Skript zur Veranstaltung Geld

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Skript zur Veranstaltung Geld- und Währungspolitik
der Berufakademie Lörrach
Stand: August 2002
Das Skript soll einen leichteren Zugang zum Stoff der Vorlesung ermöglichen. Es kann
diese jedoch nicht ersetzen.
1
Gliederung
1 ÜBERBLICK ÜBER DIE GELDPOLITISCHEN ZUSAMMENHÄNGE
4
2 ENTSTEHUNG, FUNKTION VON GELD, GELDMENGENBEGRIFFE
7
2.1 Geldentstehung und Erscheinungsformen des Geldes
7
2.2 Die Geldfunktionen
8
2.3 Geldarten, Geldmengenbegriffe und Geldmengenaggregate
10
3 THEORETISCHE MONETÄRE KONZEPTE
12
3.1 Geldangebot
12
3.2 Geldnachfrage
15
3.2.1 Die Quantitätstheorie
15
3.2.1 Die Keynsianische Geldnachfragetheorie
17
3.3 Transmission von monetären Impulsen
19
4 GELPOLITIK DER BUNDESBANK UND DER EZB
23
4.1 Geldpolitisches Instrumentarium der Deutschen Bundesbank
25
4.1.1 Diskont- und Lombardpolitik
25
4.1.2 Offenmarktpolitik
26
4.1.3 Mindestreservepolitik
27
4.1.4 Theorie der Preislücke
28
4.2 Konzepte und Instrumente des Eurosystems
28
4.2.1 Die institutionelle Betrachtung
28
4.2.2 Strategien und Konzept der EZB
31
4.2.3 Das Instrumentarium der EZB
36
5 INTERNATIONALE WÄHRUNGSSYSTEME UND DIE ENTSTEHUNG DER
EUROPÄISCHEN WÄHRUNGSUNION (EWU)
44
5.1EXKURS: Die Zahlungsbilanz
44
5.2Wechselkurssysteme
46
5.2.1 Festkurssysteme
47
5.2.2 Flexible Wechselkurse
49
5.2.3 Bandbreitensysteme
49
5.2.4 Leit- und Reservewährungen
50
5.3. Währungsunionen und optimale Währungsräume
53
2
5.4 Der Weg zur EWU – Ein Überblick
53
5.4.1 Nutzen und Kosten eines europäischen Währungsraumes
53
5.4.2 Exkurs: Vorgeschichte
55
5.4.3 Der Vertrag von Maastricht und die Konvergenzkriterien
57
5.4.4 Die Teilnehmerländer an der EWU
57
5.4.5 Die Dritte Phase der EWU
58
6 BEGRÜNDUNG GELDPOLITISCHER MAßNAHMEN - DAS ZIEL DER
PREISNIVEAUSTABILITÄT
60
6.1 Inflationsmessung und Wirkung
60
6.1.1 Inflationsmessung
61
6.1.2 Inflationswirkung
63
6.2 Ursachen der Inflation
66
6.3 Die Philippskurve und trade-off-Probleme der Geldpolitik
67
3
1 Überblick über die geldpolitischen Zusammenhänge
In kurze Worte gefasst kann man die monetäre Politik als alle Maßnahmen charakterisieren, die aufgrund geldtheoretischer Erkenntnisse zur Regelung der Geldversorgung
unter Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Ziele ergriffen werden. Das Ziel der Preisniveaustabilität steht dabei im Vordergrund. Im weiteren wird noch näher auf das Ziel
der Preisniveaustabilität (Kapitel 6), die geldtheoretischen Erkenntnisse (Geldbegriff,
Geldnachfrage, Geldangebot und Transmissionstheorien -Kapitel 2 und 3) sowie die
monetären Maßnahmen und Instrumente unter besonderer Berücksichtigung der seit
1.1.1999 in Kraft getretenen dritten Stufe der Europäischen Währungsunion (Kapitel 4
und 5) eingegangen werden.
Wie bereits erwähnt, ist das hauptsächliche Ziel der Geldpolitik die Wahrung der Preisniveaustabilität. Geldpolitik findet jedoch nicht im luftleeren Raum statt, so dass es an
dieser Stelle bereits sinnvoll ist, die geldpolitisch relevanten Akteure und die Märkte an
denen sie agieren kurz zu skizzieren. Eine detailliertere Beschreibung der Zentralbankstruktur findet sich später im Skript. Verantwortlich zur Erreichung der Ziele der Geldpolitik ist das Eurosystem1. Das Eurosystem umfasst die Europäische Zentralbank
(EZB) und die nationalen Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Banque de France,
Banca d'Italia,...), die an der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion teilnehmen.
Die nationalen Zentralbanken sind wiederum organisatorisch feiner strukturiert. So hat
bspw. die Bundesbank eine bundesweite Untergliederung in Form von neun Landeszentralbanken (Stuttgart, München, Berlin, Hannover, Hamburg, Frankfurt am Main,
Düsseldorf, Mainz und Leipzig), denen rund 140 Zweiganstalten in den größeren
Städten der Bundesrepublik nachgeordnet sind. Formal ist hier das Prinzip eines zweistufigen Zentralbanksystems wie es auch bei der Bundesbank gegeben war, zu
erkennen.
Bei der Analyse der geldpolitischen Zusammenhänge werden grundsätzlich drei Sektoren unterschieden:

sonstige Finanzinstitute)
1
Das Eurosystem unterscheidet sich von dem Europäischen System der Zentralbanken dadurch, dass
das ESZB sich aus der EZB und den Zentralbanken aller EU Mitgliedsstaaten zusammensetzt.
4

nicht MFI-Finanzinstitutionen, Länder, Gemeinden..)

Besonderer Bedeutung kommt dabei den Interaktionen zwischen Zentralbank und
Kreditinstituten zu. Spannungen können aus den unterschiedlichen Zielsetzungen und
Aufgaben der beteiligten Institutionen resultieren. Besonders deutlich wird dies, wenn
man die verschiedene Aggregationsebenen der Ziele und Funktionen der Banken betrachtet. Zunächst jedoch erst eine Legaldefinition der Kreditinstitute (KI). KI sind nach
§1 KWG "Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang
betreiben, der einen in kaufmännische Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert."
Für unsere Zwecke reicht es, wenn wir uns auf das Einlagen- und Kreditgeschäft
konzentrieren.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht erfüllen die Banken vielfältige Funktionen, die aus ihrem
Status als Finanzintermediär resultieren. Im wesentlichen sind dies Transformationsfunktionen:

Kredite auf der Aktivseite kann das Gesamtrisiko des Kreditportfolios einer
Bank derart reduziert werden, dass es geringer ist als die Summe der
Einzelrisiken.

n: Durch die Annahme und Sammlung vieler kleiner
Einlagen können diese bspw. in einen großen Kreditbetrag "umgewandelt"
werden. Ebenso kann aber eine große Einlage in viele kleine Ratenkredite
"gestückelt" werden.

gen werden als langfristige Kredite
vergeben.

einem regional unterschiedlichen Finanzmittelbedarf und -aufkommen.

immer
neu einen Geschäftspartner suchen müssen, dem sie ihr Geld anvertrauen
können, reduzieren sich die Transaktionskosten. Die Reputation der
Geschäftsbank dient hierbei als Indikator für die Vertrauenswürdigkeit.
5
Neben diesen Funktionen steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch die betriebliche
Leistungserstellung im Vordergrund und wirkt handlungsleitend.
Auch die Zentralbank ist in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt, da eine zu restriktive Geldpolitik (Liquiditätsverknappung) eine Systemkrise des Finanzsektors bewirken
könnte. Zwar kann sich im Einzelfall eine Bank bei Liquiditätsengpässen über den
Geldmarkt refinanzieren, aus Zentralbanksicht ist allerdings der Liquiditätsbedarf des
gesamten Bankensektors die relevante Steuerungsgröße. Der Geldmarkt ist als der
zentrale Anknüpfungspunkt der geldpolitischen Maßnahmen zu sehen. Da die Zentralbank das Notenemissionsmonopol hat, kann sie i.e.S. nicht illiquide werden, sie fungiert
als "lender of last ressort" (Kreditgeber der letzten Hoffnung), bei der sich die Kreditinstitute refinanzieren können. Die Liquiditätsbereitstellung findet in der Regel über dem
Geldmarkt statt.
Unter dem Geldmarkt wird in der engeren Fassung der "Markt für den Handel mit
Zentralbankguthaben auf kürzere Fristen" verstanden. In der engsten Fassung werden
nur die Transaktionen zwischen der Zentralbank und den Geschäftsbanken berücksichtigt. Von dem Auftreten am Geldmarkt erhofft sich die Zentralbank, dass sie ihren geldpolitischen Auftrag (primär: Preisniveaustabilisierung) erfüllen kann. Da die Transaktionen auf dem Geldmarkt jedoch (typischerweise) kurzfristig angelegt sind, die Inflationsrate selbst allerdings ein sogenannter Spätindikator ist, benötigt die Zentralbank Vorstellungen darüber, wie sich ein geldpolitischer Impuls bis in den realwirtschaftlichen
Sektor ausbreitet. Dies ist der Inhalt der Transmissionstheorien. Auch wenn das "direkte
Ansteuern" (inflation targeting) der Inflationsrate von einigen Zentralbanken praktiziert
wurde und wird, ist aus systematischen und praktischen Gründen auf monetäre Indikatoren zurückzugreifen, die verlässliche Rückschlüsse auf die Wirkung geldpolitischer
Maßnahmen zulassen. In der notenbankpolitischen Praxis haben diese Indikatoren
(bspw. bei der Bundesbank) oft den Charakter von geldpolitischen Zwischenzielen
gehabt. Über die Beeinflussung dieser Größen soll das Geldangebot und die Geldnachfrage so gesteuert werden, dass das geldpolitische Ziel unter Berücksichtigung der
wirtschaftspolitischen Zwischenziele erreicht wird.
6
2 Entstehung, Funktion von Geld, Geldmengenbegriffe
2.1 Geldentstehung und Erscheinungsformen des Geldes
Die Entwicklung der heutigen Volkswirtschaften ist eng mit der Entstehungsgeschichte
des Geldes verknüpft. Im geschichtlichen Ablauf zeigten sich die Vorteile einer Geldwirtschaft. Geld erleichtert die Abwicklung des Tausches und die Etablierung von Märkten.
Durch die Reduzierung von Transaktionskosten werden Wohlfahrtsgewinne möglich.
Die ersten Güter, die Geldfunktionen übernahmen, hatten einen doppelten Charakter:
Von Warengeld spricht man, wenn Güter die Funktion von Geld und Gütern übernehmen. Charakteristisch für Warengeld ist, dass es zum einen zum Tausch genutzt,
andererseits aber auch konsumiert werden kann. Im Zeitablauf (aber auch in verschiedenen Kulturen) konnten unterschiedliche Waren beobachtet werden, die diese Funktion
übernahmen (Salz, Felle, Elfenbein, Kauri-Muscheln).
Zwar sind die entwickelten Wirtschaften keine Warengeldwirtschaften mehr, in Zeiten
hoher Unsicherheit bzw. fehlenden Vertrauens in die eigene Währung können einzelne
Güter allerdings wieder den Status von Warengeld bekommen (bspw. Zigarettenwährung nach dem 2. Weltkrieg, Wodka in Russland der 90er Jahre). Als spezielle Form
des Warengeldes können Stücke von Metallen oder Edelmetallen genannt werden. Die
Prüfung der Edelmetalle war jedoch mit einem hohen Prüfaufwand verbunden (Reinheit,
Gewicht, etc.). Um die Prüfung der Waren zu erleichtern kristallisierte sich im Zeitablauf
die Nutzung von Münzen heraus. Im 7. Jahrhundert v.Chr. wurden in Lydien genormte
Münzen geprägt (Krösos), die durch königliche Garantien in ihrer Zusammensetzung
garantiert waren. Der Wert der Münzen wurde mit einem Gewichtsstempel markiert.
Weite Verbreitung fand das Edelmetallgeld durch die Römer. Im gesamten Römischen
Reich galten die aus Gold und Silber gefertigten Münzen als Zahlungsmittel. Allerdings
wurden schon bald die Goldmünzen mit anderen Metallen verschmolzen und so in ihrem
Wert verwässert. Dennoch behielten die Goldmünzen einen hohen Edelmetallanteil.
Caesar machte diese Entwicklung rückgängig und lies eine Goldmünze aus reinem Gold
prägen.
Das Recht zur Prägung wurde durch das sog. Münzregal gesichert. Noch heute liegt das
Münzregal bei den nationalen Regierungen. Demgegenüber liegt das Recht zur Geld/Notenausgabe bei der Notenbank (Notenbankmonopol). Zu beachten ist, dass das
7
Warengeld im Zeitablauf durch stoffwertarmes Zeichengeld (Banknoten) fast vollständig
verdrängt worden ist. Endgültig aufgehoben wurde die Stofflichkeit mit der Einführung
des Buchgeldes (Giralgeld, Depositengeld), das bspw. in Form von Bankeinlagen besteht. Da das Bargeld (genauer die Bargeldnachfrage) bei der noch zu erörternden
Geldschöpfung eine hohe Bedeutung hat, sollen an dieser Stelle noch ein paar Worte
darüber verloren werden. Seit der Einrichtung der Europäischen Währungsunion hat die
Europäische Zentralbank, das alleinige Recht, die Ausgabe von Noten im Euroraum
vorzunehmen, das Ausgabevolumen der Münzen muss von der EZB genehmigt werden.
Geld ist heute „ein gesetzlich bestimmtes und/oder allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel, das einen Wert ausdrücken und zu übertragen vermag und das in einer engen
Wertbeziehung zum realen Bruttoinlandsprodukt besteht".
Die Entwicklung der Finanzmärkte in den achtziger Jahren, die durch eine starke Hervorbringung von Finanzinnovationen gekennzeichnet waren, macht aber eine Unterscheidung dessen was Geld ist, nicht immer besonders einfach. Folgende ausgewählte
Anlageformen mit verschiedenen Funktionen können bspw. unterschieden werden:
Sparguthaben, Geldmarktfondsanteile, Sparbriefe, Rentenfondsanteile, Floating Rate
Notes, Reverse Floating Rate Notes . Für die wissenschaftliche Analyse ist die Definition
des Geldbegriffes im jeweiligen Einzelfall notwendig. In der Theorie und Praxis wird
i.d.R. mit verschiedenen Geldmengenaggregaten gearbeitet. Große Bedeutung hat dabei die - weiter unten näher erläuterte - Geldmengenabgrenzung M3. Eine in der
Literatur häufig vorgenommene Charakterisierung des Geldes bezieht sich dabei auf die
Unterscheidung nach den Geldfunktionen .
2.2 Die Geldfunktionen
Nach Hicks (1967) ist Geld alles, was Geldfunktionen erfüllt. Folgende Geldfunktionen
werden heute als üblich unterstellt.

Geld als allgemeines Tausch- bzw. Zahlungsmittel
Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, Güter gegen Geld hin zu
geben; und sie tun dies im Vertrauen darauf, mit dem erworbenen Geld
wieder Güter erhalten zu können. Entscheidend ist nicht, ob ein Gut zum
gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, sondern ob es als Tauschmittel
akzeptiert wird.
8

Geld als Recheneinheit
Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, im Geld einen gemeinsamen
(objektiven) Nenner zur Bewertung der angebotenen Waren und Dienste
zu sehen, damit diese in ihrem Wert überhaupt verglichen werden können.
Auch ökonomische Rechnungswesen, wie die VGR oder Betriebsbilanzen,
werden hierdurch erheblich vereinfacht bzw. teilweise überhaupterst
ermöglicht.

Geld als Wertaufbewahrungsmittel (Thesaurierungsfunktion)
Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, Geld auch aufzubewahren,
d.h. zwischen früherem Verkaufsakt und späterem Kaufakt zu halten. Ob
dies erfolgreich ist, um anhaltende Werte zu thesaurieren (Sparfunktion
des Geldes) oder um sich lediglich zahlungsfähig zu halten (Liquiditätsfunktion des Geldes), ist unerheblich. Entscheidend ist die Bereitschaft
selbst, andernfalls erfolgt eine Flucht in die Sachwerte. Die Vorteile von
Geld liegen in der hohen Liquidierbarkeit und - bei „gutem“ Geld - in der
Abwesenheit von Wertschwankungen (im Gegensatz bspw. zu Aktien).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Euro (wie zuvor die DM) alle drei
Geldfunktionen wahr nimmt. Die Funktionsfähigkeit der Währung wird gestört, wenn
Schwankungen der Kaufkraft des Geldes auftreten, das heißt, zu starke Preisniveauschwankungen sind schädlich für die Funktionsfähigkeit des Geldes. Bei einer (hohen)
Inflationsrate und hohen Preisvolatilitäten verliert das Geld seine Geldfunktionen.
Neben den Funktionen werden häufig weitere verschiedene Eigenschaften des Geldes
herausgestellt, die sich aber zum Teil mit den Funktionen decken, bzw. die notwendig
sind, damit die Funktionsfähigkeit des Geldes gewährleistet ist.

daher gegenseitig austauschen (Fungibilität).

werden.


zugeordnet werden.
9
Neben den o.g. klassifizierenden Funktionen und Charakteristika existieren in den heutigen Geldwirtschaften der industrialisierten Länder eine kaum übersehbare Anzahl von
Geldformen. Als (nicht annähernd vollständiges) Beispiel seien hier nur die folgenden
Erscheinungsformen genannt:

Bargeld: Noten und Münzen.

Giralgeld: Buchgeld; Verfügung durch Überweisung.

Schecks: Eurocheque, Barscheck, Verrechnungsscheck, Geldmarktfondsschecks (USA).

Kartensysteme: Kreditkarten, electronic cash (EC), Kundenkarten.

Chip-Systeme:
aufladbare
Geldchips
mit
weitgehenden
Bargeldeigenschaften, bspw. auf den EC-Karten.

Virtuelles Geld : Internet-Money.
Diese Zunahme an neuen, privat emittierten Geldprodukten erschwert hierbei zunehmend eine Abgrenzung von Geld und Nicht-Geld nach den o.g. Kriterien. Man spricht
bei diesen Geldformen auch von Geldsurrogaten oder Geldsubstituten. Die Qualität der
Geldsurrogate wird durch:




r Verzinsung der Geldanlage
bestimmt.
2.3 Geldarten, Geldmengenbegriffe und Geldmengenabgrenzungen
Um die verschiedenen Geldarten näher analysieren zu können, finden bei der Zentralbank Geldmengenaggregate Anwendung. Die Veränderung dieser Aggregate im Zeitablauf dient bspw. dazu geldpolitische Beschlüsse abzuleiten. Besondere Bedeutung im
Bereich der Geldpolitik der Bundesrepublik Deutschland erlangten die Geldmengenabgrenzungen dadurch, dass die Entwicklung der Geldmenge sowohl Indikator als auch
Zwischenzielgröße der Bundesbankpolitik bis Ende 1998 war. Im Rahmen der europäischen Geldpolitik hat die Geldmenge als Referenzwert Eingang in die sogenannte
"Zwei-Säulen-Strategie" der EZB gefunden.
10
Damit die Geldmenge seine Aufgabe als Indikator und Zwischenziel erfüllt, können
folgende Anforderungen formuliert werden:
1. Die Größe muss von der Notenbank mit Hilfe ihres Instrumentariums hinreichend
genau gesteuert werden können.
2. Es muss ein stabiler Zusammenhang zwischen Zwischenziel- und Endzielvariable
bestehen.
Allgemeiner gesprochen eignet sich ein Geldmengenaggregat zur Abschätzung von
Inflationsrisiken dann, wenn es einen engen Zusammenhang zur monetären Gesamtnachfrage aufweist. Dies ist aus theoretischen Überlegungen jedoch nicht immer eindeutig abzuleiten. Letztlich ist es deshalb eine empirische Frage, ob einem bestimmten
Geldaggregat der Vorzug gegeben wird. Bei der EZB und der Bundesbank finden (fanden) drei aufeinander aufbauende Geldmengenaggregate Anwendung. Man spricht in
diesem Zusammenhang auch von additiven Geldmengenaggregaten, da die einzelnen
Komponenten additiv miteinander verknüpft sind. Auch wenn hier eine Analogie der
Geldmengenaggregate zu den einzelnen Geldfunktionen besteht, beruht im einzelnen
die Abgrenzung der Geldmenge auf Konventionen und gerade im Zusammenhang mit
der noch zu behandelnden Notenbankkonzeption auf den zugrundeliegenden theoretischen Annahmen und empirischen Erkenntnissen. Die Geldmengenabgrenzungen wie
sie bei der EZB derzeit Anwendung finden :
M1:
Bargeld (Noten und Münzen) sowie täglich fällige Einlagen.
M2:
M1 zuzüglich Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu 2 Jahren und Einlagen mit
vereinbarter Kündigungsfrist bis zu 3 Monaten.
M3:
M2 zuzüglich Reprogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Schuldverschreibungen mit Ursprungslaufzeit bis zu zwei Jahren.
Die Abgrenzung insbesondere der Geldmenge M3 hat sich dabei in den letzten Jahren
geändert. So musste Finanzmarktinnovationen Rechnung getragen werden und auch in
Zukunft werden sich Definitionsänderungen nicht vermeiden lassen, soll das
Geldmengenaggregat M3 seine Steuerungs- und Zwischenziel- bzw. Referenzwertfunktion weiterhin sinnvoll erfüllen.
11
3 Theoretische monetäre Konzepte
3.1 Geldangebot
Unter Geldangebot i.e.S. versteht man die Kreditschöpfung der Geschäftsbanken. Das
Geldangebot wird im wesentlichen von dem Finanzsektor bestimmt. Vier Gruppen,
können nach ihrem Status als Nettogläubiger bzw. Nettoschuldner unterschieden
werden:
A) Staat
B) Unternehmen
C) Private Haushalte
D) Ausland
Während der Staat und die Unternehmen typische Nettoschuldner und die privaten
Haushalte typische Nettogläubiger sind, hat sich das Ausland (Stand 1997) bedingt
durch die Entwicklungen seit Anfang der neunziger Jahre (Wiedervereinigung) zu einem
Nettogläubiger entwickelt.
Aus geldpolitischer Sicht interessant ist nun die Frage, inwieweit die Zentralbank Möglichkeiten hat, die Akteure derart zu beeinflussen, dass eine geldpolitisch gewünschte
Geldmengenentwicklung resultiert. Dies betrifft die Frage nach der Steuerbarkeit der
Geldmenge. Hierzu sind zwei Effekte zu unterscheiden, zum einen kontraktive monetäre
Effekte, zum anderen expansive monetäre Effekte unterschieden werden. Kontraktive
Determinanten bewirken eine Verringerungen der Geldmenge. Zu den kontraktiven
Determinanten können bspw. folgende Transaktionen gezählt werden:

Komponenten).

