Die Entwicklung der Kinderzeichnung 2003-01-30, von Stephanie Hauser Allgemeines über die frühkindliche Entwicklung Wie wir wissen, kann ein Kind von Geburt an sehen, es erkennt Formen, Farben etc. Noch ist allerdings der Sehsinn kombiniert mit anderen Sinnen und spezialisiert sich erst allmählich. In den ersten Wochen und Monaten kann das kleine Gehirn optische Reize noch nicht richtig verarbeiten. Die Blicke werden langsam gezielter, und selbst ein Erwachsener sieht nur jene Dinge scharf und deutlich, auf die er sich konzentriert. Besonders intensiv sind beim Baby Seh- und Tastsinn gekoppelt. Es sieht und erkennt nur das richtig, was es betastet, d.h. „ begriffen“ hat. Über die frühe Entwicklung der Kinderzeichnung erfährt man relativ wenig, weil sie sich quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Familienverband abspielt. Aber gerade diese Phase ist entscheidend für die weitere Entwicklung des Kindes. Die Kinderzeichnung Die Vorstufe der Kinderzeichnung beginnt, sobald das Kind zum erstenmal einen Stift in die Hand nimmt und ihn ansetzt. Diese Darstellungen sind nichts Gegenständliches, sondern Ausdruck der inneren Motorik. Das etwas einjährige Kind zeichnet vorsichtig Schlängellinien. Im Laufe des zweiten Jahres beginnt die Materialerfahrung. Jetzt kann man von Kritzeln sprechen. Es entsteht aus einem Spieltrieb heraus, aus einem Überschuß an motorischen Kräften. Die Dauer der Kritzelstufe hängt vom Einfluß der Umwelt und von den verschiedenen Materialien ab. Das Kritzeln ist für das Kind ein rhythmisches Erlebnis. Urphänomene des Kritzelns sind kreisende Bewegungen, Spiralen, Knäuel. Diese Bewegungen sind bedingt durch das rotierende Raumgefühl im Mutterleib. Durch das Kritzeln versucht es, aus dieser „ Kugel“ herauszukommen. Im Laufe der Zeit kristallisieren sich drei Figuren heraus, die verschiedene Aussagekraft haben: 1. Die Spirale In ihr sieht man das Schwebende, Rotierende 2. Das Urkreuz Es drückt das Stehvermögen des Kindes aus, ein Auskosten der Horizontalen und der Vertikalen. 3. Der Zickzack Das Kind „ geht“ sozusagen über das Papier und überwindet damit die Schwerkraft. Zu diesen Elementen kommt noch die Kastenform, die sich allmählich aus der Spirale entwickelt. Sie ist für das Kind eine Festigung des Raumgefühls im Kampf gegen die Schwerkraft. Die Zickzacklinie ist bereits ein Ornament, nämlich eine Reihung gleicher Elemente. Erste Störung der Zeichenwelt Die erste Störung der Zeichenwelt des Kindes ist die Frage des Erwachsenen: „Was ist das?“ Das Kind antwortet darauf mit dem, was ihm gerade einfällt. Dadurch wird eine Verbindung von der Zeichenwelt zur Sprachwelt hergestellt. Die Bildentwicklung wird beschleunigt und verkürzt, es kann zu keiner organischen Reifung kommen. Wie verhalten sich Erwachsene beim Anblick einer Kinderzeichnung? Man kann sie in vier Gruppen einteilen: 1. Diejenigen, die immer belehren wollen und im Kind einen kleinen Erwachsenen sehen. 2. Diejenigen, die im Kind ein kleines Genie sehen und beim Anblick jeder Zeichnung in Begeisterungsstürme ausbrechen. 3. Diejenigen, die Kinder sich selbst überlassen. 4. Diejenigen, die der Kinderzeichnung sachlich gegenüberstehen. Der richtige Weg des Erwachsenen zur Kinderzeichnung ist nicht: „ Was gefällt uns?“, sondern „ Welche Phänomene sind beim normalen Kind zu beobachten? Was nützt, was schadet seiner Entwicklung?“ Wolfgang Grözinger, ein Entwicklungspsychologe, schreibt dazu: „Das Ziel der scheinbar künstlerischen Entwicklung des Kindes ist nicht die Kunst, sondern die Wirklichkeit. Auf jeder Stufe seines Zeichnens und Malens, die Kritzelstufe ausgenommen, ist das Kind Realist und meint, die Welt zu treffen, eine Welt freilich, in der ihm zunächst auch die Gestalten seiner Phantasie Wirklichkeit bedeuten. Das Kind weiß nichts davon, dass es anfangs mehr von sich selbst aussagt als von den Dingen. Je mehr jedoch das Gefälle zwischen Innenbild und Aussenwelt, das für die frühen Entwicklungsstufen charakteristisch ist, abnimmt, ... desto mehr verlieren sich die typischen Merkmale der Kinderzeichnung, verliert sich aber auch meist die Lust am Malen und Zeichnen.“ Was interessant ist: Kind und Künstler haben dennoch etwas gemeinsam, obwohl sie unterschiedliche Wege gehen: „Das Kind strebt vom Wirren und Chaotischen seiner Anfänge zum Geordneten und von da zum Gegenstand - die moderne Kunst des Erwachsenen bewegte sich dagegen wider den Strom der persönlichen Entwicklung, um zum Ursprung selbst zurückzufinden.“ ( Grözinger ) siehe Cézanne, Braque, Picasso Wie kommt es zu einem Fehleffekt, wenn Erwachsene von den Kindern Aussagen zu ihren Zeichnungen verlangen? Auge und Tastsinn arbeiten zusammen, um in dieser Phase die Umwelt zu erkunden. Erst wenn die Hände etwas gefühlt haben, weiß das Auge Bescheid. Wenn das Kind reif genug ist, können die Hände ruhen, dann kommt als wichtigstes Sinnesorgan das Ohr hinzu. Das Kind lernt, Dinge zu benennen. Wenn diese sog. „haptische“ Phase übersprungen wird oder zu kurz kommt, kann sich die Kinderzeichnung nicht mehr normal weiterentwickeln. Kopffüßler Der sog. „ Kopffüßler“ leitet ein neues Kapitel in der Entwicklung der Kinderzeichnung ein. Kopffüßler entstehen, indem das Kind irgend etwas zeichnet und daraus plötzlich ein Kreis mit ein paar Strichen entsteht. Es spricht dann von Händen und Beinen, weil die nach seiner Ansicht am wichtigsten sind. Der Kreis ist eigentlich das ganze Kind. In diesem Stadium drückt das Kind zum erstenmal Beobachtetes aus. Zeichnet es gerade Linien, gibt es damit Bewegungsrichtungen an, zeichnet es dagegen Winkel, deutet es auf ein Hindernis, z.B. den Boden, hin. Sehr schnell entwickelt sich aus den Formen Kasten und Kreis die Darstellung Haus – Mensch. Diese beiden Begriffe sind für das Kind das Wichtigste, sie gehören zu seiner kleinen, bergenden Welt. Aus dem Kopffüßler wird nur langsam eine realistische Menschendarstellung. Gegen Ende des fünften Lebensjahres erhält er einen langen Hals und einen kugeligen Leib, riesige Augen und Zähne. Das Kind sieht aber den Kopf nicht als solchen, denn es zeichnet zwei kurze, harkenförmige Arme daran. Die Zähne sind häufig ebenfalls harkenförmig und vor allem übergroß dargestellt. Sie sind für das Kind wichtigste Tastorgane feinster Empfindungen. In diesem Alter werden auch schon Gruppen von Menschen, vor allem die Familie gezeichnet. Die Menschen stehen nun fest am Boden, sie schweben nicht, wie noch ein Jahr vorher, im Raum. Es kommt aber durchaus vor, dass ein Kind am Beginn des 5. Lj. in das rotierende Raumgefühl zurückfällt und in alle Himmelsrichtungen schwebende Gestalten zeichnet. Dieses Gefühl kann z.B. durch Musik hervorgerufen werden. © Stephanie Hauser Die Zeichnungen der 5 bis 10jährigen 2003-02-15, von Stephanie Hauser Die Zeichnungen der 5 - 8 Jährigen Zwischen fünf und acht Jahren ist die Zeichnung das wichtigste Ausdrucksmittel des Kindes. Sie ist ein Spiegel der Seele, Spiegel kognitiver Prozesse, der Wahrnehmung, des Denkens und der Intelligenzentwicklung. Sie drückt die emotionale Reife und das innere Gleichgewicht, geistige Aktivität, Beobachtungsvermögen und Erlebnisfähigkeit aus. In den ersten sechs Jahren kann man im Hinblick auf die Darstellung nicht oder nur selten von einer Sonderbegabung sprechen. Da die Zeichnung aus dem Inneren des Kindes kommt, zeigt sie nicht das, was es sieht, sondern das, was es fühlt. Daher läuft diese Phase in jedem Kulturraum gleich ab. Erst wenn sich das Kind vermehrt seiner Umwelt zuwendet und realistischer sieht, also etwa mit dem Eintritt in die Schule, entwickelt sich die Kinderzeichnung kulturspezifisch weiter. Die Zeit, in der die Zeichnung wichtigstes Ausdrucksmittel des Kindes ist, läuft nicht bei jedem gleich ab. Es hängt nicht von der organischen Reife ab, sondern es spielen verschiedene Faktoren mit. Nur selten laufen beim Kind zwei verschiedenartige Entwicklungsschritte zeitlich parallel ab. Vom 5. Lj an kann man vom Zeichnen im eigentlichen Sinn sprechen. Nun wird Gegenständliches geplant und im Nachhinein plötzlich erkannt, dass in dem Wirrwarr Formen entstanden sind, die durch Vervollkommnung gedeutet werden können. Nicht die Sehqualitäten beeinflussen die Darstellungen, sondern zunächst die Erlebnisse. Die Kinder erfassen das Wesentliche und stellen das für sie Wichtigste am größten dar. Im Kind sind sämtliche Formen, die es jemals in der Geschichte gab und die bei verschiedenen Völkern sogar besonders entwickelt und spezialisiert worden sind, bereits vorhanden. Jede Erziehung im Hinblick auf die Zeichnung bedeutet für das Kind, dass es mehr aus der Natur mit ihrer Vielfalt herausgenommen wird. Oft durchläuft das Kind in wenigen Minuten, wenn es einen ganzen Satz Bilder hintereinander zeichnet, Phasen, für die die Kunstgeschichte Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gebraucht hat! Bis zum sechsten Jahr zeichnen die Kinder oft lange Sätze von Bildern in erstaunlich kurzer Zeit. Diese Bilder werden beeinflußt vom Pulsschlag und von der Atmung. Das rotierende Raumgefühl der ersten zwei Jahre kommt immer wieder durch. Die Bilder sind mehr auf die Linie als auf die Fläche konzentriert. Im Laufe des 6. Lj verlangsamt sich die enorme Bewegung. Die Kinder gehen immer mehr zur Fläche über. Gebilde werden kompakter und greifbarer, ganze Flächen werden ausgemalt, jedoch oft nicht gedeutet. Das, was dargestellt werden soll, ist nun dem Kind untertan. Das birgt aber die Gefahr, dass die Zeichnung nur noch ein Schema wird, das mechanisch gemalt wird. Das Kind hat in dieser Phase das Bedürfnis, durch Übung Routine in der Darstellung zu bekommen. Das Kind darf diese Phase auf keinen Fall überspringen, soll aber auf einer farbarmen, graphischen Ausdrucksweise auch nicht stehenbleiben. Um das zu vermeiden, darf man von der Zeichnung nicht die gleiche Exaktheit verlangen wie vom Schreiben und Rechnen. Das Zeichnen ist für das Kind noch Spiel, und die Freude ist die treibende Kraft. Das Schreiben ( Kreuzung ) und das Rechnen ( Reihung ) hemmen die Motorik und verdrängen die Streuformen. Diese Übergangsphase nennt man „ Phasenverklemmung“. Um diese zu überbrücken, müssen Lehrer und Eltern sensorische und motorische Anregungen geben, ein gutes Klima schaffen und Materialien verschiedenster Art bereitstellen. Auch durch Literatur kann das Kind zum Zeichnen angeregt werden. Während die Zeichnungen zunächst Einzeldarstellungen von meist nebengeordneten, nicht zusammengehörenden Objekten enthalten, nimmt im 6. Und 7. Lj die Zentralisation zu. Zusammengehöriges, z.B. Haus, Wiese, Baum und Blumen wird in einem Bild vereinigt. Schließlich werden ganze Szenen dargestellt. Das Haus ist das Hauptmotiv aller 5-8 Jährigen. Um die Dreidimensionalität ( neben-, in- und übereinander ) zu bewältigen, benutzt das Kind nun eine Kombination aus Auf- und Umklappen, Hintereinanderliegendes wird in die Ebene umgeklappt oder übereinandergelagert. Im Aufriß werden meist die Dinge gezeichnet, mit deren vertikaler Fläche das Kind in Berührung kommt: Straßen, Stühle, ... Die Aufrißzeichnung ist die wahrheitsgetreue Darstellung in Augenhöhe. Die zweite Richtung ist die Weiterentwicklung zur Vogelperspektive, die Grundlage der technischen Zeichnung. Mit dieser Entwicklung ist ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Kinderzeichnung abgeschlossen. Entwicklung ab dem 10. Lebensjahr Etwa im 10. Lj beginnt die realistische Darstellung mit räumlichem Denken. Sind die Zeichnungen so weit, sind auch die Kinder in ihrem Denken und im Sozialverhalten weit fortgeschritten. Allerdings nimmt in diesem Alter die Malfreudigkeit und – bereitschaft abrupt ab. Christa Meves dazu: „ Spontan – schöpferische Ausdrucksweisen gehen durch die immer stärker werdende Dominanz eines kritschen Realismus stark zurück. Die Themen der freien Zeichnungen tragen häufig auch einen betont aggressiven Akzent und lassen die kommende Krisenzeit vorausahnen.“ Die Zeit der Vorpubertät und Pubertät ist nach dem ersten Eingriff durch die Erwachsenen in die Kritzelwelt die zweite große Krise in der Entwicklung der Kinderzeichnung. Sie ist die sog. „ metrische“ Phase. Das Schulkind ist von seiner Innenwelt immer mehr zur Aussenwelt gekommen. Es hat viel gesehen und erfahren. In der Pubertät kommt wieder die Zeit, dass ein In-sich-Kehren möglich und auch nötig wird. Die Jugendlichen sehen immer mehr die Realität und werden im Rahmen des Zeichenunterrichtes darauf hingewiesen. Sie versuchen das Gesehene darzustellen. Aber ihre technischen Möglichkeiten halten oft dem kritisch-realistischen Denken nicht stand. Nur ein echtes Zeichentalent übersteht diese Phase. Dazu gehört ein spontan-schöpferischer Gestaltungswille. Stephanie Hauser www.webfamilie.com/artikel219.html Entwicklung der Kinderzeichnung Die Veränderung des Kinderbildes bis zur späten Kindheit Du befindest Dich hier: Knetfeders Kleinkindpädagogik > Entwicklung > kindliche Entwicklung > Kinderzeichnung »Die Kraft, mit der ein Kind wird und wächst, ist es auch, die ihm die Hand führt bei seinem Kritzeln und Malen.