Theoretische Physik fürs Lehramt: L2 Beatrix C. Hiesmayr Faculty of Physics, University Vienna [email protected] WS 2015 Kapitel 5 Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen Bis jetzt haben wir hauptsächlich Photonen und ihre Polarisation betrachtet. Diese Experimente konnten wir —außer für schwache Strahlen— auch klassisch verstehen. Wir wollen hier eine Eigenschaft von Quantenobjekten betrachten, die klassisch nicht erklärt werden kann, und können so gleich den von Pauli eigens dafür entwickelten praktischen Formalismus (Pauli Matrizen) kennen lernen, der allgemein für physikalisches Systeme mit zwei Freiheitsgraden funktioniert. Dieser Formalismus erlaubt uns auch die allgemeinsten mathematischen Elemente kennenzulernen, die einen physikalischen Zustand beschreiben können, der Dichteoperator. 5.1 Das Stern–Gerlach Experiment Das im Jahre 1922 von Otto Stern und Walther Gerlach in Frankfurt durchgeführte Experiment mit Silberatomen ist sicher auch eine Geburtsstunde der Quantentheorie. Es veranlasste Samuel Goudsmit und George Uhlenveck zu der Hypothese eines Spins (1925). Die Geschichte rund um die Entdeckung der Quanteneigenschaft Spin ist sehr spannend und zeigt einmal mehr, wie Zufall, Glück und falsche Annahmen zu neuen Erkenntnissen führt. In Kürze: Um die Aufspaltung von einem neutralen Strahl aus Atomen in zwei zu erklären, die Stern und Gerlach “space quantization” nannten, führte Wolfgang Pauli eine neue intrinsische Eigenschaft des Elektrons ein: “Eine klassisch nicht beschreibbare Art von Zweideutigkeit” wie er sie in den zwei Artikeln publiziert 1925 in der Zeitschrift für Physik nannte. Ralph Kronig, ein junger Student, schlug vor, dass es sich hierbei um eine Eigenrotation (Spin) des Elektrons handeln könnte. Diese Idee wurde schwer von Wolfgang Pauli als Blödsinn kritisiert, wie sollte man sich auch eine rotierende punktförmige Ladung vorstellen und außerdem war das Ergebnis des magnetischen Moments um eine Faktor 2 falsch. Daraufhin traute sich Kronig die Idee nicht zu publizieren. Im gleichen Jahr hatten Goudsmit und Uhlenveck die gleiche Idee an der Universität in Leiden. Ihr Mentor war Paul Ehrenfest. Er hielt die Idee auch für falsch, aber er bestärkte die zwei jungen Physiker trotzdem ihre Idee zu publizieren. Mehr zum Jahrhundertexperiment von Stern und Gerlach können sie zum Beispiel in Physics Today 56 (12), 53 (2003) von B. Friedrich oder D. Herschbach nachlesen. Mehr zu “The spinning electron” zum Beispiel in Nature Physics 28 February 2008 von Alison Wright. Heute weiß man, dass alle Elementarteilchen einen intrinsischen Spin besitzen, wobei interessanter Weise nur halbzahliger oder ganzzahliger Spin erlaubt sind. Halbzahlige Spinteilchen nennt man FERMIONEN und die ganzzahligen Spinteilchen BOSONEN. Wie wir auch in der Statistische Physik genauer untersuchen werden, unterscheiden sich Fermionen von Bosonen ganz stark in ihren physikalischen Eigenschaften. So sind Teilchen, die unsere Materie aufbauen, (Elektronen, Protonen, Neutronen) Fermionen und Bosonen Teilchen, 53 Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen Abbildung 5.1: Ein Inteferometer aus einem Einkristall. Siehe dazu auch zum Beispiel G. Badurek et al., Phys. Rev. D 14, 1177 (1976); J. Summhammer et al., Phys. Rev. A 27, 2523 (1983); G. Badurek et al., Phys. Rev. Lett. 51, 1015 (1983). die die Kräfte vermitteln (Photonen (Spin 1, elektromagnetische Wechselwirkung), W ± , Z (Spin 1, schwache Wechselwirkung (Radioaktivität), Gluon (Spin 1, starke Wechselwirkung (Kernkraft))). Um die experimentellen Züge des Stern-Gerlach-Experiments zu erfassen, betrachten wir einen Strahl elektrisch neutraler, gleicher Teilchen (z.B. Atome der gleichen Sorte, Neutronen, Moleküle usw.). Der Strahl soll genügend intensitätsschwach sein, so dass Wechselwirkungen der Strahlteilchen untereinander (z.B. Stöße) vernachlässigt werden können. Im Idealfall, b.z.w. heute experimentell in sehr guter Näherung möglich, befindet sich immer nur ein Teilchen in der Versuchsanordnung. Die Teilchen sollen alle die gleiche kinetische Energie haben. Im Strahlengang ist ein genügend langer Magnet angebracht, der ein Magnetfeld mit relativ hoher Feldstärke hervorruft. Die Polschuhe sind so geformt, dass das Feld in Ebenen senkrecht zur Strahlrichtung inhomogen ist. Als experimentelles Resultat ergibt sich, dass der Strahl in eine Anzahl von Teilstrahlen aufgefächert wird, die deutlich voneinander getrennt sind. Die Zahl der Teilstrahlen hängt von der Sorte der Strahlteilchen ab. Das Originalexperiment wurde mit Silberatomen durchgeführt und ergab eine Zweifachaufspaltung. Die Aufspaltung kann aber auch bei anderen Teilchensorten beobachtet werden. Etwa 10% der Atomsorten des periodischen Systems zeigen keine Aufspaltung. Bei allen anderen Sorten erfolgt eine Aufspaltung in zwei, drei oder mehr Teilstrahlen. Auch für Strahlen aus angeregten Atomen oder Molekularstrahlen kann bei genügender experimenteller Sorgfalt eine Aufspaltung in diskrete Teilstrahlen beobachtet werden. Neutronenstrahlen werden immer nur in zwei Teilstrahlen aufgespalten. Die Aufspaltung ist allerdings um mehr als drei Größenordnungen kleiner und daher verwendet man einen anderen Versuchsaufbau. Mit Hilfe eines Interferometer aus einem Einkristall, das die zwei Österreicher Rauch und Badurek am Atomreaktor im Prater federführend entwickelt haben, kann man den Spin und viele andere Quantenphänomene eindrucksvoll nachweisen. Zum Beispiel kann das Erdgravitationsfeld eine messbaren Unterschied in den zwei Wegen des Interferometers verursachen. Neutrale Teilchen werden in einem inhomogenen Magnetfeld abgelenkt, wenn sie ein magnetisches Moment µ ⃗ haben. Die ablenkende Kraft zu einer Ablenkung, die umso größer ist, je länger der Magnet und je leichter und langsamer die Teilchen sind. Das neutrale Atome als Folge der Bahnbewegung der Elektronen um den Kern 54 5.2. Spin 1 2 Teilchen ein magnetisches Moment haben, ist zu erwarten. Aus klassischen Überlegungen folgt, dass dieses Moment ⃗ proportional ist. In einem Teilchenstrahl sollten die Drehimpulsrichtungen dem gesamten Drehimpuls L der einzelnen Teilchen statistisch verteilt sein; man würde daher erwarten, dass der Strahl in z–Richtung fächerförmig breiter wird. Das steht in krassem Gegensatz zur experimentell beobachteten Aufspaltung in diskrete Teilchen. Wollte man dieses Resultat in Termen des klassischen Modells interpretieren, so müsste man schließen, dass die magnetischen Momente (bzw. die Drehimpulse) der Strahlteilchen nicht statistisch verteilt sind, sondern dass es einige Teilchengruppen gibt, die bestimmten Richtungen entsprechen. Bei Zweifachaufspaltung hätten z.B. die Teilchen alle den gleichen Betrag von µz , aber die Teilchen im einen Teilstrahl würden sich von denen im anderen durch das Vorzeichen von µz unterscheiden. Man müsste schließen, dass es in der Quelle, aus der die Teilchen stammen, einen Mechanismus gibt, der eine Richtung für das magnetische