Monaten.

Kauf von Sparbriefen.



erringerung des Kreditvolumens der Kreditinstitute an Nicht-Banken.
Zu den expansiven Determinanten zählen:
12

Nettoverbindlichkeiten der Kreditinstitute an das Ausland.

ditinstitute
an
inländische
Nichtbanken, Unternehmen, Private oder den Staat.

Verringerung der Bildung von Geldkapital.


Ausschüttung des Gewinns der Zentralbank an den Staat .
Betrachtet man die expansiven und kontraktiven Determinanten, der Geldmengenänderung, sieht man dass die Entwicklung wesentlich vom Verhalten der Marktakteure
abhängt. Fokussiert man bspw. auf die Änderung des Kreditvolumens , so ist die Nachfrage und die Vergabe von Krediten im Bereich der Privaten und der Banken angesiedelt. Das Volumen hängt aus Sicht der Kreditnachfrager bspw. vom Zinssatz, von dem
Konjunkturverlauf oder den Gewinnerwartungen ab. Wesentliche Ansatzpunkte für die
Instrumente der Geldpolitik sind dementsprechend die Zinssätze, die das Verhalten der
Marktakteure beeinflussen sollen. Sind die Gewinnerwartungen jedoch positiv, spielen
die aus dem Zinsniveau resultierenden Kostenaspekte nur eine untergeordnete Rolle
bei der Aufnahme eines Kredites.
Eine besondere Rolle nimmt bei der Kreditaufnahme der Staat ein. Im Gegensatz zu
privaten Marktakteueren, ist die Kreditaufnahme des Staates relativ zinsunelastisch, d.h.
Zinserhöhungen wirken sich nur sehr wenig auf die Kreditnachfrage aus. Des Weiteren
ist der Staat einer der größten Kreditnehmer, von dem meist ca. ein Jahr im voraus die
zu erwartende Kreditnachfrage allgemein bekannt ist.
Die Nettoposition gegenüber dem Ausland wird abhängig vom Wechselkurssystem mehr
oder weniger stark von den Bewegungen auf dem Devisenmarkt bestimmt. Ebenso ist
die Entscheidung zur Geldkapitalbildung nicht frei von den Liquiditäts- und Renditeüberlegungen der Marktakteure, die i.d.R. nicht unabhängig von der konjunkturellen
Situation ist. Fest zu halten bleibt, dass die Komponenten der Geldmengenentwicklung oft außerhalb des Kontrollbereiches der Zentralbank liegen.
Im wesentlichen spielen hier die Zusammenhänge zwischen Geldangebot und Geldnachfrage eine Rolle. Für die kritische Einschätzung der Steuerbarkeit der Geldmenge
sprechen auch empirische Ergebnisse. Ein Blick auf die Entwicklung der Geldmengenaggregate in der Bundesrepublik zeigt, dass die Bundesbank nur in wenigen Fällen ihre
13
selbst gesteckten Geldmengenziele verwirklichen konnte. Von den seit 1974 veröffentlichten Geldmengenzielen wurden gut 50% nicht erreicht.
Für den eigentlichen Prozess der Geldschöpfung soll folgendes Beispiel näher betrachtet werden. Vorab muss jedoch erwähnt werden, dass nur zwei Geldarten als
Zahlungsmittel fungieren können. Zum einen ist es das Zentralbankgeld (Noten, Münzen, Sichtguthaben bei der Zentralbank), zum anderen das von den Kreditinstituten
geschaffene Buchgeld. Um gleichzeitig institutionelle Regelungen und Kundenverhalten
berücksichtigen zu können, sollen die Mindestreserve und die Barabzugsquote mit berücksichtigt werden.

bei der nationalen Zentralbank aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur
Haltung von Liquiditätsreserven hinterlegen müssen. Die Kreditinstitute
müssen demgemäss ihr Mindestreservesoll erfüllen. Das Mindestreserve -Soll
ist der Prozentsatz (Mindestresevesatz) der Verbindlichkeiten aus reservepflichtigen Einlagen. Bei Unterschreitungen des Mindestreservesolls muss das
Kreditinstitut einen Strafzins zahlen.

