Andacht Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat es in Auftrag gegeben, das Pop - Oratorium Martin Luther. Michael Kunze hat die Texte geschrieben und Dieter Falk die Musik. Nach den 10 Geboten ist es das zweite große Werk für Orchester und Band, einem Chor von 3000 Sängerinnen und Sängern und einer Reihe von Solisten. Bei der Uraufführung in Dortmund waren 16000 Konzertbesucher. Ich war gespannt wie ein schier unendlicher Stoff umgesetzt wird. Das Leben Martin Luther`s, seine Werke, seine Theologie musikalisch darzustellen, ist eigentlich unmöglich, wegen der Vielfalt der Themen und Werke, aber auch der theologischen Auseinandersetzung. Bei diesem Pop-Oratorium steht der Reichstag von Worms 1521 im Mittelpunkt. Luther sollte vor Kaiser Karl V. seine als ketzerisch eingestuften Lehren widerrufen. Er wird wie ein Popstar in Worms empfangen. Luther wirkt zunächst verunsichert, erbittet sich Bedenkzeit, am Tag darauf soll er Rede und Antwort stehen. Revoco, ich widerrufe, darauf warteten der Kaiser, viele der Adligen und die Vertreter des Papstes in Worms. Doch es kommt ganz anders. Luther verlangt von seinen Widersachern, dass sie ihm nachweisen, dass er falsch liegt. Wenn sie das nicht können, dann widerruft er nicht. Martin Luther beruft sich bei seinen Worten auf drei Dinge: die Heilige Schrift, den Verstand, das Gewissen. Im Oratorium singt Luther: Gott, du gabst mir ein Gewissen, du gabst mir den Verstand... Ich will selber denken, um gewiss zu sein, was gut und richtig ist. Sola scriputra, allein die Schrift ist einer der vier reformatorischen Grundsätze. Auf Schrift und Tradition baut die katholische Kirche bis heute. Neben der Bibel sind die Lehren der Kirche, die Äußerungen des Papstes, die Lehrmeinung der Konzilien und Kirchenversammlungen bindend. 2 Andacht Dass Luther gegen den Ablass gewettert hat und diese Geldquelle durch ihn versiegte, hat genau damit zu tun. Vom Ablass ist in der Bibel nichts zu lesen. Auch bei der Reduktion der Sakramente von sieben (katholisch) auf zwei (evangelisch) leitete ihn dieser Gedanke, was sagt die Heilige Schrift dazu. Sie ist die Norm, nichts anderes. Das hat natürlich die Position des Papstes untergraben. Außerdem beruft sich Luther auf den Verstand. Das mag verwundern. Luther erweist sich hier als einer, der an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit steht. Oft hat er gezweifelt, mit dem Teufel gekämpft, lange hat ihn die Frage gequält, wie bekomme ich einen gnädigen Gott. Das war für ihn keine philosophische, sondern eine existentielle Glaubensfrage. In der Rechtfertigungslehre (Röm. 3, 21 ff.) fand er die Antwort und die Befreiung seines Lebens. Die Gnade Gottes, die wir im Glauben als Geschenk annehmen dürfen, bewirkt, was wir gar nicht leisten können. Luther provoziert die Mächtigen seiner Welt, indem er sie herausfordert nachzuweisen, dass unlogisch ist, was er verbreitet. Er schreibt 1530 eine Disputatio de homine, eine Abhandlung über den Menschen, in der er den Verstand als etwas geradezu Göttliches bezeichnet. Er ist Grundlage der Wissenschaften, aber auch aller Kreativität, der Musik, der Kunst, der Literatur. Glaube und Verstand schließen sich definitiv nicht aus. Und Luther beruft sich auf sein Gewissen. Dagegen etwas zu tun, so sagt er, sei weder sicher noch heilsam. Die anderen müssten ihn in seinem Gewissen beunruhigen, dann würde darüber nachdenken, ob er falsch liegt. Eines ist dabei wichtig: Das Gewissen des Menschen ist an das Wort Gottes gebunden. Daher bekommt es Orientierung und Ausrichtung. Eines der schönsten Lieder im Oratorium hat den Refrain: Wir sind Gottes Kinder, wo auch immer, keiner ist allein. Und sind wir auch Sünder, es muss niemand ohne Hoffnung sein. Wir sind Gottes Kinder, lasst uns mutig und wahrhaftig sein. Ich wünsche uns allen den Glaubensmut, den Martin Luther gezeigt hat und der in diesem Pop - Oratorium so eindrucksvoll anklingt. Es grüßt Sie herzlich -auch im Namen meiner Familie - ihr Pfarrer 3