Die Mathematik hat in wissenschaftstheoretischen und –soziologischen Arbeiten oft einen Sonderstatus inne. Durch die deduktive Methode scheint die Mathematik rein kumulativ Wissen anzuhäufen. In einem solchen Bild von Mathematik scheint kein Platz für eine Revolution. Betrachtet man jedoch die Sprechweise von Mathematikern und Historikern so fällt auf, dass es auch innerhalb der Mathematik lebhafte Debatten und Diskussionen gibt. Der Vortragende wird zunächst die sogenannte Crowe-Dauben Debatte skizzieren. Crowe schreibt „Revolutions never occur in mathematics“ (Crowe 1975, S. 165). Im Gegenzug behauptet Dauben in seinem Paper (Dauben 1984), dass es Revolutionen in der Mathematik gegeben hat und gibt mögliche Kandidaten an. Aus dieser Debatte wird die Position destilliert, dass es keine Revolutionen innerhalb der Objekt-Ebene der Mathematik (im Sinne von reinen mathematischen Definitionen und Sätzen), sehr wohl aber in der Meta-Ebene der Mathematik (im epistemisch soziologischen Sinn) gibt. Mit diesem Konsens und der Herausgabe des Sammelbandes Revolutions in Mathematics (1992) endete die Debatte in weiten Teilen. Im Anschluss wird diskutiert, ob Veränderungen in den Grundlagentheorien (beispielsweise klassische Logik und Mengenlehre) ein Kandidat für Wissenschaftliche Revolution im Thomas Kuhns sind. Genauer betrachten wir: Quasi-empirische Argumente bei der Bewertung von Axiomenerweiterungen Den Übergang zu intuitionistischen bzw. konstruktivistischen Grundlegungen Der Übergang von Mathematik im Sinne von dem Ergebnis der (bisherigen) mathematischen Praxis hin zur Mathematik im Rahmen einer Grundlegung (beispielsweise innerhalb eines Automatischen Theorembeweisers). Allgemeiner geht es dem Vortragenden herauszuarbeiten, inwieweit die Betrachtung der mathematischen Praxis Bedeutung für Debatten innerhalb Philosophie der Mathematik hat. Der Vortrag kann als Plädoyer für die sogenannte Philosophy of Mathematical Practice gesehen werden.