21/12 ”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp Department f. Virologie d. Med. Universität Wien 1095 Wien, Kinderspitalgasse 15 Tel. +43 1 40160-65500 Fax: +43 1 40160-965599 e-mail: [email protected] homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at Kontrolle der Immunabwehr von Virusinfektionen Judith Aberle Unser Immunsystem hat die besondere Fähigkeit, spezifisch auf unbekannte Erreger zu reagieren. Die Reaktion muss schnell genug einsetzen und ausreichend stark sein, um die sich rasch vermehrenden Krankheitserreger unter Kontrolle zu bringen. Ist die Abwehrreaktion allerdings zu stark, kann sie selbst Ursache schwerer Organschäden und lebensbedrohlicher Erkrankungen sein. Daher sorgt das Immunsystem auch dafür, dass eine Virusinfektion nicht zu stark bekämpft wird. Dabei zerstören bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems, sogenannte Natürliche Killer (NK) Zellen, offenbar sogar eigene Abwehrzellen, um eine übersteigerte Mechanismus Immunreaktion könnte eine zu verhindern. Schlüsselrolle Dieser in der erst kürzlich Etablierung entdeckte chronischer Virusinfektionen spielen (PA Lang, PNAS, 2012; SN Waggoner, Nature, 2012). NK-Zellen stellen einen wichtigen Bestandteil der Früherkennung und ersten Abwehr von Infektionen dar. Sie zerstören virusinfizierte Zellen, die sie an einer veränderten Expression bestimmter Oberflächenproteine erkennen. Bisher ging man davon aus, dass dieser Mechanismus nur zur Virusabwehr eingesetzt wird. Jetzt zeigen neue Untersuchungen, dass NK-Zellen auch überschießende Abwehrreaktionen verhindern, indem sie offenbar T-Zellen zerstören, die im Rahmen der Infektion aktiviert werden. Unter Umständen kann diese an sich nützliche Reaktion aber auch zu einer so starken Reduktion der T-Zellzahl führen, dass das Virus nicht mehr vollständig eliminiert werden kann. In den Experimenten, die zu dieser Erkenntnis führten, wurde nachgewiesen, dass mit dem Lymphozytären Choriomeningitis Virus (LCMV) infizierte Mäuse nur in Anwesenheit von NK-Zellen eine chronische LCMV Infektion entwickelten. Fehlten die NK-Zellen, wie in NKdefizienten oder NK-depletierten Mäusen, wurde das Virus innerhalb weniger Tage vollständig eliminiert. Die weiteren Experimente ergaben, dass die Mäuse in Anwesenheit der NK-Zellen wesentlich weniger virus-spezifische T-Zellen zur Abwehr des Virus hatten, da ein Großteil durch NK-Zellen zerstört worden war. Der NK-Zellangriff auf aktivierte T-Zellen erfolgte über einen spezifischen Rezeptor (NKG2D) und konnte durch die Gabe von Antikörpern gegen diesen Rezeptor verhindert werden. Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. Die NK-Zell-vermittelte T-Zellzerstörung ist keineswegs nur spezifisch für LCMV Infektionen. Wie kürzlich gezeigt wurde, können viele andere, sehr unterschiedliche Viren, z.B. Mauscytomegalieviren, Arenaviren (Pichinde Virus), und Corona Viren (Maus Hepatitis Virus) diese besondere Aktivität von NK-Zellen induzieren (SN Waggoner, Nature, 2012). Auch beim Menschen gibt es Hinweise, dass NK-Zellen einen negativen Effekt auf den Krankheitsverlauf bestimmter Virusinfektionen, wie HIV oder Hepatitis C haben könnten. Die NK-Zellaktivität wird durch mehrere Rezeptorgene bestimmt, die in verschiedenen allelischen Varianten vorkommen und daher von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sind. Die von diesen Genen kodierten Rezeptoren reagieren mit den auf allen kernhaltigen Zellen exprimierten Histokompatibilitätsantigenen (HLA-I) und führen - je nach Rezeptor bzw. HLAAntigen – zu einer unterschiedlich starken Hemmung der NK-Zellen. Eine Untersuchung an über 1000 Hepatitis C Virus-infizierten Patienten hat gezeigt, dass Personen mit einer die NK-Aktivität hemmenden Kombination von Rezeptor und HLA-Antigen (KIR2DL3 - HLA C Gruppe 1) eine wesentlich größere Chance auf eine Ausheilung der akuten Hepatitis C haben, als Patienten mit anderen Mustern (Khakoo S, Science 2004). Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen liefert der nun am LCMV Modell beschriebene Mechanismus, bei dem infolge der geringeren NK-Zell-vermittelten T-Zellzerstörung mehr T-Zellen für die Virusabwehr zur Verfügung stehen. Wie die Ergebnisse am LCMV Modell zeigen, führt die Hemmung der NK-Zellen nicht notwendigerweise zu massiven Gewebsschäden durch die Immunreaktion, sondern kann sogar zur Ausheilung der Infektion führen. Ob die neuentdeckte NK-Zellfunktion für die Hepatitis C oder andere chronische Virusinfektionen des Menschen von Bedeutung ist und diese Erkenntnisse auch für die Entwicklung immunmodulatorischer Therapiestrategien anwendbar sind, bleibt weiterhin Gegenstand intensiver Forschung. 21/12-2 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.