Moment oder den Drehimpuls auszeichnet. Diese Interpretation enthält aber eine wesentliche Schwierigkeit: Die Quelle kann nichts von der Richtung des Magnetfeldes wissen! Diese wählt ja der Experimentator! Führt man das Experiment mit einem Magneten durch, der um die Strahlrichtung um einen bestimmten Winkel verdreht ist, so erfolgt die Aufspaltung in Teilstrahlen in der neuen z-Richtung. Eine korrekte Beschreibung des experimentellen Befundes muss damit der Tatsache Rechnung tragen, dass die Richtung der Aufspaltung durch den Magneten bestimmt wird und nicht durch die Richtung des Moments µ ⃗ eines Strahlteilchens. Offenbar dürfen wir dem magnetischen Moment eines einzelnen Teilchens (oder seinem Drehimpuls) keine bestimmte Richtung zuschreiben. Wie sieht nun eine quantentheoretische Beschreibung aus? Die Aufspaltung des Strahls in diskrete Teilstrahlen legt die Verwendung des quantenmechanischen Zustandsbegriffs nahe. Dazu fassen wir den Magneten des Experiments als Analysator auf. Um sicherzustellen, dass er diese Funktion erfüllt, müsste man zwei Stern-Gerlach-Apparate hintereinanderschalten und sich davon überzeugen, dass sie die entsprechenden Eigenschaften aufweisen. Ein solches Experiment ist aufwendig, aber teilweise nicht möglich (Analysatorkreis ist technisch nicht durchführbar), und funktioniert in gleicher Weise wie unsere Polarisationsapparate. Ein Stern-Gerlach-Analysator spaltet also einen Strahl in mehrere auf und erzeugt damit ein Mehrzustandssystem. Die Zahl der Zustände ist durch die Zahl der Teilstrahlen gegeben, in die der Eingangsstrahl aufgespalten wird. Sie ist für die Teilchensorte charakteristisch, die analysiert wird. Der problematische Begriff “Richtung des magnetischen Moments eines Teilchens” wird bei dieser Zustandsdefinition nicht verwendet. Da die Zustände mit Hilfe eines Messapparats definiert werden, ist es evident, dass die Richtung der Aufspaltung durch den Apparat bewirkt wird [Erinnern Sie sich an unsere ersten Experimente mit polarisiertem Licht!]. Diese Richtung wird die Quantisierungsrichtung genannt und man nennt das System ein System mit Spin j, wenn die Aufspaltung in 2j + 1 Teilstrahlen erfolgt (j = 0, 1/2, 1, 3/2, . . . ). Die Zahl j sind also ein Charakteristikum der Teilchen, aus denen der Strahl aufgebaut war: Jedes Strahlteilchen hat den gleichen Zahlenwert, denn der Strahl besteht voraussetzungsgemäss aus identischen Teilchen. Für die 2j + 1 Zustände des Systems kann man mit hintereinander geschalteten Stern-Gerlach Apparaten zeigen, dass diese Zustände orthogonal (und vollständig) zueinander sind, also eine Basis bilden. 5.2 Spin 1 2 Teilchen Neutronen, Protonen und Elektronen sind zum Beispiel alles Spin 1/2 Teilchen. Solche Zustände besitzen ⃗ existieren muss, einen “inneren” Drehimpuls (Spin). Aus den Experimenten folgt, dass ein Spinvektor S dessen Komponenten ausschließlich die Werte ± ~2 annehmen können. Man kann den Zustand mit |s, sz ⟩ 55 (5.1) Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen bezeichnen und es gibt zwei Möglichkeiten 1 1 | , ⟩, 2 2 Diese können wir auch einfacher durch ( | + z⟩ = | ⇑⟩ ≡ 1 0 1 1 | ,− ⟩ . 