Wirtschaftsubjekte zur Aufrechterhaltung des Barverkehrs in Anspruch
nehmen.
Beide Aspekte sorgen dafür, dass die Banken im Kreditschöpfungsprozess mit Liquiditätsproblemen konfrontiert werden, da sie Zentralbankgeld benötigen, das sie nicht
selbst schaffen können. Dies soll an einem Beispiel erörtert werden:
Annahme: Barabzugsquote 30%; Mindestreservesatz 10%
Am Anfang des Geldschöpfungsprozesses soll eine Überweisung, die zu einer Sichteinlage (D) bei Bank B in Höhe von 100.000 Geldeinheiten führt, stehen.
30,000 GE werden gemäß den Annahmen an die Bankkunden ausgezahlt, so dass B
70.000 GE als Bankeinlage verbuchen kann. Hierauf müssen 7.000 GE als MR gehalten
werden, so dass von Bank B 63.000 GE an Bank C weiter überwiesen werden können.
Von diesen liquiden Mitteln werden wiederum 18.900 GE (=30%) sofort bar abgehoben
und auf die verbleibenden 44.100 GE fallen 10% MR an, so dass im nächsten Schritt
39.690 GE an D überwiesen werden können. Im Zuge des Geldschöpfungsprozesses
14
vermindert sich die neugeschöpfte Geldmenge kontinuierlich. Insgesamt können ausgehend vom Ausgangsimpuls ca. 270.000 GE geschöpft werden, also ein Vielfaches des
ursprünglich zur Verfügung stehenden Geldbetrages.
Betrachtet man den Gesamtprozess, zeigt sich, dass die Kredit- und Giralgeldschöpfung
von der Mindestreserve und der Barabzugsquote limitiert wird. Je höher diese sind,
desto geringer ist der Kreditschöpfungsspielraum .
3.2 Geldnachfrage
3.2.1 Die Quantitätsgleichung
Am Anfang der meisten geldnachfragetheoretischen Überlegungen in den ökonomischen Lehrbüchern findet sich der Verweis auf die (tautologische) Verkehrs- oder
Tauschgleichung nach der das Produkt aus realem Handelsvolumen und Preisniveau
genau dem Produkt aus Geldmenge und Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
entspricht.
Als Variante der Quantitätsgleichung findet die Cambridge -Gleichung Anwendung,
die sich wie folgt darstellt:
M * v = Yr * P
Diese Identitätsgleichung postuliert somit, dass das Produkt aus Geldmenge (M) und
Umlaufgeschwindigkeit (v) immer gleich dem Produkt aus dem realen Inlandsprodukt
(Yr) und dem Preisniveau (P) ist. Setzt man k=1/v (k=Kassenhaltungskoeffizient) und
löst nach M auf, erhält man eine Erklärung der Geldnachfrage:
M = k* Yr * P
Bei einer konstanten Kassenhaltung ist die Geldnachfrage gleich dem Produkt aus
Preisniveau und realem Sozialprodukt. Zinssätze und Finanzinnovationen beeinflussen
jedoch die Opportunitätskosten der Kassenhaltung, so dass hier Variationen auftreten
können. k ist auch wesentlich von den Zahlungsgewohnheiten der Wirtschaftssubjekte
abhängig (Bsp. Miet- und Lohnzahlungen einmal im Monat).
Nimmt man die Umlaufgeschwindigkeit (v) in der kurzen Frist als konstant an und unterstellt, dass das Preisniveau (p) unverändert bleibt, so muss die Geldmenge in der
Größenordnung verändert werden, wie sich das Inlandsprodukt verändert. Mit anderen
Worten: Die Wachstumsrate der Geldmenge muss genauso groß sein wie die Wachstumsrate des realen Inlandsprodukts, wenn das Preisniveau stabil bleiben soll. Wächst
15
die Geldmenge schneller als das Inlandsprodukt, dann resultieren Preissteigerungen.
Löst man die Gleichung nach der Inflationsrate auf, so erhält man im Kern den Ansatz
einer Inflationstheorie, nach der Änderungen des Preisniveaus abhängig von den Änderungen des realen Sozialprodukts abzüglich der Änderungen des Geldmengenwachstums und der Änderung der Umlaufsgeschwindigkeit sind.
Formal haben diese Zusammenhänge Einfluss auf Ableitung von Geldmengenzielen
bspw. bei der Konzeption der Deutschen Bundesbank gehabt. Zu beachten ist, dass die
Bundesbank bei der Ableitung des Geldmengenziels von einem unvermeidlichen
(normativen) Preisanstieg von 2% ausgeht. Die gleiche Konzeption findet sich heute
auch im wesentlichen bei der Ableitung der Geldmengenziele der EZB. Grundschema
der Ableitung des Geldmengenziels (am Beispiel der Bundesbank für das Jahr 1995):
1) Wachstum des realen Produktionspotentials (Yr)
+ 2,75%
2) (Normativer) Preisanstieg (p) + 2,00%
= Nominales Wachstum des Produktionspotentials (1+2)
+ 4,75%
3) Zu-/Abschlag für die längerfristige Veränderung der
„Umlaufsgeschwindigkeit“ des Geldes
+ 1,00%
= Potentialgerechtes Wachstum der Geldmenge (1+2+3) +5,75%
(Zielkorridor 4 – 6 %)
Quelle: Bundesbank (1995)
Historisch betrachtet fanden in der Bundesrepublik Geldmengenziele seit 1974 Anwendung. Mit dem Übergang zur EWU ist die Ableitung von Geldmengenzielen auch eine
Säule der Geldpolitik der EZB. Von der Europäischen Zentralbank wird jedoch explizit
auf den Charakter der Geldmenge als Referenzwert hingewiesen. Der Blick auf die
Elemente, die die Europäische Zentralbank bei der Ableitung ihres Referenzwertes
berücksichtigt, zeigt eine große Übereinstimmung bezüglich des zugrundliegenden
theoretischen Gerüstes. Der erste Referenzwert für das monetäre Wachstum für 2002
wurde auf 5,5% festgelegt. Der Referenzwert wird jährlich geprüft.
Abweichungen des Geldmengenwachstums vom Referenzwert können auf eine Gefährdung der Preisniveaustabilität hindeuten. Im Gegensatz zur Bundesbank verzichtet die
EZB auf die Bekanntgabe eines Zielkorridors, da eine solche Festlegung die Gefahr in
16
sich birgt, dass beim Erreichen der oberen bzw. unteren Grenze die Öffentlichkeit automatisch geldpolitische Regelungen erwartet. Der Charakter des Referenzwertes beinhaltet jedoch, dass Abweichungen bei den Geldmengenentwicklungen keine Verpflichtung zu einer mechanischen Korrektur in der kurzen Frist bedeuten.
Abschließend kann man im Vergleich der Ableitung der Geldmengenziele sowohl bei der
Bundesbank als auch bei der Europäischen Zentralbank von der Anwendung einer
"naiven Quantitätstheorie" sprechen, da sich beide Institutionen des gleichen Schemas
bedienen. Während auf der einen Seite die Transparenz bei der Ableitung der Geldmengenziele für die Verwendung derselben spricht, ist auf der anderen Seite ein stabiler
Zusammenhang zwischen dem von der Zentralbank betrachteten Geldmengenaggregat
und dem Preisniveau notwendig. Während ökonometrische Untersuchungen der
Bundesbank für die Bundesrepublik den Zusammenhang bestätigen, bestehen Zweifel,
ob dies im Zuge der steigenden Internationalisierung und der Entwicklung von
Finanzinnovationen weiterhin möglich ist. Hier werden die aktuellen Entwicklungen
seitens der Zentralbank mit Argusaugen überwacht. Die dahinterstehende Fragestellung
ist, ob die Geldnachfragefunktion stabil ist? Laut ökonometrischen Untersuchungen der
Bundesbank kann für die Bundesrepublik von einer stabilen Geldnachfragefunktion ausgegangen werden, für den Euroraum besteht dennoch Forschungsbedarf um zu eindeutigen Aussagen gelangen zu können.
Grundlage für die Untersuchungen bilden Geldnachfragetheorien, wie sie jetzt beschrieben werden:
3.2.2 Die Keynesianische Geldnachfragetheorie
Neben der o.g. Cambridge-Gleichung liefert die auf Keynes zurückgehende sogenannte
Liquiditätspräferenztheorie einen anderen Erklärungsansatz der Geldnachfrage. Finanzielle Mittel können seitens der Marktakteure entweder als nachfragewirksame Mittel
(aktive Kasse) oder als Anlagen (passive Kasse) gehalten werden. Für die volkswirtschaftliche Geldtheorie, die auf die Frage der Preisniveauveränderungen zielt, ist vor
allem relevant, wie viele nachfragewirksame finanziellen Mittel seitens der Marktakteure
gehalten bzw. nachgefragt werden. Die Nachfrage nach Kasse hängt dabei von drei
Motiven ab:
17
1.
Transaktionsmotiv beschreibt die Notwendigkeit der Kassenhaltung zur
Betreibung der laufenden geschäftlichen und privaten Transaktionen. Jeder
Marktakteur wird einen bestimmten Teil seines Einkommens zu diesem Zwecke
als Zentralbankgeld nachfragen.
2.
Vorsichtsmotiv berücksichtigt, dass über die laufenden Transaktionen
hinaus eine bestimmte Menge an Zentralbankgeld für unvorhergesehene
Ausgaben nachgefragt wird. Die Höhe dieser Vorsichtskasse hängt von der
individuellen Risikoneigung ab und kann gesamtwirtschaftlich wiederum als Teil
des Volkseinkommens beschrieben werden.
3.
Spekulationsmotiv zielt auf die Anlageentscheidungen der Akteure.
Spekulationskasse wird dann gehalten, wenn die Akteure auf bessere
Anlagekonditionen (also höhere Zinsen bzw. höhere Renditen) warten bzw.
spekulieren und Zentralbankgeld halten, um zu einem geeigneten Zeitpunkt
dieses Geld anzulegen. Damit ist die Nachfrage nach Spekulationskasse (LS)
vom Zins abhängig und zwar dahingehend, dass bei steigenden Zinsen die
spekulative Kassenhaltung sinkt, weil die Opportunitätskosten der Geldhaltung
zunehmen.
Üblicherweise wird das Transaktions- und das Vorsichtsmotiv zusammen betrachtet, da
beide einkommensabhängig sind, während das Spekulationsmotiv zinsabhängig ist.
Formal kann man diese Überlegungen wie folgt darstellen:
L=LT(Y) + LS(i)
Die Nachfrage nach Kasse steigt demzufolge bei steigendem Einkommen und sinkt bei
steigendem Zins. Während der Zusammenhang zwischen Geldnachfrage und Einkommen unmittelbar einsichtig erscheint, bedarf es bzgl. des Zinseinflusses eine detailliertere Betrachtung der Zusammenhänge. Dazu soll einerseits ein niedriges Zinsniveau
und andererseits hohe Zinsen unterstellt werden. Sind im keynesianischen Modell die
Zinsen niedrig, rechnen die Wirtschaftssubjekte auf mittlere Frist mit steigenden Zinsen.
Dies ist jedoch gleichbedeutend mit sinkenden Wertpapierkursen, Kursverluste werden
also befürchtet. Dementsprechend wird der Kauf von Wertpapieren zurückgestellt; insgesamt steigt die Nachfrage nach Spekulationskasse. Bei einem hohen Zinsniveau wird
dementsprechend aufgrund des erwarteten Zinsanstieges mit Kursgewinnen gerechnet.
18
Die Wirtschaftssubjekte kaufen verstärkt Wertpapiere und die Nachfrage nach Spekulationskasse sinkt. Moderne (postkeynesianische) Theorien verfeinern diese Theorien um
bspw. lagerhaltungstheoretische Aspekte, bzw. portfoliotheoretische Überlegungen.
Darauf wird hier nicht näher eingegangen.
3.3 Transmission monetärer Impulse
Ein zentraler Gegenstand der monetären Theorie ist die Frage, wie monetäre Impulse
(insbes. Maßnahmen der Zentralbank) auf den realen Sektor übertragen werden. Dies
ist die Domäne der Transmissionstheorien. Hierzu werden Geldmengen-, Zins- und
Preisniveaueffekte aus dem Zusammenspiel von Geldangebot und -nachfrage hergeleitet, die im realen Sektor Anpassungsreaktionen auslösen. Typischerweise werden
kredittheoretische und vermögenstheoretische Transmissionsmechanismen unterschieden.
1) Der kredittheoretische Transmissionsmechanismus
Die Kredittheoretischen Ansätze betonen die Bedeutung der Kreditvergabe für die
Transmission und sie betrachten im wesentlichen Stromgrößen in Form von kreditabhängigen Ausgaben. Wesentlich für den spillover auf den realen Sektor sind Kreditkosten- und Kreditrationierungsmechanismen. Während bei dem ersten Preisanpassungen bspw. über die Refinanzierungskosten der Banken, die Zinskosten der Banken
oder internen Zinsfüßen als Renditevorgaben für Investitionsentscheidungen stattfinden,
sind letztere durch Mengenanpassungen charakterisiert. Hier ist die These, dass bei
einem gegebenen Zins das Kreditangebot oder die Kreditnachfrage beschränkt werden.
Gründe hierfür können staatliche Reglementierungen (z.B. gesetzliche Regeln zur
Beschränkung des Kreditvolumens), Anpassungsprozesse auf den Kreditmärkten
(bspw. bei der Einführung von Finanzinnovationen), Gewinnüberlegungen der Kreditgeber und damit zusammenhängend die Verweigerung, den Kreditnehmern bestimmte
Kreditwünsche zu erfüllen (bspw. die Einschränkung der Kreditvergabe an "gefährdete"
Kreditnehmer in der Rezession aufgrund des höheren Ausfallrisikos) sein. Von großer
Bedeutung für die Kredittheoretischen Vorstellungen der Bundesbank waren die freien
Liquiditätsreserven. Dieser Ansatz geht davon aus, dass geldpolitische Maßnahmen vor
allem über die freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken (FLR) auf die Gesamt19
wirtschaft wirken. Je niedriger die FLR sind, umso weniger Kredite können die
Geschäftsbanken (ohne weitere Einflüsse) ausgeben. Somit werden die Kredite teurer,
woraufhin auch die Kreditnachfrage sinkt. Als Folge davon sinkt die kreditfinanzierte
Investitionsgüternachfrage und der kreditfinanzierte private Konsum. Die Verteuerung
der Kredite und die damit sinkende Kreditnachfrage dämpft den (Giral-) Geldschöpfungsprozess der Geschäftsbanken und begrenzt somit den Anstieg der Geldmenge.
Die in der Folge sinkende gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirkt sich dämpfend auf die
konjunkturelle Entwicklung aus und verringert damit einen aus einem gesamtwirtschaftlichen Nachfrageüberhang resultierenden Preisauftrieb. Dementsprechend führen hohe
FLR über verbilligte Kredite zu expansiven Güternachfrageeffekten und somit zu einer
Ausweitung der Geldschöpfung bzw. des Geldmengenwachstums.
Will eine Zentralbank mit Blick auf den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus
Geldpolitik machen, so muss sie also die FLR der Geschäftsbanken steuern. Dies
geschieht über die Refinanzierung der Geschäftsbanken. Diese benötigen regelmäßig
"frisches" Zentralbankgeld, da ihnen selbiges im Zuge der multiplen Giralgeldschöpfung
entzogen wird. Dieses können sie in einer Monopolwährungsordnung nur von der
Zentralbank erhalten, welche als Monopolist die Konditionen dieser Refinanzierung
bestimmt. Ist die Refinanzierung für die Geschäftsbanken eher teuer (hohe Zentralbankzinsen, geringe Refinanzierungsmengen), so schlägt sich dies in geringeren FLR mit der
Folge nieder, dass der "hohe Preis" der Zentralbankgeldbeschaffung auf die Kreditnachfrager überwälzt wird (steigende Kreditzinsen ). Umgekehrt gilt bei günstigen
Refinanzierungsbedingungen, dass auch die Bedingungen der Kreditschöpfung sich
verbessern ( sinkende Kreditzinsen). Die Refinanzierungsarten der Geschäftsbanken bei
der Zentralbank werden in Kapitel 4 erläutert.
2) Der vermögenstheoretische Transmissionsmechanismus
Dieser Ansatz geht davon aus, das geldpolitische Maßnahmen vor allem über die
Vermögensdispositionen (Portfolios) der Marktakteure auf die Gesamtwirtschaft wirken.
Ausgangspunkt ist die Erfassung des Geldes als Vermögensobjekt. Ökonomisch gesehen sind Vermögensobjekte Güter, die Nutzen über mehrere Perioden stiften. Nach
Friedmann besteht das von den Wirtschaftssubjekten gehaltene Vermögen einerseits
aus finanziellen Aktiva (Bargeld und Sichteinlagen, geldnahe Anlageformen, festverzins20
liche Wertpapiere und Anteilswerte) und aus Realvermögen (Sachkapital der Unternehmen, langlebige Konsumgüter der privaten Haushalte). Die Geldhaltung verschafft den
Geldhalter den Vorzug, liquide zu sein und spart Transaktionskosten. Die Nachfrage
nach Geld wird im transmissionstheoretischen Konzept als eine Entscheidung zwischen
den Vermögensobjekten interpretiert.
Eine Geldmengenänderung durch die Zentralbank bedeute im Sinne des vermögenstheoretischen Ansatzes eine Störung eines zuvor erreichten Vermögensgleichgewichts.
Die sich daraus ergebenden Anpassungen können am besten am Beispiel einer expansiven Offenmarktpolitik verdeutlicht werden. Beabsichtigt die Notenbank im Wege der
Offenmarktpolitik die Geldmenge zu erhöhen, so muss sie durch das Angebot höherer
Ankaufskurse für die betreffenden Papiere erreichen und so die Halter dieser Papiere
veranlassen, diese zu verkaufen. Bei gleichbleibender Nominalverzinsung bedeutet die
Erhöhung der Kurse eine Senkung der Rendite. Die Geschäftsbanken verfügen nach
dem Verkauf der Papiere an die Zentralbank über mehr Zentralbankgeld. Geld ist im
Vergleich zu den anderen Vermögensarten im Überschuss vorhanden (Überschusskasse) und die Banken werden bestrebt sein, dieses Geld ertragsbringend anzulegen.
Sie wenden sich anderen zinstragenden Anlagearten zu, die im Preis noch unverändert
geblieben sind. Dies sind zunächst Wertpapiere, die von der Offenmarktoperation nicht
direkt beeinflusst worden sind. Der Kauf dieser Papiere durch die Banken treibt c.p. die
Kurse nach oben. Wegen der Substitutionsbeziehungen zwischen den verschiedenen
Wertpapieren und anderen finanziellen Aktiva wird sich dieser Prozess der
Umschichtung in der Vermögensstruktur über den gesamten Bereich der finanziellen
Aktiva erstrecken.
Entscheidend für die Übertragung des monetären Impulses auf den realwirtschaftlichen
Bereich ist die Einbeziehung der Sachvermögensbestände in den Prozess der
Umschichtung der Vermögensstruktur. Da sich die Wirkungskette bislang auf Finanzaktiva beschränkt hat, sind die Renditen der Sachvermögensbestände im Vergleich zu
denen der im Preis gestiegenen Finanzaktiva günstiger. Dies wird die Wirtschaftssubjekte veranlassen, verstärkt Sachvermögensbestände nachzufragen. Die steigende
Nachfrage nach den Sachvermögensbeständen bedeutet, dass von den Unternehmen
zusätzliche Investitionen vorgenommen werden und die Haushalte zusätzliche lang-
21
lebige Konsumgüter nachfragen. Damit die Transmissionskette von monetären Impuls
bis zur Ausgabenentscheidung der Wirtschaftssubjekte für Konsumgüter beendet.
3) Transmission und geldpolitische Maßnahmen
Allgemein gilt, dass Transmissionstheorien Wirkungsketten beschreiben, wie geldpolitische Impulse übertragen werden und in welche Richtung sie auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bzw. auf das gesamtwirtschaftliche Angebot wirken. Ansatzpunkt
geldpolitischer Maßnahmen ist dabei i.d.R. der Geldmarkt. Über die Beeinflussung der
dortigen Zinssätze, die die Zentralbank relativ genau steuern kann, hoffen die geldpolitisch verantwortlichen Akteure über die Refinanzierungskosten der Geschäftsbanken ,
dass sich der geldpolitische Impuls auf die Kapitalmärkte durchschlägt und so das
Verhalten der Nichtbanken beeinflusst.
Versucht bspw. die Zentralbank ausgehend von einem preisniveaustabilen Umfeld eine
expansive geldpolitische Maßnahme (im Gegensatz zu einer restriktiven Geldpolitik)
durchzusetzen, die dazu dienen kann die Nachfrage zu stimulieren. Dazu senkt sie
bspw. den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Dadurch wird die Refinanzierung der
Banken günstiger und auch der Geldmarktzins sinkt. Da die Banken nun billiger an Geld
kommen, hofft die Zentralbank dass die Banken die Zinssenkung an die Kunden weitergeben und die Zinssenkung auf die Kapitalmärkte abstrahlt.
Wenn die Renditen sinken ist es für die Nichtbanken jedoch auch lohnend verstärkt
Kredite nachzufragen und das so erhaltene Geld in Güterkäufe zu investieren. Die
Nachfrage auf den Gütermärkten steigt also. Da mittelfristig eine erhöhte Nachfrage auf
ein bestehendes Angebot trifft, wird sich auch der Preis der Güter erhöhen. Mit der
Nachfragestimulierung ist also auch eine Preiserhöhung verbunden. Wie man leicht
einsehen kann, ist das Erreichen des notenbankpolitischen Ziels auf dem Transmissionswege von vielen Faktoren abhängig. So setzt bspw. eine verstärkte Kreditnachfrage
auch eine entsprechend Bereitschaft der Akteure voraus. Bleibt diese aus, weil bspw.
die Erwartungen an die Zukunft negativ sind, so wird der Transmissionsprozess unterbrochen.
Ein weiterer Punkt, der bei dem Einsatz geldpolitischer Maßnahmen zur Beseitigung von
Störungen berücksichtigt werden muss ist die “lag-Problematik”. Darunter wird die Zeitspanne vom Erkennen einer gesamtwirtschaftlichen Störung über das Ergreifen von
22
Maßnahmen hin zum Wirken der Maßnahmen verstanden. Im Extremfall kann aufgrund
prozyklischer Wirkungen der Geldpolitik der gewünschte politische Effekt konterkariert
werden.
23
4 Geldpolitik der Bundesbank und der EZB
Zwischenziel der Geldpolitik – Begriffliche Grundlagen
Zwischen den wirtschaftspolitischen Zielen (Preisniveaustabilität (Inflation), Wachstum,
Zahlungsbilanzgleichgewicht, Vollbeschäftigung) des sog. magischen Vierecks und den
geld- bzw. kreditpolitischen Maßnahmen bestehen in Gestalt der Transformationsmechanismen komplexe Wirkungszusammenhänge. Eine unmittelbare Beeinflussung
der gesamtwirtschaftlichen Ziele ist in der Geld- und Kreditpolitik nicht möglich; sie
bedient sich deshalb sog. monetärer Zwischenziele, deren Erreichen sie anhand von
monetären Indikatoren überprüft.
Ein Zwischenziel ist eine Größe, die eine im geldpolitischen Transmissionsprozess eine
Zwischenstellung zwischen den auf bestimmte Variablen zielenden Instrumenteneinsatz
(operating targets wie Geldbasis, Geldmarktzins) und dem geldpolitischen Endziel beinhaltet. Vor dem Hintergrund der komplexen Wirkungszusammenhänge von geldpolitischen Instrumenteneinsatz und Endziel, sowie aufgrund der bereits beschriebenen
Wirkungsverzögerungen scheint es sinnvoll, die Geldpolitik auf Zwischenziele auszurichten. Maßgeblich für die Festlegung von Zwischenzielen und Indikatoren ist dabei die
Beurteilung der Steuerungsmöglichkeiten durch die Geldpolitik.
Die Geldmenge als Zwischenziel
Ein typisches geldpolitisches Zwischenziel ist die Geldmenge. Auf der Ebene der
Zielsteuerungsgröße bedeutet eine Strategie der Geldmengensteuerung, dass die
Veränderung einer definierten Geldmenge die dominierende Entscheidungs- und
Handlungsgröße für die Zentralbank darstellt. In dieser Strategie kommt der Geldmengenabgrenzung eine zentrale Bedeutung zu. Sie ist nur dann sinnvoll durchführbar,
wenn auf der einen Seite ein eindeutiger und steuerbarer Zusammenhang zwischen
Zentralbankgeldmenge und Zielgeldmenge (bspw. M3 erweitert) besteht und auf der
anderen Seite die gewählte Geldmengenabgrenzung mit der tatsächlichen Geldnachfrage in einem stabilen Zusammenhang steht, so dass Veränderungen dieser Geldmenge auch tatsächlich Inflationstendenzen indizieren. Beides war in Deutschland
aufgrund des wettbewerbspolitischen Ausnahmestatus der Geldwirtschaft lange Zeit
24
gegeben, so dass die Bundesbank eine (weitgehend) regelgebundene Geldmengensteuerung praktizieren konnte.
Diese sah einen vorab publizierten Zielkorridor der Geldmengenentwicklung vor, bei
dessen Nicht-Einhaltung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollten. Im Zuge
der stärkeren Verbreitung von Finanzinnovationen insbesondere in den 1990er Jahren
verwischen Transaktions- und Anlagemotiv der Geldhaltung zunehmend, so dass eine
Geldmengensteuerung immer problematischer wird (zunehmende Instabilität der Geldnachfrage, nachlassender Zusammenhang von Zentralbankgeldmenge und Zielgeldmenge). Die aus den Innovationen resultierende "Aufweichung" und Erschwerung einer
Geldmengensteuerung führte dazu, dass viele Zentralbanken von der Zwischenzielstrategie Abstand nahmen und zu alternativen Konzepten übergingen. Hier ist vor allem
die "direkte" Inflationssteuerung zu nennen. Die damit zusammenhängenden Politikvariablen finden sich teilweise auch in der Strategie der EZB wieder.
In den späten 1980er und 1990er Jahren gingen eine ganze Reihe von Zentralbanken u.a. in den USA, in Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland usw. - zur "direkten
" Inflationssteuerung ( inflation targeting) über. Das inflation targeting stellt einen von der
Zentralbank veröffentlichter Zielwert oder Zielkorridor einer Inflationsrate dar, die noch
mit dem Ziel der Geldwertstabilität vereinbar scheint. Da die Inflationsrate nicht unmittelbar ansteuerbar ist, sind Inflationsprognosen und verlässliche Transmissionsmodelle
wesentlich, um das geldpolitische Instrumentarium adäquat einsetzen zu können. Den
Inflationserwartungen kommt dabei eine zentrale Rolle im Preisbildungsprozess zu. Hier
sind besondere Verfahren notwendig, um darüber Rückschlüsse zu erlangen (bspw.
Befragungen oder Analysen der Zinsstruktur), Bei einer erwarteten Rate über dem Zielwert schlägt die Zentralbank einen restriktiven Kurs ein und versucht so die Zielvariable
zu erreichen. Neben der Abgrenzung der relevanten Inflationsrate und den Wirkungsverzögerungen geldpolitischer Maßnahmen, ist problematisch, dass die Inflationsrate ein
sogenannter Spätindikator ist, der geldpolitische Mitteleinsatz bei einer ungenauen
Prognose somit prozyklisch wirken kann. Deshalb ist es notwendig, andere Indikatoren
als die Inflationsrate indikativ, das heißt mit von Fall zu Fall (situativ) wechselndem
Gewicht heranzuziehen. Eine Regelbindung ist dann direkt auf die Einhaltung eines
vorab verkündeten Inflationsziels (bspw. Inflationsrate = 1%) gerichtet. Zwar haben die
Notenbanken, die sich auf ein Inflationsziel festgelegt haben, eine durchaus erfolgreiche
25
Bilanz aufzuweisen, doch ist dies in dem Umfeld einer weltweiten Inflationsentspannung
zu beurteilen, so dass eine systemimmanenter Vorteil des inflation targeting gegenüber
der Geldmengensteuerung nicht abzuleiten ist. Die mögliche performance dieser
Zentralbankstrategie wird allerdings auf Kosten der Transparenz dieses Verfahrens
erkauft, denn im Einzelfall ist es für außenstehende schwer verständlich, die vielfältigen
Indikatoren, die in diesem Ansatz die Zentralbank beeinflussen, nachzuvollziehen.
4.1 Geldpolitisches Instrumentarium der Deutschen Bundesbank
Die Geldpolitischen Steuerungsinstrumentarien folgten marktwirtschaftlichen Prinzipen.
So sollten sie kein Finanzinstitut benachteiligen (oder bevorzugen) sowie den Wettbewerb im Finanzsektor fördern. Dabei bediente sich die Bundesbank Mitteln, die zur
Grobsteuerung und zur Feinsteuerung der geldpolitischen Rahmenbedingungen
dienten.
4.1.1 Diskont- und Lombardpolitik
Die Diskont und Lombardpolitik stellte über lange Zeit das zentrale geldpolitische
Steuerungsinstrument dar. So bildete der Diskontsatz die Untergrenze des von der
Bundesbank definierten Zinsrahmens. Bei der Diskontpolitik konnten Geschäftsbanken
Wechsel an die Bundesbank verkaufen, wobei der Diskontsatz den Abzinsungssatz zum
Nominalwert darstellte. Die Diskontpolitik war für die Banken lange Zeit die maßgebliche
Möglichkeit Zentralbankgeld zu erhalten. Allerdings schrumpfte seine Bedeutung an der
Finanzierung der Geschäftsbanken seit den 80er Jahren kontinuierlich. So sank der
Anteil der Diskontgeschäfte an der gesamten Refinanzierung bspw. von ca. 72% im Jahr
1982 auf ca. 26% 1997.
Bei der Lombardpolitik handelt es sich um die Beleihung von Wertpapieren, wie es
später in ähnlicher Form und in größerem Umfang durch Wertpapierpensionsgeschäfte
im Rahmen der Offenmarktpolitik betrieben wurde. Die Lombardpolitik war im Vergleich
zur Diskontpolitik stets von quantitativ geringer Bedeutung und diente in erster Linie zur
Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Kreditwirtschaft. Der Lombardsatz stellte
die Obergrenze des Zinsrahmens der Bundesbank dar und lag in der Regel 1,5 % bis 2
% höher als der Diskontsatz.
26
In den letzten Jahren setzte die Bundesbank zunehmend Wertpapierpensionsgeschäfte
als wichtiges Instrument der Refinanzierung ein, so dass Lombardgeschäfte nur noch
bei sehr angespannter Liquiditätslage vorkamen.
4.1.2 Offenmarktpolitik
Diese stellen Wertpapiertransaktionen mit Rückkaufverpflichtung dar und sind von so
her strikt befristet. Sie bestehen aus einem Kassageschäft und einem Termingeschäft,
welche zeitgleich abgeschlossen werden. Beim Kassageschäft verpflichtet sich die
Zentralbank (als Pensionsnehmer) ein Wertpapier (bspw. festverzinsliche Staatspapiere;
Pensionsgegenstand) vorübergehend anzukaufen (in Pension zu nehmen) und der
(verkaufenden) Geschäftsbank (Pensionsgeber) eine Gutschrift auf Zentralbankkonto zu
gewähren. Das Termingeschäft verpflichtet die Geschäftsbank zur Rücknahme des
Wertpapiers zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis. Der Rückkaufpreis liegt hierbei
stets über dem Ankaufpreis, da er den Zinssatz (Preis) für die befristete Überlassung
von Liquidität durch die Zentralbank an eine Geschäftsbank (Pensionssatz) enthält.
Wertpapierpensionsgeschäfte können wahlweise als Mengentender oder als Zinstender
zugeteilt werden.
Beim Mengentender gibt die Zentralbank einen Zinssatz (Pensionssatz) vor und holt zu
diesem Satz Mengengebote der Geschäftsbanken ein. Die Zentralbank teilt dann die
von ihr vorgesehene Liquiditätsmenge durch die sogenannte Repartierung zu, das heißt,
alle Gebote (der Geschäftsbanken) werden anteilsmäßig berücksichtigt. Eine Geschäftsbank bekommt von ihrem Gebot den Prozentsatz zugeteilt, der sich aus der Relation der
(von der Zentralbank bestimmten) Zuteilungsmenge zur Summe aller Gebote ergibt, so
dass alle Gebote prozentual gleich berücksichtigt werden.
Zinstender gibt die Zentralbank keinen Zinssatz vor, sondern holt kombinierte
Mengen- und Zinsgebote ein. Die Gebote werden der gebotenen Zinshöhe nach in
fallender Reihenfolge gestaffelt; der Pensionssatz ergibt sich nach dem gebotenen Zinssatz, bei welchem die vorgesehene Zuteilungsmenge gerade erreicht wird (Grenzzinssatz). Alle Gebote mit höherem Zinssatz werden in voller Höhe zugeteilt; die Gebote
zum Grenzzinssatz werden repartiert (s.o. Mengentender). Beim amerikanischen Zinstender zahlt jede Geschäftsbank den von ihr gebotenen Zinssatz (es gibt also eine
27
Bandbreite an Pensionssätzen); beim holländischen Zinstender zahlen alle Geschäftsbanken hingegen den Grenzzinssatz, der somit den Pensionssatz determiniert.
Da Wertpapierpensionsgeschäfte Refinanzierungsgeschäfte darstellen, sind die potentiellen Geschäftspartner der Zentralbank auf Geschäftsbanken und andere Kreditinstitute beschränkt. Als Refinanzierungsgeschäfte zielt dieses Instrument auf den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus das heißt, die Zentralbank bestimmt die
Konditionen der Refinanzierung der Geschäftsbanken und beeinflusst dadurch die
Kreditkosten und somit über das Kreditvolumen die Giralgeldschöpfung. Soll diese
gedämpft werden, wird die Zentralbank die Zuteilungsmenge gering halten bzw. den
Pensionssatz relativ hoch festsetzen, so dass die nachfragerelevante Geldmenge
begrenzt wird und damit inflationäre Prozesse bekämpft werden.
4.1.3 Mindestreservepolitik
Die Mindestreservepolitik dient zur Grobsteuerung der Geldmenge. Eine Mindestreservepflicht liegt vor, wenn die Geschäftsbanken verpflichtet sind, bestimmte Prozentsätze
ihrer Einlagen von Nichtbanken - verzinslich oder unverzinslich - bei der Zentralbank zu
halten. Dadurch wird der Prozess der Giralgeldschöpfung beeinflusst: Eine hoher
Mindestreservesatz verringert die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken
und wirkt so dämpfend auf das Wachstum der Geldmenge. Darüber hinaus verstärkt
eine Mindestreservepflicht für die Geschäftsbanken den Zwang zur Refinanzierung bei
der Zentralbank und erhöht somit tendenziell die Nachfrage nach Zentralbankgeld.
Allerdings ist eine Variation der Mindestreservesätze mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden, weswegen dieses Instrument nicht zur geldpolitischen Feinsteuerung
taugt. Darüber hinaus erleiden Geschäftsbanken in einem Mindestreservesystem Wettbewerbsnachteile gegenüber Geschäftsbanken ohne eine solche Pflicht, da ihre Kreditpolitik eingeschränkt wird.
Die Bundesbank hat über lange Jahre eine sehr komplexe Mindestreservepolitik
betrieben. So wurde je nach Anlageform der Nichtbanken ein unterschiedlicher Mindestreservesatz der Geschäftsbank zu Grunde gelegt und z.B. Tagesgelder oder
Giralkontengelder mit einem deutlich höheren Mindestreservesatz versehen als Termingelder. Erst in den letzen Jahren wurde der Mindestreservesatz vereinheitlicht und
deutlich gesenkt, da er in vielen europäischen Staaten nicht erhoben wurde und somit
28
als Wettbewerbsnachteil empfunden wurde. Ende der 90er Jahre betrug er schließlich
nur noch 2 %.
4.1.4 Theorie der Preislücke
Aus Kapitel 3.3 sind bereits einige Transmissionsmechanismen zwischen der Geldpolitik
und der realen Wirtschaftsentwicklung erläutert worden. In diesem Zusammenhang
auch auf die zeitliche Verzögerung der Wirkung der Geldpolitik hingewiesen. Die
Bundesbank hat daher bei der Beurteilung des Inflationspotenzials nicht nur die aktuelle
Geldmengenentwicklung zu berücksichtigen, sondern auch das sich aus dem Geldmengenwachstum der letzten Jahre aufgestaute Potenzial.
Ausgehend von der Cambridge-Gleichung (Quantitätsgleichung) M*u = P*Y ermittelt die
Bundesbank in wieweit das Geldmengewachstum durch das reale Wirtschaftswachstum
und der Verringerung der Umlaufgeschwindigkeit gerechtfertigt ist. Die Bundesbank
analysierte über einen längeren Zeitraum das verbleibende jährliche Inflationspotenzial
mit der tatsächlichen Inflationsentwicklung und stellte dabei fest, dass ein durch stärkere
Geldmengensteigerung aufgebautes Inflationspotenzial sich über mehrere Jahre abbaut. Ursachen für den verzögerten Inflationsanstieg sind durch eine Vielzahl von
andere Faktoren (bspw. Kurzfristige Kostenschwankungen, Nachfrageveränderungen)
begründet, die die direkten Zusammenhänge zwischen Geldmenge und Inflation überlagern. Sogar mehrjährige Geldmengesteigerungen, die nicht durch Veränderungen in
der Umlaufgeschwindigkeit oder im Wirtschaftswachstum von Nöten waren, können so
zunächst mit Preisstabilität einhergehen erst nach zwei bis vier Jahren zu erheblichen
Preissteigerungen führen. Aus diesen Erkenntnissen wurde das Konzept der Preislücke
entwickelt, bei dem das tatsächliche Preisniveau mit dem „rechnerischen“ langfristigen
Preisniveau, das sich aus Sozialprodukt, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit ergibt,
verglichen wird. Die dabei entstehende Differenz bezeichnet man als Preislücke.
4.2 Konzept und Instrumente des Eurosystems
4.2.1 Die institutionelle Betrachtung
Der organisatorische Aufbau
Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) wurde am 01.06.1998 als Nachfolgeorganisation des Europäischen Währungsinstituts (EWI), welches zu der Vorbereitung
29
des ESZB geschaffen wurde, gegründet. Es besteht aus der Europäischen Zentralbank
(EZB) mit Sitz in Frankfurt a.M. und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten
der europäischen Währungsunion, welche nun als ausführende Organe oder Zweigstellen der EZB fungieren (vergleichbar der Funktion der Landeszentralbanken in
Deutschland) , sowie den EU Zentralbanken der Nicht-EWU-Mitgliedsländer.
Zentrales Entscheidungsgremium des ESZB ist der EZB-Rat, der die geldpolitische
Strategie und Art und Dosierung des Instrumenteneinsatzes festlegt. Er setzt sich aus
dem Direktorium der EZB und den Gouverneuren/Präsidenten der nationalen
Zentralbanken der EWU-Teilnehmerstaaten zusammen, wobei das Direktorium aus dem
Präsidenten der EZB (z.Zt. Wim Duisenberg ), dem Vizepräsidenten und maximal vier
weiteren Mitgliedern besteht. Für nahezu alle Entscheidungen gilt das einfache
Mehrheitsprinzip, wobei jedes EZB-Ratsmitglied genau über eine Stimme verfügt. Dem
Erweiterten EZB-Rat gehören zusätzlich noch die Zentralbankgouverneure -präsidenten
der Staaten an, die bereits Mitglied der EU, aber noch nicht der EWU sind. Seine
Aufgabe liegt in der Festlegung der Rahmenbedingungen und des Ablaufes bei der
Aufnahme neuer EWU-Mitglieder.
Eine Ausnahme stellt die Entscheidung über die Verwendung des Zentralbankgewinns
dar, bei welcher eine Zweidrittelmehrheit der gewichteten Stimmen (nach wirtschaftlicher
Größe) der Gouverneuren bzw. Präsidenten erforderlich ist.
Die Aufgaben des Eurosystems bestehen in (Art. 105, Abs. 2 EG-Vertrag):




