Zur Bedeutung der UV-‐Spektroskopie für unser Verständnis des

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Zur Bedeutung der UV-­‐Spektroskopie für unser Verständnis des Universums Prof. Philipp Richter – Universität Potsdam In den letzten hundert Jahren hat sich unser Wissen über das Universum, seiner Zusammensetzung und unserer Rolle darin in geradezu dramatischer Weise erweitert. Dies ist vor allem der Entwicklung neuer Teleskope und Beobachtungstechniken zu verdanken, die uns Zugang zu Bereichen des elektromagnetischen Spektrums verschaffen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Unter den verschieden Spektralbereichen elektromagnetischer Strahlung sticht der Utraviolett-­‐Bereich (UV) für astrophysikalische Belange besonders hervor. Im UV-­‐Bereich zwischen 90 und 300 Nanometern befinden sich eine Vielzahl von Linien-­‐Übergängen der verschiedensten Elemente des Periodensystems, mit denen die Verteilung und chemische Zusammensetzung von ganz verschiedenen astronomischen Objekten (Sternen, Gas-­‐Nebeln, Galaxien, intergalaktische Filamente) mit der Methode der Spektralanalyse genauestens untersucht werden können. Die herausgehobene Bedeutung vergangener UV-­‐Satelliten (z.B. Copenicus, IUE, ORFEUS, FUSE sowie die verschiedenen UV-­‐Instrumente an Bord des Hubble-­‐Weltraumteleskops) zeigt sich durch die bahnbrechenden Ergebnisse, die mit Messungen mit diesen Instrumenten erzielt wurden. Beobachtungen im UV-­‐Bereich sind nur mit Hilfe von Satelliten möglich, da die Erdatmosphäre die UV-­‐Strahlung aus dem Kosmos herausfiltert. Ungeachtet der großen Bedeutung der UV-­‐
Beobachtungen für die moderne Astrophysik fehlt es derzeit an einer mittel-­‐ und langfristigen Perspektive für die UV-­‐Astronomie für die Zeit nach Schließung der Hubble-­‐Weltraumteleskops in 2020. Hubble’s Nachfolger, das James-­‐Webb-­‐Teleskop, ist für Beobachtungen im infraroten Wellenlängenbereich konzipiert und bietet im UV-­‐Bereich keine Beobachtungsmöglichkeiten. Im Folgenden wird die Bedeutung von UV-­‐Beobachtungen für verschiedene (typische) astrophysikalische Umgebungen skizziert. Zirkumstellare Scheiben und Planeten Das Auffinden und die Erforschung vom Planeten außerhalb des Sonnensystems gehört zweifellos zu den spannensten Themen der modernen Astrophysik. Die Atmosphären solcher „Exoplaneten“ können mit Hilfe spektroskopische Methoden, wenn sich der Planet vor seinen Mutter-­‐Stern schiebt, untersucht werden. Hierbei spielt der UV-­‐Bereich eine entscheidende Rolle, denn die im UV vorhanden Resonanzlinien verschiedenster Elemente können besonders gut zur Analyse der chemischen Zusammensetzung und physikalischen Eigenschaften der oberen Atmosphärenschichten (z.B. der sog. Exosphäre) herangezogen werden. Überdies spielt der UV-­‐Bereich bei der Erforschung der Planetenentstehung in zirkumstellaren Scheiben eine wichtige Rolle. Sterne Die Erforschung der Eigenschaften von Sternen stellt nach wie vor einer der fundamentalen Themenbereiche der Astrophysik dar. Auch in der stellaren Astrophysik ist der UV-­‐Bereich von zentraler Bedeutung, denn er deckt denjenigen Wellenlängen-­‐/Energiebereich ab, in dem das Maximum des Strahlungsspektrums junger, heißer Sterne liegt. UV-­‐Spektrallinien sind überdies am wenigsten von Nicht-­‐Gleichgewichtseffekten in den stellaren Photosphären beeinflusst und eignen sich deshalb besonders zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von Sternen. Ein weiterer Vorteil des UV-­‐Bereich liegt in seiner Sensitivität zur Detektion von heißen Gas-­‐Blasen in kühleren Gas-­‐Umgebungen, welche für die Untersuchung vieler stellarer Phänomene (z.B. Akkretionsprozesse in jungen Sternen, magnetische Aktivitäten, chromosphärische Heizung, u.a.) entscheidend ist. Stellare Winde Aufgrund ihrer Helligkeit und ihrer energetischen Strahlung spielen massereiche Sterne eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Galaxien. Solche Sterne produzieren zudem ausgedehnte stellare Winde, die ihre interstellare Umgebung nachhaltig beeinflussen. Die Eigenschaften dieser Winde sind jedoch noch in weiten Teilen unverstanden, insbesondere was die Massenverlustraten, die Wind-­‐Geometrie und die interne Struktur der Winde betrifft. Für Untersuchungen der Wind-­‐
