Informationsblatt M5.7 Whistle-Blowing – ein Zeichen für Zivilcourage oder Denunziantentum? Bedeutung Das Wort „whistle-blowing“ stammt aus der amerikanisch-englischen Umgangssprache und bedeutet im buchstäblichen Sinn "mit der Pfeife pfeifen". Was damit gemeint ist, lässt sich mit der Situation eines Fußballspiels vergleichen, wo ein Spieler mit der Schiedsrichterpfeife einen Regelverstoß pfeift, das unfaire Verhalten stoppen und die Zuschauer darauf aufmerksam machen möchte. Die Redewendung wird auch für "verpfeifen" gebraucht. Im übertragenen Sinn bedeutet Whistle-blowing die Berichterstattung über urethische oder gefährliche Handlungen einer Organisation, eines Unternehmens oder eines ihrer Mitarbeiter durch einen anderen ihrer Mitarbeiter außerhalb des normalen Dienstweges. Internes Whistle-blowing besteht darin, dass schlechtes Verhalten oder möglicherweise gefährliche Handlungen innerhalb des Unternehmens, aber außerhalb der normalen Befehls- oder Autoritätswege berichtet werden. Externes Whistle-blowing meint solche Berichterstattung, die sich außerhalb des Unternehmens an Regierungsvertreter oder an die Medien richtet. Beim persönlichen Whistle-blowing wird die Person, von der berichtet wird, direkt betroffen. Wenn also z. B. eine Arbeitnehmerin von einem Vorgesetzten sexuell belästigt wird und dies einem noch Höhergestellten berichtet, wäre dies internes, persönliches Whistle-blowing. Beim unpersönlichen Whistle-blowing handelt es sich hingegen um eine Berichterstattung über Handlungen oder Praktiken, die einen nicht direkt betreffen. Man spricht von staatlichem Whistle-blowing, wenn der Regierung Handlungen wie z. B. Betrügereien berichtet werden, die private Vertragspartner gegen die Regierung ausüben. Nichtstaatliches Whistle-blowing bezieht sich dementsprechend auf Fälle, in denen die Regierung nicht direkt involviert ist. Ethik des Whistle-blowing Die Ethik des Whistle-blowing ist umstritten. Auf der einen Seite wird behauptet, dass, wer Whistleblowing ausübt, ein moralischer Held sei und dass jede ethische Person zu Whistle-blowing bereit sein sollte, selbst wenn sie ihre Arbeit verlöre oder sich oder ihrer Familie Schaden zufügte. Auf der anderen Seite wird Whistle-blowing immer als unethisch abgelehnt: Entweder werde schlechtes Verhalten innerhalb eines Unternehmens durch Personen berichtet, die dafür nicht verantwortlich sind, oder die Berichterstattung erfolge außerhalb des Unternehmens, was eigentlich intern getan werden sollte Das ethische Problem stellt sich jedoch, wenn sich ein Unternehmen weigert, die Schwierigkeit intern anzugehen. Die berühmtesten Falle von Whistle-blowing sind externe, unpersönliche, nichtstaatliche Berichterstattungen, in denen ein Arbeitnehmer die Regierung oder die Medien über eine bestimmte, ernst zu nehmende Gefahr für die Allgemeinheit oder potenzielle Benutzer eines Produkts seiner eigenen Firma in Kenntnis setzt. Obgleich in dieser Sache keine Einstimmigkeit besteht, gibt es doch einen recht breiten Konsens darüber, dass solches Whistleblowing ethisch nicht gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer nicht zuerst versucht, das Problem im Unternehmen selber zu lösen. Sonst würde man das Unternehmen der Schädigung seines guten Rufes aussetzen, ohne dass es die Möglichkeit hätte, das Problem an seiner Wurzel anzugehen, wo es am wirksamsten bekämpft werden kann. Wenn aber der Arbeitnehmer die internen Wege ausgeschöpft und das Unternehmen trotzdem keine geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenminderung getroffen hat, ist es ethisch erlaubt, die Öffentlichkeit über die Gefahr in Kenntnis zu setzen. Dies ist gerechtfertigt, wenn durch die Verhütung ernst zu nehmenden Schadens für die Öffentlichkeit ein größerer Vorteil erzielt werden kann. Einige Autoren vertreten die Auffassung, dass es dem Arbeitnehmer nicht nur ethisch erlaubt, sondern dass er dazu ethisch verpflichtet sei, Bericht zu erstatten, wenn die Sicherheit der Öffentlichkeit schwer wiegend bedroht ist. Andere sind damit nicht einverstanden und argumentieren, dass eine solche Pflicht nur bestehe, wenn der Arbeitnehmer gute Gründe zur Annahme hat, dass sein Whistle-blowing das gewünschte Ergebnis der Schadenverhütung für die Öffentlichkeit erreichen werde. Dazu sind oft -gewisse Belege für die Schwere des Schadens erforderlich. Umstrittener sind die Fälle, in denen es nicht um schweren Schaden für die Öffentlichkeit, sondern um eine Art von Betrug oder finanziellem Verlust für das Unternehmen, die Öffentlichkeit oder die Regierung geht. Wenn nur das Unternehmen zu Schaden kommt, ist die Rechtfertigung von externem Whistle-blowing zweifelhaft, weil die interne Berichterstattung genügen sollte, Wenn die Regierung geschädigt wird, verlangen die bürgerlichen Pflichten verständlicherweise Whistle-blowing. Und wenn die Öffentlichkeit betrogen wird, haben die Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich in keiner Weise an diesem Betrug zu beteiligen; ob sie jedoch zum Whistle-blowing verpflichtet sind, ist kontrovers. Obschon es in gewissen Gesellschaften Gesetze gibt, die die Whistle-blowers zu schützen versuchen, werden diese häufig von ihrem Arbeitsplatz entlassen oder auf verschiedene Weise bestraft. Die Motive der Whistle-blowers werden oft in Frage gestellt, und damit Whistleblotwing ethisch gerechtfertigt ist, muss es aus ethischen Motiven geschehene z. B. mit dem Wunsch, die Öffentlichkeit vor Schaden zu bewahren. Whistle-blowing ist ein Symptom eines ethisch defizienten Unternehmens. Ethisch vorbildliche Unternehmen richten Verfahrensweisen ein, um den ethischen Anliegen der Arbeitnehmer Gehör zu verschaffen und jegliche drohende Gefahr für die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass das Whistle-blowing eines Arbeitnehmers nötig wäre. Quelle: Richard T. George: Whistle-blowing. In: Lexikon der Wirtschaftsethik. Hg. V. G. Enderle u.a., Sp. 1275-1278