« ( Lebéus: Kinderbilder und was sie uns sagen ) Dieses Zitat sagt uns, dass man keinem Kind das Malen und Zeichnen beibringen muss, weil die bildnerische Gestaltung ebenso einem Entwicklungsprozess unterliegt wie andere Entwicklugsbereiche des Kindes auch. So, wie das Kind brabbelt und lallt, bevor es die ersten Wörter sprechen kann, so, wie es krabbeln muss, bevor es sicher auf zwei Beinen läuft, so differenziert sich auch die Bildsprache des Kindes nach eigenen Gesetzmäßigkeiten. Jeder Entwicklungsabschnitt wird dabei von jedem Kind auf individuelle Weise durchlebt, wobei sowohl ein längeres Verweilen in einer Phase als auch das Überspringen von Phasen völlig normal sind. Zeit- und Leistungsdruck führen zu keinerlei Verbesserungen, sondern behindern im Gegenteil das Kind bei der Entfaltung seiner Fähigkeiten. Die folgende Zusammenfassung der verschiedenen Entwicklungsphasen, die in einer Kinderzeichnung sichtbar werden, enthalten zwar Altersangaben, diese sind aber als ermittelte Durchschnittswerte zu verstehen, an denen Kinder keinesfalls gemessen werden sollten. Wer Kindern Anweisungen oder Ratschläge gibt, was und wie sie zu malen haben, erfährt nichts über das Kind, denn die Bildersprache ist eine Ausdrucksweise wie die Verbalsprache. Wie man auch das Plappern und Brabbeln von Kleinkindern nicht einschränken darf, um ihre Sprachentwicklung nicht zu gefährden, sollte man auch das Kritzeln und Malen des Kindes nicht unnötig beeinflussen, wenn man nicht riskieren möchte, dass seine Phantasie und seine Freude am Malen womöglich für immer eingeschränkt werden. Das experimentierende Malen ist wichtig, damit das Kind seine ganz eigene Bildersprache entwickeln kann und damit eine ausdrucksstarke Kommunikationsform erwirbt. Das Kritisieren und Verbessern des zeichnerischen Ausdrucks von Kindern hingegen führt dazu, dass die Kinder eine negative Einstellung hinsichtlich ihrer Malfähigkeiten entwickeln und somit bald keinen Spaß mehr am Malen haben. Offenbar passiert das sowieso früh genug bei den meisten Menschen, sei es durch Einflüsse der sogenannten Kunsterziehung in der Schule oder durch die psychischen Veränderungen während der Pubertät. Vermutlich sind aus diesem Grund die Kinderzeichnungen für uns, die wir nicht mehr malen, derart interessant: „Wenn Kinderzeichnungen Gegenstand unserer Neugierde sind, dann deshalb, weil es keine Erwachsenenzeichnungen gibt. Der Erwachsene zeichnet nicht, wenn er kein Künstler ist.“ (Widlöcher: Was eine Kinderzeichnung verrät) Das einzig richtige Verhalten einem Kind in der Malentwicklung gegenüber ist also, ihm geeignete Malwerkzeuge zur Verfügung zu stellen, zu denen es immer freien Zugang hat. Kinder malen gerne in Gesellschaft, also kann man sich dazusetzen, auch etwas malen oder, wenn das Kind möchte, sich unterhalten. Nach Fertigstellung des Bildes ergibt sich ein interessanter Gesprächsanlass, denn die meisten Kinder sprechen gerne über ihre Werke. Es sollte selbstverständlich sein, dass jedes Bild ohne jegliche Kritik angenommen und bestaunt wird! Bei diesem Vorgehen ist sichergestellt, dass Kinder so lange wie möglich Freude am Gestalten haben und ihre Fähigkeiten sich voll entfalten können. Spurschmieren | ca. 0,7-1,6 Jahre Als früheste Art des bildnerischen Ausdrucks von Kindern lässt sich das sogenannte "Spurschmieren" bezeichnen: lange bevor das Kleinkind motorisch zum Halten eines Stiftes in der Lage ist, produziert es Spuren, die bereits die Freude an der Bewegung erahnen lassen, die einige Monate später auch Antrieb für die ersten Versuche mit Stiften und Papier sein wird. Kleinkinder hantieren in dieser Phase gerne mit allen flüssigen und teigigen Materialien (Wasser, Brei, Sand, Schnee, aber auch Kot), was aber von Seiten der Erwachsenen aufgrund des hohen Schmutz- und Fleckenfaktors meistens stark eingeschränkt wird und mit wenig positiven Reaktionen bedacht wird. Kritzeln | ca. 1,0-3,0 Jahre An das Schmieren schließt sich eine für Erwachsene tolerierbarere Form des Spurenhinterlassens an: sobald das Kleinkind fähig wird, einen Stift zu ergreifen, produziert es auf verschiedenen Flächen (wenn man viel Glück hat, auch mal tatsächlich auf einem dafür vorgesehenen Papier ;)) verschiedenartige Kritzel, die aus den rhythmischen und schwungvollen Arm- bzw. Handbewegungen des Kindes entstehen. Die Spur, die diese motorische Tätigkeit hinterlässt, ist dabei zunächst noch bedeutungslos für das Kind; sie wird nicht bemerkt und hat keinerlei regulierenden Einfluss auf die Tätigkeit des Kritzelns, das vom Kind noch völlig unkontrolliert ausgeführt wird. Daher sind Kritzelbilder noch Zeichnungen ohne Inhalte. Zunächst kann das Kind auch weder vor noch nach dem Kritzeln angeben, was sein Bild darstellen sol, denn es malt ja nur aus Freude an der rhythmischen Bewegung. Irgendwann jedoch entdeckt das Kind den Zusammenhang zwischen seiner Aktivität und der entstehenden Spur auf der Unterlage. Von jetzt an ist die Sichtbarkeit des Gekritzelten für das Kind wichtig. Es hat erkannt, dass es mit dem Stift etwas bewirken kann, der Umwelt etwas von sich "aufdrücken" und eine "IchSpur" hinterlassen kann. Da das Zeichnen eng an die motorische Entwicklung gebunden ist, drücken sich im Kritzeln die Rhythmen der motorischen Entwicklung aus und in der folgenden Zeit entstehen unterschiedliche Kritzelereignisse durch die Verlagerung der Zeichenbewegung vom Schulter- in die Fingergelenke. Die folgenden "Kritzelphasen" stellen Durchschnittsalter dar, in dem ein Kind sein Kritzelrepertoire um charakteristische Formen erweitert. Es kommen aber immer mehrere dieser Gebilde gleichzeitig vor und es existieren auch weitere zufällige Formen wie lange Linien oder Ecken: Hiebkritzeln, ab ca. 1,0-1,3 Jahre: Die Arme werden mit dem Stift in der Hand vom Schultergelenk aus bewegt. Das Kind erkennt den Zusammenhang zwischen seiner Bewegung und den geschaffenen Zeichen noch nicht. Schwingkritzeln, ab ca. 1,3-1,8 Jahre: Das Schwingkritzeln ist die am längsten vorherrschende Form des Kritzelns. Aus dem Ellbogengelenk heraus entstehen gleichgerichtete, dichte Strichlagen in der Mitte des Blattes. Kreiskritzeln, ab ca. 1,9-1,11 Jahre: Das Kritzeln erfolgt jetzt bereits aus dem Handgelenk heraus, so dass das Kind zu einer differenzierteren, gelenkteren Bewegung fähig ist. Es entstehen kreis- und spiralförmige Gebilde ("Urknäuel" genannt). Bezüglich der Farbgebung steht in der Kritzelphase eine wahllose Verwendung aller gegebenen Stifte und Farben im Vordergrund. Malt das Kind mit Wasserfarben, streicht es unbekümmert mehrere Farbschichten übereinander und stört sich nicht an dem entstehenden unansehnlichen Braunton. Die Verteilung der Elemente auf der Zeichenfläche verändert sich von einer massierten Häufung über eine verstreute Verteilung zu einer bewussten Isolierung in Einzelformen, sobald das Kind in der Lage ist, den Stift willentlich abzuheben und neu anzusetzen. Von diesem Zeitpunkt an kann das Kind auch wiederholbare Zeichen und Überschneidungen produzieren wie das "Urkreuz", welches in der folgenden Zeit auf vielen Bildern des Kindes einen Niederschlag findet und auch einen Übergang zu differenzierteren Darstellungen herstellt (siehe "Kopffüßler"). Auch die Fähigkeit, ein kreisartiges Gebilde zu einem geschlossenen Kreis zusammenzuführen, weist auf das Ende der Kritzelphase hin (um das dritte Lebensjahr herum). Die letzte Etappe der Kritzelphase wird eingeleitet, wenn das Kind mit frühestens 2,5 Jahren beginnt, seine Zeichnungen zu kommentieren. Der Zeitpunkt der Benennung des Gemalten verlagert sich dabei zunehmend nach vorne; zunächst gibt das Kind seinen Zeichnungen erst nachträglich eine Bedeutung (weil die Erwachsenen ja immer nachfragen ;)) und erzählt etwas über sein Bild, dann äußert es sich bereits während des Zeichenvorgangs und schließlich vor Beginn des Malens. Insgesamt ist diese Bedeutungsgebung aber noch ziemlich Kritzeln mit nachträglicher instabil - ein und dasselbe Bild kann innerhalb Bedeutungsgebung: "Krokodil mit Zunge, das einen Fisch frisst und von kurzer Zeit verschiedene Bezeichnungen und Beschreibungen erhalten. Es besteht auch meine Unterschrift". noch eine sehr große Diskrepanz zwischen der (Joyce, 3,7 Jahre) vom Kind verbal vermittelten Bedeutung und dem Liniengefüge auf dem Papier, das meistens alles mögliche darstellen könnte. Daran ist erkennbar, dass das Malen gegen Ende der Kritzelphase noch immer sehr stark bewegungsdeterminiert ist und weniger eine darstellerische Wiedergabe bezweckt. Sobald aber die motorische Lust als Motiv hinter die Darstellungsabsicht zurücktritt, tritt das Kind in die nächste Phase seiner Malentwicklung ein, die durch die sogenannten "Kopffüßler" charakterisiert ist. Kopffüßler | ca. 3/4-5 Jahre Der Kopffüßler gehört zu den ersten Mensch- oder Lebewesendarstellungen des kleinen Kindes. Er entsteht nach und nach aus den sogenannten Tastkörpern, bei denen viele Fühler und Taster von einem kreisartigen Gebilde in alle Richtungen ausgehen. Von den Erwachsenen werden diese Strahlengebilde oft Tastkörper als "Sonne" betitelt. In der Forschung zur Kinderzeichnung wird hingegen nicht davon ausgegangen, dass das Kind eine Sonne zeichnen will, sondern dass es unbewusst in der Gestalt seinen eigenen Entwicklungsstand ausdrückt, der in diesem Alter durch eine deutliche Hinwendung zur Außenwelt (weg vom egozentrischen Selbst) gekennzeichnet ist. Es meint also mit den Tastkörpern mehr ein Tasten, Strahlen, Fühlen und Aufnehmen als ein bestimmtes Objekt aus seiner Umgebung. In der Zeit zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr reduziert das Kind schließlich die Anzahl der Fühler des Tastkörpers, bis nur noch zwei bis vier übrig bleiben: die erste Menschdarstellung wird, häufig zusätzlich mit Teilen des Gesichts versehen, erschaffen. Diese Kopffüßler zeichnen sich - wie ihr Name schon sagt - also dadurch aus, dass sich die Beine des Lebewesens direkt an den Kopf anschließen, Kopffüßler mit während der Rumpf fehlt. Oft werden zusätzlich Gesichtsandeutung. Arme vom Kopf ab gezeichnet. (Melanie, 3,10 Jahre) Für diese interessante Abweichung von der Menschenform, die ja fast alle Kinder für gewisse Zeit produzieren, werden verschiedene mehr oder weniger plausible Erklärungsansätze diskutiert: Das Kind weiß nicht, dass es einen Bauch gibt und vergisst, ihn einzuzeichnen, weil er ihm nicht bedeutsam ist. Diese Möglichkeit halte ich für eher unwahrscheinlich, weil gerade der Bauch dem Kind von Geburt an unangenehme Signale vermittelt wie Hunger oder Bauchweh. Zudem wurde in Studien herausgefunden, dass bereits Kinder, die noch keine Kopffüßler zeichnen (also noch jünger sind), auf Nachfrage den Bauch als Bestandteil des menschlichen Körpers nennen können. Der Bauch der Figur liegt zwischen den Beinen, ohne dass seine untere Grenze markiert wird. Für diese Annahme spricht, dass die meisten Kinder, die in Studien aufgefordert wurden, einem Kopffüßler einen Nabel hinzuzufügen, diesen in den Leerraum zwischen den Beinen platzierten. Einige wenige Kinder setzten den Nabel auch in den Kopfkreis der Figur, was bedeuten würde, dass sie den gesamten Körper abgesehen von den Extremitäten einfach als ein "Ganzes" zeichnen. Am besten, man probiert selber mal, von einem Kopffüßler-zeichnenden Kind Hinweise über die Lage des Bauches zu bekommen, indem man es Bauchnabel oder Knöpfe einzeichnen lässt! Bitte lasst mich in diesem Fall an den Ergebnissen des kleinen Experiments teilhaben und schickt mir eine Mail mit dem Ergebnis! Danke an Susanne für den ersten Bauchnabeltest, durchgeführt mit Leonie, 2,1 Jahre. Der Bauchnabel wurde von ihr nach einigem Überlegen im "Gesicht" lokalisiert. Eine weitere Hypothese geht davon aus, dass sich der Kopffüßler deshalb solange in den Zeichnungen der Kinder halte, weil er wahrnehmungsmäßig plausibel erscheint: obwohl jeder Erwachsene weiß, dass der Mensch objektiv falsch gezeichnet wurde, kann er doch sofort erkennen, dass es sich überhaupt um einen Menschen handelt. Für das Kind selber mag die Plausibilität zusätzlich daher rühren, dass es Erwachsene, die sich zu ihm herunterbeugen, genau wie einen Kopffüßler wahrnimmt: ein großer Kopf mit an der Seite baumelnden Armen auf zwei Beinen. Da das Kind ja aber nicht nur Erwachsene um sich hat, finde ich diese Ansicht ebenfalls etwas fragwürdig. Es ist auch denkbar, dass der Rumpf einfach aus sozusagen ökonomischen Gründen fehlt: das ungeübte Kind fängt seine Zeichnung mit einem viel zu großen Kopfkreis an, was dazu führt, dass für den Rumpf, der ja proportional noch viel größer sein müsste, nicht mehr auf das Papier passt. Ungeklärt bliebe dabei allerdings, warum das Kind es nicht innerhalb der nächsten Versuche besser hinbekommt oder einfach sofort mit besserem Wissen ein neues Blatt anfängt?! Neben der Menschdarstellung werden die Elemente des Kopfkreises und der Taster oder Strahlen auch zur Darstellung von Tieren genutzt. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch von einem "ersten Lebewesenschema" gesprochen. Am Ende der Kopffüßler-Phase wird allerdings eine Umstrukturierung der Schemata notwendig, um die Mitteilungsinhalte der Zeichnungen - die ja für das Kind eine wachsende Rolle zu spielen beginnen varrieren zu können; das Kind fängt an, neben Exakt ein Jahr nach der obigen Kreisen und Strichen andere Formen wie etwa Kopffüßler-Menschdarstellung Quadrate zu produzieren und für seine malt dasselbe Kind einen Darstellungsabsicht zu nutzen. Es bilden sich aus Menschen mit Bauch. den beherrschten Grundformen neben Lebewesen auch Häuser mit Fenstern, Autos und Bäume. Das (Melanie, 4,10 Jahre) Kind tritt zeichnerisch in die Vorschemaphase ein. Der Kopffüßler verschwindet zugunsten einer realistischeren Menschdarstellung. Vorschemaphase und Werkreife | ca. ab 4 Jahre Gegen Ende des vierten Lebensjahres lernt das Kind, die Figuren auf seinem Bild zu organisieren. Man spricht in dieser Phase von der "Geburt des Bildes", weil die Kinderzeichnung nun zunehmend wie eine bestimmte Szene aufgebaut ist und etwas erzählen kann. Auf dem Weg zur Werkreife weist die Zeichnung eines Kindes besondere Merkmale auf: Die einzelnen Elemente werden an den Koordinaten oben und unten sowie rechts und links des Blattes ausgerichtet, es entsteht das sogenannte Streifen- oder Linienbild, indem das Kind, meistens zu Beginn seines Kunstwerks, die typischen Himmels- und Grundlinien einzeichnet. Manchmal werden auch mehrere Standlinien benutzt, um einen Sachverhalt darzustellen Deutliche Himmels- und (Mehrstreifenbild). Graslinien, sowie Eine Binnendifferenzierung der einzelnen Binnendifferenzierungen an Elemente findet statt, d.h. in den gezeichneten vielen Objekten. Objekten sind immer mehr Details enthalten, die ( Melanie, ca. 6 Jahre) eine wirkliche Ähnlichkeitsbeziehung zwischen realem und gezeichnetem Objekt sicherstellen. Hierzu gehören z.B. die Ausdifferenzierung des menschlichen Gesichts durch Wimpern, Augenbrauen und Haare, das Hinzufügen von Schornsteinen zu Häusern oder von Früchten und Ästen zu Bäumen. Das Kind weitet sein Repertoire an dargestellten Objekten aus. Am Ende dieser Phase kann es neben Menschen auch Kleider, Häuser, Bäume, Wege, Wolken, Autos, Fahrräder, Schiffe, Flugzeuge und viele Tiere (v.a. Vögel, Hunde, Katzen, Pferde, Fische) in seine Bilder einbauen. Die Bilder des Kindes erhalten eine nachweisbare Handlungs- und Erzählstruktur. Dies bedeutet, dass das Kind die dargestellten Objekte in Beziehung zueinander setzt - das Bild stellt eine ganze kleine Szene dar! Auch die Farbgebung erhält im Laufe des vierten Lebensjahres eine immer größere Bedeutung für die Inhalte Ein Bild, das zur Vorschema-Phase der Zeichnung, denn Farben werden emotional gerechnet werden wahrgenommen und vermitteln Stimmungen. Sobald das könnte. Kind diese Entdeckung gemacht hat, nutzt es Farbe gezielt (Lara, 4,10 Jahre) für Gefühlsdarstellungen oder Bewertungen. Nach dem 5. Lebensjahr spricht man von der "Werkreife" der Kinderzeichnung: die Entwicklung von Motiven und die Bildorganisation sind zu einem vorläufigen Abschluss gekommen, das Kind hat die grundlegenden graphischen Merkmale von Personen und Gegenständen erarbeitet. Danach wird das Bild zwar noch detailreicher und weist mehr Verknüpfungen auf, aber es treten keine prinzipiell neuen zeichnerischen Ereignisse mehr ein. Trotzdem macht die Kinderzeichnung auf dem Weg zur nächsten Entwicklungsphase noch einige Veränderungen durch: Um den Schuleintritt des Kindes herum gewinnt die Kinderzeichnung an Unverwechselbarkeit. Jedes Kind bildet jetzt seine ganz spezifischen, auf seinem individuellen Erfahrungsschatz beruhenden Formvarianten und Bildkonzepte. In den vorhergehenden Phasen fand noch keine dahingehende intellektuelle Überarbeitung von Erfahrungen statt, die nun beginnen, die Darstellungsweise des Kindes zu beeinflussen. Die Kinderzeichnung gewinnt jetzt auch an Ausdruck und Mitteilungsgehalten, weil das Kind die Motive und die Organisationsstruktur seines Bildes je nach emotionaler oder motivationaler Aussage anpasst. Auch das Kind selber wird sich der Kommunikationskraft einer Zeichnungen stärker bewusst und registriert die Verstehensabsicht und -Bereitschaft des Betrachters. Es versucht daher, die Inhalte seiner Zeichnung so zu verändern, dass (oder bis) sie von seinem Gegenüber verstanden werden. Schemaphase I | ca. 5 bis 8 Jahre Merkmale dieser Phase der Kinderzeichnung in der mittleren Kindheit sind unter anderem: Als besonderes Stilmerkmal der Kinderzeichnung tritt jetzt das "Röntgenbild" auf: das Kind stellt optisch erkennbare und aktuell nicht sichtbare Bildebenen gleichzeitig dar, indem es Objekte transparent erscheinen lässt. Z.B. werden die Umrisse eines Hauses gezeichnet, während gleichzeitig Vorgänge im Haus eingezeichnet werden. Die Wand des Hauses ist also transparent. So gewährt das Kind Einblick in das Innenleben von Röcke als Röntgendarstellung; dennoch vermutlich kein Koffern, Häusern, Körpern usw.. Die Größe und Anordnung von Motiven im Bild "echtes" Röntgenbild (Klick auf Bild für weitere folgt oft nicht der äußeren, sondern der inneren Erklärung). Realität des Kindes: so werden jene Anteile der (Melanie, 5,6 Jahre) Zeichnung, die dem Kind besonders bedeutsam erscheinen (bewusst oder unbewusst) auffallend groß, detailreich oder mittig angeordnet gezeichnet. Schemaphase II | ca. 8 bis 12 Jahre In der späten Kindheit verändert sich das zeichnerische Verhalten des Kindes nocheinmal. Nach dieser Phase hören leider viele Kinder für immer auf, freiwillig zu malen, so dass die allgemeine Entwicklung der Kinderzeichnung hier als abgeschlossen betrachtet werden muss. Tendenzen und Merkmale dieser letzten Phase sind: Verschiedene Die Bilder der Kinder werden detailreicher, so Häuserdarstellungen. dass die Ähnlichkeit zwischen dem gezeichneten (Melanie, 4,3 - 7 Jahre) und dem realen Objekt noch einmal beträchtlich zunimmt. So werden z.B. Menschen, Tiere und Häuser um viele individuelle Einzelheiten ergänzt, so dass nicht mehr jedes Haus, das das Kind malt, gleich aussieht, sondern vielmehr die reale Unterschiedlichkeit von Häusern (Menschen, Tieren...) zu berücksichtigen vermag. Zunehmend beachtet das Kind die Größenrelationen in seinem Bild. Weiter vom Betrachter entfernt liegende Objekte werden entsprechend kleiner im oberen Berich des Bildes dargestellt. Das sogenannte "Steilbild" oder "Horizontbild" entsteht. Außerdem versucht das Kind ab etwa 10 Jahren, die dritte Dimension in seine Darstellungen einzubeziehen. Tische z.B. erhalten eine von der Seite sichtbare Tiefendimension, indem die Tischoberfläche perspektivisch eingezeichnet wird. Ein recht typisches Steil- oder Objekte mit dritter Dimension Horizontbild. (Tische, Schrankfächer) (Melanie, ca. 9 Jahre) (Melanie, 11 Jahre) Gegen Ende der zweiten Schemaphase treten hochformale Zeichnungen auf, z.B. Grundrisse von Gebäuden oder Querschnitte von Schiffen. Des weiteren neigen manche Kinder in ihren Zeichnungen nun zu Karikierungen, Übertreibungen und Ironisierungen, die mit einer Vergröberung des Einzelobjekts einher gehen. Möglicherweise steht hinter dieser Darstellungsform die Angst vor unzulänglicher realistischer Wiedergabe, letztlich also eine Unsicherheit bezüglich der eigenen künstlerischen Fähigkeiten. Dies kann sogar so weit gehen, dass Kinder in ihre Bilder lieber Sprachelemente einfügen, anstatt das gemeinte Objekt zu zeichnen. Hiermit deutet sich bereits das Ende des "Malalters" an. Ausschnitt einer sogenannten "hochformalen" Zeichnung (Grundriss), die allerdings nach der Schemaphase II, im Jugendalter, entstanden ist. (Melanie, ca.14 Jahre) Bildergalerie | Literatur: Lebéus, A.: Kinderbilder und was sie uns sagen. Weinheim 2001. Richter, H.-G.: Die Kinderzeichnung. Berlin 1995. www.knetfeder.de/kkp/malen.html Zusätzlich Informationen für Interessierte: Kindergartenpädagogik - Online-Handbuch Herausgeber: Martin R. Textor Startseite Aus: Handbuch für ErzieherInnen. Mit freundlicher Genehmigung des mvg-verlages, Landsberg am Lech Was eine Kinderzeichnung verrät Margarete Blank-Mathieu 1. Kinderzeichnungen unter entwicklungspsychologischen und persönlichen Aspekten Wer Kinderzeichnungen beurteilen will, muß sich zunächst mit den entwicklungsbedingten Möglichkeiten auseinandersetzen, die Kinder in die Lage versetzen, sich durch Bilder ausdrücken zu können. Die Darstellung von Menschen, Tieren und Gegenständen unterscheidet sich so zum einen durch entwicklungsbedingte Reifungsprozesse, und zum anderen durch die zur Verfügung stehenden Strukturen, z.B., ab wann Kinder die Möglichkeit bekommen, sich durch Stifte und Papier zeichnerisch auszudrücken, wie die Entwicklung von grob- und feinmotorischen Bewegungsabläufen dazu in Zusammenhang steht und welche Rahmenbedingungen wir Kindern zum freien Malen zur Verfügung stellen. Kinder, die sehr früh Stifte und Papiere unterschiedlichster Größe und Farbe zur Verfügung haben, werden bald zu malen beginnen, ihre Handgeschicklichkeit wird deshalb früher trainiert, ihre Bewegungen werden sicherer und großzügiger, sie experimentieren mit Farben und Formen und bilden bald einen eigenen Malstil aus. Dagegen haben Kinder, denen nur einzelne Farben und kleine Blätter zur Verfügung stehen es schwerer, großflächig zu malen, grob- und feinmotorische Fähigkeiten gleichermaßen auszubilden. So sind schon die strukturellen Voraussetzungen zum Malen kritisch zu beurteilen, wenn Kinder keine altersgemäßen Malstil haben. Es darf also nicht nur nach entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten vorgegangen werden, wenn wir Kinderzeichnungen vor uns haben, sondern es muß auch das persönliche Umfeld des Kindes in die Beurteilung einbezogen werden. In unseren Tageseinrichtungen stehen den Kindern in der Regel vielerlei zeichnerische Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung. Sie können sowohl mit Pinsel und Farbe, als auch mit unterschiedlichen Stiften malen. Es gibt in den Einrichtungen Wachsmalkreiden, Buntstifte, Filzstifte und Fingermalfarben. Wir stellen verschieden große und von der Form und Farbe unterschiedlich strukturierte Papiere zur Verfügung. Sie können damit selbständig umgehen und entwickeln dann im Lauf der Zeit eine altersgemäße und persönlich geprägte "Zeichensprache". 2. Entwicklung der Kinderzeichnung nach Piaget In der 18. Lieferung des Handbuches befindet sich eine ausführlichere Darstellung der Malentwicklung. Ich will deshalb hier nur noch einen kurzen Überblick anfügen. Es gibt eine Reihe von Testverfahren, nach denen die Zeichenentwicklung Auskunft über die intellektuelle Reife geben soll. Andere "Zeichentests" sollen Auskunft über psychische Probleme von Kindern vermitteln oder Psychologen über die Familienproblematik unterrichten. Solche Testverfahren sind zum Teil umstritten, gehören aber in jedem Fall in die Hand von Fachleuten und sollten von Laien nicht dazu benützt werden, um schnelle Interpretationsmuster an die Hand zu bekommen. Deshalb will ich hier auch nicht näher auf diese eingehen. Da jeder Vergleich und jede Beurteilung sich mit vielerlei Elementen auseinandersetzen muß und nicht einlinear auf bestimmte Merkmale festgelegt werden darf, sollten wir im pädagogischen Bereich auf solche Testverfahren verzichten und die Kinderzeichnung eher vor dem Hintergrund der Ausdrucksförderung und Förderung der individuellen Fähigkeiten des Kindes betrachten. Dennoch ist ein Grundwissen über die Malentwicklungsstufen wichtig. Die Entwicklung des Zeichnens bezogen auf die kognitiven Entwicklungsphasen nach Piaget (aus: Di Leo, Joseph: Die Deutung der Kinderzeichnung, 1992, S. 43) Alter Zeichnung Kognition 0-1 Reflexreaktion auf visuelle Stimuli. Stift wird an den Mund geführt; Kind zeichnet nicht Sensorisch-motorische Phase Kind handelt reflexhaft. Denkt motorisch. Bewegung wird mit der Errichtung kortikaler Kontrolle allmählich zielgerichtet. 1-2 Im Alter von 13 Monaten: erstes Kritzeln: Zick-Zack-Linie. Kind beobachtet die Markierungen auf der Oberfläche zurücklassende Bewegung. Kinästhetische Zeichnung. 2-4 Kreise werden vorherrschend, dann einzeln gezeichnet. In einem zufällig gezeichneten Kreis sieht das Kind einen Gegenstand. Das erste graphische Symbol wird gewöhnlich im Alter von drei bis Das Kind beginnt, symbolisch zu denken. Sprache und andere Formen symbolischer Kommunikation spielen eine wichtige Rolle. Die vier Jahren gezeichnet Sicht des Kindes ist stark egozentristisch. So-tun-alsob-Spiele. 