Eigenschaften, die auch für das Verständnis der Entwicklungswege der Sterne insgesamt von Bedeutung sind, spielen die aus den Winden stammenden UV-­‐Linien eine Schlüsselrolle. Das interstellare Medium und der galaktische Materiekreislauf Das interstellare Medium (ISM) besteht aus diffusem Gas, welches sich im Raum zwischen den Sternen innerhalb von Galaxien befindet. Das ISM enthält freie Ionen, Atome, Moleküle und Staubpartikel als Bestandteile, welche das Ausgangsmaterial zur Bildung neuer Sterne darstellen. Die Methode der Absorptions-­‐Spektroskopie im UV-­‐Bereich verschafft Zugang zu mehreren hundert Linien-­‐Übergängen dieser Ionen/Atome/Moleküle, welche zur Analyse der physikalischen Bedingungen im ISM, seiner chemischen Zusammensetzung, seiner räumlichen Struktur und seiner Verbindung zur stellaren Umgebung herangezogen werden können. Mit dem Zugang zu den Linienübergängen des molekularen Wasserstoffs bei etwa 100nm können insbesondere dichte Regionen des ISM studiert werden, in welchen das Gas aus dem neutralen in den molekularen Zustand überwechselt. Diese Regionen bilden den Nährboden für neue Sterngenerationen und sind somit für die Entwicklung von Galaxien im Universum von zentraler Bedeutung. Aktive Galaxienkerne Die allermeisten Galaxien enthalten ein super-­‐massives Schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Die Vorgänger dieser extrem kompakten Objekte bildeten vor Milliarden von Jahren die Keimzellen zur Entstehung von Galaxien und haben deren Entwicklung nachhaltig beeinflusst. Super-­‐massive Schwarze Löcher beziehen ihre Energie aus der Akkretion von Materie; sie bilden mit ihrer unmittelbaren Umgebung die sog. Aktiven Galaxienkerne. Aufgrund der in diesen Regionen vorherrschenden extremen Energien sind Messungen im UV-­‐Bereich alternativlos, um die Rolle der Aktiven Galaxienkerne für die Entwicklung von Galaxien zu erkunden und bis zur Epoche der Entstehung der ersten Galaxien zurückzuverfolgen. Galaxien-­‐Halos Nur in den inneren Bereichen der Galaxien sind die Gasdichten im ISM groß genug, um flächendeckend Sternentstehung zu ermöglichen. In den Außenbereichen von Galaxien, insbesondere in deren ausgedehnten Halos, sind dennoch große Mengen an gasförmigem Material vorhanden, welches man als „zirkumgalaktisches Medium“ bezeichnet. Das zirkumgalaktische Gas wird zum einen durch aus Galaxien ausströmendes Material, welches z.B. durch Supernova-­‐
Explosionen, durch galaktische Winde und durch Aktive Galaxienkerne beschleunigt wird, stetig mit schweren Elementen angereichert. Zum anderen strömt im Zuge der allgemeinen Strukturent-­‐
wicklung Metall-­‐armes Gas aus den intergalaktischen Filamenten in die Galaxien-­‐Halos. Nur Beobachtungen im UV ermöglichen Zugang zu den bereits oben erwähnten Linienübergängen der Ionen schwerer Elemente, mit deren Hilfe die Zirkulation und die chemische Zusammensetzung des gasförmigen Materials im zirkumgalaktischen Raum und dessen Rolle für die Strukturentwicklung im Universum untersucht werden kann. Intergalaktisches Medium und großräumige Strukturen Als “intergalaktisches Medium” (IGM) bezeichnet man in der Astrophysik jenes diffuse, gasförmige Material, welches sich in den großräumigen kosmologischen Filamenten sammelt, die die Galaxien umgeben. Das IGM, welches durch die intensive Strahlung Aktiver Galaxienkerne ionisiert wird, durchzieht den gesamten Kosmos und enthält deswegen den Großteil der baryonischen Materie im Universum. Nur durch Untersuchungen der Absorptionssignaturen hoch-­‐ionisierter Metallionen im UV-­‐Bereich können die Masse und die physikalischen Eigenschaften des intergalaktischen Gases im lokalen Universum untersucht und die Verteilung gasförmiger Materie auf den größten Skalen des Universum bestimmt werden. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der UV-­‐Bereich Zugang zu einer Vielzahl astrophysikalisch wichtiger Prozesse verschafft, die sich in anderen Wellenlängenbereichen entweder nicht vergleichbar genau oder gar nicht untersuchen lassen. Nach dem Ende der Hubble-­‐Mission in 2020 benötigt die Astrophysik eine mittel-­‐ und langfristige Perspektive für Messungen im UV-­‐Bereich, um die oben aufgeführten Forschungsthemen und damit die Astrophysik als Ganzes weiter voran zu bringen. Ein neuer UV-­‐Teleskop, der mit einem modernen hoch-­‐empfindlichen und hoch-­‐auflösenden Spektrographen ausgestattet ist, könnte die extrem erfolgreichen UV-­‐Messungen vergangener Satelliten-­‐Missionen weiterführen und ausbauen. Eine solche Mission wäre für moderne astrophysikalische Fragestellungen von großer Wichtigkeit. 
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