2 2 ) (5.2) ( , | − z⟩ = | ⇓⟩ ≡ 0 1 ) (5.3) ausdrücken. Es ist praktisch für solche Zweizustandssysteme die Pauli–Operatoren (–Matrizen) einzuführen. Diese 3 Operatoren definieren sich durch die Regeln (darstellungsunabhängig) = σk† σk Hermitizität = δij 1 + i εijk σk . σi σj (5.4) Das bedeutet insbesondere, dass zwei verschiedene Paulioperatoren kommutieren σi σj ̸= σj σi i ̸= j . (5.5) Wie wir noch sehen werden, spielt diese Eigenschaft eine zentrale Rolle bzw. kommt oft vor, daher wurde dafür ein eigenes Symbol eingeführt, der Kommutator [σi , σj ] := σi σj − σj σi = 2 i εijk σk (5.6) [σi , σj ]+ := {σi , σj } := σi σj + σj σi = 2δij 1 . (5.7) und der Antikommutator . (Für andere physikalische Situationen ist die Angabe, wie sich diese Größen unter Vertauschung verhalten das Charakteristische.) Eine mögliche Matrixdarstellung der Paulioperatoren sind die folgenden Matrizen (die hauptsächlich verwendete Darstellung; bezogen auf z–Achse) ( ) 0 1 σx = = | ⇑⟩⟨⇓ | + | ⇓⟩⟨⇑ | , 1 0 ( ) 0 −i σy = = −i| ⇑⟩⟨⇓ | + i| ⇓⟩⟨⇑ | , i 0 ( ) 1 0 σz = = | ⇑⟩⟨⇑ | − | ⇓⟩⟨⇓ | , (5.8) 0 −1 und der Einheit 1 = ( 1 0 0 1 ) = | ⇑⟩⟨⇑ | + | ⇓⟩⟨⇓ | . (5.9) Eine weitere praktische Eigenschaft der Paulimatrizen ist, dass ihre Spur (=die Summe der Diagonalelemente) verschwindet T r(σj ) = 0 (5.10) det σj = −1 (5.11) und dass die Determinate 56 5.3. Die Bloch–Kugel: Eine anschauliche Darstellung von Zweizustandssystemen ergibt. Jede daraus durch unitäre Transformation hervorgehende neue Darstellung ist natürlich genauso gut. Benützt man für Rechnungen nur die algebraischen Eigenschaften der Paulimatrizen, so sind alle Resultate darstellungsabhängig. Die obige Wahl der Paulimatrizen stellt also eine Art Wahl des “Koordinatensystems” , mit dem gearbeitet wird, dar (vergleichen Sie mit Abschnitt ??). Die Paulimatrizen können auch als Komponenten eines Vektoroperators aufgefasst werden. Das erspart viel Schreibarbeit. Insbesondere bedeutet dann 3 ∑ ⃗a · ⃗σ = ak · σk = ax σx + ay σy + az σz k=1 ( = = az ax + iay ax − iay −az ) az | ⇑⟩⟨⇑ | − az | ⇓⟩⟨⇓ | + (ax − iay )| ⇑⟩⟨⇓ | + (ax + iay )| ⇓⟩⟨⇑ | (5.12) Zusammen mit der Einheit 1 bilden die Paulimatrizen eine vollständige Basis im Hilbertraum jedes Zweizustandsystems. Jede 2 × 2 Matrix kann durch ein Kombination von {1, ⃗σ } beschrieben werden, d.h. insbesondere, dass jeder Zustand und jeder Operator durch {1, ⃗σ } dargestellt werden kann. Das nützen wir gleich mal aus und betrachten die berühmte sehr anschauliche Bloch Kugel. 5.3 Die Bloch–Kugel: Eine anschauliche Darstellung von Zweizustandssystemen Hier werden wir sehen, dass der Diracsche Zustandsvektor nicht das allgemeinste Objekt darstellt, das wir zur Beschreibung des Zustandes von einem Quantenteilchen brauchen. 5.3.1 Allgemeine Definition Wir haben schon gesehen, dass das Objekt | ⟩⟨ | einen Operator darstellt. Bildet man das Objekt |ψ⟩⟨ψ| , (5.13) das einen Dichteoperator (auch Dichtematrix oder schlampig Zustand genannt) darstellt, dann kann die allgemeinste Form eines Zustandes eines Zweizustandsystems durch den folgende Dichteoperator (Dichtematrix) beschrieben werden 1 ρ = {1 + ⃗n · ⃗σ } 2( ) 1 1 + nz nx − iny = . (5.14) nx + iny 1 − nz 2 Warum man ihn “Dichte” –Operator nennt werden wir noch besprechen. Für beliebige Dimensionen (und Anzahl von Teilchen) braucht man nur drei Eigenschaften zu fordern. Allgemein ist ein Dichteoperator oder auch statistischer Operator ρ definiert durch die folgenden drei Eigenschaften (darstellungsunabhängig, dimensionsunabhängig) (a) T rρ = 1 (Normierung) (b) ρ = ρ† (Hermitizität) (c) ⟨ϕ|ρ|ϕ⟩ ≥ 0 ∀ ϕ (Positivität) . Die letzte Eigenschaft ist äquivalent zu der Forderung, dass alle Eigenwerte von ρ ≥ 0 sind. 57 Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen 5.3.2 Anwendung auf das Zweizustandssystem Kommen wir zu unseren Zweizustandssystem zurück. Die zweite Eigenschaft