Text Strukturmerkmal Inhalt Statt mittags zum Essen kommt der dreizehnjährige Andreas erst abends heim, aber nicht vom Treffen mit der ersten Liebe oder vom Sport. sondern aus der Schule. ,,Entschuldige, Mutti, ich bin im Computer untergegangen.“ In der Schule gibt es nämlich einen Computerraum. und hier genießt der jugendliche Computerfan seine Stellung als Aufsichtsperson und kenntnisreicher Experte. Einleitung Andreas verbringt viel Zeit im Computerraum der Schule. Andreas ist nur einer, aber ein durchaus typischer von 450 Jugendlichen, den das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main im Rahmen einer Untersuchung zur Computer-Kultur befragt hat. Unter dem Motto ,,Heranwachsende und Computer“ wollten die Forscher wissen: Wie beeinflußt die intensive Beschäftigung mit dem Computer Persönlichkeit und Selbstbild eines Heranwachsenden, und welche Zukunftsvorstellungen stehen hinter dem Hang zur Maschine? Ausgewählt wurden nur Interviewpartner zwischen zehn und 23 Jahren, die mindestens sieben Stunden wöchentlich mit dem Computer zubringen und davon mindestens die Hälfte der Zeit mit Programmieren. Abklären wollte das Sozialforschungsinstitut dabei auch, was an den Horrorvisionen vom ausgeflippten HackerFreak wahr ist, der sich durch die heftige Auseinandersetzung mit der Logik der Maschine angeblich zum unangepaßten gesellschaftlichen Außenseiter wandelt. Hauptteil Thema BERND SCHUH: Die zwischenmenschlichen Beziehungen bleiben auf der Strecke (1990) Eine nachdenklich stimmende Studie zur Lebenseinstellung jugendlicher Computer-Fans Ausführung Die Antwort der Studie bedeutet eine Positive Entwarnung: Den pathologischen ErgebPersönlichkeitstyp, der sich in der Traumwelt nisse der Tastatur verliert, gibt es nicht. Im Gegenteil: 1 pathologisch: (gricch.) krankhaii Computerverhalten Jugendlicher 450 Jugendliche zwischen 10 und 23 Jahren; mind. 7h/Woche am Computer, 50% Programmierung Entwarnung; keine „krankhaften Freaks“; Überwiegend erwiesen sich die jugendlichen Computerfans als erschreckend angepaßt. Befragt, wie sie ihre Zukunft sehen, zeigten sie sich optimistisch und — natürlich, wie hätte es anders sein können — technikfreundlich. Durchgängig orientierten sie sich an den Werten des Elternhauses. Familie, Beruf, Leistung und Erfolg werden groß geschrieben. Nicht selten gilt den jugendlichen Experten die Beschäftigung mit dem Programmieren als Einstieg in eine spätere Karriere als Techniker oder Wissenschaftler. Politisch haben sie offenbar keine Meinung und nur eine beschränkte Gabe, gesellschaftliche Probleme überhaupt wahrzunehmen. Auch was sie Tag für Tag so treiben, und mit Negative wem, wollten die Frankfurter Sozialforscher Ergebniswissen. Etwas überspitzt lesen sich ihre se Befragungsergebnisse so: Die Fans sind Stubenhocker, die nur in Fachzeitschriften schmökern und soziale Kontakte nur zu anderen Computerfans pflegen — und diese Kontakte sind dann meist noch von Konkurrenz geprägt, sprich: wer kann mehr und besser und schneller. Programmieren natürlich. Wenn das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das die Studie finanzierte, die Ergebnisse plakativ überschreibt mit ..Jugendliche Computerfans — aktiv und optimistisch“, dann stimmt das zwar auch: aktiv sind sie am Computer, und optimistisch, weil sie einer wenig hinterfragten Fortschrittsgläubigkeit anhängen. Eigentlich aber legen die Ergebnisse der Frankfurter