Skript zur Veranstaltung Geld- und Währungspolitik der Berufakademie Lörrach Stand: August 2002 Das Skript soll einen leichteren Zugang zum Stoff der Vorlesung ermöglichen. Es kann diese jedoch nicht ersetzen. 1 Gliederung 1 ÜBERBLICK ÜBER DIE GELDPOLITISCHEN ZUSAMMENHÄNGE 4 2 ENTSTEHUNG, FUNKTION VON GELD, GELDMENGENBEGRIFFE 7 2.1 Geldentstehung und Erscheinungsformen des Geldes 7 2.2 Die Geldfunktionen 8 2.3 Geldarten, Geldmengenbegriffe und Geldmengenaggregate 10 3 THEORETISCHE MONETÄRE KONZEPTE 12 3.1 Geldangebot 12 3.2 Geldnachfrage 15 3.2.1 Die Quantitätstheorie 15 3.2.1 Die Keynsianische Geldnachfragetheorie 17 3.3 Transmission von monetären Impulsen 19 4 GELPOLITIK DER BUNDESBANK UND DER EZB 23 4.1 Geldpolitisches Instrumentarium der Deutschen Bundesbank 25 4.1.1 Diskont- und Lombardpolitik 25 4.1.2 Offenmarktpolitik 26 4.1.3 Mindestreservepolitik 27 4.1.4 Theorie der Preislücke 28 4.2 Konzepte und Instrumente des Eurosystems 28 4.2.1 Die institutionelle Betrachtung 28 4.2.2 Strategien und Konzept der EZB 31 4.2.3 Das Instrumentarium der EZB 36 5 INTERNATIONALE WÄHRUNGSSYSTEME UND DIE ENTSTEHUNG DER EUROPÄISCHEN WÄHRUNGSUNION (EWU) 44 5.1EXKURS: Die Zahlungsbilanz 44 5.2Wechselkurssysteme 46 5.2.1 Festkurssysteme 47 5.2.2 Flexible Wechselkurse 49 5.2.3 Bandbreitensysteme 49 5.2.4 Leit- und Reservewährungen 50 5.3. Währungsunionen und optimale Währungsräume 53 2 5.4 Der Weg zur EWU – Ein Überblick 53 5.4.1 Nutzen und Kosten eines europäischen Währungsraumes 53 5.4.2 Exkurs: Vorgeschichte 55 5.4.3 Der Vertrag von Maastricht und die Konvergenzkriterien 57 5.4.4 Die Teilnehmerländer an der EWU 57 5.4.5 Die Dritte Phase der EWU 58 6 BEGRÜNDUNG GELDPOLITISCHER MAßNAHMEN - DAS ZIEL DER PREISNIVEAUSTABILITÄT 60 6.1 Inflationsmessung und Wirkung 60 6.1.1 Inflationsmessung 61 6.1.2 Inflationswirkung 63 6.2 Ursachen der Inflation 66 6.3 Die Philippskurve und trade-off-Probleme der Geldpolitik 67 3 1 Überblick über die geldpolitischen Zusammenhänge In kurze Worte gefasst kann man die monetäre Politik als alle Maßnahmen charakterisieren, die aufgrund geldtheoretischer Erkenntnisse zur Regelung der Geldversorgung unter Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Ziele ergriffen werden. Das Ziel der Preisniveaustabilität steht dabei im Vordergrund. Im weiteren wird noch näher auf das Ziel der Preisniveaustabilität (Kapitel 6), die geldtheoretischen Erkenntnisse (Geldbegriff, Geldnachfrage, Geldangebot und Transmissionstheorien -Kapitel 2 und 3) sowie die monetären Maßnahmen und Instrumente unter besonderer Berücksichtigung der seit 1.1.1999 in Kraft getretenen dritten Stufe der Europäischen Währungsunion (Kapitel 4 und 5) eingegangen werden. Wie bereits erwähnt, ist das hauptsächliche Ziel der Geldpolitik die Wahrung der Preisniveaustabilität. Geldpolitik findet jedoch nicht im luftleeren Raum statt, so dass es an dieser Stelle bereits sinnvoll ist, die geldpolitisch relevanten Akteure und die Märkte an denen sie agieren kurz zu skizzieren. Eine detailliertere Beschreibung der Zentralbankstruktur findet sich später im Skript. Verantwortlich zur Erreichung der Ziele der Geldpolitik ist das Eurosystem1. Das Eurosystem umfasst die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Banque de France, Banca d'Italia,...), die an der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion teilnehmen. Die nationalen Zentralbanken sind wiederum organisatorisch feiner strukturiert. So hat bspw. die Bundesbank eine bundesweite Untergliederung in Form von neun Landeszentralbanken (Stuttgart, München, Berlin, Hannover, Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Mainz und Leipzig), denen rund 140 Zweiganstalten in den größeren Städten der Bundesrepublik nachgeordnet sind. Formal ist hier das Prinzip eines zweistufigen Zentralbanksystems wie es auch bei der Bundesbank gegeben war, zu erkennen. Bei der Analyse der geldpolitischen Zusammenhänge werden grundsätzlich drei Sektoren unterschieden: sonstige Finanzinstitute) 1 Das Eurosystem unterscheidet sich von dem Europäischen System der Zentralbanken dadurch, dass das ESZB sich aus der EZB und den Zentralbanken aller EU Mitgliedsstaaten zusammensetzt. 