verlangt, dass der dreidimensionale Vektor ⃗n nur reelle Komponenten hat, also im R3 lebt. Die dritte Eigenschaft ergibt die Forderung |⃗n|2 ≤ 1 , (5.15) d.h. die Länge des Vektors ⃗n ist höchstens 1. Falls die Länge |⃗n| = 1 ist, dann beschreibt der Dichteoperator einen reinen Zustand (allgemein definiert durch T r(ρ2 ) = T r(ρ) = 1), falls |⃗n| < 1 dann gemischt (allgemein definiert durch T r(ρ2 ) ≤ 1, bzw. T r(ρ2 ) ̸= T r(ρ)). Wir werden uns noch später darüber unterhalten, welchen Unterschied das macht. Bis jetzt haben wir nur reine Zustände betrachtet, da sich nur diese durch einen ket oder bra Vektor darstellen lassen! Drücken wir die Komponenten des Vektors ⃗n in Kugel–Koordinaten aus (da |⃗n| ≤ 1, bzw. T r(⃗σ ρ) = ⃗n) nx = r sin θ cos ϕ ny nz = r sin θ sin ϕ = r cos θ (5.16) mit |⃗r | ≤ 1 , erkennen wir, dass alle Zustände durch einen reellen Vektor beschrieben werden können, deren Menge einer Vollkugel entspricht, der so genannten Blochkugel: Reine Zustände: Den reinen Zuständen entsprechen die Punkte auf der Oberfläche der Kugel, denn für 58 5.4. Messdynamik anhand der Blochkugel |⃗n| = 1 sind die Eigenwerte von ρ nur 0 und 1: det(ρ − λ1) = ( 1 + nz 1 − nz nx − iny nx + iny ! − λ)( − λ) − ( )( )} = λ(λ − 1) = 0 2 2 2 2 (5.17) Zunächst betrachten wir nur reine Zustände. Dann kann jeder mögliche reine Zweilevel–Zustand so beschrieben werden (bis auf eine Gesamtphase, die physikalisch keine Rolle spielt) |ψ(θ, ϕ)⟩ = cos θ θ |0⟩ + sin · eiϕ |1⟩ . 2 2 (5.18) Man nennt Zustände, die allgemein zwei Freiheitsgrade haben, auch Qubits. Dazu gehört die Polarisation von Photonen, alle Spin 12 Teilchen und z.B. neutrale Kaonen oder neutrale B–Mesonen. 5.4 Messdynamik anhand der Blochkugel Was bewirkt eine projektive Messung? Jeden beliebigen Zustandsvektor |ψ(θ, ϕ)⟩ kann man in zwei orthogonale Eigenvektoren |0⟩ und |1⟩ zerlegen. Diese können wir zum Beispiel als Eigenvektoren von σz auffassen. Hierzu legen wir die z–Richtung auf der Blochkugel fest. Eine Messung dieser Observablen bewirkt dann einen “sprunghaften” Übergang von einem Ausgangszustand |ψ(θ, ϕ)⟩ in den Endzustand |0⟩ oder |1⟩ je nach Messergebnis: P |ψ(θ, ϕ)⟩ P⊥ |ψ(θ, ϕ)⟩ θ |0⟩ 2 θ = |1⟩⟨1|ψ(θ, ϕ)⟩ = sin · eiϕ |1⟩ 2 P + P⊥ = 1 . = |0⟩⟨0|ψ(θ, ϕ)⟩ = cos (5.19) Man beachte, dass nach einer Projektion der Output–Zustand i. Allg. nicht mehr normiert ist (eh klar!). In der Quantentheorie spricht man vom so genannten “Messproblem” . Dabei handelt es sich darum, dass man zwar den obigen Formalismus hat, um eine Messung zu beschreiben, aber nicht versteht (oder auch modellieren kann), wie man vom Input–Zustand plötzlich in den Output–Zustand kommt, man spricht auch vom Kollaps der Wellenfunktion. Im Dichteformalismus sieht das dann so aus: Der Dichteoperator ist gegeben durch ( ρ = |ψ(θ, ϕ)⟩⟨ψ(θ, ϕ)| = = cos2 θ2 θ cos 2 sin θ2 · e+iϕ cos θ2 sin θ2 · e−iϕ sin2 θ2 ) θ θ cos2 |0⟩⟨0| + sin2 |1⟩⟨1| 2 2 θ θ θ θ + cos sin · e−iϕ |0⟩⟨1| + cos sin · eiϕ |1⟩⟨0| 2 2 2 2 (5.20) Die Wahrscheinlichkeit 0 zu messen ist in der uns bereits bekannten Vektorschreibweise gegeben durch W (0|ψ(θ, ϕ)) = 2 |P0 |ψ(θ, ϕ)⟩| = cos2 2 θ θ = |0⟩⟨0| (cos |0⟩ + sin · eiϕ |1⟩) 2 2 θ . 2 (5.21) 59 Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen Die gleiche Rechnung können wir im Dichteoperatorformalismus machen W (0|ψ(θ, ϕ)) ( ) ( 1 0 cos2 θ2 T r(P0 ρ) = T r( · θ 0 0 cos 2 sin θ2 · e+iϕ ( ) θ cos2 θ2 cos θ2 sin θ2 · e−iϕ = = cos2 . 