Janine Graf 13.12.2002 Einführung in die Pesönlichkeitspsychologie – Begleitseminar (J. Kuhl) Psychosoziale Theorien (Carver & Scheier, Chap 11) 1) Was ist die Grundannahme der Objektbeziehungstheorie? S. 279 Objekte sind hier nur Personen, es geht also um die Beziehungen zu anderen Menschen. Dabei wird von Freuds Konzept der Objektbesetzung Gebrauch gemacht, aber mit dem Unterschied, dass es sich hier nur um Menschen handelt und dass die Objektbesetzung eine Funktion des ICH ist. Grundannahmen: a) das Muster einer Person, wie sie mit anderen umgeht, wird in früher Kindheit entwickelt b) dieses Muster bleibt ein Leben lang mehr oder weniger erhalten 2) Erläutern Sie die Basiskonzepte von Mahlers Theorie S. 280 Symbiose: erste Zeit des Neugeborenen, in dem es mit seiner Mutter in einer Fusion grenzenlos verschmolzen ist Separations-Individuation: ab 6 Monate beginnt die Auflösung dieser Fusion, das Kind entwickelt ein Bewusstsein für seine von der Mutter verschiedene Existenz Explorationsverhalten mit einhergehender Trennungsangst (separation anxiety) 3) Erläutern Sie die Basiskonzepte in Kohuts Theorie S. 281 Kohut geht davon aus, dass Beziehungen die Struktur des Selbst formen. Selbstobjekt: die Person, die die selbstbezogenen (narzisstischen) Bedürfnisse eines Mensche befriedigt, jeder Mensch hat Bedürfnisse, die nur durch andere befriedigt werden können (Eltern) Spiegeln (mirroring): auf ein Kind positiv, bestärkend, zustimmend reagieren (meistens Eltern), es so zum Mittelpunkt der Welt machen und dadurch seine narzisstischen Bedürfnisse befriedigen – dies muss irgendwann abgebremst werden, damit das Kind auch lernt, mit Frustration und Misserfolg umzugehen Übertragung: nach der Kindheit übernehmen andere Selbstobjekte die Funktion des Spiegelns, andere Personen ersetzen die Eltern und wir erwarten von ihnen, dass sie uns so spiegeln, wie unsere Eltern das auch taten. 4) Wie erklärte Freud Horneys Standpunkt zum Penisneid? S. 282, BOX 11.1 Horney: vermutete, dass Männer ein tiefes Gefühl der Schwäche und außerdem Neid haben müssen, da sie selbst keine Kinder gebären können. Freud sah die Ursache für Horneys Standpunkt in ihrem eigenen Penisneid. Basic-anxiety: Angst von Kindheit an, verlassen zu werden von den Eltern und hilflos und allein in einer feindlichen Welt zu stehen. 5) Erläutern Sie die Bindungsfunktionen S. 283 Der biologische Zweck der Bindung besteht darin, das Kind nah an der Mutter zu halten um seine Überlebenschancen zu steigern. Durch die enge Bindung (meistens) zur Mutter wird dem Kind eine Sicherheitsbasis geschaffen, von der aus es die Welt entdecken kann, zu der es bei Gefahr aber immer wieder zurückkehren kann. Des Weiteren entsteht im Kind ein Arbeitsmodell über Beziehungen zwischen ihm und anderen und wie diese Beziehungen funktionieren. Dieses Arbeitsmodell wird (ähnlich den Vorstellungen Mahlers und Kohuts) später im leben auf Beziehungen angewandt. 6) Wie werden die Bindungstypen operationalisiert? S. 284 Fremde Situation: zwei mal wird das Kind mit einem Fremden (dem VL) von der Mutter allein gelassen. Beobachtet wird das Verhalten des Kindes während die Mutter weg ist und in dem Moment, da sie wieder kommt. 