Forscher eine andere Lesart nahe: Die Jungprogrammierer mit dem fehlenden Wunsch nach Veränderung und nach Neuem haben eine große Chance ihrer Lebensphase verpaßt: nämlich die Erwachsenenwelt mit eigenen Vorstellungen zu konfrontieren und umzugestalten. Für sie ist der Computer das Ticket für den konfliktlosen Eintritt in die Erwachsenenwelt: die ansonsten in diesem Alter fällige persönliche Auseinandersetzung mit der Welt der Eltern findet nicht statt, sie kann nicht stattfinden, denn dem Computer fehlt eine ganz wichtige soziale Dimension: Menschliche Gesprächspartner reden nicht nur nach den Regeln der Ja-Nein-Logik, sie bringen auch immer etwas von den Lebensverhältnissen ein, 1 pathologisch: (gricch.) krankhaii Jugendliche sind realitätsnah, angepasst, technikfreundlich, zukunftsorientiert, ehrgeizig, leistungsbereit Zus. Familienorientiert, i.d.Regel unpolitisch (positiv ?) Trotzdem Außenseiter, beschränkte Wahrnehmung gesellschaftl. Probleme. Bes. problematischer Aspekt Fehlende Konfliktbereitschaft mit der Erwachsenenwelt aus denen sie kommen, von den Wertvorstellungen, die sie haben und zwingen so zur Auseinandersetzung mit diesen. Dieser Auseinandersetzung aber entgehen die Jugendlichen, die sich den Computer zum ,,Gesprächspartner“ wählen, völlig. Kein Wunder also, daß sie — auch das ist ein Befragungsergebnis — wenig Schwierigkeiten mit den Eltern haben. Höchstens die Mütter würden ihre eingleisigen Söhne gern öfter einmal an der frischen Luft sehen statt im Dschungel der Computermenüs. Aber Frauen haben dabei ohnehin wenig mitzureden. Es ließen sich im Sinne der Untersuchung nur so wenige weibliche Computerfans ausmachen, daß sie für eine Auswertung nicht in Frage kamen. Und für voll genommen werden Mädchen von den jugendlichen Programmierern ohnehin nicht. Vielmehr übernehmen die computerbeschäftigten Jungen die gängigen Vorurteile: Mädchen können genau das nicht, was den Jungen wichtig ist, nämlich Computer programmieren, Sport und Mathematik; dagegen können Mädchen genau das, was sie, die Jungen — ausgesprochen oder unausgesprochen —ablehnen, nämlich Sprachen. Reden und nach Gefühlen handeln. Die gefühlslose, ,,objektivierende“ Kommunikation mit dem Computer kommt solchen Vorurteilen natürlich entgegen. So hilft der Umgang mit dem Computer nach Meinung der Frankfurter Forscher den jugendlichen Computerfans, ,,männliche Merkmale einzuüben“. Die Inszenierung der Computerwelt, in der Mädchen nur als Randfiguren vorkommen, gibt ihnen den Freiraum, in dem sie ohne in Frage stellende Konfrontation mit dem Weiblichen ihre Männlichkeit erproben und darstellen können. Einschränkung der Studie Dies sind Ergebnisse der Erhebung, die Schluss aufmerken lassen, zumal die Auslieferung an den Computer als Vermeidungsstrategie für die Jungprogrammierer ohne Alternative zu sein scheint. Der eingangs erwähnte Andreas beschreibt es treffend und stellvertretend durch seinen Alptraum: ,,Ein Einbruch in der Schule, bei dem alle Computer geklaut würden. Ich säße dann rum und wüßte nicht, was ich 1 pathologisch: (gricch.) krankhaii Fehlende Berücksichtigung der Mädchen. Grund: Vorurteile (andere Interessen, und zwar Sprachen, Gefühle und Kommunikation, keine technische Begabung), begünstigt durch die Natur der Computer machen sollte.“ Zusammenfassung: Fehlende Alternative, Beispiel: Andreas 1 pathologisch: (gricch.) krankhaii 1 pathologisch: (gricch.) krankhaii