SOZIALREFERAT DER DIÖZESE LINZ Sozialpredigthilfe 278/11 Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit , 5. Juni 2011 „…und dann entsorgen Sie bitte meine verstorbene Mutter…“ Sozialpredigthilfe Nr. 7 der Reihe „Die sieben Werke der Barmherzigkeit“ Predigtreihe zum Schwerpunktjahr „Um der Menschen willen. Diözese Linz/Sozial“ Autorin: Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt Achtung: Lesung Tobit 1, 16 – 20; 2, 1 – 8 EINFÜHRUNG: Viele Menschen in der heutigen Zeit tun sich mit Trauer und Tod schwer. Im Alltagsleben verdrängen wir, dass wir sterblich sind und alle auf den Tod zu gehen. Dieses Verdrängen macht uns dann sprach- und hilflos, wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden. Viele Menschen wissen nicht, wie sie mit Mitmenschen umgehen sollen, die einen Angehörigen verloren haben oder sind verzweifelt, wenn sie vom Tod selbst betroffen sind. Es besteht die Gefahr, dass wir dann unmenschlich handeln und verletzend miteinander umgehen. Das Nachdenken über das siebente traditionelle Werk der Barmherzigkeit: Tote begraben, kann eine lohnende Hilfe sein mit der Erfahrung des Todes besser zurecht zu kommen. BESINNUNG: Wir wollen uns besinnen und Jesus in unserer Mitte grüßen. Jesus, du hast den Sohn der Witwe von Nain von den Toten auferweckt, du hast ein Herz für die Trauernden. Herr, erbarme dich unser. Jesus, du hast gesagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wir können das manchmal nicht so recht glauben. Christus erbarme dich unser. Jesus, du bist von den Toten auferstanden und jetzt in unserer Mitte: Herr, erbarme dich unser. Sozialpredigt: „…und dann entsorgen Sie bitte meine verstorbene Mutter…“ PREDIGT „Bitte entsorgen Sie meine Mutter“, sagte der Sohn und drückte dem Bestatter einen namhaften Geldbetrag in die Hand. Ist Ihnen beim Hören dieser wahren Begebenheit, die mir ein Bestatter erzählt hat, auch ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen? Was ist das für ein Mensch, der sich dem Thema Tod, Trauer und Abschied so sehr entzieht, dass er die Leiche seiner Mutter „entsorgen“ lässt, statt ihr ein würdiges Begräbnis zu organisieren? Wobei paradoxerweise im Wort entSORGEN selbst noch ein Rest von Wertschätzung liegt, denn es meint ja, sorgfältig mit dem zu Entsorgenden umzugehen. Sich zu sorgen, was mit dem toten Körper geschieht, ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, selbst wenn dieser Sohn die Verantwortung dafür delegiert. Ja die Bestattung von toten Mitgliedern der Gemeinschaft, in alten Zeiten oft auch mit Grabbeigaben, unterscheidet die menschliche Gattung von den Tieren. Menschenaffen verscharren die Leichen toter Hordenmitglieder, Menschen bestatteten sie. Ich bin überzeugt, dass der Umgang mit dem Körpers ein wesentlicher Ausdruck des Menschenbildes einer jeweils bestimmten Zeit und Kultur ist. So ist die jüdisch christliche Kultur ist vom biblischen Menschenbild geprägt. Dieses zeichnet sich durch eine unzerbrechliche Einheit der Dimensionen menschlichen Lebens aus: der Einheit von Körper, Geist und Seele. Für Jesus, der ja durch und durch Jude war, entspringt dieses Denken seiner Überzeugung vom Einssein mit dem mütterlich-väterlichen Gott im Himmel. Er sagt im heutigen Evangelium, dass er sich mit Gott eins weiß und alles, was sein ist, auch Gottes ist und umgekehrt. Dieses jüdisch-christliches Denken geht von einer Durchdringung und Beeinflussung der drei Seinsebenen im Menschen aus. Deshalb zerbricht der Mensch auch nicht im Tod in den Körper, der verwest, und die Geistseele, die ewig weiter lebt, wie es die griechische Philosophie gelehrt hat. Dadurch wir der Körper zum Repräsentanten des Menschen. Und wie man mit der Leiche umgeht zeigt, welche Sicht vom Menschen man hat. Der tote Körper muss daher mit Respekt behandelt werden, sodass die Würde und Einmaligkeit des verstorbenen Menschen dadurch geachtet und wertgeschätzt werden. Noch deutlicher wird dieser Anspruch des jüdisch-christlichen Menschenbildes, tote Körper ehrfürchtig zu behandeln, in seinem Gegenteil, in dem, was man Leichenschändung, Leichenfledderei nennt. 