4 Bindungstypen werden unterschieden (der vierte wurde erst später differenziert): A unsicher-vermeidend: ruhig, wenn die Mutter weggeht, ignoriert Zurückkehren der Mutter (Rache) B sicher gebunden: normale Stressreaktion beim Weggehen, freudig enthusiastisches Verhalten bei Rückkehr C unsicher-ambivalent: extremes stressverhalten beim Gehen der Mutter, bei Rückkehr Kontaktsuche, aber dabei Zeichen Wut und Ablehnung D unsicher-desorganisiert/desorientiert: widersprüchliches Verhalten 7) Erläutern Sie Korrelate der drei fundamentalen Bindungstypen im Erwachsenenalter S. 286, Figure 11.2 Sicher-gebundene haben glücklichere, vertrauensvollere und längere Liebesbeziehung. Vermeidende akzeptieren Fehler des Partners am wenigsten. Ambivalente erleben Partnerschaft als zwanghafte Hauptbeschäftigung und Eins-seinwollen, mit vielen Hochs und Tiefs. 8) Erläutern Sie empirische Korrelate erwachsener Bindungstypen (Beruf, Partnerschaft, Stress) S. 287 Beruf: Hazan & Shaver, 1990: Unsicherheit bei Ambivalenten: Ambivalente berichten weniger Zufriedenheit mit ihrer beruflichen Anerkennung und mit dem Grad an Sicherheit ihrer Arbeitsstelle. Fehlende Nähe bei Vermeidern: Vermeider beschäftigen sich intensiver mit ihrer Arbeit und bauen auch in ihrer Freizeit wenige soziale Kontakte auf Partnerschaft: Collins&Read, 1990: Sicher-gebundene leben oft in glücklichen Partnerschaften mit sichergebundenen Kirkpatrick&Davis, 1994: vermeidende Männer leben oft in Partnerschaften mit ambivalenten Frauen, wobei beide Partner unzufrieden sind, der Mann aber außer enger Bindung auch Konflikte meidet und die Frau sehr am Bestehenbleiben der Beziehung arbeitet Stress: Simpson, Rholes, Nelligan, 1992: bei Angst suchten sicher-gebundene Frauen Unterstützung bei ihrem Partner, während unsicher-vermeidende Frauen mit wachsender Angst immer weniger Hilfe beim Partner suchten. Gleiches zeigte sich bei den Männern: sicher-gebundene beruhigten die Partnerin umso mehr, je mehr Angst diese hatte, unsichervermeidende hingegen beruhigten sie dann umso weniger. 9) Erläutern Sie die 8 Stufen der Persönlichkeitsentwicklung nach Erikson (Ursachen, Ich-Stärken, etc.) Life-span developement: nach Erikson vollzieht sich Entwicklung ein Leben lang, wobei keine Phase wichtiger ist als eine andere. ICH-Identität: bewusst wahrgenommener Sinn des Selbst durch Interaktion mit der sozialen Umwelt; verändert sich fortwährend in Reaktion auf Veränderungen in der sozialen Umwelt Psychosoziale Krise/Konflikt: Wendepunkt in jeder Phase, an dem eine Person wachsen kann, aber auch sehr anfällig ist: an dem eine psychologische Güte erreicht, aber eben auch verfehlt werden könnte. Ich-Stärke: erfolgreiches Überwinden einer Krise, indem positive und negative Qualität verinnerlicht wurden (eg Vertrauen und Misstrauen), besonders aber die positive. Die IchStärke wird dann zum Teil der Persönlichkeit. Infancy, 1. Jahr (Vertrauen vs Misstrauen): wichtigster Konflikt im Leben. Das hilflose, abhängige Kind ist für die Befriedigung seiner Bedürfnisse vollständig auf andere Menschen angewiesen. Werden die Bedürfnisse befriedigt, entwickelt das Kind Gefühle von Sicherheit und Vertrauen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass ein Mensch auch später an die Vorhersagbarkeit der Welt