4-7 Intellektueller Realismus Zeichnet ein inneres Modell, nicht was tatsächlich gesehen wird. Zeichnet Teile, von denen es weiß, dass sie da sind. Zeigt Menschen durch Schiffsrümpfe hindurch. Transparenzen. Expressionistisch. Subjektiv. Präoperationale Phase (intuitive Phase) Egozentristisch. Sieht die Welt subjektiv. Lebhaftes Vorstellungsvermögen. Phantasie. Neugier. Kreativität. Konzentriert sich auf jeweils nur ein Merkmal. Arbeitet intuitiv, nicht logisch. 7-12 Visueller Realismus Subjektivität nimmt ab. Zeichnet, was tatsächlich da ist. Keine Röntgen-Technik (Transparenzen) mehr. Menschliche Figuren sind realistischer, proportionierter. Realistischere Farben. Unterscheidet rechte von linker Seite der gezeichneten Figur. Phase konkreter Operationen Denkt logisch. Nicht mehr von unmittelbaren Wahrnehmungen beherrscht. Konzept der Umkehrbarkeit: Gleiche Dinge bleiben gleich, auch wenn sich ihre Erscheinung verändert haben mag. 12+ Mit der Entwicklung kritischen Urteilsvermögens verlieren die meisten das Interesse am Zeichnen. Die Begabten behalten es tendenziell bei. Phase formaler Operationen Betrachtet seine Produkte kritisch. ist fähig, Hypothesen zu erwägen. Kann über Ideen, nicht nur über konkrete Aspekte einer Situation nachdenken. 3. Kinderzeichnungen sind "Briefe" von Kindern Kinder bringen in ihren Bildern immer bestimmte Vorstellungen, die sie von ihrer Welt haben zum Ausdruck. Sie haben Freude an der Bewegung, die mit der Erfahrung, dass ein Produkt entsteht, einhergeht. Dies wird vor allem bei der Kritzelphase deutlich. Der Stift, der über das Papier fährt, hinterläßt Linien, Striche und Punkte. Das Kind ist dabei Schaffer und Gestalter. Das erfüllt es mit Freude und Stolz. Der geliebten Mutter oder einer anderen anwesenden Person wird dieses Produkt mit Begeisterung vorgeführt und als Geschenk übergeben. Wenn Erwachsene in seiner Gegenwart schreiben, will es das auch tun. Es verbindet damit die Botschaft: Ich kann etwas schaffen, ich kann mich mitteilen. Später wird das Bild als Geschenk bewußt eingesetzt. Das Kind malt einen Brief. Es "erzählt" Geschichten, zeigt, was es gerade tut, stellt dar, was es sich wünscht und vermittelt damit ein Bild seiner Wahrnehmung und Vorstellung. Jede Kinderzeichnung beinhaltet Selbstaussagen des Kindes. Eine vorschnelle Deutung wäre jedoch nicht wünschenswert, reduzieren wir so doch das Bild leicht auf eine eigene Interpretation. Deshalb müssen wir neben der einmaligen Kinderzeichnung auch einige weitere Informationsquellen haben. 3.1 Sprechen und Malen Beim Malen werden Kinder in der Regel auch alles kommentieren, was sie gerade tun. Sie erzählen, was sie vorhaben, überlegen laut, wo noch etwas fehlt, welche Farbe sie gerade suchen und ob das, was sie gezeichnet haben, ihren Vorstellungen entspricht. Wir erfahren dabei viel mehr, als auf der Zeichnung später zu sehen ist, vorausgesetzt, das Kind fühlt sich unbeobachtet und ist im sprachlichen Ausdruck so sicher, dass wir es verstehen können. Oft murmeln Kinder vor sich hin und ein Zuhörer kann diese undeutlichen Worte wieder nur interpretieren. In unseren Einrichtungen malen Kinder oft gemeinsam. Sie erzählen sich gegenseitig, was sie tun, übernehmen Motive von anderen Kindern, experimentieren mit Farben und Formen, versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen und kommunizieren, indem sie Bilder anfertigen. Auch solche Bilder haben einen Mitteilungscharakter. Wir müssen jedoch bedenken, dass sie im Dialog entstanden sind und neben "eigenen" Bildern auch fremde Motive enthalten können. Und zum dritten können wir Kinder auch nach ihren Bildern fragen. Dies sollte jedoch sehr vorsichtig und nicht interpretativ passieren. Zunächst fragen wir das Kind, was es für eine Geschichte auf dem Bild aufgeschrieben hat. Diese Frage zeigt, dass wir interessiert sind, etwas von der Entstehungsgeschichte und der Botschaft, die das Kind durch die Zeichnung ausdrückt zu erfahren. Es verhindert auch, dass wir zum Ausdruck bringen, wir könnten die dargestellten Dinge und Menschen nicht erkennen. Kinder wissen manchmal allerdings selbst nicht, was sie darstellen wollten. Wir sollten sie nicht drängen, etwas über ihre Bilder zu erzählen, sondern sie ermutigen, indem wir zeigen, dass wir an dem Bild interessiert sind, z. B.: "oh, sind das aber schöne Farben", oder: "ich sehe ganz viele Kreise und Zacken auf deinem Bild". Das Kind kann uns dann weitere Auskünfte dazu geben, wenn es dies möchte. Wenn Kinder uns etwas erzählen, können wir sie auch ermuntern, dies noch zu malen. "Kannst du mir ein Bild von euerem Ausflug malen?" oder: "wie sieht dein großer Freund zu Hause eigentlich aus? Kannst du ihn malen?" 3.2 Reihen von Kinderzeichnungen Kinder malen oft lange Zeit immer wieder die gleichen Bilder. Auch dies hat eine Bedeutung für das Kind. Wir sollten es dabei nicht korrigieren. Allerdings ist es wichtig, das Kind zu beobachten und eine Malentwicklung aufzuzeigen. Gibt es neue Elemente, die hinzugefügt werden, verwendet es andere Farben oder ergänzt es Gegenstände? Wenn wir eine Reihe von Bildern (mit Datum versehen) aufheben, erfahren wir auch etwas über die kognitive und kreative Entwicklung. Ein Kind, das über lange Zeit keine neuen Elemente in seinen Bildern einfügt, ist vielleicht auch in seiner kognitiven Entwicklung an einem Punkt stehen geblieben. Oder es hat momentan völlig andere Interessen, die es vom Malen abhalten. Um die Malentwicklung über einen längeren Zeitraum verfolgen zu können, müssen wir versuchen, Bilder eines Kindes zu sammeln und nach Datum zu ordnen. Vor allem bei Kindern, über die wir uns Gedanken machen, weil sie problematisch erscheinen geben solche Bilderreihen eventuell Aufschluß über die Entwicklung eines Problems. Dafür müssen wir aber wieder die "normale" Malentwicklung kennen. Wie werden Menschen und Bäume oder Häuser in den verschiedenen Entwicklungsstufen dargestellt? Ist die neue Entwicklung einfach eine altersgemäße Fortentwicklung oder hat der Rückfall in eine frühere Phase etwas Bedrohliches? Wenn wir die Malentwicklung vom Kopffüßler zum Profilmenschen oder die Entwicklung der Darstellung von Bäumen etc. näher kennenlernen wollen, so sollten wir uns in dem beiliegenden Literaturverzeichnis nach weiterführender Literatur umsehen (vor allem Bareis, Alfred: Vom Kritzeln zum Zeichnen und Malen, Donauwörth 1989). In Bibliotheken oder Buchhandlungen finden sich ebenfalls solche Bücher. 3.3 Wahrnehmung und Symbole Kinder haben eine individuell unterschiedliche Wahrnehmung. Ihre Bilder sind, vor allem in der Kindergartenzeit keine realistische Abbildung der Wirklichkeit. Jedes Kind hat seine eigene Wirklichkeit, die es darstellt. Und die Bedeutung einzelner Gegenstände oder Gliedmaßen wird durch besondere Farbgebung oder Größe unterstrichen. Auch die Reihenfolge der Zeichnung und die Plazierung haben eine unterschiedliche Bedeutung. Das Kind zeichnet nicht die Wirklichkeit, sondern bildet ein "inneres Modell" ab. Eben die Wirklichkeit, wie sie ihm persönlich erscheint. Wenn zum Beispiel eine Kuh gemalt wird, so ist für das eine Kind der Schwanz das Wichtigste (es hat die Kuh beobachtet, wie es die Fliegen mit seinem Schwanz vertrieb), ein anderes Kind hält das Euter für wichtiger, wieder ein anderes betont die Hörner der Kuh oder zeichnet das Kalb in den Kuhkörper. Meist hängt das mit seinen eigenen Erfahrungen oder seinem Wissen, das es über die Kuh hat zusammen. Dasselbe gilt bei allen Darstellungen, seien es nun Menschen, Tiere oder Gegenstände. Erst ab dem Schulalter wird dem Kind eine möglichst realistisch Darstellung wichtig. Der individuelle Malstil wird dann aber auch deutlicher, die Farbgebung realistischer, eine besondere Malbegabung sichtbar. Dass Kinder im Kindergartenalter vor allem Häuser, Bäume, Blumen und Menschen malen ist ein Ausdruck der Symbolkraft der Zeichnungen. Häuser stehen für Geborgenheit, Bäume und Blumen für die lebendige Kreatur, Menschen für soziale Beziehungen. Wie Kinder diese Symbole darstellen sagt etwas über ihre Gefühle aus. Wie und mit welchen Farben malen sie Häuser, Natur und Menschen? Regnet es oder scheint die Sonne? Wird das Bild ausgeschmückt oder erscheint es leer? Es gibt eine Vielzahl von Symbolen in Zeichnungen, die vor allem für die Therapie kranker Menschen bedeutungsvoll sind. Bei Kinderzeichnungen ist auch immer eine Entwicklung zu beobachten und der kreative Umgang und experimentelle Phasen mit Stiften, Papier und Darstellung spielen ebenfalls eine Rolle. Gmelin, Otto F.: "Mama ist ein Elefant", die Symbolwelt der Kinderzeichnung, Stuttgart 1978 gibt über die Bedeutung der Farben und Symbole weitere Auskünfte. Auch der Bildraum (Mitte, oben, unten, rechts, links) enthält eine Symbolik besonderer Art. (Teegen, Frauke: Die Bildersprache des Körpers, Reinbek 1992 , S. 59-64 über die Bedeutung des Bildraumes) Je gesünder ein Mensch ist, desto ausgewogener erscheint das Bild, um so reicher ist die Darstellung der Farben. Ein normales, gesundes Kind nutzt fast alle Farben, die ihm angeboten werden. Gerade bei der Beurteilung eines Bildes in Bezug auf die verwendeten Farben sollte man jedoch vorsichtig sein. Warum hat das Kind das Gesicht des Vaters wohl grün gemalt? Ist das nicht ein Alarmzeichen? Es könnte sein, dass grün seine Lieblingsfarbe ist oder, dass die anderen Kinder alle Farben mit Beschlag belegt hatten und es zu schüchtern war, um um eine andere Farbe zu bitten. Warum malt ein anderes Kind alles lila? Vielleicht ist es eine Farbe, die es sonst nicht zur Verfügung hat und es freut sich an der neuen Farbe? Bei gesunden Kindern sollte man sowohl die Verwendung von Farben als auch die Einbeziehung von Symbolen nicht sofort interpretieren. Zum ersten kann uns das Kind vielleicht eine "einfache" Erklärung dafür bieten, zum anderen sollten wir die kindlichen Zeichnungen über einen längeren Zeitraum beobachten. Die Deutung von Zeichnungen ist eine Wissenschaft für sich und kann von Laien nur als Interpretationshilfe verwendet werden, jedoch keine tiefenhermeneutischen Interpretationsmöglichkeiten bieten. Das sollten wir Fachleuten überlassen. 4. Was steht in den Briefen von Kindern? Einige Mitteilungen in Kinderzeichnungen sind bereits angesprochen worden. Kinder malen in der Regel zunächst aus reinem Vergnügen. Dies ist die wichtigste Aufgabe der Kinderzeichnung. Wenn Kinder nicht gerne malen, so müssen wir uns Gedanken machen, weshalb dies so ist oder ab welchem Zeitraum wir dies beobachten. Vor allem Jungen malen weniger als Mädchen. Das könnte damit zusammenhängen, dass Jungen sich lieber grobmotorisch bewegen oder in diese Richtung sozialisiert werden. Es gibt Einrichtungen, in denen alle Jungen mit Begeisterung malen und andere, wo Jungen sich geradezu gegen das Malen wehren. Welche Ursache dies möglicherweise hat ist schwer zu erklären. Wenn wir allen Kindern jedoch Maluntensilien verschiedenster Art zur Verfügung stellen und ihnen Lust am Malen dabei vermitteln, z. B. durch große Blätter auf dem Fußboden, die mit Pinseln bemalt werden dürfen oder durch das Ausprobieren neuer Stifte (Filzstifte, die besonders gut leuchten), so werden vielleicht auch Kinder, die vorher nicht gerne gemalt haben wieder zu diesem Ausdrucksmittel greifen. Im Malvorgang können innere Spannungen abgebaut, Phantasien entwickelt, kognitive Prozesse in Gang gesetzt werden. Wenn Kinder nicht (mehr) malen, verarmen ihre Ausdrucksmöglichkeiten. 