2 Sozialpredigt: „…und dann entsorgen Sie bitte meine verstorbene Mutter…“ Entwürdigendes Behandeln von toten Körpern ist Ausdruck von Hass, Rache und Gewalt über den Tod eines Menschen hinaus. Besonders das Preisgeben toter Körper dem Fraß wilder Tiere und Aasgeier wurde als besonders entwürdigend und beleidigend empfunden. Deshalb war das Bestatten von Toten schon im Alten Testament eine heilige Pflicht, die dem Willen Gottes entsprach. Oft, in Kriegszeiten sogar unter Lebensgefahr, bemühten sich jüdische Menschen den Willen Gottes zu erfüllen, indem sie die Leichname der Verstorbenen würdig bestattet haben. Diese Sicht, dass der Mensch eine Einheit ist und daher auch ein toter Körper dieselbe würdige und respektvolle Behandlung verdient, wie der lebendige Mensch, ist auch ins Christentum übernommen worden. So ist interessant, dass ausgerechnet dieser Dienst an Verstorbenen als Werk der Barmherzigkeit den sechs in der Gerichtsrede des Evangelisten Matthäus genannten hinzugefügt wurde, um die „heilige Zahl sieben“ voll zu machen. Es geht in dieser Gerichtsrede darum, dass Jesus sich mit den Bedürftigen und Schwachen in der Gesellschaft identifiziert und unser Handeln an ihnen zum Maßstab der Beurteilung unseres Lebens macht. Ein toter Körper ist wehrlos dem Tun oder Nichttun der Hinterbliebenen ausgeliefert und auf diese Weise auch der Ruf des/der Verstorbenen und die Erinnerung an ihn/sie. Deshalb gehört ein würdiger und respektvoller Umgang mit den Körpern der Toten zu den Werken der Barmherzigkeit. Nun ist es jedoch so, dass wir die Leichen unserer Verstorbenen, auch derer, die wir nicht gemocht haben oder mit denen wir uns schwer getan haben, nicht mehr schänden oder den wilden Tieren zum Fraß preisgeben. Aber die Entwicklungen im Bestattungswesen können sehr wohl Züge der Respektlosigkeit und Herabwürdigung der Person, die verstorben ist, zeigen, sodass die Bestattung Toter auch heute ein Werk der Barmherzigkeit sein kann. Ein paar Phänomene möchte ich nennen. Wir sind sinnliche Wesen, Trauer und Abschied brauchen Zeit und Raum. Wenn es keine Begräbnisstätten mehr gibt (anonyme Bestattung auf Friedenswiesen oder Verstreuen von Asche über dem Meer), so wird den Menschen ein Ort des Gedächtnisses und der Erinnerung an die verstorbene Person verwehrt. Sprache ist die Form miteinander zu kommunizieren. Wenn Menschen angesichts des Todes verstummen und keine Worte mehr finden, geht das wertschätzende Andenken und die Erinnerung an Verstorbene verloren. Gerade Gemeinden und Seelsorgerinnen sind hier gefordert, behutsam und einfühlsam Begriffe und Worte aus der christlichen Tradition anzubieten, um über die Erfahrungen des Abschieds von 3 Sozialpredigt: „…und dann entsorgen Sie bitte meine verstorbene Mutter…“ verstorbenen Menschen die Würdigung der Einmaligkeit ihres Lebens und Vorstellungen und Hoffnungen bezüglich eines Jenseits, eines Lebens nach dem Tod, sprechen zu können. Auch der Ablauf und die Kultur von Totenmählern stehen hier auf dem Prüfstand. Es fällt Menschen zunehmend schwer sich Zeit zu nehmen, um sich der Vergänglichkeit und dem Abschiedsschmerz zu stellen. Hier haben Kirchen und Gemeinden ebenfalls eine Aufgabe, die die Bestattung zu einem Werk der Barmherzigkeit werden lässt. Dazu gehört die Behandlung Angehöriger im Pfarrbüro, wenn das Begräbnis organisiert werden muss. Auch die Tendenz den Tod eines Menschen erst nach dem Begräbnis bekannt zu geben, und damit den Menschen im öffentlichen Raum die Chance der Verabschiedung in diesem rituellen Rahmen zu verweigern, gehört hier hinterfragt. Gedenkorte in Kirchen, Gedenkstätten für vor der Geburt verstorbene Kinder und Vermisste, sowie das Nennen der Namen verstorbener Pfarrmitglieder im Gottesdienst sind ebenfalls ein wichtiger Beitrag um mit Verstorbenen und den Hinterbliebenen würdig und achtsam umzugehen. Mitzuhelfen, dass Tote würdig bestattet werden, kann ein heilsamer und heilbringender Beitrag sein, damit unsere Welt nicht noch mehr zerrissen und aufgespaltet wird. Wenn der Mensch eine Einheit von Körper, Seele und Geist ist, die auch durch den Tod nicht zerstört, sondern nur verändert wird, so hat das Folgen für unsere Welt- und Gottesbilder. Zeit und Ewigkeit, Vergänglichkeit und Vollendung, Himmel und Erde, Gott und Mensch, die Verbindung dieser Pole und verschiedenen Ebenen gehören seit Urzeiten zu den Aufgaben der Religionen. Angesichts der Grenzerfahrung des Todes, die keinem Menschen erspart bleibt, brechen auch in unserer Zeit alle diese Fragen immer wieder neu auf. Jeder Mensch, jede Gemeinde, jede Kirche und Religion, die sich diesen Fragen stellt und Menschen dabei begleitet, macht jene Barmherzigkeit spürbar und erfahrbar, die nach christlichem Glauben eine zentrale Eigenschaft unserer Gottheit ist. Anfragen und Rückmeldungen richten Sie bitte an: Sozialreferat der Diözese Linz, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz, Tel. 0732/7610-3251 e-mail: [email protected] Weitere Sozialpredigten unter: www.dioezese-linz.at/sozialpredigten 4