glaubt und die ICH-Stärke Hoffnung entwickelt. Frühe Kindheit, 2 – 3 Jahre (Autonomie vs Scham und Zweifel): Einsetzende Entwicklung einer Kontrolle über das eigene Handeln (zB Toilettentraining) und damit einhergehend zum einen der Wunsch nach Autonomie, andererseits Scham und Zweifel darüber, selbständig handeln zu können. Verbunden damit ist die ICH-Stärke Wille. Vorschulalter, 3 – 5 Jahre (Initiative vs Schuldgefühl): Mit zunehmender Fähigkeit, Objekte der Außenwelt zu manipulieren wächst der Wunsch nach Einfluss auf die Außenwelt, das Ausleben des Willens. Auf manche Weise die Initiative zu ergreifen kann aber auch Strafe und Missbilligung und somit Schuldgefühle hervorrufen. Diesen Konflikt zu überwinden bedeutet die ICH-Stärke Zielsetzung auszubilden. Schulalter, 6 – 11 (Werksinn vs Minderwertigkeitsgefühl): Das Kind wird nun konfrontiert mit Erwartungen darüber, was es tut und wie es es tut: seine Taten sollen einen Zweck haben und etwas nützen. Schon in der Grundschule wird das Kind gelehrt, produktiv und verantwortlich zu handeln. Des Weiteren kommt es in Kontakt mit sozialen Rollen. In dieser Phase kann das Kind die ICH-Stärke der Kompetenz entwickeln. Das bedeutet, es sieht sich selbst in der Lage dazu, Dinge zu tun, die andere für wertvoll halten. Passiert die aber nicht, so wird es Minderwertigkeitsgefühle haben. Jugend, 12 – 20 Jahre (Identität vs Identitätsdiffusion): Seine Identität zu erfahren und zu verstehen wer man ist, also ein integriertes Selbst zu etablieren steht im Konflikt mit der Konfusion, die entsteht, weil man nicht alle Fassetten der Persönlichkeit zu integrieren können scheint. Identität kann nur entwickelt werden, indem man erstens dei Selbstkonzepte, die in vergangenen Stadien entstanden sind, mit einbezieht und zudem dieses integrierte Selbstbild mit dem Bild, dass andere von einem haben in Einklang bringt. Nur so entsteht persönliche Kontinuität und innere Kongruenz. Erfolgreiche Identitätsfindung bringt die ICH-Stärke Aufrichtigkeit hervor. Das ist die Fähigkeit, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn mal Widersprüchlichkeiten in den eigenen Wertvorstellungen auftauchen. Junges Erwachsenenalter, 20er (Intimität vs Isolation): Intimität bedeutet den aufrichtigen Wunsch, einer warmen, engen Beziehung, die Offenheit erfordert, die Fähigkeit, sich auf jemanden einzulassen und Verantwortung zu übernehmen. Möglich ist dies nur, wenn die Person über einen Identität verfügt. Das Gegenteil ist die Isolation, bei der sich die Person als weit weg von allen anderen empfindet und unfähig ist, Bindungen einzugehen. Die sich entwickelnde ICH-Stärke dieser Phase ist die Liebe, bei der der Antagonismus zwischen separaten Identitäten gebändigt wird. Erwachsenenalter, bis 60 Jahre (Generativität vs Stagnation): Generativität bedeutet den Wunsch, etwas zu schaffen, das das eigene Leben überdauern wird (zB Kinder). Obwohl sich dies vorwiegend auf das Aufbauen der nächsten Generation bezieht, kann sich Generativität auch anders als durch Kinder bekommen zeigen: lehren, zukunftsorientiertes Arbeiten, Ideen entwickeln, die die Zukunft positiv beeinflussen. Wird dieser Sinn für Generativität nicht entwickelt, so stagniert die Person und ist nur noch mit sich selbst beschäftigt. Die ICH-Stärke, die sich in dieser Phase entwickeln kann, ist Fürsorge. Alter (Integrität vs Verzweiflung): Zeit des Bilanzziehens, die zur Zufriedenheit ausfallen kann, wenn man sein leben ale wertvoll und schön betrachtet oder zur Verzweiflung, wenn man sein Leben als verschwendet empfindet. Zu entwickelnde ICHStärke: Weisheit, das abgelöste aber dennoch aktive Bedenken des Lebens. 