4.1 Ich-Darstellung Die vielleicht wichtigste Frage, die wir an eine Kinderzeichnung stellen ist die, wie das Kind sich selbst darstellt. Ist es im Mittelpunkt oder am Rande, malt es sich genauso groß wie andere Personen auf dem Bild, kleiner oder größer? Welche Farben verwendet es für die eigene Darstellung, wie steht es in Beziehung zu anderen Personen oder Gegenständen? Schüchterne Kinder malen sich anders als selbstbewußte Kinder, die sich in ihrer Familie wohl fühlen werden in den Mittelpunkt gemalt, Kinder, die keine Freunde haben malen sich eventuell mit bestimmten Gegenständen oder Pflanzen, bzw. Tieren, die ihnen "nahestehen". Kinder, die sich bedroht fühlen zeigen das auch in ihren Bildern. Blitz und Donner gehen auf die eigene Person herab, sie wird in bedrohlichen Farben dargestellt oder zeigt einen ängstlichen Gesichtsausdruck. Oft bekommt sie auch gar kein Gesicht. Die Darstellung der eigenen Person kann nur in Zusammenhang mit anderen gemalten Personen interpretiert werden. Malt das Kind noch Kopffüßler, erhält die eigene Gestalt ebenso diese Form. Malt es aber andere Personen bereits mit Armen und Rumpf und die eigene Person noch als Kopffüßler, so ist das ein alarmierendes Zeichen. Kinder im Kindergartenalter sind noch sehr auf die eigene Person zentriert. In der Regel wird sie deshalb besonders beachtet, liebevoll ausgeschmückt, mit wichtigen Utensilien versehen und erscheint im Mittelpunkt des Bildes. Von der Ich-Darstellung kann man auf die Wertung der eigenen Person schließen. Wenn bestimmte Körperteile besonders groß dargestellt werden oder fehlen, so ist das ebenfalls bedeutsam. Welche Teile werden besonders liebevoll dargestellt? Sind das die Haare oder die neuen Schuhe? Die Darstellung des Nabels ist für viele Kinder eine wichtige Sache. Aber auch wichtige Gegenstände befinden sich meist in der Nähe der eigenen Person, so zum Beispiel wichtige Menschen oder Spielzeuge. Kinder, die sich gerne als Erwachsene zeichnen, bringen zum Ausdruck, dass sie gerne groß (und mächtig) wären. Kinder ohne Hände fühlen sich eventuell handlungsunfähig, Kinder ohne Beine bewegungsunfähig. Ein Kind ohne Gesicht sagte von sich selbst: "ich bin niemand." Es gibt auch Kinder, die sich selbst als Symbol zeichnen. Ein Junge zeichnete sich selbst als Blume. Eine Biene war gekommen und hatte sich auf ihr niedergelassen. Als ich ihn fragte, ob die Biene die Blume besucht hätte, sagte er: nein, die sticht die Blume. Alles war ganz klein in eine Ecke des Blattes gemalt. Blitz und Regen gingen auf die Blume nieder, das ganze Bild machte einen beängstigenden Eindruck. Jungen versehen ihr Bild gerne mit Machtsymbolen, z.B. Pistolen, großen Schwertern oder mit Autos und Maschinen als Ausschmückungsgegenständen. Mädchen dagegen malen sich häufig in einer Blumenwiese, einer lachenden Sonne und hübschen Schäfchenwolken. Das Haus (Symbol der Geborgenheit) ist ganz in der Nähe, ebenfalls bis auf die Vorhänge liebevoll und mit vielen Farben ausgemalt. Einen ersten Hinweis auf die Wahrnehmung der eigenen Person können so Kinderbilder liefern. Wenn wir Kinder anregen, über das Bild zu erzählen, erfahren wir möglicherweise sehr viel mehr über das Kind als uns seine Eltern erzählen können und wir selbst durch lange Zeit beobachten können. 4.2 Darstellung des Geschlechts Wie bereits angeklungen, malen Jungen und Mädchen unterschiedliche Bilder. Dies hat mit der geschlechtsbezogenen Sozialisation und der eigenen Wahrnehmung als Junge oder Mädchen zu tun. Männliche und weibliche Personen werden nach stereotypen Vorstellungen gemalt. Männer bekommen Stoppelhaare und Frauen lange, eventuell lockige Haare. Männer bekommen Hosen, Frauen Röcke oder wunderschön ausgestaltete Kleider. Nach einer Geschichte durften Kinder Männer und Frauen malen. Der mächtige Mann in der Geschichte bekam einen Vollbart und eine dicke Zigarre, der "normale" Mann sah einem Kind nicht unähnlich. Die mächtige Frau wurde mit Stöckelschuhen und langen Wimpern gezeichnet und hatte ein buntes Gewand an. Die "normale" Frau bekam lange Haare und einen Blumenstrauß in die Hand. Bei Gesprächen mit den Kindern zeigte sich, dass Kinder lebende Männer und Frauen nicht in diesen Stereotypen sehen, sondern durchaus wissen, dass ihre Mutter Hosen trägt und kurze Haare hat. Über die Vaterfigur wissen sie in der Regel wenig Bescheid. Die Darstellung von Frauen ist oft mit weiblichen Tätigkeiten verbunden. Frauen werden als pflegende Personen bei Krankenhausszenen gemalt, sie kochen oder putzen, pflücken Blumen oder schmücken etwas. Männer werden in Verbindung zu Maschinen und Autos gebracht, sie werden oft in Berufszusammenhängen gemalt, z. B. als Feuerwehrmann. Deutlicher werden die Rollenbilder, die in der Gesellschaft herrschen in den Zeichnungen älterer Kinder. Sie bilden die Wirklichkeit ab und stellen somit die in der Realität gelebten Geschlechtsrollen auch in ihren Bildern realistisch dar. Geschlechtsmerkmale werden von kleinen Kindern selten gezeichnet. Im Vorschulalter, in dem Jungen und Mädchen sich zunehmend mit Zeugung, Geburt und dem anderen Geschlecht auseinandersetzen, werden weiblichen Personen Brüste gemalt, männliche Personen bekommen teilweise übergroße Penisse. Der Geschlechtsakt ist für die meisten Kinder verborgen und wird auch nicht gemalt. Jedoch erscheint das Baby im Mutterleib. Jungen, die in ein Mädchen verliebt sind, malen dieses auf ihrem Bild, obwohl sie sich nicht getrauen, im Kindergarten mit diesem Mädchen zu spielen. Auch die Auseinandersetzung mit Vater und Mutter und den Geschwistern findet in den Bildern von Kindern statt. 4.3 Familiendarstellungen Sehr interessant sind "Familienbilder". Kinder malen sich gerne mit ihrer Familie. Wir bekommen sehr unterschiedliche Aussagen über die gemalten Familien. Oft fehlen einige Familienmitglieder oder Freunde wurden hinzugezeichnet. Manchmal sind Oma und Opa mit auf dem Bild oder der Dackel ist besonders groß in den Mittelpunkt gerückt. In den Familienbildern kommen die sozialen Beziehungen, wie das Kind sie erlebt, deutlich zum Ausdruck. Malt das Kind sich selbst in den Mittelpunkt? Dann hat es ein gesundes Selbstbewußtsein entwickelt und fühlt sich in der Familie geborgen. Malt es sich selbst besonders klein und an den Rand, so fühlt es sich wahrscheinlich auch "an den Rand gedrückt" und unbedeutend. In welcher Beziehung steht es zu Vater und Mutter? Malt es sich zwischen Vater und Mutter, sind beide für es bedeutsam. Malt es sich größer oder ebenso groß wie Erwachsene, so fühlt es sich ebenso wichtig. Wo sind Geschwister plaziert? Wie ausdifferenziert werden die einzelnen Personen gemalt, mit vielen Farben oder einfarbig? Gehört das ungeborene Geschwisterchen im Bauch der Mutter auch schon dazu? Oft ist gerade diese Situation dargestellt, da Kinder sich mit der zukünftigen Geburt eines Geschwisterchens stark beschäftigen. Kinder malen auch ihre Freunde gerne ins Familienbild. Sie sind oft Geschwisterersatz oder gleichgeschlechtliche "Geschwister", wenn solche fehlen. Wenn Verwandte auf Familienbildern auftauchen, so spielen sie für das Kind wahrscheinlich eine ebenso wichtige Rolle wie die eigenen Familienangehörigen. Auf dem Familienbild erscheint auch manchmal das eigene Haus, das Auto, die Haustiere, je nachdem, welche Bedeutung sie für die Familie und damit auch das Kind haben. Wenn wir es mit problematischen Verhaltensweisen eines Kindes zu tun haben, so ist ein "Familienbild" aufschlußreich. Welche Person steht dem Kind am nächsten, wer kann uns am besten aufklären, was das Kind momentan beschäftigt und wer wird den meisten Einfluß auf das Kind haben? Welche Person übt auf das Kind einen bedrohlichen Eindruck aus? Ist eine Person besonders groß und übermächtig gezeichnet, kann es eventuell vor dieser Person Angst haben oder sich unterdrückt fühlen. Ebenso kann aber auch diese Person es vielleicht vor einer anderen Person, die ihm "zu nahe kommt" schützen. Wir müssen etwas vorsichtig mit der Interpretation der Bilder sein, können auf ihnen aber zunächst Hypothesen erkennen, die wir dann weiter verfolgen können. Auch hier gilt es mehrere Familienbilder miteinander zu vergleichen. Wenn die Mutter ein Kind bestrafen mußte, so erscheint sie an diesem Tag vielleicht auch auf dem Kinderbild als "böse Hexe", ein andermal wird sie aber sehr liebevoll mit vielen Farben und schmückenden Elementen gemalt und in die Nähe des Kindes gerückt. Kinder sprechen gerne über die Familienbilder. Wir können im Rahmen eines Projektes, in dem es um Familie, Geschwister, Geburt und Tod geht solche Familienbilder unterschiedlichster Art anfertigen lassen und die Kinder darüber erzählen lassen. Wenn Kinder Familienprobleme dabei erwähnen, so ist das schwierig, da die anderen Kinder prompt alles zu Hause weitererzählen. Dennoch gehört das Thema Scheidung, Trennung und Wiederverheiratung nicht ausgegrenzt. Wir müssen versuchen, diese Themen neutral über Bilderbücher usw. mit der ganzen Gruppe zu bearbeiten. Dennoch hilft es einzelnen Kindern, mit solchen Problemen in der eigenen Familie zurechtzukommen und diese ein Stück weit zu bearbeiten, wenn es viel malen kann. In Einzelgesprächen können wir dann auch mit dem Kind über solche momentanen Probleme sprechen. Für Familiendarstellungen im allgemeinen gilt, dass sie das Kind anregen, über ihre Familie nachzudenken, sich selbst einmal im Rahmen der Familie darzustellen und uns gewisse Interpretationsmöglichkeiten an die Hand zu geben, wie das Kind sich in der Familie fühlt und wo es eventuell Probleme hat. Die Beurteilung von Familienbildern könnte nach folgenden Aspekten erfolgen: Welche Person (Geschlecht) wird zuerst gezeichnet? Wie werden Mutter und Vater dargestellt? Wie malt sich das Kind selbst? Sind die Personen offen aufeinander bezogen oder wird ein Mitglied in einen Kasten oder an den Rand gemalt? Wie sind die Größenverhältnisse der einzelnen Personen zueinander? Gibt es Dinge, Tiere oder Personen, die außer den Familienmitgliedern noch auf den Bildern auftauchen? Welche Farben wurden verwendet? Welche Personen wurden in den gleichen Farben, welche mit einer anderen Farbe gemalt? Welche Person steht der eigenen am nächsten und wie wird diese dargestellt? Welchen Eindruck macht das Gesamtbild auf Sie? Wer wurde vergessen? Was erzählt das Kind über sein Bild? Aufschlußreich könnte eine Familiendarstellung auch unter dem Auftrag: "Male Deine Familie als Tiere", sein. Allerdings ist dies erst mit zunehmendem Alter sinnvoll, da Kinder unterschiedliche Tierdarstellungen erst etwa ab dem Schulalter beherrschen. 4.4 Naturdarstellung Vielfach wird die Darstellung von Natur sich in der Zeichnung von Bäumen, Blumen, einer Sonne, Wolken und eventuell noch von Regentropfen oder Blitzen erschöpfen. Kinder, die zu Naturbeobachtungen angeregt werden, werden auch andere Dinge malen. Die Bilder werden dann mit Insekten, Käfern und anderen Tieren, aber auch mit Bergen und Flüssen, Tälern und Seen ausgeschmückt. Je älter die Kinder sind, desto wichtiger wird die naturgetreue Nachbildung. So werden Säugetiere oft deshalb nicht gemalt, weil es so schwer ist, sie realistisch darzustellen. Kleinere Kinder tun sich da noch leichter. Ein Rumpf, ein Kopf und ein Schwanz kann fast jedes beliebige Tier darstellen. Wenn es dann noch ein typisches Merkmal, wie z.B. einen Rüssel erhält, so wird es schnell zum Elefanten. In Testverfahren ist der sogenannte "Baumtest" beliebt. Anhand von Baumdarstellungen werden psychische Zustände interpretiert. Bei kleinen Kindern ist die Darstellung von Bäumen, Pflanzen und Tieren noch weitgehend unstrukturiert, entweder beeinflußt durch Erwachsene, die z. B. einmal einen Baum vorgemalt haben oder auch durch die Baumdarstellung eines anderen Kindes einfach übernommen. Je wichtiger für das Kind Dinge in der Natur sind, desto eher erscheinen diese auch auf den Bildern. Allgemein gilt, was wichtig ist, wird besonders differenziert und liebevoll, auch farbiger als das übrige gemalt. Es ist auch nicht von Bedeutung, welche Farben die Dinge in der Natur wirklich haben. Ein blauer Baum oder lila Äpfel haben in der Regel keine besondere Bedeutung, außer, dass dem Kind diese Farben eben gefallen. 4.5 Besondere Themen Alles, was einem Kind wichtig ist, wird auch in seinen "Gemälden" auftauchen. So wird der bevorstehende Urlaub am Meer schon lange vorher in den Kinderbildern auftauchen, der Besuch der Oma wird gemalt, ebenso der Sonntagsausflug oder die Kutschfahrt. Kinder, die täglich malen "schreiben" damit ein Tagebuch. Alles, was sie erleben, was ihnen Angst macht, was sie freut, wird in den Bildern festgehalten. Da sich Kinderbilder oft lange Zeit sehr ähnlich sind, entdecken wir nur bei genauem Hinsehen, was sich vielleicht Besonderes ereignet haben mag. Dabei gibt es Bilder, die typisch für bestimmte Kinder sind. 4.5.1 Individuelle Vorlieben Kinder haben einen eigenen Malstil. Jedes Kind bevorzugt bestimmte Farben, bestimmte Darstellungsformen, eine bestimmte Blattaufteilung. Ob es nun eine bestimmte Hausform malt, die eigene Person immer auf eine bestimmte Weise darstellt, dem Baum Früchte aufmalt oder eine besonders lachende Sonne in den Mittelpunkt des Bildes malt, wir können bei längerem Studium der Kinderbilder auch immer eine persönliche Note ausmachen. Auch da fällt uns, etwa ab dem vierten Lebensjahr, wenn die Bildersprache für uns eindeutiger wird, immer wieder auf, dass Mädchenbilder sich deutlich von Jungenbildern unterscheiden. Mädchen schmücken ihre Bilder mit vielen Farben, kleinen Formen, Blumen und bunten Kleidern aus, Jungen wählen lieber Dinge, die Macht ausdrücken, wie Fahrzeuge und Waffen zur Ausschmückung ihrer Bilder. Und was das einzelne Kind besonders interessiert, seien es die Kaninchen zu Hause oder die Feuerwehr, die regelmäßig am Wohnort vorbeifährt, das erscheint natürlich auch bevorzugt auf den Bildern. 