) ergab sowohl im Staging als auch im Follow-Up eine nicht signifikante Überlegenheit der MVr gegenüber dem Ersatz der Mitralklappe um jeweils ca. zwei Prozentpunkte pro longitudinalem Strain. Die leicht bessere linksventrikuläre Funktion der MVr-Patienten kann auf das geringere Lebensalter sowie auf weniger kardiale Begleiterkrankungen zurückgeführt 48 werden. Eine Koronare Herzkrankheit (KHK) lag bei 40 % der Ersatz- (meist 2- oder 3-Gefäßerkrankung) und nur bei 20 % der Rekonstruktions-Patienten (meist 1Gefäßerkrankung) vor. Paroxysmales oder permanentes Vorhofflimmern trat doppelt so häufig in der MVR-Kohorte auf. Betrachtet man jedoch den zeitlichen Verlauf der regionalen Strains ergeben sich keinerlei Unterschiede zwischen den beiden operativen Kohorten; jedoch belegen sie die sensitive Detektion der regionalen Wandbeweglichkeit mittels Speckle Tracking. 6.2.2 Globaler longitudinaler Strain (GLS) Einen wichtigen Parameter stellt der Globale longitudinale Strain (GLS) als Mittelung der regionalen maximalen Strains über 18 linksventrikuläre Segmente dar. Es zeigte sich im analysierten Datensatz ein proportionaler Zusammenhang des GLS mit dem klassischen LV Funktionsparameter der Ejektionsfraktion, indem eine Reduktion der globalen EF mit einer Abnahme des GLS vergesellschaftet war (siehe Tabelle 9). Bei einem GLS mit einem Betrag >20% kann von einer übernormalen, bei 20-15% von einer normalen, bei 15-10% von einer leicht- bis mittelgradig eingeschränkten und bei <10% von einer hochgradig eingeschränkten Funktion des linken Ventrikels ausgegangen werden. Weiterhin zeigte sich, dass jeder bei einem GLS >15% operierte Patient unabhängig von der Operationsart auch einen positiven Langzeitverlauf aufwies. Die hier erhobenen Daten lassen sich mit der bisherigen Literatur gut in Einklang bringen. Die Detektion hypo- und akinetische myokardiale Segmente mittels Speckle Tracking war mit guter Sensitivität und Spezifität ebenso möglich wie eine Übersicht über die globale linksventrikuläre Funktion (Leitman et al., 2004). Bei der Analyse der regionalen Kontraktilität war ein signifikanter Anstieg der longitudinalen Strains innerhalb der einzelnen Wände von basal nach apikal auffällig. Dieser physiologische basal-apikale Gradient ist vielfach vorbeschrieben (Reckefuss et al., 2008). Eine deutliche Verminderung oder das Fehlen dürfte bereits Ausdruck einer Abnahme der linksventrikulären Funktion sein. Allerdings wird die regionale Funktion bei koexistierender KHK von dieser ebenfalls beeinflusst. 49 Somit ermöglichen die Bestimmung des Globalen longitudinalen Strain (GLS) sowie die Aussage bezüglich Vorliegen und Ausmaß des baso-apikalen Gradienten eine über die Bestimmung der Ejektionsfraktion hinausgehende Beschreibung der linksventrikulären systolischen Funktion. Anhand der Bündelung von klassischen echokardiografischen Parametern, dem GLS, dem baso-apikalen Gradienten sowie der Analyse der linksventrikulären Synchronie kann auf Grundlage der linksventrikulären Funktion im Staging eine Prognose bezüglich des Verlaufes abgegeben werden. Ein Patient, welcher sich bei normwertigen linksventrikulären Parametern in der klassischen Echokardiografie sowie dem Speckle Tracking einer Operation an der Mitralklappe unterzieht, erleidet mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach 3 Jahren keine relevante Verschlechterung seiner Pumpfunktion. Dies gilt unabhängig von der angewendeten Operationsmethode (MVr vs. MVR), jedoch unter der Prämisse, dass im Untersuchungszeitraum keine weiteren kardialen Ereignisse wie Infarkte oder neu aufgetretene Rhythmusstörungen zu verzeichnen sind und ein weiterhin zufriedenstellendes Ergebnis beim verbleibenden mitralen Regurgitationsvolumen besteht. 