0 0 2 = cos θ2 sin θ2 · e−iϕ sin2 θ2 ) (5.22) Im ket und bra Formalismus kann man natürlich genauso arbeiten: W (0|ψ(θ, ϕ) = T r(P0 ρ) = = ∑ j ∑ ⟨j| P0 ρ |j⟩ = j ∑ ⟨j| |0⟩⟨0| ρ |j⟩ j θ ⟨j|0⟩⟨0| ρ |j⟩ = ⟨0| ρ |0⟩ cos2 . | {z } 2 (5.23) δ0,j Wir erkennen, dass die Spur T r nichts anderes ist als die Summe über irgendwelche vollständigen Basiszustandsvektoren. 5.5 Die unitäre Dynamik anhand der Blochkugel Wir wollen uns nun mit der Frage beschäftigen, wie sich ein Zustandsvektor |ψ⟩ verändert, wenn ein unitärer Operator U angewendet wird. Wir wissen bereits, dass das Ergebnis wieder ein Zustandsvektor sein wird, der falls |ψ⟩ normiert war, wieder normiert ist, also |ψ ′ ⟩ = U |ψ⟩ . (5.24) Sowohl die Zeilen als auch die Spalten einer unitären Matrix sind untereinander paarweise orthonormal ∑ ∗ = δij ). Die Auswertung der entsprechenden Relationen werden wir nicht im Detail verfolgen, ( j Uij Ukj sie ergibt für Zweizustandssysteme: U ( ) α α α = eiδ e−i 2 ⃗e·⃗σ = eiδ cos 1 − i sin ⃗e · ⃗σ , 2 2 (5.25) wobei ⃗e die Einheitsdrehachse darstellt, α den Drehwinkel und δ eine beliebige Phase. Beispiel: (siehe auch UE) Um die Wirkung von U auf der Blochkugel zu veranschaulichen, betrachten wir eine Drehung um die z–Achse. Der allgemeine Phasenfaktor δ spielt keine Rolle für den Zustandsvektor, da dieser nur bis auf diese Phase definiert werden kann. Damit ist der unitäre Operator gegeben durch U = e−i 2 ⃗ez ·σz = e−i 2 |0⟩⟨0| − ei 2 |1⟩⟨1| . α α α (5.26) Wir sehen, dass der neue Zustand genau um α um die z-Achse gedreht wurde. In der Quanteninformationstheorie spielen spezielle unitäre Operatoren eine besondere Rolle, die auch Quantengatter (quantum gates) genannt werden. Hierzu gehören alle Paulimatrizen, deren Wirkung wir bereits beschrieben haben, plus die folgenden häufig benutzten Gatter. Ein zukünftiger Quantencomputer muss alle solche Operationen durchführen können und noch bestimmte Zweiteilchenoperationen. 60 5.6. Was sind gemischte Zustände? 5.6 Was sind gemischte Zustände? Betrachten wir folgendes Experiment: Alice schickt uns entweder ein vertikal polarisiertes Photon oder ein horizontal polarisiertes Photon, wobei sie uns nicht verrät, welches Photon jetzt V oder H polarisiert ist, aber von den 100 Photonen sind genau 50 V polarisiert und 50 H polarisiert. Was können wir über das Ergebnis bei Messung in der H/V aussagen? Die Antwort lautet, “nichts” , da ( ) 1 1 1 1 1 0 ρ = |H⟩⟨H| + |V ⟩⟨V | = (5.27) = 1 0 1 2 2 2 2 oder genauer formuliert das Ergebnis H und V ist genauso wahrscheinlich. Nun tritt etwas auf, dass ganz gegen unseren Hausverstand geht, und sehr viele Probleme beim Verständnis generiert. Das gleiche Ergebnis erhält man, falls in anderer (und damit beliebiger) Basis, z.B. +45◦ / − 45◦ Basis, geschickt wurde ( ) 1 1 1 1 1 0 (5.28) = 1. ρ = | + 45◦ ⟩⟨+45◦ | + | − 45◦ ⟩⟨−45◦ | = 0 1 2 2 2 2 Die zwei Fälle sind nur unterscheidbar, falls wir wissen wie der Zustand wirklich präpariert wurde. Falls in der H/V Basis präpariert wurde, dann führt eine Messung in der H/V Basis zu genau 50 Photonen die H 61 Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen und 50 die V sind, falls wir hingegen in einer anderen beliebigen Basis messen, erhalten wir z.B. 49 Photonen mit dem einen möglichem Ergebnis und die anderen 51 Photonen mit dem anderen möglichen Ergebnis. Wir haben es hier also mit einer klassischen Unkenntnis über den Zustand des Systems zu tun. Der obige Zustand befindet sich im Ursprung der Blochkugel. Alle Zustände, die sich nicht auf der Oberfläche der Kugel befinden, werden gemischte Zustände