EU.
ESZB und Unabhängigkeit
Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die institutionellen Voraussetzungen für die Erreichung der Ziele gegeben sind. An erster Stelle der Überlegungen
steht die Frage nach der Unabhängigkeit der Notenbank. Eine Zentralbank betreibt
unabhängig von Weisungen der Politik (Regierungen, Parlamente) ihre Geldpolitik,
wobei sie vorrangig auf dem Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet ist. Dies wird als
30
notwendige institutionelle Voraussetzung für Geldwertstabilität betrachtet, da Politiker
insbesondere in Wahlkampfzeiten in Versuchung geraten könnten, Inflation zuzulassen,
um einen vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen. Dagegen wird
kritisiert, dass regierungsunabhängige Zentralbanken keiner genügenden demokratischen Kontrolle unterliegen. Die ausschließliche Fixierung auf das Ziel der Preisniveaustabilität vernachlässigt unter Umständen andere wirtschaftspolitische Ziele (z.B.
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit) und erschwert deren Verfolgung.
Zur besseren Charakterisierung des Unabhängigkeitsbegriffes werden in der Literatur
typischerweise vier Arten der Unabhängigkeit unterschieden:
 Institutionelle Unabhängigkeit .
Zum
einen
muss
der
Auftrag
zur
Sicherung
der
Preisniveaustabilität
festgeschrieben sein, zum anderen muss die Notenbankspitze unabhängig von
den Weisungen der Regierungen sein.
 Personelle Unabhängigkeit
Berufung der Mitglieder des EZB-Rates für einen
möglichst langen Zeitraum
erfolgen sollte. Abberufung nicht von den nationalen Regierungen möglich
 Finanzielle Unabhängigkeit
 Funktionelle Unabhängigkeit
Neben der Bereitstellung eines geeigneten Instrumentariums und der Autonomie
über den Mitteleinsatz ist hierbei auch darauf zu achten, dass die Geldpolitik nicht
durch Tatbestände gestört wird, die außerhalb der Kontrolle der Geldpolitik
liegen. Denkbar wären bspw. Festlegungen des Zinsniveaus wie sie in
Deutschland
bis
1967
(allerdings
unter
anderem
währungspolitischen
Rahmenbedingungen) existiert haben oder die Pflicht zu Notenbankkrediten an
den öffentlichen Haushalt.
Vergleicht man die theoretischen Unabhängigkeitskriterien mit den tatsächlich realisierten, so stellt man einen hohen Stand der Zentralbankautonomie fest. Gemäß dem EG Vertrag müssen sowohl die EZB als auch die nationalen Zentralbanken unabhängig
sein. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben darf weder die EZB noch eine nationale
Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen einholen oder entgegennehmen. Diese institutionelle Unabhängigkeit wird durch eine personelle Unabhängigkeit der EZB-Ratsmitglieder ergänzt, welche durch lange Amtszeiten (5 - 8 Jahre),
31
eine Begrenzung auf eine Amtszeit und einer Abberufung ausschließlich über den Europäischen Gerichtshof bei schweren Verfehlung gekennzeichnet ist.
4.2.2 Strategien und Konzept der EZB
Im Allgemeinen ist eine geldpolitische Strategie definiert als ein Verfahren, das - einmal
von der Zentralbank festgelegt - über einen längeren Zeitraum von der Notenbank
angewendet wird, um basierend auf einer umfassend systematischen Analyse relevanter Indikatoren transparent und regelmäßig über den Einsatz geldpolitischer Instrumente
zu entscheiden. Bei einer Klassifizierung geldpolitischer Strategien können grundsätzlich
zwei Klassifizierungsmerkmale unterschieden werden. Zum einen ist eine Unterscheidung nach der handlungsleitenden Selbstbindung der Zentralbank möglich. Hier unterscheidet man zwischen regelgebundener und diskretionärer Geldpolitik. Zum anderen
kann von einer zielgebundenen Selbstbindung ausgegangen werden. Hier ist zu unterscheiden, ob sich die Geldpolitik bspw. auf eine strategische Steuerung der Geldmenge,
auf eine direkte Inflationssteuerung (inflation targeting) oder auf ein Wechselkursziel
konzentriert.
Handlungsleitende Selbstbindung
Bei einer diskretionären Geldpolitik entscheiden die geldpolitischen Entscheidungsträger
(also die Zentralbanken) von Fall zu Fall, welche Politikmaßnahme sie zur Realisierung
ihres Zieles (Preisniveaustabilität) ergreifen. Die Geldpolitik erfolgt somit situativ (in
Abhängigkeit der jeweiligen Besonderheiten der Problemsituation) und muss im Zeitablauf nicht zwingend konsistent sein. Der wesentliche Vorteil einer diskretionären
Strategie liegt in ihrer hohen Flexibilität, das heißt, es ist den geldpolitischen Akteuren
(den Zentralbanken) möglich, auf unterschiedliche Problemursachen (differierende
Inflations- oder Deflationsursachen) mit unterschiedlichen Mitteln bzw. Politikmaßnahmen zu reagieren. Als Nachteil ist festzuhalten, dass eine diskretionäre Geldpolitik
aus der Sicht der Marktakteure unberechenbar ist und damit für Erwartungsunsicherheit
sorgt, so dass sie keine transparente und zuverlässige Basis für die individuellen
ökonomischen Pläne der Akteure liefert. Dies ist regelmäßig nicht dazu geeignet,
Vertrauen in die Geldpolitik zu schaffen.
32
Eine strikt regelgebundene Geldpolitik (open-loop -policy) ist dadurch gekennzeichnet,
dass die Zentralbank verpflichtet ist, eine bestimmte Handlungsregel ohne Rücksicht auf
die Spezifika der jeweiligen Handlungssituation auszuführen. Ein Beispiel einer solchen
starren Regel wäre: "Erhöhe die Zentralbankgeldmenge jährlich um die konstante Rate
k %." Damit ist die Handlungsweise der Zentralbank exakt festgelegt und selbige verfügt
nicht mehr über einen eigenen (diskretionären) Handlungsspielraum. Hiermit ist eine
absolute Erwartungssicherheit seitens der Marktakteure verbunden, die nun im voraus
exakt wissen, wie sich die Zentralbankgeldmenge verändert und dies in ihren individuellen ökonomischen Plänen berücksichtigen können. Damit wird eine hohe Glaubwürdigkeit der Geldpolitik bewirkt, die Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Geldordnung
schaffen kann. Die Befürworter einer solchen starren Regelbindung (vor allem die
Monetaristen um Milton Friedman) vertreten die Auffassung, dass eine Marktwirtschaft
selbstregulierend und somit ohne Politikeingriffe optimal funktioniert. Wirtschaftspolitische Akteure (bspw. eben auch Zentralbanken mit diskretionärem Handlungsspielraum) verfügen dieser Auffassung nach jedoch nicht über genügend Kompetenz und
Willen, um im Sinne des Allgemeinwohls richtige Entscheidungen zu treffen, so dass ihr
Verhalten strikt an Regeln zu binden ist.
Der wesentliche Nachteil einer starren Regelbindung liegt darin, dass nicht differenziert
auf unterschiedliche Inflations- oder Deflationsursachen reagiert werden kann; eine
solche Geldpolitik also nicht situationsflexibel ist. Nicht zufällig wird diese geldpolitische
Strategie überwiegend von Monetaristen befürwortet, welche ja auch sehr stark auf eine
monokausale Inflationserklärung fokussieren (Dominanz der monetären Inflationsursache) und Deflationsprobleme wenig thematisieren. Auch die Annahme, dass
Marktwirtschaften grundsätzlich ohne politische Interventionen optimal funktionieren, ist
unter Ökonomen stark umstritten. Darüber hinaus ist es geldtheoretisch zweifelhaft, ob
eine langfristig konstante Wachstumsrate der Geldmenge tatsächlich für Preisniveaustabilität sorgen kann, da das Produktionspotential (als - vereinfachend formuliert –
konjunkturbereinigte
Sozialproduktsgröße)
einer
Volkswirtschaft
durchaus
nicht
zwangsläufig einer konstanten Wachstumsrate unterliegt. Dies gilt umso mehr als
Wissen über zukünftige ökonomische Entwicklungen heute nicht bzw. kaum in sicherer
Weise verfügbar ist.
33
Eine weitere Variante regelgebundener Geldpolitik stellt die Feedback-Regel (closedloop -policy) dar. Hierbei ist die Ausführung der Handlungsregeln an den Eintritt spezifischer Ereignisse gebunden, so dass eine Rückkopplung (closed loop) zwischen
Zielgröße und Instrumentenwahl bzw. -einsatz integriert ist. Ein Beispiel einer solchen
Feedback-Regel könnte wie folgt formuliert werden :
"Erhöhe das Zentralbankgeldangebot um 4 % pro Jahr, zuzüglich 1% für jede n
Prozentpunkt Arbeitslosenquote oberhalb von 5%, abzüglich 0,5% für jeden Prozentpunkt Inflation oberhalb von 2%." Ist die Feedback-Regel den Marktakteuren bekannt,
so ist Erwartungssicherheit bezüglich der Geldpolitik gegeben. Gleichzeitig ist eine
solche Regelbindung relativ flexibel gegenüber unterschiedlichen Inflations- oder
Deflationssituationen und -ursachen; dies gilt freilich nur insoweit, als das alle relevanten
Situationsparameter in der Regel erfasst sind. Damit bleibt auch diese Strategie regelgebundener Geldpolitik unflexibel gegenüber nicht erwarteten Ursachen von Fehlentwicklungen, welche bei einer prinzipiell offenen Zukunft dennoch auftreten können
(bspw. in Form exogener Schocks - Ölpreiskrise - oder Innovationen an den Finanzmärkten).
Insgesamt wird es sich in der Realität nicht vermeiden lassen, den geldpolitischen
Akteuren (den Zentralbankern) gewisse (jedoch deutlich beschränkte) diskretionäre
Spielräume zu belassen, um auf unerwartete Zukunftssituationen reagieren zu können.
Somit können Regelbindungen real nur unvollständige Regelbindungen sein. Damit
kann die institutionelle Ausgestaltung der Geldpolitik nur eine notwendige nicht aber
eine hinreichende Bedingung für Vertrauen in die Geldpolitik liefern. Glaubwürdigkeit
wird auch zu einem Aspekt der Reputation einer Zentralbank , das heißt, sie hängt nicht
unwesentlich von dem tatsächlichen Verhalten der Zentralbankakteure in der jüngeren
Vergangenheit ab. Diesbezüglich hat die Deutsche Bundesbank durch ihre - in der
öffentlichen Meinung sowie im dominierenden Teil der Fachwelt - erfolgreiche Tätigkeit
ein hohes Vertrauenspotential geschaffen, welches sich das ESZB als (geschichtslose)
neue Organisation erst noch erarbeiten muss.
Zielgebundene Selbstbindung
Eine wesentliche Frage, die bei der Wahl der Strategie dabei beantwortet werden muss,
ist die des geldpolitischen Ziels. Je nach den Vorstellungen über die zugrundeliegenden
34
Transmissionsmechanismen sind verschiedene Ziele vorstellbar. Wichtig für die EZB
war und ist dabei, dass sie erst einen Grundstock an Glaubwürdigkeit aufzubauen hat.
Daher stand und steht die Entwicklung in der Währungsunion und die Europäische
Zentralbank schon in der Startphase unter besonders strenger Beobachtung durch die
Öffentlichkeit. Bei der Suche nach der geeigneten geldpolitischen Strategie für die Europäische Zentralbank stellten die von den nationalen Notenbanken der EU praktizierten
Ansätze mit Blick auf Glaubwürdigkeit, Transparenz und Kontinuität einen wichtigen
Ansatzpunkt zur Strategiewahl dar. Es ließen sich hier im Prinzip drei Konzepte unterscheiden: Einige Zentralbanken verfolgten ein "direktes" Inflationsziel (inflation targeting,
z.B. die Bank of England und die Sveriges Riksbank). Andere banden sich über den
Wechselkurs eng an die Anker-Währung D-Mark an (so vor allem die De Nederlandsche
Bank und
die
Österreichische
Nationalbank).
Der
dritte Ansatz
ist
an
der
Geldmengensteuerung ausgerichtet. Dieses Konzept wurde von der Deutschen
Bundesbank mit einer im internationalen Vergleich großen Kontinuität praktiziert. Wichtig
dabei ist, dass die Bundesbank die Geldmenge als geldpolitisches Zwischenziel eingestuft hat. Demgegenüber berücksichtigt die EZB Geldmengenänderungen im
Rahmen eines Referenwertansatzes. Hier sind die Selbstbindungskräfte geringer als
bei einem offenbarten Geldmengenziel. Dennoch besteht vor dem Hintergrund, dass die
Finanzmärkte mit dem von der Bundsbank praktizierten Ziel eine große Erfahrung hatten
für die EZB bei einer Überschreitung des Referenzwertes eine Verantwortung die Überschreitung den Marktakteuren transparent darzustellen und auf die Konsequenzen der
"Zielverfehlung" hinzuweisen. Inwieweit die Geldmenge als Zwischenziel der Geldpolitik
angesehen werden kann, wurde bereits erläutert.
Die Strategie der EZB
In Anbetracht der hohen Innovationsdynamik auf den Finanzmärkten und der Unsicherheit über die geldpolitischen Transmissionszusammenhänge im Euroraum hat die EZB
eine Mischstrategie aus Geldmengensteuerung und direkter Inflationssteuerung
gewählt, welche als unvollständige closed loop regelgebundene Geldpolitik charakterisiert werden kann. In der Literatur wird von der sogenannten "zwei-Säulen-Strategie"
gesprochen, die jedoch drei Hauptelemente umfasst. Es zeigt sich, dass sowohl
Elemente der Geldmengensteuerung als auch des inflation targeting wieder auftauchen:
35
1. Es wird eine Zielinflationsrate quantitativ festgelegt und für jedes Jahr im voraus
publiziert. Sie wird anhand des harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI) ein Laspeyres-Index für das gesamte Währungsgebiet - gemessen und derzeit
mit "unter 2% gegenüber dem Vorjahr" angegeben. Dieser normative Preisniveauanstieg dient dazu, realistische Inflationsziele festzulegen (bspw. ist es in
einer gedachten Inflationssituation mit einer Rate von 25% unrealistisch für die
nächste Periode 2% erreichen zu wollen). Hierin liegt ein diskretionärer Spielraum, der Handlungsfähigkeit schafft für Situationen, in denen Inflation nicht vollständig vermeidbar ist (bspw. exogene Schocks wie ein Ölpreisschock). Mit der
Vorabveröffentlichung dieses Wertes werden die Erwartungen der Marktteilnehmer dennoch stabilisiert (sofern, wie bisher, die Ankündigungen auch exekutiert
werden).
2. Zum zweiten kommt der Geldmenge in einer relativ breiten Definition (M3 mit
einigen, von Jahr zu Jahr variablen Erweiterungen) eine besonders gewichtige
Rolle zu. Hierfür wird jeweils ein Referenzwert festgesetzt (+4,5%), der sich aus
dem mittelfristig erwarteten Anstieg des Produktionspotentials (gegenwärtig 2 bis
2,5%),
dem
normativen
Preisniveauanstieg
und
einer
mittelfristigen
Trendschätzung der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit (derzeit -0,5%)
zusammensetzt. Darüber hinaus wird die Geldmengenentwicklung statistisch
geglättet, um kurzfristige Volatilitäten auszuschalten. Der so berechnete
Referenzwert ist dabei weniger verpflichtend als das Geldmengenziel in einer
reinen Geldmengensteuerung.
3. Drittens wird eine breit angelegte Beurteilung der Aussichten für die zukünftige
Preisniveauentwicklung vorgenommen, welche sich auf eine Reihe verschiedener
finanzieller und realwirtschaftlicher Indikatoren (u.a. Löhne, Wechselkurse, Zinsentwicklungen und Zinsstrukturen, Sozialprodukt, Kostenindizes und Branchenbzw. Verbraucherumfragen) stützt. Dies ist ein Element der direkten Inflationssteuerung, welches die Kennzeichnung der ESZB-Strategie als Mischstrategie
rechtfertigt. Welche Elemente (Geldmengen- oder Inflationssteuerung) in Zukunft
die dominierende Rolle im ESZB spielen werden, ist gegenwärtig noch nicht
endgültig absehbar und wird auch durch die Innovationsdynamik auf den Finanzmärkten mitbestimmt. Die (unvollständige) Regelbindung des ESZB ist dadurch
36
gekennzeichnet, dass bei einer (drohenden) Überschreitung des Inflationsziels
ein restriktiver Instrumenteneinsatz erfolgt, während bei einer Unterschreitung
tendenziell expansiv gesteuert wird. Wie die geldpolitischen Instrumente im
einzelnen wirken (sollen), ist Gegenstand des nächsten Abschnittes. Als geldpolitische Instrumente stehen die Mindestreservepolitik, die Offenmarktpolitik und
die Fazilitätenpolitik zur Verfügung.
4.2.3 Das Instrumentarium der EZB
Mit dem Übergang von der nationalen Geldpolitik (z.B. durch die Deutsche Bundesbank)
zur europäischen Geldpolitik durch das ESZB haben sich auch instrumentelle Veränderungen ergeben. Insbesondere sind zwei traditionelle Instrumente der bundesdeutschen
Geldpolitik, die Diskontpolitik (Rediskontierung sogenannter "guter" Handelswechsel)
und die Lombardpolitik (Verpfändung von Wertpapieren), weggefallen. Zum einen war
deren Bedeutung allerdings auch in der Bundesbankpolitik rückläufig, zum anderen verfügt das ESZB über - von der Wirkungsweise (Markierung eines Zinskorridors) her ähnliche Instrumente. Auch bezüglich der Gewichtung der Instrumente im "geldpolitischen Tagesgeschäft " ist eine ähnliche Abstufung erkennbar. Die wichtigste
Instrumentengruppe findet sich in der Offenmarktpolitk. An zweiter Stelle rangiert die
Zinspolitik, die Mindestreservepolitik dient der geldpolitischen Grobsteuerung.
Im Gegensatz zur Bundesbank hat das ESZB jedoch die Möglichkeit, mit einer
Zweidrittelmehrheit im EZB-Rat neue Instrumente zu implementieren, das heißt, der
folgende Instrumentenkatalog entspricht der gegenwärtigen ESZB-Praxis, ist aber damit
nicht für die Zukunft determiniert. Diese Öffnung des Instrumentenkatalogs begründet
sich in der hohen Innovationsdynamik der globalisierten Finanzmärkte: Das ESZB soll
so in die Lage versetzt werden, auf neue Instrumente seitens der privaten Marktakteure
reagieren zu können, um seine Steuerungskompetenz beizubehalten. Das aktuelle
geldpolitische Instrumentarium des ESZB lässt sich also in fogende drei Gruppen
aufteilen, die nachfolgend näher behandelt werden:

Offenmarktpolitik.


37
Die Reihenfolge der Bearbeitung entspricht dabei in etwa der Bedeutung der Instrumente. In einem ersten Schritt sollen die Offenmarktpolitik und die Fazilitätenpolitik
näher beschrieben werden. Grundsätzlich dienen die Instrumente dabei, Liquidität aus
dem Markt abzuschöpfen, bzw. bereit zu stellen. Über verschiedene Laufzeiten und
Zuteilungsrhythmen soll dabei eine möglichst hohe Flexibilität der Geldmarktsteuerung
erreicht werden. Neben der Wirkung der Instrumente ist auch zu berücksichtigen, dass
der Instrumenteinsatz im "Einklang mit der in Art. 3a des EG -Vertrages genannten
Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb " steht. Dies ist bspw.
einer der Gründe warum die Mindestreserve abweichend von der Bundesbankregelung
im Euroraum verzinst wird.
Die Offenmarktpolitik im ESZB
Die Offenmarktpolitik des ESZB umfasst als Hauptrefinanzierungsinstrument sogenannte Wertpapierpensionsgeschäfte (befristete Transaktionen) sowie ergänzend
definitive Wertpapiergeschäfte, die Emission von Schuldverschreibungen , Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen.
Befristete Transaktionen
Das Hauptrefinanzierungsinstrument der europäischen Geldpolitik sind sogenannte
Wertpapierpensionsgeschäfte. Das ESZB verwendet zwei Arten von Wertpapierpensionsgeschäften:

kurzfristige Wertpapierpensionsgeschäfte mit einer Laufzeit von zwei Wochen. Sie werden wöchentlich ausgeschrieben, so dass jede Woche die Hälfte des gesamten Volumens neu konditioniert werden kann. Das Ausschreibungsverfahren (sogenannter Standardtender)
kann als Mengen- oder als Zinstender erfolgen, wobei bei letzterem das holländische Verfahren angewendet wird. Die kurzfristigen Wertpapierverfahren wurden
durch den EZB-Rat 1999 durchgehend als Mengentender ausgeschrieben. Im Jahr
2000 ist ab Juni auf den Zinstender übergegangen worden. Die EZB begründete
dies mit "technischen" Argumenten. Da beim Mengentenderverfahren ein gewisser
Anreiz zum "Überbieten" über den tatsächlichen Liquiditätsbedarf hinaus besteht,
ist der tatsächliche Bedarf seitens der Zentralbank schwerer abzuschätzen. Bei
38
den Tenderzuteilungen, die die Zentralbank im Mai 2000 durchführte konnten
lediglich weniger als 1% der Gebote berücksichtigt werden. Der ESZB-Standardtender beinhaltet, dass die Wertpapierpensionsgeschäfte innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntmachung des Tenders durchgeführt werden. Die Bekanntgabe
der Zuteilungsergebnisse erfolgt dabei sehr kurzfristig (innerhalb von ca. zwei
Stunden) nach Ablauf der Gebotsfrist. Ihre Abwicklung erfolgt regelmäßig am
ersten Geschäftstag nach dem Abschlusstag. Der große geldpolitische Vorteil
dieses Instruments liegt in seiner hohen Flexibilität: Dadurch, dass jede Woche die
Hälfte des gesamten Refinanzierungsvolumens dieser Geschäfte neu konditioniert
werden kann, ist es der Zentralbank möglich, sehr schnell auf Änderungen in den
geldpolitischen Indikatoren zu reagieren und somit schnell auf beginnende inflatorische oder deflatorische Prozesse zu reagieren.

längerfristige Wertpapierpensionsgeschäfte durch, welche für eine dreimonatige Laufzeit ausgeschrieben werden.
Diese Geschäfte werden monatlich durchgeführt, und dienen einer Verstetigung
der Geschäftsbankenrefinanzierung als Ergänzung zu den kurzfristigen - und damit
aus der Sicht der Geschäftsbanken bezüglich der Konditionen eher unsicheren Refinanzierungsgeschäften; sie sind quantitativ aber weniger bedeutend als die
zweiwöchigen Geschäfte.

Form unregelmäßiger, in der Laufzeit nicht standardisierter Wertpapierpensionsgeschäfte zu ergreifen. Nur diese Geschäfte können dabei auch den befristeten
Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank an Geschäftsbanken (also den
Entzug von Liquidität aus dem Bankensystem) beinhalten. Sie werden in der Regel
als Schnelltender durchgeführt, das heißt, innerhalb einer Stunde nach der Tenderankündigung wird das Zuteilungsergebnis bestätigt. Diese Sondergeschäfte
dienen dazu, die Steuerungsfähigkeit der Zentralbank in geldpolitischen Problemlagen zu verstärken.
Definitive Transaktionen
Bei definitiven Transaktionen kauft oder verkauft die Zentralbank Wertpapiere ohne
Rückkaufverpflichtung, dabei wird bei Wertpapierkäufen Geld in den Umlauf gebracht,
39
während bei Wertpapierverkäufen dem Markt Liquidität entzogen wird. Das ESZB setzt
dieses Instrument unregelmäßig ein, wobei die Wahl der Geschäftspartner in der Regel
nicht begrenzt ist. Definitive Wertpapiergeschäfte des ESZB dienen generell der Beeinflussung der strukturellen Liquidität und können in Ausnahmefällen auch zur Feinsteuerung eingesetzt werden. Sie zielen auf den vermögenstheoretischen Transmissionsmechanismus.
Emission von EZB-Schuldverschreibungen
Zur (längerfristigen) strukturellen Beeinflussung der Liquidität kann die EZB regelmäßig
oder unregelmäßig Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von unter 12 Monaten
emittieren. Diese dienen der Liquiditätsabschöpfung und werden als Standardtender
ausgeschrieben, wobei nur Geschäftsbanken als Geschäftspartner zugelassen sind.
Devisenswapgeschäfte
Das ESZB setzt zur ergänzenden Feinsteuerung der Liquidität und der Zinssätze am
Markt fallweise Devisenswapgeschäfte ein. Dabei kauft (verkauft) das ESZB von (an)
Geschäftsbanken Devisen (Fremdwährung) und vereinbart gleichzeitig einen späteren
Rückverkauf (Rückkauf) zu einem festgelegten Datum und zu festgelegten Konditionen.
Somit stellen auch Devisenswapgeschäfte befristete Transaktionen dar; sie sind jedoch
bezüglich ihrer Laufzeit nicht standardisiert. Der Rückverkaufspreis (Rückkaufspreis)
enthält den Swapsatz (Differenz zwischen Termin- und Kassakurs), der analog zum
Pensionssatz bei Wertpapierpensionsgeschäften den Preis des Geschäftes darstellt.
Werden durch die Zentralbank per Rückkaufverpflichtung Devisen angekauft, so wird
den Geschäftsbanken befristet Liquidität zur Verfügung gestellt; bei befristeten Devisenverkäufen wird dem Markt vorübergehend Liquidität entzogen. Neben der europäischen
Geldmenge wird durch Devisenswapgeschäfte auch der Wechselkurs des Euro beeinflusst, weswegen dieses Instrument in Abstimmung mit den wechselkurspolitischen
Erfordernissen einzusetzen ist.
Hereinnahme von Termineinlagen
Das ESZB kann den Geschäftsbanken die Hereinnahme verzinslicher Termineinlagen
anbieten und damit Liquidität abschöpfen. Je höher der angebotene Zins ist, umso
40
attraktiver ist das Angebot und umso stärker werden die freien Liquiditätsreserven der
Zentralbank verringert, so dass steigende Termineinlagenzinsen der Zentralbank eine
inflationsbekämpfende Maßnahmedarstellen. Dieses Instrument ist nicht standardisiert
und wird unregelmäßig eingesetzt. Es dient vornehmlich der Verstärkung der ESZBPolitik in problematischen geldpolitischen Situationen.
Fazilitätenpolitik
Mit den ständigen Fazilitäten markiert das ESZB einen Zinskorridor, welcher für den
Geldmarkt vor allem auch eine Signalfunktion ausübt. Die tatsächliche Bedeutung
dieses Instruments ist jedoch geringer als die Bedeutung der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte. Das ESZB hat zwei ständige Fazilitäten definiert:
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist zur Deckung kurzfristiger, vorübergehender
Liquiditätsengpässe bei den Geschäftsbanken gedacht und markiert im allgemeinen die
Obergrenze der Geldmarktzinsen (bzw. genauer des Tagesgeldsatzes). Die Geschäftsbanken können diese Fazilität entweder als Übernachtpensionsgeschäft (Vermögensübertragung mit Rückkaufverpflichtung) oder als Übernachtpfandkredit (Lombardgeschäft) in Anspruch nehmen. Der Zinssatz wird vom ESZB im voraus bekannt
gegeben und kann jederzeit geändert werden; die Laufzeit beträgt prinzipiell einen
Geschäftstag (Übernachtfazilität). Normalerweise ist die auf diesem Wege zur Verfügung gestellte Liquiditätsmenge nicht begrenzt; in Ausnahmefällen kann die Spitzenrefinanzierungsfazilität aber auch ausgesetzt werden.
Die Einlagenfazilität ist zur Abschöpfung von kurzfristig freier Liquidität (Übernachtliquidität) gedacht und kann von den Geschäftsbanken als verzinsliche Übernachteinlage ohne Besicherung bei der Zentralbank in Anspruch genommen werden. Der
Zinssatz wird vom ESZB im voraus festgelegt und bildet im allgemeinen die Untergrenze
für die Geldmarktzinsen (bzw. den Tagesgeldsatz), für seine Festlegung und Änderung
gelten die gleichen Regelungen wie zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Auch die Einlagenfazilität stellt eine Übernachtfazilität dar. Im Gegensatz zur Spitzenrefinanzierungsfazilität wird die Einlagenfazilität jedoch nur gemäß den allgemeinen geldpolitischen
Erwägungen des ESZB gewährt und kann jederzeit geändert oder ausgesetzt werden.
41
Mindestreservepolitik
Im Gegensatz zur Bundesbank ist das ESZB nicht verpflichtet, ein EWU-weites Mindestreservesystem einzuführen. Der EZB-Rat hat dies jedoch im Juli 1998 beschlossen,
wobei es sich jedoch - anders als bei der Bundesbank - um eine marktgerecht verzinste
Mindestreservepflicht für die Geschäftsbanken handelt. Die Mindestreserveverzinsung
erfolgt dabei zum jeweils gültigen Zinssatz der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte. Für die Einrichtung einer Mindestreserve wurden drei Begründungen
genannt:
1. Die Mindestreserve soll als Instrument einer Grob- oder Niveausteuerung zu
einer Stabilisierung der Geldmarktzinssätze beitragen.
2. Die Mindestreserve steigert bzw. sichert die Zentralbankgeldnachfrage der
Geschäftsbanken und soll damit eine effiziente und wirksame Steuerung der
Geschäftsbankenliquidität
(kredittheoretischer
Transmissionsmechanismus)
sicherstellen bzw. ermöglichen.
3. Die Mindestreserve steigert die Zinselastizität der Geldnachfrage.
Hält ein Kreditinstitut die Mindestreserveanforderungen nicht ein, so hat es mit Sanktionen zu rechnen, die ausgehend von der Zahlung eines Strafzinses (5 Prozentpunkte
über den Spitzenrefinanzierungssatz) auf die Höhe der Mindestreserveverfehlung über
die Verpflichtung zur Zwangseinlage bei der Zentralbank bis hin zu der Möglichkeit, dass
das KI von den Offenmarktgeschäften der Zentralbank ausgeschlossen wird, reichen.
Folgende Wirkungen sind im Zusammenhang mit der Mindestreserve zu sehen:


Zentralbankgeldnachfrage,
da
das
Mindestreservesoll
lediglich
Monatsdurchschnitt zu erfüllen ist.
Derzeit sind folgende Mindestreserveregelungen relevant:
A: Einlagen mit positiven Reservesatz
ndigungsfrist von bis zu zwei Jahren
42
im
B: Einlagen, die zur MR zählen und die Reservesatz von Null haben
Einlagen mit vereinbarter Laufzeit über zwei Jahren
ndigungsfrist über zwei Jahren
C: Von der Reservepflicht ausgenommene Einlagen
sind.
Es lässt sich feststellen, dass die EZB ein geeignetes Instrumentarium besitzt, das eine
flexible Geldmarktsteuerung ermöglicht. Hinsichtlich der Signalfunktion von Zinssatzänderungen, die insbesondere der Hauptrefinanzierungssatz auf die Finanzmärkte hat,
kann folgender Zusammenhang abgeleitet werden. Eine restriktive Geldpolitik führt zu
Zinserhöhungen auf dem Geldmarkt eine expansive Geldpolitik zu Zinssenkungen.
4.2.4 Die Wechselkurspolitik in der EWU
Auch das EWS wird nach dem Beginn der EWU fortgesetzt. Im EWS II werden die
bisher nicht an der EWU teilnehmenden EU-Währungen integriert, d.h. die Währungen
dieser Länder werden mit einer Bandbreite an einen Leitkurs zum Euro gekoppelt. Für
die dänische Krone wurde hierbei eine Bandbreite von +/- 2,25% und für die anderen
Währungen von +/- 15% festgelegt. Die Verantwortung für eine Einhaltung der Bandbreiten liegt dabei nicht beim ESZB (also keine Interventionspflicht für das ESZB). Neue
EU-Mitglieder nehmen mit ihrem EU-Beitritt bis zur Qualifikation zur EWU ebenfalls am
EWS II teil.
Der Euro befindet sich gegenüber anderen Währungen (mit Ausnahme der weiteren EUWährungen) in einem System flexibler Wechselkurse (bspw. gegenüber dem US-$, dem
Schweizer Franken oder dem Yen) ohne jegliche Interventionspflicht seitens des ESZB.
Allerdings besitzt das ESZB ein Interesse daran, dass der Außenwert des Euro nicht
wesentlich und nicht dauerhaft von seinem theoretischen Kurs (gemäß der ökonomischen Fundamentaldaten) abweicht, so dass entsprechende Interventionen nicht prinzipiell ausgeschlossen sind; sie liegen im Ermessen des EZB-Rates. Ein stabiler
(nominaler) Eurokurs gegenüber wichtigen Fremdwährungen wie dem US-$ ist also nur
dann wünschenswert, wenn auch die ökonomische Entwicklung in beiden Währungsgebieten ähnlich verläuft. Die Entscheidung über eine eventuelle Festkurs- oder Band43
breitenbindung des Euro gegenüber Fremdwährungen trifft der Europäische Rat nach
Anhörung der EZB.
Entsprechend der bisherigen Praxis im EWS ist den anderen EU-Staaten die aktive
Teilnahme am neuen Wechselkursmechanismus grundsätzlich freigestellt. Länder, die
sich nicht von Anfang an beteiligen, können dies zu einem späteren Zeitpunkt tun. Der
Europäische Rat hat allerdings zum Ausdruck gebracht, dass von den Ländern, für die
eine Ausnahmeregelung gilt, erwartet wird, dass sie sich dem Wechselkursmechanismus anschließen. Die Teilnahme ist für diejenigen Unionsländer obligatorisch, die die
Einführung des Euro in absehbarer Zeit anstreben, da sie gemäß Artikel 109 j EG-Vertrag
das
Konvergenzkriterium
einer
mindestens
zweijährigen
abwertungsfreien
Mitgliedschaft im Wechselkursmechanismus mit „normaler“ Bandbreite erfüllen müssen.
Einzelne Mitgliedstaaten widersprechen zwar dieser Vertragsauslegung mit der Begründung, dass dieser Passus durch die im August 1993 erfolgte Erweiterung der EWSBandbreiten von +-2,25 % auf 15% gegenstandslos geworden sei. Auf eine stringente
Auslegung und einheitliche Anwendung der Konvergenzkriterien des Maastrichter
Vertrages auf alle Unionsländer, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintritts in den EuroWährungsraum, sollte jedoch schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verzichtet
werden. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem bestehenden EWS wurde der
neue Wechselkursmechanismus in mehrfacher Hinsicht mit einer höheren Flexibilität
ausgestattet. Kerngedanke dabei war, das Ziel der Preisstabilität, welches von der EZB
und den nationalen Zentralbanken vorrangig verfolgt wird, unter keinen Umständen zu
gefährden. So kann die grundsätzlich automatische und betragsmäßig unlimitierte Verpflichtung zu kursstützenden Interventionen bei Erreichen der Bandbreitengrenzen
ausgesetzt werden, wenn Gefahr besteht, dass dadurch dieses Primärziel des ESZB
beeinträchtigt wird. Zu dem haben alle an Leitkursbeschlüssen beteiligten Parteien,
einschließlich der EZB, das Recht, ein vertrauliches Verfahren zur Überprüfung der
Leitkurse einzuleiten, damit erforderliche Kursanpassungen rechtzeitig vorgenommen
werden können. Leit- und Interventionskurse sind ausschließlich gegenüber dem Euro
definiert. Durch diese Beschränkung auf die sogenannte Mengennotierung wird das
System gegenüber dem heutigen EWS vereinfacht, und es werden mögliche Rundungsdifferenzen zwischen den originären und den inversen Kursen vermieden.
44
5
Internationale
Währungssysteme
und
die
Entstehung
der
Europäische Währungsunion (EWU)
Die monetäre Politik kann ihre Maßnahmen nicht allein binnenwirtschaftlich ausrichten.
Dies liegt daran, dass vom freien internationalen Handel mit Gütern und Diensten sowie
vom freien internationalen Geld- und Kapitalverkehr erhebliche Einflüsse und Rückwirkungen auf eine binnenwirtschaftlich orientierte Geld– und Kreditpolitik ausgehen. Die
starken außenwirtschaftlichen Verflechtungen werden heute zunehmend mit dem Begriff
“Globalisierung” gekennzeichnet. Insbesondere die Kapitalmärkte sind international
ausgerichtet. So werden täglich rund 1500 Mrd. US-Dollar an den Devisenmärkten
gehandelt, was einem Vielfachen des realen Warenhandels zwischen den Staaten
entspricht.
Da je nach zugrundeliegendem Wechselkurssystem unterschiedliche Konsequenzen für
die nationalen Geldpolitiken resultieren, soll nun eine kurze Begriffsklärung erfolgen, die
an dieser Stelle lediglich einen definitorischen Charakter hat.
5.1 EXKURS: Die Zahlungsbilanz
Die Zahlungsbilanz stellt die wertmäßige Erfassung der Güter- und Vermögenstransaktionen dar, die zwischen In- und Ausländern in einer bestimmten Periode vorgenommen wurden. Sie unterteilt sich in Leistungs-, Kapital- und Devisenbilanz. Häufig wird in
der Öffentlichkeit nur die Handelsbilanz wahrgenommen, die in Deutschland traditionell
einen positiven Saldo, d.h. mehr Exporte von Waren als Importe, aufweist, während die
breiter gefasste Leistungsbilanz nur einen leichten Überschuss aufwies. Seit der
Wiedervereinigung Deutschlands ist das Ergebnis der Deutschen Leistungsbilanz
negativ. Langfristig sollte die Leistungsbilanz eines Staates ausgeglichen sein. So hat
Deutschland die Überschüsse der 80er Jahre in den 90er Jahren vollständig verbraucht.
Besteht längerfristig ein Defizit in der Leistungsbilanz kommt es zu einer erheblichen
Verschuldung der Volkswirtschaft bei anderen Volkswirtschaften. Dies spiegelt sich in
der Kapitalbilanz und Devisenbilanz wider. Insbesondere Schwellenländer mit begrenzter Bonität kann dann Zahlungsunfähigkeit drohen, da keine Devisen vorhanden sind,
um benötigte Importe zu bezahlen. Einen Sonderstatus scheint hier die USA zu
45
genießen. Obwohl seit Jahrzehnten die Leistungsbilanz ein erhebliches Defizit aufweist (
ca. 4,5 % des BIP in 2002) wird hier keine Zahlungsunfähigkeit erwartet, da der USDollar als Zahlungsmittel bisher sehr angesehen ist. Der Status als Weltreservewährung
wird aber auch die USA nicht dauerhaft schützen können.
Komponenten der Zahlungsbilanz
(DA = Devisenangebot steigt; DN = Devisennachfrage steigt)
Leistungsbilanz:
1) Handelsbilanz
a) Wareneinfuhr (DN)
b) Warenausfuhr (DA)
2) Dienstleistungsbilanz Exporte von Dienstleistungen (DA)
a) Reiseverkehr
b) Kapitalerträge
c) Transportleistungen
d) Versicherungsleistungen
e) Einnahmen von ausländischen militärischen Diensten
f) Provisionen
g) Werbe- und Messekosten
h) Lizenzen und Patente
i) Übrige Dienstleistungen
3) Übertragungsbilanz (empfangene Übertragungen DA)
a) Überweisungen an ausländische Arbeitskräfte
b) Zahlungen an die Europäische Gemeinschaft
c) Zahlungen an sonstige internationale Organisationen
d) Entwicklungshilfe
e) Wiedergutmachungsleistungen
f) Renten und Pensionen
Kapitalbilanz:
1. Bilanz des langfristigen Kapitalverkehrs (Kapitalimporte = DA)
a) Direktinvestitionen
b) Wertpapieranlagen
46
c) Langfristige Kredite
d) Privater Grunderwerb
e) Übrige Anlagen
2) Bilanz des kurzfristigen Kapitalverkehrs
a) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Banken
b) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Nichtbanken
c) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Unternehmen und Privatpersonen
d) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen öffentlichen Stellen
Devisenbilanz:
(Veränderungen der Verbindlichkeiten der Zahlungsbilanz gegenüber dem Ausland)
a) Gold
b) Devisen und Sorten
c) Reservepositionen im IWF und Sonderziehungsrechte
d) Forderungen an den Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit
e) Auslandverbindlichkeiten
f) Kredite und sonstige Forderungen an das Ausland
Nicht berücksichtigt: Vermögensübertragungsbilanz Die Vermögensübertragungen
umfassen im Gegensatz zu den laufenden Übertragungen diejenigen unentgeltlichen
Leistungen, die nicht direkt das Einkommen oder den Verbrauch der beteiligten Länder
verändern (z.B. Schuldenerlass).
Die Zahlungsbilanz ist per Definition immer ausgeglichen. Unterschiedliche Salden können sich nur für die Teil- bzw. Unterbilanzen ergeben. Aus geldpolitischer Sicht ist die
Devisenbilanz von zentraler Bedeutung. In ihr werden die mengenmäßigen Veränderungen der Auslandposition der Zentralbank erfasst. Hinter fast allen Bewegungen in den
Zahlungsbilanzen stehen Devisentransaktionen, die das Devisenangebot bzw. die
Devisennachfrage erhöhen.
5.2 Wechselkurssysteme
In diesem Kapitel steht nun der Außenwert einer Währung im Zentrum der Betrachtung.
Die ökonomische Größe, die hierbei von zentraler Bedeutung ist, ist der Wechselkurs.
47
Der Wechselkurs (e, exchange rate) repräsentiert das Austauschverhältnis zweier
Währungen. Wenn er in Inlandswährung (Inlandsnotierung) dargestellt wird, stellt er den
Preis dar, der für eine Einheit Auslandswährung in Inlandswährung gezahlt werden
muss (Euro/$). Steigt dieser Wechselkurs, so muss mehr Euro für einen $ bezahlt
werden, so dass die Euro im Vergleich zum $ an Wert verloren hat; die Euro wurde
abgewertet .Umgekehrt bedeutet ein sinkender Wechselkurs in dieser Notierung eine
Aufwertung der heimischen Währung.
Der Preisnotierung steht die Mengennotierung (Auslandsnotierung) gegenüber. Diese
stellt den Kehrwert der Preisnotierung dar und kennzeichnet den Betrag an ausländischen Währungseinheiten, der für eine inländischen Währungseinheit bezahlt werden
muss ($/Euro). Der Euro wird in Mengennotierung angegeben. In dieser Notierung
bedeutet ein sinkender Wechselkurs eine Abwertung (heimische Währung wird billiger)
und ein steigender Wechselkurs (Devise wird teurer) eine Aufwertung.
5.2.1 Systeme fester Wechselkurse
In einem System fester Wechselkurse werden die Wechselkurse politisch ausgehandelt
und bilateral (oder multilateral) festgelegt. Dabei wird den jeweiligen Zentralbanken
durch eine Interventionspflicht an den Devisenmärkten die Verantwortung für die Stabilisierung der Wechselkurse zugewiesen.
Es werden in der Regel keine oder nur sehr geringe Schwankungsbreiten festgelegt, die
die Wechselkurse nicht verlassen sollen. Steht die heimische Währung unter Aufwertungsdruck, so tritt die Zentralbank als Anbieter heimischer Währung auf dem Devisenmarkt auf und stabilisiert über den Ankauf von Devisen den Wechselkurs. Kommt es
hingegen zu einem Abwertungsdruck, so tritt die Zentralbank als Nachfrager nach
heimischer Währung auf und verkauft Devisen.
Der zentrale Vorteil fester Wechselkurse liegt in der Planungssicherheit für die
international agierenden Marktakteure und Investoren. Wechselkursschwankungen
erschweren
grenzübergreifende
Transaktionen,
weil
die
Kalkulationsgrundlagen
unsicher werden; die Höhe des Erlöses (bzw. der Kosten) in heimischer Währung wird
ungewiss. Feste Wechselkurse reduzieren somit die Transaktionskosten und fördern
somit die internationale Arbeitsteilung und die Intensität des internationalen Handels und
sorgen so für Wohlfahrtseffekte.
48
Das System von Bretton Woods
Auf Grund dieser Vorteile trafen sich 1944 in Bretton Woods führende Wirtschafts- und
Finanzpolitiker der damals freien Welt und schufen eine neue Weltwährungsordnung,
die nach dem Zweiten Weltkrieg, Inflationsgefahren und Wirtschaftskrisen verhindern
sollten. Aufbauend auf den klassischen Goldstandart – von 1880 bis 1914 galt:1/136 kg
Feingold entspricht brit. Pfund – bei dem die Zentralbank sich verpflichtete, Geldnoten in
Gold in einem bestimmten Verhältnis umzutauschen, wurde nun festgelegt, dass 35 USDollar genau in eine Feinunze Gold (ca. 32 Gramm) getauscht werden kann. Auch für
die anderen Währungen sollten feste Umtauschverhältnisse zum US-Dollar und damit
auch zum Gold festgelegt werden. Der US-Dollar wurde somit zur Leit- bzw. Reservewährung, da die amerikanische Notenbank den Dollar-Gold Umtausch in beliebiger
Höhe granierte.
Die Exportüberschüsse der Westeuropäischen Staaten und insbesondere der BRD
sowie die erheblichen Ausgaben der US-Regierung für den Vietnam-Krieg, die teilweise
durch die Notenpresse finanziert wurden, führte schließlich Anfang der 70er Jahre zum
Ende der festen Wechselkursrelationen. Obwohl die DM mehrfach aufgewertet worden
war, lagerten bereits 1971 mehr US-Dollar aus Interventionen der Bundesbank in ihrem
Keller, als die USA überhaupt an Gold hatte.
Die Nachteile eines festen Wechselkurssystems bei konvertiblen Währungen traten
deutlich zu Tage. Wenn die Wirtschaftsentwicklungen (insbesondere Inflationsrate und
Wirtschaftswachstum) in den jeweiligen Ländern unterschiedlich verlaufen (divergieren),
dann ändern sich auch die ökonomisch "richtigen" Wechselkursrelationen. Da eine
Anpassung über die Änderung der bilateralen Verträge eher als schwerfällig einzuschätzen ist, kommt es dann zu permanenten Interventionen der Zentralbank in die
gleiche Richtung.
Zusammenfassend sind folgenden Probleme bei festen Wechselkursen und unterschiedlicher Wirtschaftsentwicklung erkennbar:

Bei permanentem Abwertungsdruck erschöpfen sich die Devisenvorräte der
Zentralbank, so dass der Kurs nicht auf Dauer gehalten werden kann. Es
droht die Zahlungsunfähigkeit, da die Devisen auch für den Kauf von ausländischen Produkten benötigt werden.
49