6.2.3 Prestreching Ein weiterer Punkt der Analyse stellte die Detektion eines longitudinalen Prestrechings dar. Es handelt sich um eine myokardiale Vordehnung in Gegenrichtung der systolischen Kontraktion. Die Häufigkeit des Auftretens nahm von basal nach apikal ab (siehe Tabelle 16), im Staging wiesen 26% und im Follow-Up 35% der Strains ein Prestreching auf. In einem gesunden Patientenkollektiv lag der Anteil an Prestreching bei 35%, somit können die Werte als physiologisch betrachtet werden (Reckefuss et al., 2008). Die relative Häufigkeit nahm bei den MVr-Patienten leicht ab, während sie bei der MVR-Kohorte beinahe das Doppelte des Ausgangswertes erreichte (siehe Tabelle 17). Der Ersatz schien die linksventrikuläre Kontraktion der basalen Segmente mehr zu beeinflussen als die Rekonstruktion. Jedoch zeigte sich keinesfalls eine Assoziation mit einer verminderten linksventrikulären EF oder einem signifikanten Abfall des GLS. Zeitlich verspätet kontrahierende Segmente weisen nämlich aufgrund des Frank-Starling Mechanismus 50 eine sehr kraftvolle Kontraktion auf. Sie verfügen über eine vermehrte Vordehnung und tragen so zu einer mittleren systolischen Abstumpfung der Kontraktionsamplitude der kontralateralen Segmente bei (Prinzen et al., 1999). Auf diesen theoretischen Grundlagen basiert auch die Idee mittels Pre-Pasing von ischämischen Segmenten die nach einem Herzinfarkt auftretenden pathologischen Umbauprozesse zu verhindern (Wyman et al, 2002). Somit muss ein vorliegendes basales Prestreching nicht zwangsläufig als pathologisch interpretiert werden. 6.2.4 Paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) Im Anschluss an kardiochirurgische Eingriffe kann es zu einer spezifischen Änderung des linksventrikulären Bewegungsmusters kommen. Dieses beinhaltet eine paradoxe systolische Bewegung des Septums in Kombination mit kompensatorisch gesteigerter Kinetik der linksventrikulären Lateralwand. Bei der echokardiografischen Untersuchung lassen sich diese beiden Befunde am besten im 4-Kammerblick darstellen. Als Risikofaktoren für eine paradoxe septale Beweglichkeit (PSM) lassen sich mit ansteigender Wahrscheinlichkeit Bypässe ohne Herzlungenmaschine, Bypässe mit Herzlungenmaschine und valvuläre Herzoperationen nennen. Auch die Dauer der kardiopulmonalen Bypasszeit stellt einen Risikofaktor dar (Reynolds et al., 2007). Die beiden operativen Verfahren (Rekonstruktion; Ersatz der Mitralklappe) gehören folglich zur Hochrisikogruppe für eine PSM. Additive Eingriffe wie begleitende AcvBs verlängern zusätzlich die Bypasszeit. Morphologisch wurde die PSM mittels kardialer Magnetresonanztomografie (MRT) genauer beschrieben und auch quantifiziert (Joshi et al., 2009). Bei der MVr-Gruppe überwog im Speckle Tracking bereits im Staging die Septalwand geringfügig und blieb im Verlauf nahezu konstant. Das MVR-Kollektiv offenbarte nur im Follow-Up eine stärkere Septalwand. Die spezifischeren Differenzen wiesen in beiden Kohorten eine Zunahme zu Gunsten der Septalwand auf. Auf Basis dieser Daten kann das Vorliegen einer PSM nicht belegt werden. 