genannt. Sie können nicht durch Zustandsvektoren oder Wellenfunktionen dargestellt werden können. Diese Zustände besitzen eine klassische Unsicherheit, die man zum Beispiel durch den Radius charakterisieren kann. Damit erkennen wir, dass die Dichteoperatoren die besseren Konstrukte als die Zustandsvektoren sind, da sie einerseits allgemeiner sind als Zustandsvektoren andererseits das allgemeinste Konstrukt, dass mit der Wahrscheinlichkeitsstruktur verträglich ist (Theorem von Gleason). In der Natur werden wir nie ein Quantensystem finden, das von der Umgebung völlig isoliert ist. Die Idealisierung “isoliertes” System reicht aber für (sehr) viele Experimente aus und daher ist es meist ausreichend “nur ” mit Zustandsvektoren zu arbeiten. Die älteren Quantenmechanikbücher bringen das Konzept des Dichteoperators meist gar nicht oder sehr kurz. Ein Grund dafür ist, dass für die zunächst betrachteten Fragestellung an quantenmechanische Systeme Zustandsvektoren ausreichend waren. Jedoch sobald man Zwei– oder Mehr–Teilchensysteme (zum Beispiel bei Teleportation, Verschränkung, Quantencomputer, Atomen, . . . ) betrachtet und man sich für z.B. ein Teilchen vom Gesamtsystem interessiert, kommt man ohne das Dichteoperatorkonzept nicht aus. Also alle derzeit modernen Quantenexperimente und Fragestellung benötigen dieses Konzept. Zusammenfassend können wir festhalten, dass jeder Dichteoperator in die Summe von reinen Zuständen zerlegt werden kann ρ = ∑ pi |ψi ⟩⟨ψi | (5.29) i ∑ mit pi = 1, pi ≥ 0 und normierten Zustandsvektoren |ψi ⟩. Leider oder gottseidank gibt es keine eindeutige Zerlegung in reine Zustände. Das ist eine der Hauptschwierigkeiten bei beispielsweise dem Auffinden eines Verschränkungsmasses. 5.7 Wie beschreibt man zwei oder mehr Teilchen in der Quantentheorie? Stellen Sie sich eine Quelle vor, die immer zwei Teilchen erzeugt. Ein Teilchen propagiert zu einem Labor, in dem Alice sitzt, das andere Teilchen zu einem Labor, in dem Bob sitzt. Beide müssen nicht einmal wissen, dass die Quelle immer zwei Teilchen erzeugt. Wir setzen voraus, dass die Quelle immer den gleichen Zustand erzeugt. Alice wird sich bei jedem Teilchen für eine Messbasis entscheiden und bei guter Wahl der Messbasen, bald den physikalischen Zustand bestimmen können und ebenso Bob. D.h. Alice Teilchen sind im Zustand ρA , der dem Hilberraum HA zugeordnet werden kann, und ebenso für Bob: σB ∈ HB . Beachten Sie das ρ, σ Dichteoperatoren darstellen, da im Allgemeinen (eigentlich in der Regel) auch gemischte Zustände entstehen können. (Genau genommen sagt man, dass Zustandsvektoren den Hilbertraum aufspannen, während Dichteoperatoren den Hilbert-Schmidt-Raum aufspannen, aber man ist hier oft nicht genau und lässt den Herrn Erhard Schmidt unter den Tisch fallen.) Es stellte sich durch viele Experimente heraus, dass der gemeinsame Hilbertraum, in dem die Zustände, die beide Teilchen gemeinsam beschreiben, durch ein Tensorprodukt beschrieben werden kann, Postulat der Quantentheorie! Mathematisch wird das Tensorprodukt durch das Symbol ⊗ ausgedrückt. Jeder Zustand, den zwei Teilchen zusammen einnehmen können, lebt in einem Hilbertraum der Form HAB = HA ⊗HB . D.h. ein reiner Zustand kann zum Beispiel so ausschauen: |ψ⟩AB = |ϕ⟩A ⊗ |χ⟩B . 