4.5.2 Augenblickliche Interessen Im Kindergarten wird ein Projekt durchgeführt. Es beschäftigt sich mit Wald, Natur, Flüssen und Blumen. Überall auf den Kinderbildern tauchen jetzt Bäume, Pflanzen, Gewässer und Blumen auf. Dasselbe gilt, wenn ein Zirkus in die Stadt kommt und alle von den Zirkusdarstellungen reden, die Kinder auch den Zirkus oder die Tierschau besucht haben. Ob es sich um kollektive Interessen handelt, die sich auf die Darstellung in den Kinderbildern auswirken oder eigene Erlebnisse, sie werden in den Zeichnungen "festgehalten." Kinder produzieren so eine Menge von Bildern, dass wir uns oft gar nicht die Mühe machen, das einzelne Bild genügend zu würdigen. Wir legen Zeichenmappen an, in die die Kinder ihre Bilder ablegen dürfen oder geben sie am Schluss des Tages mit nach Hause, ohne sie auch nur einmal richtig angesehen zu haben. Wir nehmen uns damit eine wichtige Informationsmöglichkeit, die uns das Kind selbst anbietet und die uns über viele Gedanken, Gefühle und Befindlichkeiten jedes Kindes Aufschluß geben könnte. 4.5.3 Besondere Probleme Zeichentests werden oft eingesetzt, wenn man Problemen auf die Spur kommen möchte. Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger ist es, in den Zeichnungen momentane Probleme zu erkennen. Da helfen dann die "Reihen" der Zeichnungen, die wir mit der Zeit sammeln. Aber wie alles, was das Kind beschäftigt, werden natürlich auch Probleme gemalt. Oft geschieht dies in verschlüsselter Form, da auch Kinder Probleme oft mit Schuldgefühlen verbinden und diese nicht offen darstellen wollen. Relativ einfach ist es, ein anerkanntes Problem zu zeichnen. So kann es sein, dass die Müllverbrennungsanlage, von der wir im Kindergarten gesprochen haben in allen möglichen Formen in den Kinderbildern auftaucht. Umweltprobleme, Verkehrssituationen, Unfälle, von denen das Kind Kenntnis erhalten hat und Umweltkatastrophen werden in Kinderbildern offen zum Ausdruck gebracht. Anders ist dies mit persönlichen Problemen des Kindes. Wenn ein Geschwisterchen geboren wird, so erscheint dies entweder gar nicht auf dem Bild, wenn das Kind auf es eifersüchtig ist oder es wird in engem Kontakt zur Mutter gemalt, die eigene Figur jedoch am Rand. Denkbar sind auch viele andere Variationen. Scheidungs- und Trennungssituationen werden häufig dargestellt. Der weggezogene Vater wird vielleicht in einem anderen Haus gemalt, das Kind malt sich selbst zwischen die Häuser, in denen Vater und Mutter jetzt leben. Bei allen ungewöhnlich erscheinenden Bildern können wir das Kind fragen, was es gemalt hat und uns eine Geschichte zu dem Bild erzählen lassen. Wenn das Kind uns nicht sagen will, dass die Geschichte "seine" Geschichte ist, so erfahren wir aus der Erzählung dennoch, was das Kind gerade beschäftigt. Es könnte sich ja wirklich um eine Geschichte handeln, von der es gehört hat oder ein Märchen so mit der Wirklichkeit zusammenbringen, dass wir meinen, es handele sich um ein eigenes Problem des Kindes. 4.5.3.1 Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod Der Tod ist für das Kind ebenso ein Thema, das auch in den Bildern auftaucht. Der Opa ist gestorben, das Kind malt den Opa in jedes Bild, aber in einen Rahmen. Es hat ihn im Sarg gesehen und dies symbolisiert der Rahmen. Oder die Sonne wird als der Opa bezeichnet, der auf das Kind herabsieht. Bilder, auf denen sich das Kind selbst als krank darstellt sind relativ häufig. Krankheit ist eine Erfahrung, die fast jedes Kind erlebt und die sich dann auch in den Bildern wiederfindet. Wenn es sich um einen Krankenhausaufenthalt gehandelt hat, so werden in den Bildern Erfahrungen von Schmerzen, Trennung, neues Wissen über das Leben im Krankenhaus und die Hilfe und besondere Zuwendung von Krankenhauspersonal und Besuchern aufgezeigt. Je nachdem, was das Kind dort erlebt hat können wir dann auf Grund der Bilder auf die gemachten Erfahrungen eingehen und das Kind über sein Bild im Stuhlkreis berichten lassen, wenn es dies möchte. Kinder erfahren heute auch von Krankheiten, die zum Tode führen. Wenn es auf den Friedhof geht, sieht es dort Kindergräber und fragt nach, weshalb diese Kinder gestorben sind. Wenn es schon schlimm ist, dass alte Menschen, die dem Kind nahegestanden haben sterben, so ist es für Kinder fast unbegreiflich, dass Kinder sterben müssen und die "mächtigen" Ärzte nicht helfen können. Kinder benötigen unsere Hilfe, wenn sie mit solchen Erfahrungen konfrontiert werden. Das Malen hilft Kindern aber auch, diese Erfahrungen mitzuteilen und damit einen inneren Druck loszuwerden. Nicht umsonst helfen Maltherapien auch Erwachsenen mit schweren Erfahrungen fertigzuwerden. Wie können wir Probleme in Kinderbildern wahrnehmen? Wichtige, konflikthafte Erfahrungen kommen überdeutlich oder an zentraler Stelle (Mittelpunkt) zum Ausdruck. Erlebnisse, die das Kind als zu belastend empfindet werden ausgegrenzt oder es versucht, sie zu löschen (übermalt das Gezeichnete nachträglich). Angst, erlebte Bedrohung oder Verbote werden durch Einkreisungen, Übermalungen oder Durchstreichungen sichtbar. "Durchsichtige" Bilder sind bei Kindergartenkindern noch normal. Sie malen alles, was sie wissen, auch wenn man es in der Regel nicht sehen kann (Organe im Bauchraum, den Nabel, Geschlechtsorgane, Menschen im Schiffsrumpf oder Haus etc.). Erst bei größeren Kindern oder Erwachsenen ist damit eine Botschaft verbunden, dass etwas durchsichtig werden sollte, etwas Verborgenes ans Licht gelangen muß etc. 4.5.3.2 Sexueller Mißbrauch Wenn die Erfahrung von sexuellem Mißbrauch alleine aus Kinderzeichnungen abgeleitet werden soll, so ist das eine heikle Angelegenheit. Allerdings wird sexueller Mißbrauch in Kinderbildern oft sehr deutlich und kann von Experten relativ früh erkannt werden. So müssen wir, wenn sexueller Mißbrauch vermutet wird oder Kinderbilder anscheinend deutlich darauf hinweisen sehr sorgfältig vorgehen. Immer gilt beides und muß sorgfältig gegeneinander abgewogen werden: 1. Kinder müssen sobald als möglich vor sexuellem Mißbrauch geschützt werden. 2. Eine falsche Verdächtigung kann für das Kind ebenso schädlich sein wie ein tatsächlich vorliegender Mißbrauch. Die Darstellung von Genitalien ist in der Regel kein Grund auf sexuellen Mißbrauch zu schließen. Sobald Kinder sich mit ihren Geschlechtsmerkmalen auseinandersetzen, werden diese, je nach der momentanen Interessenslage auch deutlich auf den Bildern auftauchen. Dies geschieht vor allem bei Jungen, die sich mit überlangen Penissen darstellen oder allen Männern solche verpassen, wenn sie z. B. Männer nackt gesehen haben. Frauen werden dagegen häufig mit Brüsten gemalt, weniger mit den unsichtbaren Geschlechtsorganen. Wenn in einer bestimmten Phase der Entwicklung immer wieder Penisse oder Brüste auf den Bildern auftauchen, so ist das vorübergehend und zeigt oft nur, dass Kinder ihr Wissen über anatomische Unterschiede zwischen Männern und Frauen ausdrücken. Kinder im Vorschulund frühen Schulalter, die beginnen, Menschen realistisch malen zu wollen, versuchen auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen deutlich in ihren Bildern auszudrücken. "Nackte" Menschen werden oft nur heimlich und mit viel Kichern und verschämten Blicken gemalt. Solange dies in der Kindergruppe gemeinsam geschieht, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um sexuellen Mißbrauch handelt. Dieser geschieht in der Regel im Verborgenen und es wird den Kindern meistens verboten von den Geschehnissen zu berichten. So werden Kinder sich entweder in symbolhaften Zeichnungen ausdrücken oder über ihre Bilder nicht sprechen wollen. Wenn Betten ohne Zusammenhang mit Krankheit auftauchen, dazu ein bedrohlicher Mann (die meisten Mißbrauchserfahrungen gehen mit männlichen Personen einher) auf dem Bild zu sehen ist, der eventuell einen langen Gegenstand (Penisersatz) mit sich trägt, so ist dies schon ein möglicher Hinweis. Weitere Hinweise müssen jedoch auch im Verhalten des Kindes gefunden werden. Ist das Kind besonders ängstlich? Ist seine Sprache mit "sexuellen" Worten durchsetzt? Trägt es Schuldgefühle mit sich herum, schreckt es vor Berührungen zurück? Das Malen von Familienbildern gibt eventuell Aufschluß über sexuellen Mißbrauch in der Familie, aber auch Gespräche, in denen Kinder "komische" Situationen malen sollen, können Hinweise auf sexuellen Mißbrauch erhärten. Um Kinderzeichnungen besser verstehen und im Zusammenhang interpretieren zu können müssen wir eine Vielzahl von Elementen in den Zeichnungen beachten. Es genügt nicht, von einem Element ausgehend das ganze Kinderbild zu beurteilen. Die Zeichnung ist nie eine isolierte Tätigkeit. Wie jede Kommunikation gehört sie in einen Kontext, den "des Bezugs des zeichnenden Kindes zu seinem Publikum" (Wildlöcher 1995, S. 227). So kann es durchaus auch sein, dass uns das Kind etwas verschweigen will und deshalb die Deutung schwierig wird. Eine brauchbare Interpretation kann von dem Kontext nicht absehen. Das Kind muß immer in seinen Gesamtzusammenhängen gesehen werden (familiäre Bezüge, soziale Beziehung zur Erzieherin); aber auch die kognitive Entwicklung und die sonstigen Erfahrungen mit dem Kind sind für die Gesamtauswertung wichtig. Das gilt in besonderem Maß für den Verdacht über sexuelle Mißbrauchserfahrungen von Kindern. 5. Kriterien zur Bildbeurteilung Die hier angeführten Kriterien gelten sowohl für Kinder- als auch für Erwachsenenbilder. Im therapeutischen Bereich werden Bilder auch für Therapien mit Erwachsenen eingesetzt. Vielen Menschen, die ein schweres Schicksal erleiden, ist eine Maltherapie hilfreich. Sie können dann Probleme, die sich mit Worten nicht ausdrücken lassen "loswerden" oder bearbeiten, indem sie mit Farben und Formen ihre innersten Gefühle "ausdrücken". Menschen, die mit unheilbar Kranken und Sterbenden, aber auch in Familienberatungsstellen arbeiten, wissen um die Möglichkeiten des Einsatzes von Zeichnungen. So können Zeichnungen auf ein Problem aufmerksam machen oder einen Verdacht erhärten. Sie sollten aber immer nur ergänzend zu anderen Beobachtungen eingesetzt werden. Die Vorgehensweise für eine Bildinterpretation könnte nach folgenden Fragen erfolgen: (Bei Kinderzeichnungen ist es immer sinnvoll, das Kind zusätzlich selbst über sein Bild erzählen zu lassen, dass unsere Deutung nicht ein simples Motiv übersieht oder etwas überbewertet. Auch können Bilder von Kindern, die noch nicht realistisch malen (erst ab dem 5. Lebensjahr möglich) von uns leicht fehlinterpretiert werden. Dennoch ist es hilfreich, folgende Kriterien an ein Bild anzulegen, um die eigene Wahrnehmung zu schärfen.) 1. Welches Gefühl übermittelt das Bild? Wie fühlt sich der Betrachter, der ein Bild vor sich hat? Fühlt er sich frei und erleichtert, fühlt er sich amüsiert oder angeregt oder macht ihm die Bildbetrachtung Kopfzerbrechen oder gar Angst? Wenn wir vor allem bei Problemkindern ein Bild erst einmal völlig unvoreingenommen auf uns wirken lassen, so wir der erste Eindruck bereits ein "Bild" in uns entstehen lassen. Jeder Mensch wird jedoch durch anderes angesprochen oder abgestoßen. Wir müssen aufpassen, dass unser Empfinden wirklich aus dem Bild hervorgeht und nicht durch eigene Assoziationen verfälscht ist. Bilder, die in uns Spannung, Angst oder Besorgnis auslösen, sollten wir auch anderen BetrachterInnen vorlegen und um deren Meinung bitten. Wahrnehmung ist immer subjektiv und Gefühle werden bei Menschen durch Unterschiedliches ausgelöst, dass auch hier Wahrnehmungsverzerrungen uns in eine falsche Richtung weisen können. 2. Was ist auffällig? Bei manchen Bildern "springt" uns ein Element ins Auge. Ist es ein roter Punkt zwischen lauter matten Farben oder ein übergroß gemalter Gegenstand. Oft beeinflußt solch eine Auffälligkeit den Gesamteindruck. Wird dieser Gegenstand dann auch noch als erstes vom Kind gemalt, hat er sicher eine besondere Bedeutung. Besser wäre es von einem Sinn, statt einer Bedeutung zu sprechen. In Bildern haben Symbole eine Bedeutung, aber das Malen selbst hat einen eigenen Sinn. Wenn dieses auffällige Element ein Symbol darstellt hat es vielleicht eine bestimmte Bedeutung, z. B. steht ein Haus für Geborgenheit, das Schiff als Herkunftszeichen (Mutterleib), das Auto als Möglichkeit der Mobilität, Menschen stehen für soziale Bezüge, Natur symbolisiert Lebendigkeit, Naturverbundenheit. Bei Kindern sind diese Symboldeutungen oft falsch, da sie spontan malen, d. h. sich an einem Bild orientieren, das sie gerade gesehen haben (im Bilderbuch, beim Nachbarn am Maltisch) oder gerade Erlebtes zeichnen (auf dem Weg zum Kindergarten etc.), aber auch Dinge, die sie erwarten als Bilder "vorerfahren" (Zirkusbesuch etc.). 3. Hindernisse Es gibt Hindernisse aller Art in Bildern. Eine Person kann ein Hindernis darstellen, ein Baum oder ein Gegenstand. Menschen, die auf einem Bild durch Hindernisse getrennt sind (zwei Menschen stehen auf einer Seite, ein anderer auf der anderen) haben vielleicht Probleme miteinander. Aber auch Beziehungslosigkeit zwischen einzelnen Dingen auf den Bildern sind Hindernisse, dass diese im Zusammenhang gesehen werden können. 