51 6.2.5 Analyse der linksventrikulären Synchronie Neben der reinen Kontraktion des Myokards bildet das Speckle Tracking diese auch im zeitlichen Verlauf ab. Somit kann die Frage nach der linksventrikulären Synchronie, bzw. dem Vorliegen einer Dyssynchronie gestellt werden. Innerhalb eines dyssynchronen linken Ventrikel existieren neben postsystolischen Herzsegmenten, welche ihren maximalen longitudinalen Strain erst nach dem Schluss der Aortenklappe erreichen, auch präsystolische Segmente, deren maximale Kontraktilität sich bereits frühsystolisch komplett entfaltet und daher nicht bis zum Klappenschluss andauert. Bei beiden beschriebenen Formen kommt es zu einem Verlust an Kontraktionskraft gegenüber einem synchronen linken Ventrikel, bei welchem der maximale Strain der einzelnen Segmente sowie der Schluss der Herzklappen im engen zeitlichen Zusammenhang stehen (Lim et al., 2008). Abbildung 6: Schematische Darstellung eines longitudinalen präsystolischen (schwarz) und eines postsystolischen Strain (lila)im Rahmen einer linksventrikulären Dyssynchronie. Eine Analyse der linksventrikulären Synchronie mittels Speckle Tracking kann anhand der radialen Strains erfolgen, welche bei physiologischen Bedingungen die im 52 Einleitungsteil beschriebene positive, glockenkurvenartige Konfiguration aufweisen (Suffoletto et al., 2006). Diese Vorgehensweise war bei den beiden Kohorten (MVr und MVR) aufgrund von unterschiedlichen Schnitthöhen der B-Mode Sequenzen in der parasternalen kurzen Achse nicht möglich. Im Rahmen einer apikalen Verschiebung der Ebene ergab die Analyse mittels Speckle Tracking bei ähnlicher linksventrikulärer Funktion deutlich höhere absolute Strains für die jeweiligen Segmente. Die longitudinalen Strains ließen sich ohne ein vergleichbares Problem von mir ermitteln und nur wenige Segmente konnten aufgrund einer fehlenden Detektion durch das Analyseprogramm nicht der statistischen Auswertung zugeführt werden. Präoperativ lag die Quote der verwertbaren longitudinalen Segmente bei ungefähr 83% und im postoperativen Follow-Up sogar bei ungefähr 90%. Die Software für das Speckle Tracking liefert neben den absoluten Strains in Prozent auch den zeitlichen Verlauf der segmentalen Kontraktion, welcher in einem Diagramm veranschaulicht wird. Aus diesen grafischen Darstellungen kann der Zeitpunkt der maximalen Kontraktion für jedes Segment ermittelt werden und über die Time to Peak-Analyse der longitudinalen Strains ein grundlegender Überblick über die linksventrikuläre Synchronie erlangt werden. Dazu wurde für jeden der longitudinalen Schnitte der zeitliche Mittelwert der maximalen systolischen Kontraktion bestimmt und für den einzelnen Patienten eine Standardabweichung berechnet, welche eine Assoziation mit dem GLS erfuhr. Im Gruppenvergleich der beiden operativen Verfahren offenbarten sich keinerlei Unterschiede. Eine nachlassende linksventrikuläre Funktion war statistisch oft mit Dyssynchronie assoziiert (siehe Tabelle 19). Patienten, deren linksventrikuläre Funktion hingegen nur im Follow-Up im Normbereich lag, wiesen im Mittel eine herausragende Synchronie auf. Somit könnte man unter kritischer Berücksichtigung der äußerst geringen Fallzahl (n=3) die Prognose wagen, dass die Synchronie eine wichtige Rolle im Falle einer linksventrikulären Restitution spielt. Eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion muss nicht zwingend mit einer zunehmenden Asynchronie einhergehen. Auch der Umkehrschluss gilt per se nicht. 