Bei permanentem Aufwertungsdruck erhöhen die Zentralbankinterventionen
die Geldmenge (heimischer Währung) und bewirken damit tendenziell
Inflationsgefahren.
Generell entfällt bei festen Wechselkursen somit die Möglichkeit einer eigenständigen,
nur auf die Binnenwertstabilität der Währung ausgerichteten Geldpolitik.
5.2.2 Systeme flexibler Wechselkurse
Bei Systemen flexibler Wechselkurse bildet sich der Wechselkurs durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten. Die Zentralbanken
intervenieren grundsätzlich nicht, sondern akzeptieren den am Markt gefundenen
Wechselkurs. Damit liegt ein relativ flexibles System vor und zudem findet tendenziell
ein automatischer Leistungsbilanzausgleich statt: Ein Leistungsbilanzüberschuss bewirkt
Aufwertungstendenzen, welche selbigen wiederum abbauen und umgekehrt.
Jedoch sind mit Systemen flexibler Wechselkurse auch Nachteile verbunden: Aufgrund
divergierender Wirtschaftsentwicklungen aber unter Umständen auch aufgrund erwartungsbedingter, psychologischer und spekulativer Einflüsse kann es zu einer relativ
hohen Volatilität der Wechselkurse kommen. Dies wiederum bewirkt Unsicherheit im
Außenhandel und steigert die Transaktionskosten (bspw. müssen Ressourcen für
Kurssicherungsgeschäfte aufgewendet werden). Insbesondere (reale) Über- und Unterbewertungen der heimischen Währungen können dabei im Inland erhebliche konjunkturelle und strukturelle Effekte bewirken - positiv wie negativ.
5.2.3 Bandbreitensysteme
Bandbreitensysteme stellen einen Kompromiss aus festen und flexiblen Wechselkursen
dar. Es wird bi- oder multilateral ein Leitkurs sowie eine (weitere oder engere) Schwankungsbreite vereinbart. Damit ergeben sich Interventionspunkte (Schranken), an denen
die jeweiligen Zentralbanken eingreifen müssen. Im Korridor zwischen diesen
Schranken können sich die Kurse frei bewegen.
Mit einem solchen Bandbreitensystem sollen die Vorteile von Systemen fester und
flexibler Wechselkurse kombiniert werden. Problematisch hierbei ist die Wahl des "richtigen" Leitkurses bzw. der Mechanismen zu seiner Veränderung. Stabil wird ein Leitkurs
vor allem dann sein, wenn sich beide Volkswirtschaften relativ ähnlich entwickeln, was
50
somit wichtig für die Stabilität eines solchen Bandbreitensystems ist. Bezüglich der
Schwankungsbreite gilt: Je enger sie gewählt wird, umso eher sind die Probleme eines
Festkurssystems zu erwarten und je breiter sie gewählt wird, umso eher ist mit den
Nachteilen eines Systems flexibler Kurse zu rechnen.
Wie lässt sich nun die Ausgangsposition im Euroraum charakterisieren? Mit der dritten
Stufe der EWU, sind im europäischen Währungsraum die Währungen der Mitgliedsländer festgeschrieben. Gegenüber den potenziellen Beitrittsländern existiert ein modifiziertes Bandbreitensystem (EWS II), wobei aufgrund der weiten Bandbreiten (+- 15%
Schwankungen sind zulässig), die Frage gestellt werden kann, ob man tatsächlich noch
von einem Bandbreitensystem sprechen sollte oder ob nicht vielmehr der Tatbestand
eines flexiblen Wechselkurssystems vorliegt wie es gegenüber der restlichen Welt
besteht.
Insbesondere die Entwicklung des Außenwertes wird in der Öffentlichkeit seit Einführung des Euros negativ wahrgenommen. Verstärkt wurde auf die Gefahren einer “importierten Inflation” aufmerksam gemacht. Verkürzt versteht man darunter die Übertragung
einer ausländischen Inflation auf das Inland. Je nach Wechselkurssystem sind unterschiedliche Übertragungswege relevant, von denen hier nur einige und auch nur im
System der festen Wechselkurse skizziert werden sollen.
Grundsätzlich gilt, dass der Inflationsimport in einem System fester Wechselkurse als
wahrscheinlicher als in einem System flexibler Wechselkurse angesehen wird. Im
Rahmen des Geldmengen-Liquiditäts Mechanismus laufen die Anpassungsprozesse wie
folgt ab. Ein steigender Auslandpreis bewirkt, dass die Güterströme (Exporte) steigen
und die Importe sinken. C.p. nimmt der Außenbeitrag zu. Bei höheren Exporten als
Importen steigt das Devisenangebot, die Zentralbank muss intervenieren, indem sie
Devisen gegen Abgabe eigener Währung ankauft, d.h. die Geldmenge steigt. Dem kann
zwar der Zinseffekt der Inflation entgegenstehen, letztlich ist aber aufgrund der Geldmengensteigerungen das inländische Preisniveau erhöht worden. Als nächste Ursache
für die Anpassungsprozesse kann der Kostenmechanismus genannt werden. Hier
gehen die vom Ausland importierten Güter als Input in einheimische Güter ein, bzw.
werden direkt weiterverkauft, ohne das Anpassungen des Wechselkurses für einen
Ausgleich sorgen können.
51
Kommt es zu einer durch das inländische Preisniveau nicht gerechtfertigten längerfristigen Abwertung einer Währung - die Spekulationsvolumen übersteigen heutzutage bei
weitem die real notwendigen Devisengeschäftsvolumina – gegenüber ihren wichtigsten
Handelspartner, wie dies zur Zeit zwischen den USA und der Euro-Zone der Fall ist, so
besteht auch bei flexiblen Wechselkursen die Gefahr einer importierten Inflation. Allerdings sind die Auswirkungen geringer,da es nicht zu einem Liquiditätsschub auf Grund
Deviseninterventionen der Zentralbank kommt.
5.2.4 Leit- und Reservewährungen
Von Reservewährung spricht man, wenn diese Währung von öffentlichen Instanzen aber
auch von Banken und Nichtbanken als Reserven für Transaktionen gehalten und verwendet werden. Als maßgeblich für ein Leitwährung wird angesehen, wenn fremde
Länder ihre Währung an diese Leitwährung koppeln. Alle Leitwährungen sind auch
Reservewährung, allerdings sind nicht alle Reservewährungen Leitwährungen. Die
zentrale Leitwährung ist der US-Dollar. Allerdings erfüllte auch die DM in Europa die
Funktion einer „regionalen Leitwährung“. Während der Euro als zukünftige Leit- und
Reservewährung nahezu gleichberechtigt neben dem US-Dollar sich etablieren soll, ist
die Funktion des japanischen Yen durch die anhaltende Wirtschaftsflaute auf die
Funktion einer Reservewährung begrenzt geblieben.
Leit- bzw. Reservewährung müssen die Grundgeldfunktionen (Tauschmittelfunktion,
Rechengröße, Wertaufbewahrungsmittel) erfüllen. Weiterhin erwartet man als eine Art
Mindestvoraussetzung eine ökonomische Stabilität, was auch Preisstabilität im Inland
umfasst. Wesentlich ist auch das die Währung über einen längeren Zeitraum bereits
konvertibel sein muss. Die Grundvoraussetzung eines politisch stabilen Systems sei hier
nur aus Vollständigkeitsgründen erwähnt. Diese Grundbedingungen erfüllen auch heut
erst einige Industrienationen sowie wenige Schwellenländer.
Wird eine Währung eines kleinen Landes an eine Leitwährung gebunden, bedeutet dies,
die weitgehende Aufgabe einer selbständigen Geldpolitik. Allerdings sind insbesondere
für kleinere Länder die Vorteile einer Währungsanbindung an eine Leitwährung von
großen Vorteil. So steigert dies die Reputation der eigenen Währung und eröffnet neue
Handelsmöglichkeiten. Erfolgt die Anbindung der Währung an die Währung eines
großen Handelspartners, verringern sich zusätzlich die Preisrisiken für Exporteure und
52
Importeure erheblich. Allerdings sind Preisvorteile durch kontinuierliches Abwerten der
Währung ausgeschlossen, da hierdurch die Reputation der Währungsanbindung starken
Schaden nehmen würde.
Das die Anbindung einer Währung nicht nur Vorteile haben kann, zeigt das aktuelle
Beispiel Argentinien: Hier wurde nach einer mehrjährigen wirtschaftlichen Blütephase,
die Wirtschaftskraft überschätzt. Dabei erwies sich das Festhalten an eine Dollar-PesoParität zunächst als Stabilitätsanker. Die Fehler in der Wirtschaftspolitik konnten
dadurch jedoch nicht dauerhaft ausgeglichen werden.
Das Currency Board- System
Das System wurde während der britischen Kolonialzeit entwickelt und diente zur
geldpolitischen Steuerung der z.T. autonomen Gebiete. Heutzutage wird das Currency
Board- System meist von Ländern eingerichtet, die sich nach einer Hyperinflation gegen
weiteren Preisverfall schützen wollen. Aber auch die Staaten Mittel- und Osteuropas
nutzen dieses Konzept um ihren Transformationsprozess mit möglichst geringen
Preissteigerungen durchführen zu können.
Grundlage des Currency Board ist die Haltung eines gewissen Menge an Bargeld des
Reserve- bzw. Leitwährungslandes, an dem man seine eigene Währung binden möchte.
Durch die gehaltene Währungsreserven der sogenannten Ankerwährung wird die eigene
Geldmenge determiniert. Eie Ausweitung der Geldmenge kann somit nur erfolgen, wenn
dem eine entsprechende Ausweitung an Reservewährung durch eine positive
Zahlungsbilanz zugrunde liegt. Dabei ist es irrelevant, ob diese Ausweitung durch einen
Leistungsbilanzüberschuss oder durch Kapitaltransfer zustande gekommen ist. Richtet
ein Land ein Currency Board ein, so besteht seine Aufgabe – vergleichbar zu der einer
Zentralbank – in der Ausgabe des Zentralbankgeldes bis zu der Höhe der
Währungsreserven. Meist sitzen in einem Currency Board neben den Mitgliedern der
Notenbank auch Wirtschaftswissenschaftler aus dem Ankerwährungsland, um die
Glaubwürdigkeit bei der Geldmengenbestimmung zu stärken.
Die DM und mit deren Abschaffung der Euro dient für mehrere Staaten Osteuropas
(Bulgarien, Litauen, etc.) als Ankerwährung. Neben dem Euro dient nur doch der USDollar als Grundlage für Currency- Borads.
53
5.3 Währungsunionen und optimale Währungsräume
in den 30er Jahren entwickelte der Wirtschaftswissenschaftler Mundell seine Theorie der
optimalen Währungsräume. Die Frage wie Groß ein Währungsraum sein soll wurde
insbesondere in den 70er Jahren nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems
diskutiert. In dieser Debatte wurden ausschließlich ökonomische Aspekte betrachtet,
obwohl auch politische Aspekte – wie bei der EWU gesehen – eine zentral Bedeutung
haben können. Das Hauptkriterium in der ursprünglichen Theorie war die sogenannte
„Faktormobilität“ Wenn die Variabilität der Wechselkurse einen Anpassungsmechanismus darstellt, so stellte sich Mundell die Frage, welche anderen Mechanismen wirken in
einem Währungsraum? Hierbei wurde die Arbeitsmobilität (einzeln) und die Arbeits- und
Kapitalmobilität (zusammen) betrachtet. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass
Währungsräume eher klein sein sollten, da hier die Faktormobilität am höchsten ist.
Allerdings ist insbesondere der Faktor Kapital deutlich mobiler als noch vor wenigen
Jahren und auch die Mobilität von Arbeitnehmern hat zugenommen.
Gegen möglichst kleine Währungsräume spricht der sogenannte „Offenheitsgrad“ einer
Volkswirtschaft. Ein hoher Offenheitsgrad bedeutet das ein wesentlicher Anteil des BIP
exportiert wird bzw. eine große Importabhängigkeit besteht. Daher sind solche Volkswirtschaften sehr viel anfälliger für exogene Schocks, wie sie bspw. durch plötzliche
Wechselkursänderungen ausgelöst werden können. Um die Abhängigkeiten zu verringern empfiehlt sich daher ein zusammengehen mit anderen Währungsgebieten,
sofern die fundamentalen Wirtschaftsdaten dies erlauben.
5.4 Der Weg zur EWU - ein Überblick
5.4.1 Nutzen und Kosten eines europäischen Währungsraumes
Mit dem Beginn der dritten Stufe der EWU ist ein einheitlicher europäischer Währungsraum geschaffen worden, von dem sich die Befürworter positive ökonomische Effekte
erhoffen. Die Kritiker verweisen auf der anderen Seite auf die noch ungelösten
Probleme wie bspw. die fehlende politische Konvergenz der Teilnehmerländer. Aus wirtschaftstheoretischer Sicht haben wir diese Diskussion unter dem Stichwort des
"optimalen Währungsraumes" kennengelernt.
Geldpolitisch resultiert der wesentliche Nutzen einer Europäischen Währungsunion aus
dem größeren Währungsraum, in welchem die Transaktionskosten dadurch erheblich
54
sinken, dass die Geldfunktionen nun uneingeschränkt in ihm gelten. Dies bedeutet
sinkende Kosten für Umtauschgebühren, für die Abwicklung grenzüberschreitender
Geldgeschäfte, Kurssicherungsgeschäfte und Kalkulationsinformationen sowie eine
Vereinfachung des betrieblichen Rechnungswesens, verringerte Devisenhaltung usw.
Der Wegfall des Wechselkursrisikos dürfte zudem den Binnenhandel im Währungsraum
verstärken und damit positive Wohlfahrtseffekte bewirken. Die grundlegenden Vorteile
eines einheitlichen Geldes in Form einer massiven Senkung der Transaktionskosten
(Informationskosten, Umtauschkosten, Kosten von Kurssicherungsgeschäften, Verringerung von Risiken usw.) und damit einer wohlstandssteigernden Intensivierung des
Handels sind dann auch als zentrale Motivation für die Europäische Währungsunion
(EWU) zu sehen. Dem entgegen stehen die Umstellungskosten, die aus der Umstellung
der Datenverarbeitung und des Rechnungswesens, den Kosten der Einführung der
neuen Währung, Umschulungen von Mitarbeitern, eventueller zeitlich begrenzter
Doppelauszeichnung von Preisen usw. bestehen. Im Gegensatz zu den positiven
Transaktionskosteneffekten fallen diese Umstellungskosten jedoch einmalig an und
dürften sich innerhalb weniger Jahre amortisieren.
Politisch entsteht mit dem Übergang zum ESZB ein Autonomieverlust der Nationalstaaten, den man je nach ideologischem Standpunkt positiv oder negativ bewerten
kann. Die Verlagerung der Geldpolitik auf die europäische Ebene bietet die Chance,
eine glaubwürdige und stabilitätsorientierte Geldpolitik für die gesamte EU zu erzielen.
Auf der anderen Seite ist die Gefahr zu konstatieren, dass der erheblich größere Euro Raum geldpolitisch schwerer zu steuern ist. Vieles hängt hier davon ab, ob das ESZB
eine stabilitätsorientierte und glaubwürdige Geldpolitik durchsetzen kann. Mit der Größe
des europäischen Binnenmarktes ist die Chance verbunden, dass der Euro zu den
wichtigsten Weltwährungen (Reservewährungen) zählen wird. Aus der Sicht außereuropäischer Investoren werden Direktinvestitionen im Euro-Raum attraktiver (Größe
des Binnenmarktes), womit positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte einher
gehen können. Aus den o.a. Gründen wird die EWU häufig auch als notwendig
angesehen, um Europas Position in der Globalisierung zu sichern. Dass höhere Wettbewerbsintensität und stärkerer Effizienzdruck insgesamt vorteilhaft sind, sollte nicht
darüber hinweg täuschen, dass einzelne Branchen und Bereiche, insbesondere solche,
die bisher stark national geschützt wurden (Protektion), mit nachteiligen Effekten
55
rechnen müssen. Auch wird der Druck auf hohe oder überhöhte Sozialstandards sowie
ineffiziente Steuer- und Sozialsysteme unter Umständen zunehmen (Verschärfung des
Standortwettbewerbs).
Kritisch anzumerken ist, dass die EWU nicht durch eine politische und soziale Union
begleitet wird, so dass eine mangelnde Koordination der Wirtschafts- und Sozialpolitiken
in der EU u.U. geldpolitische Erfolge gefährden kann. Auf der anderen Seite kann die
Existenz der EWU auch Reformen in den anderen Bereichen erzwingen und sich somit
als Motor einer weitergehenden Europäischen Union erweisen.
Zusammenfassend lassen sich also folgende wesentliche Punkte feststellen:
• Verlust des Wechselkurses als Anpassungsinstrument
• Verzicht auf autonome Geldpolitik
• Eingeschränkte Autonomie der Fiskalpolitik
• Verzicht auf Phillipskurven Trade-off
• Anpassungskosten
• Wegfall von Transaktions- und Informationskosten = handelsschaffender Effekt
• Wegfall von Wechselkursrisiken = handelsumlenkende Effekt
• erhöhte Anziehungskraft von Auslandsinvestitionen
5.4.2 Exkurs: Vorgeschichte
Die Errichtung der EWU ist der Endpunkt ein längeren Entwicklung, die schon Anfang
der sechziger Jahre begann. Schon 1962 wurde im sogenannten Kampen Bericht vom
Europäischen Parlament eine gemeinsame Währungspolitik gefordert.
1968 wurden im Werner Bericht die Ziele der Währungsunion präzisiert. Im Bericht wird
vorgeschlagen, die Währungsunion in drei Phasen bis Ende 1980 zu realisieren.
Grundlegende Gedanken des Werner Plans fanden später Eingang in den Delors
Bericht und damit in den Vertrag zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
Mit dem Scheitern von Bretton Woods wurde ein europäischer Wechselkursverbund
gegründet, der 1979 durch das Europäische Währungssystem (EWS) abgelöst wurde.
Im EWS waren zwölf Staaten (anfangs acht) mit dem Ziel zusammengeschlossen, durch
ein System anpassungsfähiger Wechselkurse eine stabile Währungszone zu schaffen.
Bestandteile des EWS waren ein Wechselkurs- und Interventionssystem, sowie die
Kreditfazilitäten. Das EWS war lange Zeit sehr erfolgreich in den Jahren 1992 und 1993
56
traten jedoch verstärkt Spekulationsbewegungen gegen einzelne Währungen auf in
dessen Zuge die Bundesbank in der Spitze bis zu 93 Mrd. DM an Mittelzuflüssen
sterilisieren musste. Als Antwort darauf wurden die Bandbreiten erweitert und einige
Staaten (England, Italien) nahmen nicht mehr am Wechselkurssystem teil.
Die Entwicklung zu einer gemeinsamen Geldpolitik - Überblick
Ein weiterer Schritt in Richtung EWWU wurde mit der einheitlichen Europäischen
Akte von 1987 geschaffen. Mit ihr wurde in der Europäischen Union die Vollendung des
Binnenmarktes bis 1992 gesetzlich verankert. Die vier Freiheiten von Waren, Personen,
Dienstleistungen und Kapital wurden als wesentliche Stabilitätsvoraussetzungen
genannt.
Bedingungen für eine Währungsunion waren nun noch:
1. Umfassende und unwiderrufliche Konvertibilität.
2. Vollständige Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs.
3. Ein Wechselkurssystem ohne Bandbreiten und mit unwiderruflich festgelegten
Paritäten.
Mit dem Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag, Vertrag von Maastricht) vom
01.11.1993 wurden die Rahmenbedingungen für alle bisherigen rechtlichen Regelungen
vorgegeben. Zentraler Bestandteil ist die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene EWWU.
Besonderes Augenmerk gilt dabei der EWU. Per 1.1.1999 ist hier die geldpolitische
Verantwortung von den nationalen Notenbanken auf die Europäische Zentralbank (EZB)
übergegangen.
Formal können dies Phasen der Entwicklung in drei Stufen unterteilt werden. In der
ersten Stufe (Beginn 01.01.1990), die der Vorbereitung diente, wurde die Freiheit des
Kapitalverkehrs institutionell festgeschrieben und die Rahmenbedingungen zur Vollendung des Binnenmarktes gelegt. Mit Beginn der zweiten Stufe am 01.01.1994 wurde das
Europäische Währungsinstitut (EWI) als Vorläufer der EZB gegründet und über die Zielerfüllung der Teilnehmerländer bzgl. der sogenannten Konvergenzkriterien entschieden.
Mit dem 01.01.1999 wurden die Wechselkurse der Teilnehmerländer in bezug auf den
Euro festgeschrieben. Die dritte Stufe der EWU endet am 01.07.2002.
5.4.3 Der Vertrag von Maastricht und die Konvergenzkriterien
57
In die erste Stufe der EWU fiel der Vertrag von Maastricht. Die Geldordnung der Europäischen Union ist durch den sog. Maastrichter Vertrag (1991, Ratifizierung 1992)
festgelegt. Aus der Konkurrenzwährungsordnung mit 14 voneinander - zumindest
formell - unabhängigen Zentralbanken sollte eine Monopolwährungsordnung mit einer
einheitlichen Währung (Euro, Cent) für alle Mitgliedstaaten der EU entwickelt werden.
Monopolwährungsordnung besitzt eine (in der Regel) staatliche Zentralbank
das ausschließliche Recht, Bargeld (bzw. das gesetzliche Zahlungsmittel) in den Umlauf
zu bringen; sie verfügt also über ein Emissionsmonopol bei Noten und Münzen. Damit
wird die Bargeldmenge durch die Zentralbank festgelegt, und diese entscheidet auch, zu
welchen Konditionen.
Basierend auf ökonomischen Erkenntnissen letztlich aber als Ergebnis eines politischen
Verhandlungsprozesses wurden Kriterien entwickelt, die über eine hinreichende Kompatibilität der teilnehmenden Volkswirtschaften Auskunft geben sollen und deren
Erfüllung als Eintrittsbedingung für die Europäische Währungsunion definiert wurde
(sog. Konvergenzkriterien). Aus den Theorien optimaler Währungsräume zog man im
Maastrichter Vertrag die Konsequenz, dass eine hinreichende Konvergenz der
Währungen und Volkswirtschaften eine notwendige Voraussetzung für eine Währungsunion darstellt. Da zudem Einigkeit darüber herrschte, dass die gemeinsame
europäische Währung eine stabile Währung werden sollte, wurden sogenannte
Konvergenzkriterien beschlossen, deren Erfüllung zwingende Voraussetzung für die
Teilnahme an der EWU sind. Ziel der Konvergenzkriterien ist die Sicherstellung, das die
Voraussetzungen für Gelingen einer dauerhaften monetären Stabilität erreicht werden
können. Es handelt sich um folgende fünf Kriterien:

Vorbedingung: 2 Jahre vor Eintritt in die EWU: spannungsfreie Mitgliedschaft im
„normalen“ EWS-Band. (Teilnahme an Wechselkursverbund)

1. Kriterium: Veränderung der Verbraucherpreise maximal 1,5%-Punkte über dem
Durchschnitt der drei preisniveaustabilsten Länder.

2. Kriterium: Rendite langfristiger öffentlicher Anleihen maximal 2%-Punkte über
dem Durchschnitt der drei preisniveaustabilsten Länder.