62 5.8. Was hat der Dichteoperator mit einer Dichte zu tun? Da man mit der Zeit faul wird, haben sich auch die folgenden Schreibweisen eingebürgert: |ϕ⟩A ⊗ |χ⟩B = |ϕ⟩A |χ⟩B = |ϕχ⟩AB = |ϕχ⟩. Zum Beispiel falls man wählt |ϕ⟩A = | ⇑⟩ und |χB ⟩ = | ⇑⟩ erhält man 1 ( ) ( ) 0 1 1 |ϕ⟩A ⊗ |χ⟩B = | ⇑⇑⟩ ≡ ⊗ = 0 , 0 0 0 einen Einheitsvektor im vierdimensionalen Hilbertraum C 2 ⊗ C 2 . Ein Tensorprodukt ist allgemein gegeben durch die mathematische Operation a1 b1 ( ) ( ) a1 b2 a1 b1 ⊗ = a2 b1 . a2 b2 a2 b2 Oder für Matrizen: ( a11 a21 a12 a22 ) ( ⊗ b11 b21 b12 b22 ) a11 b11 a11 b21 = a21 b11 a21 b21 a11 b12 a11 b22 a21 b12 a21 b22 a12 b11 a12 b21 a22 b11 a22 b21 a12 b12 a12 b22 . a22 b12 a22 b22 Bei Zwei- b.z.w. Mehr-Teilchenzuständen gibt es zwei interessante Fälle, Zustände, die als Produkt, zum Beispiel |ψ⟩AB = |ϕ⟩A ⊗ |χ⟩B , dargestellt werden können und solche, die man nicht so darstellen kann, diese nennt man verschränkt, zum Beispiel der Bell-Zustand |ψ − ⟩ = 21 {| ⇑⇓⟩ − | ⇓⇑⟩}. Nur verschränkte Zustände können eine Bell Ungleichung verletzen, also Korrelationen erzeugen, die stärker sind als solche, die man mit klassischen Systemen erzeugen kann (allerdings nicht alle verschränkten Zustände können Bell Ungleichungen verletzen). Der Begriff Verschränkung (Engl. entanglement) wurde vom Österreicher Erwin Schrödinger eingeführt. 5.8 Was hat der Dichteoperator mit einer Dichte zu tun? Der Begriff wird bereits in der klassischen Mechanik benützt (wir haben ihn dort allerdings nicht besprochen). Wir hatten in der L1 gezeigt, dass konservative Kräfte durch ein Potential dargestellt werden können und dieses zusammen mit der kinetischen Energie die Hamiltonfunktion ergibt H(q1 , . . . , qf ; p1 , . . . , pf ) = f ∑ p⃗i2 + V (qi ) . 2m i=1 (5.30) Die Menge aller 2f –tupel (q1 , . . . , qf , p1 , . . . , pf ) bilden den so genannten Phasenraum. Eine Observable, also beobachtbare Größe, ist eine reellwertige Funktion auf dem Phasenraum A(q1 , . . . , qf ; p1 , . . . , pf ) . (5.31) Alle möglichen Observablen bilden die so genannte Observablenalgebra. Beispiel solcher Observablen sind (a) die kinetische Energie oder (b) der Drehimpuls oder 63 Kapitel 5. Der Spin und die praktischen Pauli–Matrizen (c) befindet sich das System im Gebiet G des Phasenraums. Mögliche Messwerte einer Observablen A, also einer reellen Funktion ist der Wertebereich dieser Funktion A(q, p), das so genannte Spektrum von A. Für die oben genannten Beispiele, also (a) R+ , (b) R3 oder (c) {0, 1} = { System nicht in G, System in G }. Zum Beispiel hatten wir den harmonischen Oszillator betrachtet und ein ganz bestimmter reiner Zustand q0 , p0 ist einfach ein Punkt im Phasenraum; Teilchen ist am Ort q0 mit Impuls p0 . In der klassischen Physik steht der Realisierung eines solchen Zustandes keine theoretische, sondern nur praktische Grenze entgegen. Versucht man nun einen Zustand eines Systems durch eine große Anzahl von gleich präparierten Kopien des Systems zu realisieren, so wird es in einer realen experimentellen Situation natürlich nicht möglich sein, dass alle Kopien die exakt gleichen Werte von (q, p) aufweisen, es werden vielmehr Schwankungen auftreten, die man durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Dichteverteilung ρ(q, p) auf dem Phasenraum beschreiben kann ρ(p, q) ≥ 0 (5.32) und einer (praktischen) Normierung ∫ dq dp ρ(p, q) = 1 . (5.33) Bei makroskopischen Systemen mit ca. f ≃ 1023 Freiheitsgraden ist die Realisierung eines reinen Zustandes von vornherein völlig aussichtslos! Die Statistische Mechanik wird sich genau mit diesen physikalischen Situationen beschäftigen. Wir erkennen also, dass der quantenmechanische Dichteoperator eine Übernahme dieses Konzeptes in der klassischen Physik ist. 64