53 Allerdings scheint es einleuchtend, dass eine Dyssynchronie eine linksventrikuläre Pumpschwäche potenzieren kann. 6.2.6 Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) ermöglicht mittels biventrikulärer Schrittmacher die kardiale Leistungsfähigkeit und somit auch die Prognose der schwer herzkranken Patienten zu verbessern. In der Literatur finden sich Zahlen, dass bei 30 % der Patienten mit Herzinsuffizienz eine Verzögerung der elektrischen Leitung innerhalb des Ventrikels vorliegt. Diese bedingt eine ineffiziente linksventrikuläre Kontraktion. Im Zuge der CRT wird zumeist ein akuter Abfall einer vorhandenen Mitralregurgitation, eine Zunahme der ventrikulären Kontraktilität sowie eine Abnahme der linksventrikulären Füllungsdrücke erreicht (Auricchio et al., 1999). Die Erfolgswahrscheinlichkeit für das Ansprechen auf die CRT wurde bereits mittels Speckle Tracking untersucht (Suffoletto et al., 2006). Die Kohorte umfasste 64 Patienten mit Herzinsuffizienz (64±12 Jahre, Ejektionsfraktion 26±6%, Dauer des QRS-Komplexes 157±28ms, sprich im Durchschnitt deutlich über der Norm von <120ms) sowie 10 gesunde Kontrollprobanden. Für die echokardiografische Analyse fanden gespeicherte B-Mode-Loops der parasternalen, kurzen Achse auf Höhe der Mitralklappe Anwendung, so dass eine Bestimmung der radialen Strains durchgeführt werden konnte. Die ermittelte Dyssynchronie durch den zeitlichen Versatz der maximalen radialen Strains in den 6 parasternalen Segmenten offenbarte mit dem TDI als Referenzmethode eine gute Korrelation (r=0,94, p<0,001). Die zeitliche Differenz der maximalen septalen und der posterioren Strains wurde ermittelt, ein Cut-Off von ≥130ms als echokardiografisch relevante Dyssynchronie bestimmt und als Parameter für den Erfolg einer CRT analysiert. Nachdem alle 64 Patienten aus der Kohorte eine CRT erhalten hatten, konnte bei 48 von ihnen ein direkter Anstieg im Schlagvolumen gemessen werden. Die Erfolgsabschätzungen mittels Speckle Tracking besaßen eine Sensitivität von 91% und eine Spezifität von 75%. In den anschließenden Nachuntersuchungen, welche fünf bis acht Monate nach der Intervention bei noch 50 Patienten durchgeführt wurden, hatten die präoperativen Vorhersagen über einen signifikanten Anstieg der linksventrikulären EF eine 54 Sensitivität von 89% und eine Spezifität von 83%. Sowohl mittels Speckle Tracking als auch mithilfe des TDI konnte gezeigt werden, dass das jeweilige segmentale Muster der Dyssynchronie keineswegs als einheitlich beschrieben werden kann. So war die mechanische Verzögerung bei 31% der Patienten aus der beschriebenen Kohorte lateral, bei 31% posterior, bei 28% posterolateral sowie bei 10% anterolateral lokalisiert. Dies besitzt insoweit eine große klinische Relevanz, da bei einer konkordanten Lage der Stimulationskabel zum mechanisch verspätet kontrahierenden Segment ein signifikant größerer mittlerer Anstieg der Ejektionsfraktion im Gegensatz zu diskonkordanten Lage detektiert werden konnte (10±5% vs. 6±5%, p<0,05). Die Frage nach dem Erfolg einer CRT stand nicht im Raume, da die Mehrzahl der Kohorte eine normale EF besaß, nicht der Gruppe III der NYHA Klassifikation angehörte sowie keine verlängerten QRS Komplexe aufwies. Allerdings gilt es zu untersuchen, inwieweit eine operative Ausschaltung oder deutliche Verbesserung einer Mitralinsuffizienz zum einen die linksventrikuläre Funktion anhand der oben beschriebenen echokardiografischen Standardparameter beeinflusst, sowie zum anderen ob der ermittelte GLS mit der Analyse der linksventrikulären Synchronie in Einklang gebracht werden kann. 55 6.3 Einordnung der Ergebnisse/ Limitationen Nach aktueller Studienlage besteht eine klare Präferenz der Rekonstruktion der Mitralklappe gegenüber dem Ersatz, da die native MV ebenso wie der subvalvuläre Apparat in toto erhalten werden kann und sich so die Prognose des Patienten verbessert (Goldman, Mora et al., 1987). Eine ausführliche Auflistung der wichtigsten Vor- und Nachteile der beiden operativen Verfahren findet sich in Tabelle 3. Es gilt daher zu eruieren, ob die Mitralklappe des Patienten rekonstruiert werden kann oder welche Befunde dies erschweren, beziehungsweise unmöglich machen, so dass ein Klappenersatz notwendig wird (Livesay and Talledo, 1991). Entscheidend ist bei dieser Frage weniger die Ätiologie der Insuffizienz als vielmehr deren Ausdehnung. Gerade Hochrisiko-Patienten, die einerseits komplexe anatomische Defekte der Mitralklappe aufweisen und andererseits begleitend eine Verbesserung der koronaren Vaskularisierung mittels Aorto-coronar(-venösen) Bypässen benötigen, sind jedoch fast ausschließlich für einen Ersatz der Mitralklappe unter Erhalt des subvalvulären Apparates geeignet (Livesay and Talledo, 1991). Auf Grundlage dieser therapeutischen Algorithmen wird ersichtlich, dass die Patienten in den beiden Gruppen keineswegs ähnlich sind; dies belegen auch die statistischen Analysen zu den klinischen und klassischen, echokardiografischen Parametern. Auf Basis der linksventrikulären Funktionsdaten, welche mittels Speckle Tracking ermittelt wurden, kann im Rahmen dieser Studie die Überlegenheit der Rekonstruktion gegenüber dem Ersatz der Mitralklappe nicht belegt werden. Als mögliche Ursache kann unter anderem das uneinheitliche Patientenkollektiv angeführt werden. Bei 74 Patienten fanden sich 52 Prothesen in Mitralposition und lediglich 22 Rekonstruktionen der Mitralklappe. Dieses deutliche Übergewicht zu Gunsten des Mitralklappenersatzes beruhte auf den operativen Fallzahlen und schien der Multimorbidität vieler Patienten geschuldet. Die Güte des jeweiligen Operationsverfahrens wurde daran gemessen, inwieweit es eine Konservierung echokardiografischen oder eventuell Surrogatmarker eine oder der leichtgradige Speckle Besserung der Tracking-Parameter herbeiführt. Im Langzeitverlauf waren sowohl der Ersatz als auch die Rekonstruktion 56 gut geeignet und statistisch wurden keine signifikanten Unterschiede ermittelt. Vielleicht verschleiert auch der Abstand zwischen Staging und Follow-Up die positiven Effekte, welche direkt postoperativ aus dem nahezu vollständigen Erhalt der linksventrikulären Anatomie resultieren. Dieser Frage kann man allerdings nur mit einem anderen Setting nachgehen. An einigen Stellen erfolgte die Auswertung eines nominal skalierten Parameters mithilfe eines t-Tests, um eine gute Übersicht und Vergleichbarkeit zu erreichen. Die errechneten Signifikanzen gingen natürlich nicht in die statistische Analyse ein. Bei dem Nominalskalenniveau wird sonst ein Chi²-Test durchgeführt. Bei prädiktiven Wahrscheinlichkeiten von ≤ 5% ist seine Aussagkraft jedoch eingeschränkt, so dass die errechnete Signifikanz dann nur bedingt beachtet werden darf. Als Beispiel möchte ich die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) anführen, welche von den Untersuchern visuell abgeschätzt und nominal skaliert wurde (Tabelle 9). Die American Society of Echocardiography (ASE) hat 2006 einen Artikel zu den Anforderungen zur Quantifizierung der Herzhöhlen veröffentlicht. Der erste Ansatz Grenzwerte für die Ejektionsfraktion (EF) zu