3. Kriterium: Bruttoschuldenstand der öffentlichen Haushalte maximal 60% des
Brutto- Inlands -Produkts.
58

4. Kriterium: Finanzierungs-Saldo der öffentlichen Haushalte maximal 3% des
Brutto- Inland-Produkts.
5.4.4 Die Teilnehmerländer der EWU
Die Auswahl der ersten an der EWU teilnehmenden, qualifizierten Mitgliedstaaten
erfolgte auf der Grundlage der volkswirtschaftlichen Ist-Daten des Jahres 1997. Hierbei
qualifizierten sich Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg,
Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien für die Teilnahme an der EWU von
Anfang an. Griechenland (bezüglich aller Kriterien) Großbritannien und Schweden
(formale Gründe) qualifizierte sich vorerst nicht; Dänemark (trotz Qualifikation) nahm auf
eigenen Wunsch zunächst nicht teil. Ab dem 01.01.2001 ist Griechenland nun auch
vollwertiges Teilnehmerland der EWU.
Der nähere Blick auf die Erfüllung der Konvergenzkriterien zeigt, dass auch von den
Teilnehmerländern nicht alle Teilnehmerländer die Konvergenzkriterien erfüllt haben.
Insbesondere bei den Fiskalkriterien (Verschuldungskriterien) sind Abweichungen zu
beobachten. Relevant für die Entscheidung war jedoch, dass eine hinreichende
Bewegung zu der Erfüllung der Konvergenzkriterien gewährleistet ist. So lag Italien mit
einer öffentlichen Verschuldung von 121,6% zwar deutlich über den Konvergenzwert, es
war aber eine deutliche Entschuldungspolitik erkennbar.
5.4.5 Die Dritte Phase der EWU
Wie bereits öfter erwähnt wurde mit dem 1.1.1999 die dritte Phase der EWU eingeleitet.
Diese dauert wiederum drei Jahre und wird spätestens am 01.07.2002 beendet sein.
Mehrere Teilphasen können in dieser Stufe unterschieden werden.
Wesentliche Punkte der ersten Stufe sind die Fixierung der Wechselkurse, der
Übergang der geldpolitischen Verantwortung auf die EZB und die Inbetriebnahme von
TARGET (Trans-European Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer
system) .
Ab 1.1.1999 wurden die Wechselkurse der an der EWWU teilnehmenden Währungen
auf den Stand vom 31.12.1998 (Endnotierungen an den Devisenbörsen) endgültig und
unwiderruflich fixiert. Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Korbwährung ECU
wandelte sich mit der Fixierung in die eigenständige Währung Euro (Cent) um. Der Euro
59
soll auch die Tauschmittel- und Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes wahrnehmen.
Zunächst als reines Giralgeld ersetzte ab dem 01.01. 2002 der Euro die DM Münzen
und Noten.
Ein weiterer Aspekt, der in der Umstellungsphase berücksichtigt werden muss, dass die
öffentlichen Haushalte, die Kreditinstitute, die Unternehmen und die privaten Haushalte
ihr Rechnungswesen auf den Euro umstellen. In der Übergangsphase herrscht für
Privatpersonen noch die Wahlfreiheit, ob die Konten in Euro oder in der Heimatwährung
geführt werden sollen. Durch die individuelle Option hat in einem gewissen Sinne auch
der wettbewerbliche Charakter Einzug in das Übergangsszenario gehalten, da eine
Umstellung i.d.R. nur bei einer Attraktivität des Euro für den jeweiligen Akteur vorgenommen wird. Vor allem Großunternehmen haben davon Gebrauch gemacht. Neuemissionen der öffentlichen Hand sind in Euro vorzunehmen. Das Ende der Umstellung
wurde mit der Ausgabe von Bargeld eingeläutet.
Der aus geldpolitischer Sicht entscheidende Schritt war in der dritten Stufe die
Übernahme der Verantwortung für die Geldpolitik durch die ESZB bzw. die EZB.
60
6 Begründung geldpolitischer Maßnahmen - das Ziel der
Preisniveaustabilität
6.1 Inflationsmessung und –wirkung
Der europäischen Geldpolitik ist durch Art. 105 (1) EG -Vertrag ("Vertrag von
Maastricht") das Ziel der Preis(niveau)stabilität als absolut vorrangig vorgegeben. Nur
wenn dieses Ziel nicht gefährdet ist, darf die europäische Geldpolitik die Verfolgung
anderer Ziele (bspw. Verringerung der Arbeitslosigkeit, konjunkturelle Ziele, Strukturpolitik usw.) unterstützen. Das Ziel der Preisniveaustabilität kann insofern im Kontext der
Ziele des "magischen Vierecks" [neben der Preisniveaustabilität sind dies: angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum, ein hoher Beschäftigungsstand und das Ziel
des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts] gesehen werden. Im Sinne einer wirtschaftspolitischen Arbeitsteilung obliegt dabei die Sicherung der Preisniveaustabilität einer
speziellen Institution. Träger der europäischen Geldpolitik ist das Eurosystem (bzw. das
Europäische System der Zentralbanken (ESZB)), welches unabhängig von den sonstigen Akteuren der Wirtschaftspolitik ist. In den folgenden Ausführungen wird erläutert,
was Preisniveaustabilität ist und warum diesem Ziel absolute Priorität in der europäischen Geldpolitik eingeräumt wird.
Zur genaueren sprachlichen Unterscheidung soll dabei zwischen zwei Begriffspaaren
Preis und Preisniveau auf der einen Seite und Nominalwert und Realwert auf der
anderen Seite unterschieden werden. Der Preis ist (für Deutschland) definiert als [Dp] =
[Euro/x]. Er gibt an, wie viel Euro für eine Einheit eines Gutes bezahlt werden müssen.
Das Preisniveau bezieht sich auf den gewichteten Durchschnitt der Güterpreise einer
Volkswirtschaft. Preisstabilität bedeutet mikroökonomisch, dass ein einzelner Preis konstant ist, und makroökonomisch, dass sich alle Preise nicht verändern. In der Marktwirtschaft werden über die Veränderung der Preise aber das Angebot und die Nachfrage
gesteuert. Hier ist es wichtig, dass die Einzelpreise sich frei bewegen können, da sie
Informationen über Knappheiten der Güter an den einzelnen Märkten beinhalten.
Preisniveaustabilität bedeutet demgegenüber, dass ein gewichteter Durchschnitt der
Preise einer Volkswirtschaft weder dauerhaft (über mehrere Perioden) steigt noch
dauerhaft sinkt. Ist dies gewährleistet, so bleibt der Binnenwert des Geldes stabil (es
kann also auch von (Binnen-) Geldwertstabilität gesprochen werden), das heißt, die
61
Kaufkraft einer Währung verändert sich nicht; in unterschiedlichen Perioden können
vergleichbare Gütermengen mit Hilfe konstanter Geldeinheiten gekauft werden.
Dies ist nicht mit Preisstabilität zu verwechseln: Stabile Preise sind üblicherweise ein
Charakteristikum zentralverwaltungswirtschaftlicher Ordnungen wie bspw. früher in der
DDR. Um Geldwertstabilität zu erreichen, müssen demzufolge nicht die Preise, sondern
das Preisniveau bei fluktuierenden Preisrelationen stabil sein.
Steigt das Preisniveau einer Volkswirtschaft über mehrere Perioden an, spricht man von
Inflation (Prozess der Geldentwertung6); sinkt das Preisniveau hingegen über mehrere
Perioden, so spricht man von Deflation (Prozess der Geldaufwertung). Beide Phänomene haben negative Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Märkte und sind
deshalb durch die Geldpolitik zu vermeiden. Der Prozess moderater Preisniveausteigerungen ist der Regelfall in den Volkswirtschaften. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es kaum Zeiträume, in denen das Preisniveau gesunken ist, dennoch galt
die DM international als eine der wertstabilsten Währungen. Dies ist darin begründet,
dass im Vergleich zum Ausland die durchschnittlichen Inflationsraten der Bundesrepublik geringer waren als in den meisten anderen Ländern.
Verbunden mit de n Preisniveauänderungen sind auch Interdependenzen zwischen dem
Nominal- und dem Realbereich. Ein Beispiel das dies verdeutlichen soll ist eine die
Inflation nicht berücksichtigende Lohnfestschreibung. Während im Zeitablauf sich der
Lohn nominal nicht ändert (da er festgeschrieben ist), sinkt die Kaufkraft, d.h. der Reallohn sinkt (mit dem gleichen Lohn können weniger Güter gekauft werden). Wenn eine
Inflation eine Änderung der realen Kaufkraft bedeutet führt uns dies zu der nächsten
Frage, nämlich die wie die Inflation gemessen wird.
6.1.1 Inflationsmessung
Die Veränderung des volkswirtschaftlichen Preisniveaus wird als Veränderung eines
gewichteten Durchschnitts aller relevanter Verbraucherpreise von einer Periode zur
nächsten gemessen. Die Gewichtung erfolgt dabei anhand der Mengen, die ein
typischer privater Haushalt im Schnitt eines Monats konsumiert; es wird ein Warenkorb
zusammengestellt und die Veränderung des Preises dieses Korbs ermittelt. Üblicherweise wird der Lebenshaltungskostenindex nach Laspeyres verwendet, der die konsumierten Mengen auf ein Basisjahr normiert: (P = Preisniveau, p = Einzelpreise, q =
62
Mengen, (i,...,n) = Güter im Warenkorb, t = aktuelle Periode). Das Basisjahr wird hierbei
aus Gründen der Praktikabilität nicht jährlich aktualisiert, sondern ca. alle 3 bis 5 Jahre.
Dies hat den Nachteil, dass Veränderungen in den Kaufgewohnheiten nur mit Verzögerung im Lebenshaltungskostenindex berücksichtigt werden. Da der dargelegte Index
einen Maßstab für Inflation darstellt, wird die Änderung des Index auch als Inflationsrate
bezeichnet.
Bei einem anderen Index, dem Paasche Index, werden die Mengen des Berichtsjahres
als Warenkorb benutzt. Da der Paasche -Index das sich jeweils verändernde Berichtsschema der Berichtsperiode misst, ist er für einen periodischen Preisniveauvergleich
ungeeignet. In der Regel werden Inflationsraten nach dem Laspeyres-Index berechnet.
Preisniveaustabilität liegt nach üblicher Auffassung dann vor, wenn die Inflationsrate
über -2% und unter +2% liegt; andernfalls kann bei anhaltenden Prozessen von
Deflation (unter -2%) oder Inflation (über +2%) gesprochen werden. Ein Grund für die
Berücksichtigung einer derartigen Spanne liegt darin, dass der Laspeyres-Index ein
konstantes Wägeschema hat. Da i.d.R. jedoch Güterarten und Güterqualitäten sich
laufend ändern, kann das Schema veralten. Man geht davon aus, dass bspw. Qualitätsverbesserungen häufiger und gewichtiger sind als Qualitätsverschlechterungen.
Aufgrund der unterstellten Qualitätsverbesserungen bei Konstanthaltung der Güter im
Warenkorb überschätzt der Laspeyres-Index die tatsächliche Preisentwicklung.
Im Euroraum findet der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) Anwendung, der
ein auf einer einheitlichen Ermessungsgrundlage berechneter Index der Lebenshaltungskosten für die Staaten der Europäischen Union sowie Norwegen und Island ist.
Er wurde mit dem Ziel entwickelt, unverzerrte Inflationsvergleiche zwischen den EUMitgliedsstaaten zu ermöglichen. Formal ist der HVPI ein Laspeyres-Index.
Aufsehen erregten Studien der Deutschen Bundesbank und der Federal Reserve Bank
Ende der 90er Jahre, die zu dem Schluss kamen, dass das deutsche Preisniveau in
Relation zum US-Preisniveau um bis zu 0,75 % überzeichnet, d.h. zu hoch
sei.
Wesentlicher Aspekt war die unterschiedliche Bewertung von Innovationen insbesondere bei Software- und Hardwareprodukten.
63
6.1.2 Inflationswirkungen
Aus den Inflationswirkungen werden die Berechtigungen für die Maßnahmen zum
Ergreifen von Anti-Inflationspolitiken gewonnen. Folgende Wirkungen können genannt
werden.
1.
Verzerrung der Preisrelationen : Das System der relativen Preise wird durch eine
Art "Nebel" oder "Schleier" verzerrt, so dass die Marktakteure zu Fehlinterpretationen
von Preissignalen neigen. Dadurch wird die Allokationseffizienz erheblich gestört und
es resultieren Fehlinvestitionen, die schließlich rezessive Tendenzen auslösen
können. Bspw. können inflationsbedingte Preissteigerungen auf Einzelmärkten als
Nachfragesteigerungen (und damit als Änderungen im System der relativen Preise)
missverstanden werden und somit zu Erweiterungsinvestitionen führen, die durch die
Marktentwicklung nicht gerechtfertigt sind. Dies kann zwar kurzfristig einen positiven
konjunkturellen Impuls bewirken; da sich die Investitionen jedoch auf Dauer nicht
rentieren (Fehlinvestitionen), folgen erhebliche negative ökonomische Effekte
(Deinvestition, u.U. Konkurse, Beschäftigungsabbau usw.).
2.
ihre Einkommen über die Tarifverhandlungen erst mit Verzögerung an den inflationären Prozess angepasst werden und somit ihre Kaufkraft (zumindest vorübergehend)
sinkt (negative Folgen für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage).
3.
ann
über eine Lohn-Preis-Spirale den inflationären Prozess verstärken. Diese Lohnsteigerungen stellen für die Unternehmen Kosten dar, die entweder über Preissteigerungen
weitergegeben werden können (Kostendruckinflation) oder über arbeitssparende
Rationalisierungsmaßnahmen den Anstieg der Arbeitsproduktivität beschleunigen
(Verringerung der Beschäftigung mit entsprechend negativen Folgen).
4.
Entwertung von Ersparnissen: Personen mit Geldvermögen erfahren eine Entwertung dieses Vermögens und sind daher durch Inflation benachteiligt gegenüber
Personen, die über Sachvermögen (Grundstücke, Wertpapiere usw.) verfügen. Dies
gilt insbesondere für solche kleine und mittlere Vermögen, die sich nicht sinnvoll in
Sachvermögen umwandeln lassen. Besondere Probleme resultieren, wenn diese
Vermögen die wesentliche Alterssicherung der Betroffenen darstellen.
64
5.
ne Flucht in die Sachwerte, das
heißt, viele Akteure "tauschen" ihr Geldvermögen in Sachvermögen, vor allem Edelmetalle (bspw. Gold) und Immobilien. Dies kann auf beiden Märkten zu gravierenden
Verzerrungen führen, die sich in einer zunächst überhöhten Nachfrage manifestieren,
die insbesondere am Bau eine Sonderkonjunktur mit dem Aufbau von Überkapazitäten auslöst, welche dann schließlich zu krisenhaften Erscheinungen führen. Eine
inflationsbedingte Flucht in die Sachwerte schützt dabei die Akteure nur bedingt vor
einer Entwertung ihres Vermögens, da die große Nachfrage zunächst den Preis für
Sachwerte stark ansteigen lässt, wobei dieser später, wenn eine – zumindest partielle
- Rückkehr in Geldwerte stattfindet, deutlich fällt, so dass in der Regel die Erlöse aus
dem Verkauf der Sachwerte deutlich unterhalb dessen liegen, was in sie investiert
wurde.
6.
Inflation benachteiligt Gläubiger und begünstigt Schuldner, da letztere ihre
Schulden nominal zurückzahlen müssen und somit Gläubiger real weniger
zurückerhalten, als sie ursprünglich verliehen oder angelegt haben. Dies gilt
insbesondere
bei
Festzinsvereinbarungen,
da
dann
bei
Inflation
die
Wahrscheinlichkeit einer negativen Realverzinsung steigt. Als wesentliche Schuldner
profitieren daher oftmals der Staat und die Unternehmen zumindest von leichten
Inflationsprozessen.
7.
en (Hyperinflation) kommt es schließlich zu einer
massiven Störung der Geldfunktionen. Die Instabilität des Geldwertes verringert die
Eignung des Geldes als Rechenmittel, da sich die Wertrelationen ständig ändern und
zudem "verschleiert" sind (s.o.). Verlieren die Marktakteure aufgrund des schwindenden Geldwertes das Vertrauen in die inflationäre Währung, so sinkt seine Akzeptanz
und damit wird seine Funktion als allgemeines Tauschmittel beeinträchtigt; es bilden
sich (bspw. auf Schwarzmärkten) Ersatzwährungen heraus (Devisenwährungen,
Zigarettenwährungen usw.). Die Wertaufbewahrungsfunktion wird durch Inflation
weitgehend außer Kraft gesetzt.
8.
Erwartungsunsicherheiten: Die inflationsbedingte Störung der Funktionsfähigkeit
des Systems der relativen Preise verunsichert die Marktakteure und fügt ihren
Entscheidungen
eine
weitere
Unsicherheitskomponente
65
hinzu.
Dies
kann
weitgehende Zurückhaltung marktlicher Transaktionen induzieren und damit rezessive
Tendenzen auslösen bzw. verstärken.
9.
weiteres an die Geldentwertung angepasst werden, bspw. Sozialhilfe, (u.U.) Renten,
Beamtenentgelte, weitere Sozialtransfers (Kindergeld usw.).
10. Existiert eine progressive Einkommensbesteuerung (wie in Deutschland), dann
geraten die Akteure wenn die Nominallöhne der Inflationsrate angepasst werden
aufgrund der steigenden Nominaleinkommen in höhere Progressionsstufen und
müssen real mehr Steuern zahlen, obwohl sich ihre Realeinkommen nicht erhöht
haben.
11.
-
anpassungen bspw. das Warenangebot neu ausgezeichnet werden muss, Preislisten
neu ausgedruckt oder Automaten neu eingestellt werden müssen. Die Transaktionskosten steigen.
Die Verringerung des Binnenwertes einer Währung bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf den Außenwert der jeweiligen Währung. Es drohen Abwertungen und damit
entsprechende Veränderungen der Wechselkurse. Dies verteuert Importe, eröffnet
andererseits jedoch bessere Exportmöglichkeiten. Dem wechselkursbedingten Preissenkungseffekt auf ausländischen Märkten stehen jedoch die inländischen Preissteigerungen auf den Faktormärkten gegenüber, so dass der Gesamteffekt ungewiss ist.
Während die negativen Wirkungen von Geldentwertungsprozessen (Inflation) intuitiv
einleuchten, liegt die Schädlichkeit von Geldaufwertungsprozessen (Deflation) heutzutage oftmals nicht so auf der Hand. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bis Mitte
des 20. Jahrhundert nahezu alle schweren Wirtschaftskrisen Deflationskrisen waren –
auch die Great Depression der Weltwirtschaft in den späten 1920er und 1930er Jahren.
Deflation führt in der Regel zu schweren Wirtschaftskrisen, weil sich die (Faktor-) Kosten
der Unternehmen - wenn überhaupt - nur verzögert an den Preisverfall anpassen (bspw.
Löhne bleiben nach unten starr oder werden nur mit erheblicher Verzögerung gesenkt;
Abhängigkeit von Rohstoffimporten). Dies führt dazu, dass viele Unternehmen in
Liquiditätsschwierigkeiten geraten; es kommt zu Konkurswellen, wodurch eine Vielzahl
von Arbeitskräften freigesetzt wird. Diese Entwicklung wird durch die Nachfrageseite
noch verstärkt: Da das Geld im Zeitablauf real immer mehr Wert wird, sinkt der Anreiz
66
zu aktueller Nachfrage und steigt der Anreiz zur Ersparnisbildung, welcher u.U. durch
drohende Arbeitslosigkeit (Konkurswelle) noch verstärkt wird. Damit jedoch entsteht
tendenziell ein Angebotsüberhang auf den Märkten, welcher weiteren Druck in Richtung
Preissenkungen ausübt und die prekäre Lage der Unternehmen weiter verschärft - eine
schwere Konjunkturkrise ist regelmäßig die Folge.
Als aktuelles Beispiel kann Japan dienen. Hier lassen sich deutliche Ansätze einer
Deflation erkennen. Obwohl die Notenbank seit Jahren mit einer 0-Zinspolitik die
Investitionen fördern will und der Staat durch insgesamt über 1000 Mrd. Euro schweren
Konjunkturprogrammen die Wirtschaft zu beleben versucht, ist die wirtschaftliche Entwicklung schlecht. Japan gilt mittlerweile als Beispiel für die von Keynes beschriebene
Liquiditätsfalle.
6.2 Ursachen der Inflation
Die Ursachen von Inflation sind in der politischen Diskussion wie in der wissenschaftlichen Analyse umstritten. Es besteht jedoch weitgehender Konsens, dass es zur Erklärung einer konkreten Inflation meist nicht ausreicht, sich auf eine Ursache zu konzentrieren oder bei der Ursachenanalyse allein auf die augenscheinlichsten Ursachen abzustellen. Eine eingehende Ursachendiagnose ist von entscheidender Bedeutung für die
Ausgestaltung einer angemessenen Inflationsbekämpfungspolitik. Als keynesianische
Ursachen werden bspw. folgende Aspekte als
inflationsverursachend genannt:





Nach Friedmann (der zu den Monetaristen gezählt wird) ist Inflation letztlich ein
gesamtwirtschaftliches monetäres Phänomen, das notwendig an die Existenz von Geld
verbunden ist. Vergegenwärtigt man sich, dass in einem Wirtschaftskreislauf die wertmäßigen Güterströme definitionsgemäß den Geldströmen entsprechen, so kommt man
zu der (tautologischen) Verkehrsgleichung. M*v = H*P.
67
Wobei M die Geldmenge, v die Geldumlaufsgeschwindigkeit, p das Preisniveau und H
das Handelsvolumen einer Volkswirtschaft repräsentieren. Anstelle des Handelsvolumens tritt in den theoretischen Betrachtungen das reale Sozialprodukt (Yr), so dass
folgende Gleichung aufgestellt werden kann:
M*v = p* Yr
Demnach können Preisniveausteigerungen c.p. aus einer Geldmengenerhöhung ,
Konjunkturschwankungen resultieren.
ERGÄNZUNG
6.3 Die Phillips-Kurve und Trade-off Probleme der Geldpolitik
In der heutigen geldtheoretischen Diskussion ist der Phillips-Zusammenhang ein
wesentlicher Bestandteil bei der Betrachtung von Inflation. Deswegen soll er an dieser
Stelle erwähnt werden. Kaum ein Aufsatz im Bereich der Nationalökonomie löste eine
derartige Flut von Folgeveröffentlichungen aus wie der 1958 von Alban W. Phillips
verfasste Artikel „The Relation between Unemployment and the Rate of change of
Money Wage Rates in the United Kingdom, 1861 – 1957“. Während Phillips den
Schwerpunkt seiner Untersuchungen in der quantitativen Analyse des Zusammenhanges zwischen Arbeitslosigkeit und Lohnänderungsrate setzte, lieferte Lipsey später
eine theoretische Fundierung des Zusammenhanges, indem er die Lohnsatzänderungen
in Verbindung mit den Angebots- und Nachfrageüberschüssen auf dem Arbeitsmarkt
brachte. Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Phillipskurve wurde entscheidend
durch den Beitrag von Samuelson und Solow beeinflusst. Hier wurde eine stabile
inverse Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und Inflationsrate abgeleitet (modifizierte
Phillips-Kurve). Die Verbindung von Lohnsatz und Preisniveau wird über die Annahme
hergestellt, dass Unternehmen abweichend vom Maximierungsprinzip durch Zuschlagskalkulation (mark-uppricing) ihre Gewinnziele zu erreichen suchen. Hiernach verfügen
die Unternehmen über soviel Marktmacht, dass sie einen von der Güternachfrage
unabhängigen - im Zeitablauf konstanten - Gewinnzuschlag auf die Lohnstückkosten
aufschlagen. Der Aufschlagsatz muss dabei so bemessen sein, dass die fixen Stückkosten abgedeckt und ein geplanter Stückgewinn möglich sind. Aus der originären
Phillips-Kurve kann also unter Berücksichtigung des Produktivitätszuwachs einer Volks68
wirtschaft die modifizierte Phillips –Kurve hergeleitet werden. Bei der Beurteilung der
Preisentwicklung im Euroraum berücksichtigt die Europäische Zentralbank neben dem
HVPI auch die Entwicklung der Lohnstückkosten und der Produktivitätsentwicklung, um
zu einer fundierteren Beurteilung der geldpolitischen Situation zu gelangen.
In der Theorie der Wirtschaftspolitik gilt die Phillips-Kurve als Paradebeispiel eines
konkurrierenden Zielbündels. Die Attraktivität einer vermeintlichen wirtschaftspolitischen
„Speisekarte" gipfelte in der vielzitierten Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers
Helmut Schmidt, der fünf Prozent Inflation gegenüber fünf Prozent Arbeitslosigkeit
vorzog.
Wenn heute von der Phillips-Kurve die Rede ist, werden damit i.d.R. die Austauschbeziehungen im Inflations- Arbeitslosenzusammenhang verbunden. Im Rahmen dieser
(keynesianischen) Schule kann eine sinkende Arbeitslosigkeit nur zu Lasten einer
steigenden Inflationsrate „erkauft“ werden. Eine Begründung liegt bspw. darin, dass
durch eine Erhöhung der Nachfrage die Preise steigen, bevor Vollbeschäftigung erreicht
ist.
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