10) Welche Befunde belegen den Zusammenhang zwischen Eriksons ersten beiden Stufen? S. 292, Figure 11.4 Hazen&Durrett, 1982: Kinder die mit einem Jahr eine gutes Urvertrauen hatten, waren im Alter von 2 ½ Jahren mehr bereit, ein Spielzimmer selbständig zu erkunden oder ihrer Mutter zu zeigen, als einjährige Kinder, die weniger Urvertrauen zeigten. Dies beweist, dass die Bewältigung der ersten Krise (Vertrauen vs Misstrauen) ausschlaggebend ist für das Coping des zweiten Konfliktes (Autonomie vs Scham&Zweifel). 11) Welche Befunde belegen den Zusammenhang zwischen Eriksons Stufe 1 und 3? S. 293 Lütkenhaus, Grossmann&Grossmann, 1985: Kinder die mit einem Jahr mehr Urvertrauen entwickelt hatten, zeigten mit drei Jahren mehr Initiative gegenüber und Interaktion mit Fremden als diejenigen mit geringerem Urvertrauen. Außerdem zeigten letztere bei Misserfolg im Spiel weniger Anstrengung, während sicher-gebundene sich nach Misserfolg mehr anstrengten. 12) Erläutern Sie einige Korrelate des Konstruktes „Fleiß“ (industry) im Kindesalter S. 293 - Kinder mit größerem Sinn für Fleiß interessieren sich mehr für realitätsnahe Aktivitäten als für Ausflüchte in die Phantasie. Sie unterscheiden leichter zwischen der Anstrengung um etwas zu erreichen und einer Fähigkeit dazu. Sie haben bessere Noten Sie sind öfter mit Aussagen einverstanden, die sozial erwünscht sind 13) Welche Befunde belegen den Zusammenhang zwischen Eriksons 5. und 6. Stufe? S. 297, Figure 11.5 Kahn, Zimmermann, Csikszentmihalyi, Getzels, 1985: Männer, die als Studenten eine ausgebildete Identität aufwiesen waren 18 Jahre später eher verheiratet und unwahrscheinlicher geschieden als einstige Studenten mit weniger ausgeprägter Identität. Frauen mit besserer Identität hatten nicht unbedingt geheiratet, aber wenn, waren sie es noch immer. 14) Erläutern Sie einige empirische Korrelaten hoher „Generativität“, S. 289 - Männer mit Kindern wiesen mit Selbsteinschätzung höhere Generativität auf Personen mit hoher Generativität haben den starken Wunsch, der nächsten Generation behilflich zu sein 15) Erläutern Sie das Prinzip der Epigenese S. 299 Epigenese: Prozess, bei dem sich eine nicht getrennte physikalische Einheit (einzelne Zelle) zu einem komplexen Organismus entwickelt. Die Zelle enthält dafür einen Bauplan mit Instruktionen für alle Veränderungen und ihrer Reihenfolge. Für Erikson bedeutet Epigenese das Vorhandensein aller Konflikte von Geburt an in primitiver Form und jeder Konflikt ist einer Phase besonders ausgeprägt und ausschlaggebend. Dabei ist folgendes zu beachten: - Die erste Orientierung am Anfang einer Krise wird durch die Bewältigung aller früheren Krisen bestimmt. - Wenn man die erste Krise gut bewältigt hat, legt man Grundsteine für die Bewältigung der folgenden Krisen. - Krisen sind nie ganz bewältigt und vergessen.