ermitteln beruhte auf der Standardabweichung von einer gesunden Referenzgruppe (Mittelwert 64 ± 6,5%). Die ermittelten Cut-Off Werte sind der Tabelle 22 zu entnehmen (Lang, Bierig et al., 2006). Tabelle 22: Ejektionsfraktion, Grenzwerte anhand der Standardabweichung (SD) von einer gesunden Referenzgrupp (Lang, Bierig et al., 2006). Nominalskala Intervallskala (SD) Intervallskala (Experten) Normal 57,5% (64 ± 6,5%) ≥ 50% Leichtgradig reduziert ≤ 51% (1SD) 40-50% Mittelgradig reduziert ≤ 44,5% (2SD) 30-40% Hochgradig reduziert ≤ 38% (3SD) 20-30% Die Aussagekraft für den klinischen Alltag ist jedoch sehr gering, da die Einteilung anhand der Standardabweichung die Schwere der Erkrankung überschätzt und die Spannbreite der Asymmetrie der ermittelten Werte inadäquat repräsentiert. 57 Als Alternative kann eine Abweichung basierend auf der 95. oder 99. Perzentile bei einer Kohorte, welche sowohl gesunde als auch kranke Individuen einschließt, definiert werden. Dafür sind jedoch große Datensätze notwendig, welche aktuell nicht für jede Variable existieren (Lang, Bierig et al., 2006). Ideal erscheint eine Einteilung, welche eine Aussage bezüglich Risiko und Prognose des Patienten treffen kann, so dass eine moderate Abweichung auch mit einem moderaten Risiko verbunden ist. Diese Daten existieren für einige linksventrikuläre Parameter inklusive der Ejektionsfraktion. Jedoch basieren diese Daten oft auf ganz bestimmten Kollektiven (ältere Patienten, post-Myokardinfarkt, etc.) und zeigen eine deutliche Varianz, wenn man einen einzelnen Parameter betrachtet. Andererseits können Grenzwerte auch anhand von Expertenmeinungen bestimmt werden. Diese Methode berücksichtigt die kollektive Erfahrung der Untersucher, welche in der Summe mehrere zehntausend Echokardiografien durchgeführt haben. Bezüglich der Ejektionsfraktion empfiehlt die ASE die Risikobeurteilung und die Expertenmeinung (Lang, Bierig et al., 2006). Eine intervallskalierte Bestimmung der Ejektionsfraktion mittels Planimetrie wäre aus den gespeicherten B-Mode Loops problemlos möglich gewesen, jedoch sind die absoluten Werte bei einer Standardabweichung von 6,5% und eng beieinander liegenden Wertebereichen nur bedingt aussagekräftig. Die EF beschreibt das prozentuale Schlagvolumen vom enddiastolischen Volumen und wird daher gerade bei dilatierten linken Ventrikeln stark von dieser Größe beeinflusst. Folglich erweist sich die Behauptung, dass eine EF von 70% immer doppelt so gut ist wie eine von 35%, als falsch. Dies würde eine Intervallskala jedoch implizieren. Die Durchführung des Speckle Tracking wird durch Tachyarrythmia absoluta zum Aufnahmezeitpunkt des B-Modes deutlich erschwert. 16 Messungen mussten aus der Wertung genommen werden, da sie falsch zu niedrige longitudinale Strains aufwiesen. Dies reduzierte leider die Größe der Kohorte auf 66 Patienten im Staging sowie im Follow-Up. Jedoch konnte dieser systematische Fehler so ausgeschaltet werden. Bezüglich der benötigten Qualität der gespeicherten echokardiografischen Aufnahmen für das Speckle Tracking gilt es zu beachten, dass vor allem im Staging einige B-Mode Loops die Kriterien bezüglich der Bildwiederholungsrate nicht ganz 58 erfüllen konnten. Bei sorgfältiger Bearbeitung wiesen diese jedoch ebenfalls suffiziente Ergebnisse auf und wurden daher in der Auswertung belassen. Diese Arbeit stellt eine erste Pilotstudie zur Beurteilung der linksventrikulären Funktion im Langzeitverlauf nach einem chirurgischen Eingriff an der Mitralklappe dar. Explizit möchte ich darauf hinweisen, dass der Fokus der vergleichenden Analyse zwischen Rekonstruktion und Ersatz der Mitralklappe einerseits auf die echokardiografischen Standardparameter und andererseits auf das Speckle Tracking gelegt wurde. Hier zeigten sich keine signifikanten Unterschiede unter Beachtung der oben genannten Einschränkungen (ungleiche Kollektive, Analyse eines Langzeitverlaufs). Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass die Empfehlung zur Rekonstruktion noch auf anderen Variablen beruht. Eine Notwendigkeit zur oralen Antikoagulation ist im Rahmen der Rekonstruktion nicht gegeben und die Anatomie der linken Kammer mit dem subvalvulären Apparat bleibt in ihrem physiologischen Zustand. Die beschriebenen Ergebnisse sollten im Anschluss an diese Pilotstudie an großen, homogenen Kollektiven weiter überprüft werden, damit eine statistisch valide Aussage getroffen werden kann, ob in Bezug auf die linksventrikuläre Funktion im Langzeitverlauf die Rekonstruktion dem Ersatz der Mitralklappe als überlegen beschrieben werden darf. 59 7. Literaturverzeichnis Acker MA, Parides MK, Perrault LP, Moskowitz AJ, Gelijns AC, Voisine P, Smith PK, Hung JW, Blackstone EH, Puskas JD, Argenziano M, Gammie JS, Mack M, Ascheim DD, Bagiella E, Moquete EG, Ferguson TB, Horvath KA, Geller NL, Miller MA, Woo YJ, D'Alessandro DA, Ailawadi G, Dagenais F, Gardner TJ, O'Gara PT, Michler RE, Kron IL; CTSN. Mitral-valve repair versus replacement for severe ischemic mitral regurgitation. 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J Am Coll Cardiol 1984;3:235– 42. 65 Danksagung Herrn Prof. Dr. Lothar Faber danke ich für die Überlassung des Themas dieser Arbeit, die gute Betreuung in der klinischen Phase und anschließend für die hilfreichen Korrekturvorschläge beim Verfassen der Dissertation. Dank schulde ich ebenfalls Herrrn Norbert Reckefuss, der mir zu Beginn eine erste Einführung in das echokardiografische Speckle Tracking gab und mir so hilfreich zur Seite stand. Besonderer Dank gilt meinem Vater, Herrn Heinz-Josef Müller, für die gemeinsame Durchsicht meiner Arbeit auf korrekte Rechtschreibung und Grammatik. Wissenschaftlicher Lebenslauf Fabian Müller Persönliche Daten geboren am 25.06.1986 in Menden (Sauerland) deutsche Staatsangehörigkeit Curriculum vitae seit Januar 2012 Assistenzarzt im Fachbereich Anästhesie im St. Franziskus-Hospital (Hohenzollernring 72, 48145 Münster) November 2013 einwöchiger Notarztkurs in Westerland auf Sylt 2005 bis 2011 Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum, Staatsexamen November 2011, Endnote 2,0 Praktisches Jahr: Chirurgisches Tertial im Spital Männedorf, Schweiz; Tertial Innere Medizin im Marienhospital Witten; Wahlfach Anästhesie im Marienhospital Witten Klinisches Wahlfach: Kardiologie und Kardiochirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen 1. Teil der ärztlichen Prüfung (Physikum) September 2007, Endnote 1,5 Vorklinische Wahlfächer: Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Grund- und Aufbaukurs Akupunktur September `08 Vorschlag für die Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgrund der Leistungen im 1. Teil der ärztlichen Prüfung August `08/ Februar `09 Grund- und Aufbaukurs der internistischen Sonografie im Allgemeinen Krankenhaus Celle bei Prof. Hollerbach. 1996 – 2005 Walburgisgymnasium Menden Schwitter Weg 22 58706 Menden Abitur am 10.06.05, Leistungskurse Mathematik und Physik, Endnote 1,6 (672 Punkte)