4. Was fehlt? Wenn etwas Wichtiges fehlt, so hat das entweder eine einfache Erklärung oder eine tiefere Bedeutung. Fehlt beim Familienbild der Vater, so kann das bedeuten, dass er gerade auf Geschäftsreise ist, nicht zu Hause wohnt oder der Vater gestorben ist. Ebenso wäre es freilich möglich, dass der Vater Angstgefühle auslöst (z.B. bei sexuellem Mißbrauch) und es deshalb ängstlich vermieden wird, ihn zu malen. Fehlen einem Menschen Gliedmaßen, obwohl das Kind bereits gegenständlich malen kann, hat das Kind entweder vergessen, diese zu zeichnen, da sie für die Person nicht typisch sind (ein Gelähmter kann durchaus ohne Beine gemalt sein) oder es muß etwas verheimlicht werden (er darf nicht gehen können, weil er sonst etwas erzählen könnte). Menschen ohne Arme sind handlungsunfähig, Menschen ohne Gesicht unbedeutend. Fehlen bei einem Haus Fenster und Türen sind die Menschen darinnen abgeschlossen und von der Außenwelt abgeschnitten. Ein Auto ohne Reifen kann nicht fahren, ein Vogel ohne Flügel nicht fliegen, eine Blume muß mit dem Untergrund verwurzelt sein (kann also nicht in der Luft schweben). Unsere Frage muß dann immer lauten: Was bedeutet das fehlende Element und was bedeutet es eventuell für die malende Person? 5. Was ist im Mittelpunkt? Dinge und Menschen, die in den Mittelpunkt gezeichnet werden, sind wichtig. Kinder malen sich gerne selbst in die Bildmitte. Neben der eigenen Person werden dann alle wichtigen Dinge aufgereiht, unwichtige Menschen und Gegenstände fehlen entweder völlig oder werden an den Rand gezeichnet. Psychoanalytische Deutungen geben der oberen Bildhälfte eine positivere Bedeutung wie der unteren, dem rechten Bildraum die Symbolik des "männlichen", des verstandesmäßigen, dem linken Bildraum ordnen sie eher dem Gefühl zu. Bei Kinderzeichnungen kann dies vielleicht nicht so extrem gesehen werden. Es kommt auf die entwickelte Geschicklichkeit genauso an als auch experimentelles Ausprobieren. Mal malt das Kind die Sonne auf die rechte Seite, ein andermal will es lieber Regen darstellen und entscheidet sich dann doch für die Sonne, die dann in den linken Bildraum abwandert. Ob man das immer tiefenpsychologisch deuten kann, ist mir bei Kinderbildern oft suspekt. Sicher stellt der mittlere Bildraum aber eine Hauptbedeutung dar. Wenn Kinder sich selbst klein und unbedeutend in eine Ecke malen, so können wir daraus schon bestimmte Schlüsse ziehen. Unsere Sprache gibt uns im übrigen viele Hinweise, die für die Deutung von Bildern eingesetzt werden kann. Ist etwas an den Rand gedrängt oder rückt es in den Mittelpunkt, hängt es zu hoch oder ist es tief in uns verwurzelt? Wenn wir diese sprachlichen Ausdrücke auf den Bildraum übertragen, so bekommen wir eine Ahnung von der uns gezeigten Symbolik. Wenn etwas gerade "in den Mittelpunkt" rückt (welche Bildersprache haben wir doch!), so wird dies groß gemalt. Die Mutter mit dem Baby im Bauch ist gerade besonders wichtig, das Baby kann man zwar fühlen, weiß aber noch nicht recht, wie es aussieht, es wird oft nicht als Mensch, sondern nur als Kopf gemalt. Bei einer Bilderreihe kann man dann beobachten, dass zunächst Wichtiges immer weiter aus dem Mittelpunkt gedrängt wird, an den Rand wandert und schließlich aus dem Bild auch wieder verschwindet. Die "Busenfreundin" wandert so vielleicht nach und nach an den Rand, ein Hindernis zwischen ihr und der malenden Person wird eingefügt (Baum, Haus) und schließlich hat das Kind keinen Platz mehr für sie auf dem Bild (wie es zur Erklärung angibt). Aber auch Bedrohliches kann so "abwandern". Der Sinn von der Herstellung von Bildern im therapeutischen Bereich kann darin bestehen, dass Bedrohliches und Angstmachendes mit der Zeit aus dem Mittelpunkt nach außen wandert und schließlich "bewältigt" wird und aus dem Bild verschwindet. 6. Größenverhältnisse Kinder malen Wichtiges groß und Unwichtiges klein, egal, wie es in der Realität tatsächlich ist. Kinder sind auf den Bildern meist ebenso groß wie Erwachsene, Häuser sind nicht größer als Menschen und Bäume gehen vielleicht bis an den Himmel. Wenn etwas groß gemalt ist hat es eine große Bedeutung. Dies gilt auch für angstmachende Motive. Mächtige Personen, die mit angstmachenden Erlebnissen verbunden sind werden in den Mittelpunkt und übergroß gezeichnet. Hat dieser Mensch dann noch besonders große Hände, so ist auch seine Tätigkeit groß und wichtig oder besonders angstauslösend. Jungen malen sich selbst mit übergroßen Pistolen oder Messern. Mädchen statten ihre wichtigen Personen mit überlangen Kleidern, wallenden Haaren oder übergroßen Hüten aus. Unwichtiges, aber auch Heimliches wird klein und an den Rand gemalt. Kinder, die schlimmer Erlebnisse erfahren haben malen diese zunächst überhaupt nicht, später erscheinen sie nur am Bildrand und ziemlich klein, in der Phase der aktiven und akzeptierten Auseinandersetzung werden die Dinge dann immer größer und schließlich mit der Bewältigung der Problematik werden sie wieder kleiner. Wenn Kinder sich mit den Geschlechtsorganen beschäftigen, werden große Penisse und Brüste gemalt. Dies kann für uns bedeuten, dass Kinder Auskunft über die damit verbundenen Aufgaben benötigen oder Erlebnisse hatten, die sie zu solchen Zeichnungen führten. Der Besuch des Kinderarztes kann auslösen, dass plötzlich Organe in den Körper eingezeichnet werden, die größenmäßig nicht passen. Die Lunge (wir haben davon gesprochen, dass Rauchen ungesund ist und die Lunge schädigt) wird im halben Bauchraum und völlig schwarz dargestellt. So kann man zusammenfassend sagen, dass Wichtiges und Angstmachendes groß und Unbedeutendes oder Verdrängtes klein gemalt wird. 7. Verzerrte Formen Bei Kinderzeichnungen können solche verzerrten Formen nur im Vergleich erkannt werden. Kinderbilder weisen oft ungenaue Formen auf, was auf die Malentwicklung oder die augenblicklichen Befindlichkeit zurückzuführen sein könnte. Wenn Kinder gerade keine Lust am Malen haben, so zeichnen sie irgendetwas schlampig und verzerrt aufs Papier, was letzten Endes nur ihre Unlust ausdrückt. Haben sie aber alles sorgfältig gemalt und erscheint nur ein einzelnes Haus oder ein Gegenstand besonders verzerrt (perspektivisches Malen ist damit nicht gemeint, das kann von Kindergartenkindern nicht geleistet werden), so hat das sicherlich eine besondere Bedeutung. Es könnte sich dabei um ein kaputtes Haus oder einen kranken Menschen handeln, könnte aber auch Probleme zu Hause oder in einer Beziehung aufzeigen. 8. Wiederholungen Wiederholungen in Kinderbildern sind eher die Regel als die Ausnahme. Kinder malen über lange Zeit hinweg ähnlich strukturierte Bilder, wobei sie diese zunehmend ausschmücken oder die Einzelelemente verbessern. Wir können sie mit neuen Erlebnissen und anderen Materialien dazu bringen, Neues auszuprobieren, neue Themen zu bearbeiten. Auf keinen Fall sollten wir kritisieren, wenn sie lange Zeit hinweg immer dasselbe malen. Für das Kind liegt der Sinn der Wiederholung auch in der Übung, der Verbesserung der Stiftführung, der Farbgebung, der Strichführung. Kinder lieben Wiederholungen, was uns der Wunsch nach immer derselben Geschichte zeigt. Kinder brauchen zu ihrer Sicherheit Wiederholungen, Rituale und gewohnte Strukturen. Dies gilt auch für ihre Bilder. Wenn Kinder über ein halbes Jahr jedoch auf einem Bildmotiv und denselben Malmustern stehen bleibt, liegt entweder eine Entwicklungsverzögerung vor oder wir geben zu wenig Anregungen. Es kann auch sein, dass ein unbewältigtes Problem verborgen ist und solange gemalt wird, bis es "ans Licht" kommt. Hier ist das Bild ein Brief an uns, den wir lesen müssen um die entsprechende Antwort geben zu können. 9. Perspektive Kinderbilder werden meist von vorne gemalt und alles auf dem Bild ist fein säuberlich aufgereiht. Aber manchmal wird innerhalb des Bildes die Perspektive gewechselt, das Kind malt das Haus von der Rückseite aus, den Menschen, der vor dem Haus steht aber so, dass er uns ansieht. Irgendetwas scheint uns dann auf dem Bild zu stören und wir bemerken zunächst gar nicht, dass dies mit der unterschiedlich gemalten Perspektive zu tun hat. Dies zeigt auf einen inneren oder äußeren Konflikt hin. Entweder will das Kind sich von etwas abwenden oder auf etwas anderes zu entwickeln oder es probiert einfach einmal eine neue Sichtweise aus, die es bei dem Bild des Freundes bemerkt hat. Wenn z.B. Menschen im Profil noch mit zwei Augen gezeichnet werden ist das lediglich der Übergang von einer Malphase in die andere und hat mit einem wirklichen Perspektivwechsel nichts zu tun. 10. Sich selbst in das Bild versetzen Hilfreich für die Interpretation eines Bildes ist es auch, sich selbst in das Bild hineinzuversetzen, in ihm sozusagen spazieren zu gehen. Welche Empfindungen löst dies in mir aus, welche Geräusche und Gerüche nehme ich wahr, wo fühle ich mich wohl, welche Stellen im Bild möchte ich lieber meiden? Mit dem Kind zusammen einen Spaziergang in seinem Bild zu machen, dies wäre eine gute Gelegenheit sich mit einem einzelnen Kind intensiv auseinanderzusetzen. Und wir könnten vielleicht einiges aus seinem Leben erfahren und seine Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und Zweifel nachfühlen. 11. Schattierungen Kinder, die in ihren Bildern Gegenstände oder Menschen schwarz ausmalen, drücken damit aus, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist. Menschen, die Angst haben oder depressiv sind werden entweder leicht schattiert gemalt oder schwarz ausgefüllt. Aber auch Menschen und Dinge, die bedrohlich sind. Vorsicht, wenn Kinder Menschen ausmalen. Es könnte sein, dass sie entweder einfach einen Farbigen malen wollen oder ihm einen dunkelblauen Pullover anziehen. 12. Das Objekt reicht über den Rand hinaus Selten malen Kinder ihre Bilder über den Rand hinaus. Kleinere Kinder im Kritzelstadium tun dies regelmäßig und es ist gut, ihnen eine reichliche Unterlage zum Schutz des Maltisches anzubieten. Aber, wenn Kinder sich im Alter von 5 - 6 Jahren und älter auf ein Bild konzentrieren wird höchstens die Wiese (Erde) oder der Himmel vom einen Blattrand bis zum anderen und darüber hinaus gemalt. Wenn Gegenstände aber am Rand unvollständig gemalt sind und eigentlich Platz für das ganze Objekt gewesen wäre ist dies ein Zeichen, dass etwas unbefriedigend oder am Rande passiert. Kinder malen in der Regel von der Blattmitte beginnend nach rechts und links. Wenn ein Kind aber einen großen Teil des Blattes unbemalt lässt und fast am Ende des rechten oder linken Bildrandes mit dem Malen beginnt, so kann auf Unsicherheit geschlossen werden. Und diese Unsicherheit hängt mit dem Gemalten zusammen. 13. Unzeitgemäße Darstellung Malt ein Kind den Weihnachtsbaum im Juli oder den Badestrand im Dezember, so hat dies eine besondere Bedeutung. Vielleicht erwartet es etwas Besonderes, auf das es sich freut oder vor dem es sich fürchtet? Das Kind in der Krebsklinik, das im Juli den Weihnachtsbaum gezeichnet hat, befürchtet das Weihnachtsfest nicht mehr erleben zu dürfen. Es will sich selbst Mut machen oder damit zum Ausdruck bringen, dass es gerne noch solange leben möchte. Der Nikolaus im März? Da ist schon die Frage erlaubt, ob es sich tatsächlich bei der gezeigten Gestalt um den Nikolaus handelt. Ist diese nikolausähnliche Person nicht der Junge aus dem Nachbarhaus, der im letzten Jahr Nikolaus gespielt hat und dessen große Nikolausmütze für das Phallussymbol steht, weil er den kleinen Jungen von nebenan zu sexuellen Handlungen zwingt? Es gibt meistens zwei Erklärungen: eine harmlose, der momentanen Wunschvorstellung entspringenden und eine problematisierende. Eine Deutung ohne Befragung des Kindes könnte uns auf die falsche Spur locken. 14. Einschlüsse und Einzäunungen Einschlüsse und Einzäunungen können zunächst auch ganz harmlose Erklärungen haben. Müssen Schafe nicht eingezäunt werden, dass sie nicht weglaufen, haben Kinder nicht schon Babys im Laufstall gesehen? Wenn solch eine Erklärung jedoch unwahrscheinlich ist, so können solche Zeichenelemente Aussagen über momentane Probleme geben oder als Hilfeschrei des Kindes verstanden werden. Eingeschlossensein kann Geborgensein symbolisieren, aber auch Ausgrenzung. Fühlt das Kind sich bei uns ausgegrenzt, hat es Angst vor den vielen Kindern um es herum und möchte sich deshalb mit einer Grenze umgeben? Oder ist die Person auf dem Bild ein Familienmitglied, das sich selbst ausgrenzt oder von den anderen zum "schwarzen Schaf" abgestempelt wird? 14. Verlängerung Wie schon erwähnt, malen vor allem Jungen sich häufig mit langen Gegenständen (Messern, Schwertern, Gewehren). Sie bringen dadurch zum Ausdruck, daß sie die Kontrolle über andere haben möchten. Ihnen fehlt es an Macht und Durchsetzungsvermögen. Aber auch bei Mädchenbildern ist dies zu beobachten. Eine Blume mit einem besonders langen Blütenstil, die das Kind in der Hand hält oder ein Stock, auch ein Besen oder Rechen könnte dasselbe bedeuten. Kinder fühlen sich unsicher und oft hilflos. Sie versehen sich selbst mit Symbolen der Macht und der Durchsetzungsfähigkeit, auch auf ihren Bildern. Dasselbe was für besonders lange Gegenstände gilt, gilt auch für Gegenstände, die Macht symbolisieren, entweder sind dies Maschinen, Autos oder auch Personen, denen man sich überlegen fühlt. Mädchen malen sich gerne mit Puppen oder kleinen Geschwistern. Könnte dies nicht dieselbe Bedeutung von Machtausübung haben wie die Gewehre der Jungen? 15. Rückseite Kinder schreiben ihren Namen in der Regel vorne auf das Bild. Kinder, die noch nicht schreiben können, geben der Erzieherin den Auftrag, ihren Namen auf der Rückseite zu vermerken. Die Schrift der Erzieherin hat vorne auf dem Bild nichts verloren. Wenn etwas auf die Rückseite gezeichnet ist, so bedeutet dies häufig, dass die Dinge auf der Rückseite nicht mit dem Bild auf der Vorderseite harmonisieren. Ist die Mutter auf die Rückseite verbannt, so ist sie vielleicht emotional für das Kind zu weit entfernt. Bei Familienbildern habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass Familienmitglieder angeblich auf der Vorderseite keinen Platz mehr fanden und dann auf die Rückseite gemalt wurden. Wenn etwas vergessen wird und dann noch auf die Rückseite gezeichnet wird, ist auch dies bedeutsam, da "Vergessenwerden" ein unbewußter, aber oft mit Problemen behafteter Vorgang ist. Kinder malen selten auf die Rückseite eines Blattes. Sie verwenden lieber zwei verschiedene Blätter. Eine harmlose Erklärung für Bilder auf der Rückseite könnten mangelnde Malblätter sein. Also müssen wir auch auf solche Dinge achten, bevor wir ein Bild interpretieren. 16. Unterstreichungen Unterstreichungen sind relativ selten im Kindergarten zu beobachten. Die Dinge und Menschen stehen meist auf einem festen Fundament (Wiese oder Erdboden) und sind dadurch natürlicherweise "unterstrichen". Wenn bei Zeichnungen eine einzelne Person unterstrichen ist, so fehlt dieser das Fundament. Wenn alle Personen unterstrichen sind und nur eine einzelne Person nicht, so ist diese Einzelperson besonders "standfest" (sie benötigt kein zusätzliches Fundament). Kinder stellen sich selten in den "freien Raum". Sie fühlen sich noch zu unsicher, um auf ein zusätzliches Fundament verzichten zu können. 17. Farben Farbe ist Licht, ist Musik. Die Farben aller Substanzen werden vom Licht erzeugt. Strahlungen bestimmter Wellenlänge zu sehen ist eine physiologische Voraussetzung. Sehr kurzes Licht ist für das menschliche Auge unsichtbar. Die Verwendung der verschiedenen Farben ist gekoppelt mit dem Charakter des Kindes, seinen sonstigen Vorlieben, seinem Temperament und seinen momentanen Stimmungen. Die hier angedeutete Farbsymbolik muß deshalb noch einmal auf den ganz individuellen Aspekt zugeschnitten werden. Blau ist das Meer. Blau gilt als kühl, zurückgezogen, transparent. Es wird mit Treue, Reinheit und Wahrheit in Verbindung gebracht. Die Farbe weicht vor uns zurück, ist unveränderbar, ist geduldig und leise. Braun ist die Farbe des Erdbodens. Braun ist Melancholie, Verfall, Beschmutzung. Oft entsteht diese Farbe aber auch aus ungeordneten Farbtöpfen als Mischfarbe und hat somit keine besondere Bedeutung. Gelb ist die Sonne, das Feuer und das Licht. Vordringlich, laut, grell, unbescheiden, erregend und alarmierend. Der Gelbsektor des Auges ist der weiteste, unter den Objekten, die ins Sehfeld kommen, wird die Farbe Gelb zuerst erkannt. Deshalb wird sie auch als Warnfarbe verwendet. Wer Gelb bevorzugt, hat etwas Abenteuerliches, Gefährliches an sich. Gelb/Gold das blendet. Grau ist die Mitte zwischen schwarz und weiß. Es gilt sowohl als vornehm als auch als unscheinbar. Gleichgültig, lähmend, blaß wird damit in Verbindung gebracht. Man spricht von der "Grauen Eminenz". Orange hat die strahlende Glut des Gelb und die Aktivität des Rot. Eine Farbe, die einen glücklichen, entspannten Geisteszustand vermuten lässt. Grün ist die Hoffnung. Eine Farbe des Frühlings, der ruhigen, stillen Fruchtbarkeit, der Ruhe des Waldes. Zum Gelb hin wird grün giftig, zum Blau hin morbide. Grün ist der Frosch, grün ist die Mischung zwischen gelb und blau und doch aktiver als blau und dabei im Gegensatz zu gelb ruhig und ausgeglichen. Rot ist die Farbe des Blutes, des Lebens, der Liebe. Keine Revolution, keine Kinderzeichnung die auf diese Farbe verzichten möchte. Sowohl Aktivität als auch Mordlust werden mit ihr in Verbindung gebracht. Leben und Zerstörung. Kraft, Entschlossenheit, Sieg und Freude werden durch diese Farbe zum Ausdruck gebracht. Schwarz als Gegenfarbe von Weiß ist Abwesenheit, Dunkel. Symbol für Trauer, Hoffnungslosigkeit, Weltverneinung, Anfang. Auch als Durchgangsphase wird die Farbe Schwarz bezeichnet. Violett hat die Motorik des Rot und das verinnerlichte Blau in sich. Es gilt als die Farbe der Kirche und der Märtyrer. Himmel und Erde, Bewußtsein und Traum verbindet diese Farbe. Es zeigt und löst Konflikte. Weiß gilt im Orient als Farbe des Todes. Es ist entleert, steht für die Unschuld des ungebrochenen Lichtes. Taucht auf Kinderbildern selten auf, weil meist nur weiße Malblätter zur Verfügung stehen. Für die Darstellung von Schnee ist es jedoch unentbehrlich. Kinder probieren verschiedene Farben aus, malen in der Regel bunte Bilder und verwenden viele verschiedene Farben. Sie versuchen, je älter sie werden, möglichst naturgenau zu malen und benötigen dazu viele Zwischentöne und Farbabstufungen. 18. Ausradierungen/ Neuzeichnung Da Kinderbilder meist von Anfang an farbig gemalt werden, geschieht es selten, dass etwas ausradiert wird. Sie nehmen lieber ein anderes Papier vor und beginnen von neuem. Es passiert häufig, dass Kinder mit ihren Bildern unzufrieden sind und immer wieder von vorne beginnen, vor allem, wenn sie sich an einem neuen Motiv versuchen. Dies hat nichts zu bedeuten, es zeigt lediglich eine Erprobungsphase. Wenn ein Kind jedoch einen Gegenstand oder eine Person, den es schon mehrmals gemalt hat ausstreicht, übermalt oder das Bild zerreißt und dies öfter passiert ist es an der Zeit sich darum zu kümmern. Welches Bild gerät immer unzufriedenstellend? An welcher Person auf dem Bild liegt das? Welche Ursache wird vom Kind selbst genannt? Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem übermalten Gegenstand oder der geschwärzten Person können die Ursache sein. Wenn das übermalte durch Neues ersetzt wird und dies besser gelingt, so ist dies als positives Zeichen zu werten. Oft werden solche Erneuerungen auch vorgenommen, weil der eigene Anspruch höher ist als die Fähigkeit, dies auf das Bild zu bringen. 19. Schrift in Bildern In Kinderbildern befinden sich Sprechblasen oder der eigene Namenszug. Es ist wichtig, dass andere wissen, von wem dieses Bild stammt und dass es dem Träger dieses Namens gehört. Der Stolz auf das eigene Werk hängt damit zusammen. Bilder, die nicht gut gelingen, werden selten mit Namen versehen und namenlos verschenkt oder weggeworfen. Kinder malen Geschichten und erklären diese auch, sobald sie schreiben können mit zusätzlichen Worten, die sie einfügen. Sie sollen die Bedeutung, die das Kind dem Bild gibt unterstreichen und vor Fehlinterpretationen schützen. 20. Linie am oberen Rand Am oberen Rand wird zumeist ein blauer Streifen für den Himmel gemalt. Er ist Symbol für das Unabänderliche, kann aber auch, je nachdem wie dunkel diese Linie ausfällt als bedrohlich gelten. Eingesperrtsein, aber auch Geborgenheit können damit zum Ausdruck gebracht werden. 21. Durchsichtigkeit In einer bestimmten Phase der Malentwicklung ist es normal, dass man durch Dinge hindurch auf Dahinterliegendes sehen kann. Alles, was man weiß, wird gemalt, auch, wenn es sich hinter einer Wand befindet. Wenn ältere Kinder oder Erwachsene Wände oder Körper durchsichtig malen, so drücken sie damit aus, dass sie ungeschützt sind oder sich kontrolliert fühlen. 22. Reihenfolge Für jede Zeichnung gilt, dass die Reihenfolge der Zeichnung auch für die Wichtigkeit der gezeichneten Personen und Dinge steht. Das Wichtigste wird in der Regel zuerst gemalt (anders ist das bei "versteckten" Botschaften). Bei Kinderbildern ist dies meist die eigene Person, die nicht nur in den Mittelpunkt gerückt wird, sondern auch zuerst gemalt wird. Wenn wir beobachten, was Kinder zuerst auf ihr Blatt malen, so haben wir einen Hinweis auf die Bedeutung, die das Kind dem Bild geben will. Die erste Malphase bringt dann die Bezüge, die sich mit dem ersten Motiv verbinden, die weitere Zeit verbringt das Kind mit Ausschmückungen und Ergänzungen. Kinder malen Bilder auch auf mehrere Etappen. Da sie sich emotional mit dem Gemalten auseinandersetzen und auch ihre Hand bald müde wird, entschließen sie sich manchmal dazu, später weiterzumalen. Wenn wir Kinder beim Malvorgang beobachten und die Reihenfolge genau festhalten, so können wir auf wichtige Botschaften, die das Kind uns damit vermittelt stoßen. 6. Pädagogische Aspekte Kinderbilder sind unter dem Aspekt der Tätigkeit zu betrachten. Die Entwicklung der Handgeschicklichkeit, die Entstehung eines Produktes ist zunächst dabei wichtig. Bilder entstehen auch in unseren Träumen, Menschen "erschaffen" sie jede Nacht. Und wie in Träumen versteckte Informationen, Ängste, Befürchtungen aber auch freudige Erwartungen verborgen sind, so kommen solche in Kinderbildern täglich zum Ausdruck. So wie Träume oft für den Schläfer überraschend auftauchen, entstehen auch Bilder oft aus dem Unbewußten und können vom Malenden selbst nur erahnt und nicht beschrieben werden. Kinder erklären uns zwar ihr Bild, aber sie können Dinge darin, die in ihrem Unbewußten entstanden sind nicht beschreiben. Kinderbilder sind Briefe. Aber an wen? Kinder malen sich die Botschaften, die sie an uns weitergeben wollen. Sie schreiben sich aber auch selbst Briefe, indem sie ein Bild malen und etwas ausdrücken, was ihnen noch unbewußt ist oder unter der Oberfläche vor sich hinschwelt. Welche pädagogischen Konsequenzen müssen wir nun aus den vorangegangenen Aussagen ziehen? Gebt Kinder vielfältige Materialien zur bildhaften Gestaltung an die Hand. Malstifte, Farben, Pinsel, Papiere, Pappe, Stoffe, Leder, Klebstoffe, aber auch Ton, Speckstein usw. Sie erleben damit nicht nur, dass sie etwas schaffen können, sondern sie bearbeiten gleichzeitig innere Konflikte und Spannungen. Für die körperliche Ertüchtigung, die emotionale und kreative Entwicklung, sowie die kognitive Auseinandersetzung ist Malen unverzichtbar. Laßt Kinder frei und ungezwungen mit diesen Materialien experimentieren. Es geht nicht in erster Linie um die Interpretation der Kinderbilder, sondern um den Malvorgang selbst. Kinderbilder nicht abwerten, daraus Bilderbücher gestalten, Wandbilder aufhängen, Geschichten malen lassen etc. Achtung: alle Bilder müssen aufgehängt werden, nicht nur die Bilder von besonders malbegabten Kindern! Beobachtet genau und macht euch Notizen zu den Kinderbildern. Diese können dann dazu dienen, Fehlentwicklungen und Probleme zu erkennen, aber auch die Anerkennung der Leistung für das Kind selbst bringen. Kinderbilder sind immer "schön". Es gibt nur nachlässige und schlampig gemalte Bilder, aber keine häßlichen. Ermutigt die Kinder, für ihre Bilder viel Sorgfalt zu verwenden. Sie werden dann auch andere Dinge sorgfältig erledigen. Wenn ein Problem auftaucht, zur Interpretation auf jeden Fall die Aussage des Kindes einbeziehen. Familiäre Probleme, die in den Bildern zum Ausdruck kommen, nach Möglichkeit mit den Eltern besprechen. Bei Verdacht auf sexuellen Mißbrauch sorgfältig abwägen, was wichtiger ist, der Schutz des Kindes oder die rasche Aufklärung. Scheint sich ein Verdacht zu erhärten (Rat bei einer Beratungsstelle einholen), zusammen mit den Fachleuten, evtl. der Mutter einen Hilfeplan entwickeln. Auch Frauenhäuser haben dafür ExpertInnen. Die Interpretationshilfen für das bessere Verständnis einsetzen, nicht, um Vorurteile zu bestätigen, Probleme in Kinderbilder zu interpretieren oder Kinder zu therapeutisieren. Dazu gibt es genügend Fachleute! Malen ist eine Ausdrucksweise kindlicher Lebensfreude. Kinder malen, matschen und arbeiten gerne mit allerlei Materialien. Dabei bilden sie viele Fähigkeiten spielerisch aus. In Tageseinrichtungen für Kinder ist Malen so an der Tagesordnung, dass es oft versäumt wird, die Botschaften, die Kinder in ihren Bildern an uns richten wahrzunehmen. Erzieherinnen sollten sich deshalb einmal intensiv mit der Wahrnehmung und Interpretation von Kinderbildern beschäftigen, um diesen den ihnen gebührenden Respekt zu zollen. Kinderbilder bieten neben Beobachtungsstudien die Möglichkeit, frühzeitig Störungen im kindlichen Wohlbefinden zu bemerken und frühzeitig Hilfen anzubieten. Außerdem können Erzieherinnen in Elternabenden die Möglichkeit nutzen, Eltern über die Entwicklung der Malfähigkeiten von Kindern und den Ausdrucksmöglichkeiten in Kinderbildern zu informieren. Örtliche MaltherapeutInnen können ihnen dabei zur Seite stehen, PsychologInnen die unbewußt bleibenden Anteile referieren oder über besondere Symbole der Kinderzeichnung berichten. www.kindergartenpaedagogik.de/429.html