4 nicht MFI-Finanzinstitutionen, Länder, Gemeinden..) Besonderer Bedeutung kommt dabei den Interaktionen zwischen Zentralbank und Kreditinstituten zu. Spannungen können aus den unterschiedlichen Zielsetzungen und Aufgaben der beteiligten Institutionen resultieren. Besonders deutlich wird dies, wenn man die verschiedene Aggregationsebenen der Ziele und Funktionen der Banken betrachtet. Zunächst jedoch erst eine Legaldefinition der Kreditinstitute (KI). KI sind nach §1 KWG "Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännische Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert." Für unsere Zwecke reicht es, wenn wir uns auf das Einlagen- und Kreditgeschäft konzentrieren. Aus volkswirtschaftlicher Sicht erfüllen die Banken vielfältige Funktionen, die aus ihrem Status als Finanzintermediär resultieren. Im wesentlichen sind dies Transformationsfunktionen: Kredite auf der Aktivseite kann das Gesamtrisiko des Kreditportfolios einer Bank derart reduziert werden, dass es geringer ist als die Summe der Einzelrisiken. n: Durch die Annahme und Sammlung vieler kleiner Einlagen können diese bspw. in einen großen Kreditbetrag "umgewandelt" werden. Ebenso kann aber eine große Einlage in viele kleine Ratenkredite "gestückelt" werden. gen werden als langfristige Kredite vergeben. einem regional unterschiedlichen Finanzmittelbedarf und -aufkommen. immer neu einen Geschäftspartner suchen müssen, dem sie ihr Geld anvertrauen können, reduzieren sich die Transaktionskosten. Die Reputation der Geschäftsbank dient hierbei als Indikator für die Vertrauenswürdigkeit. 5 Neben diesen Funktionen steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch die betriebliche Leistungserstellung im Vordergrund und wirkt handlungsleitend. Auch die Zentralbank ist in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt, da eine zu restriktive Geldpolitik (Liquiditätsverknappung) eine Systemkrise des Finanzsektors bewirken könnte. Zwar kann sich im Einzelfall eine Bank bei Liquiditätsengpässen über den Geldmarkt refinanzieren, aus Zentralbanksicht ist allerdings der Liquiditätsbedarf des gesamten Bankensektors die relevante Steuerungsgröße. Der Geldmarkt ist als der zentrale Anknüpfungspunkt der geldpolitischen Maßnahmen zu sehen. Da die Zentralbank das Notenemissionsmonopol hat, kann sie i.e.S. nicht illiquide werden, sie fungiert als "lender of last ressort" (Kreditgeber der letzten Hoffnung), bei der sich die Kreditinstitute refinanzieren können. Die Liquiditätsbereitstellung findet in der Regel über dem Geldmarkt statt. Unter dem Geldmarkt wird in der engeren Fassung der "Markt für den Handel mit Zentralbankguthaben auf kürzere Fristen" verstanden. In der engsten Fassung werden nur die Transaktionen zwischen der Zentralbank und den Geschäftsbanken berücksichtigt. Von dem Auftreten am Geldmarkt erhofft sich die Zentralbank, dass sie ihren geldpolitischen Auftrag (primär: Preisniveaustabilisierung) erfüllen kann. Da die Transaktionen auf dem Geldmarkt jedoch (typischerweise) kurzfristig angelegt sind, die Inflationsrate selbst allerdings ein sogenannter Spätindikator ist, benötigt die Zentralbank Vorstellungen darüber, wie sich ein geldpolitischer Impuls bis in den realwirtschaftlichen Sektor ausbreitet. Dies ist der Inhalt der Transmissionstheorien. Auch wenn das "direkte Ansteuern" (inflation targeting) der Inflationsrate von einigen Zentralbanken praktiziert wurde und wird, ist aus systematischen und praktischen Gründen auf monetäre Indikatoren zurückzugreifen, die verlässliche Rückschlüsse auf die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen zulassen. In der notenbankpolitischen Praxis haben diese Indikatoren (bspw. bei der Bundesbank) oft den Charakter von geldpolitischen Zwischenzielen gehabt. Über die Beeinflussung dieser Größen soll das Geldangebot und die Geldnachfrage so gesteuert werden, dass das geldpolitische Ziel unter Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Zwischenziele erreicht wird. 6 2 Entstehung, Funktion von Geld, Geldmengenbegriffe 2.1 Geldentstehung und Erscheinungsformen des Geldes Die Entwicklung der heutigen Volkswirtschaften ist eng mit der Entstehungsgeschichte des Geldes verknüpft. Im geschichtlichen Ablauf zeigten sich die Vorteile einer Geldwirtschaft. Geld erleichtert die Abwicklung des Tausches und die Etablierung von Märkten. Durch die Reduzierung von Transaktionskosten werden Wohlfahrtsgewinne möglich. Die ersten Güter, die Geldfunktionen übernahmen, hatten einen doppelten Charakter: Von Warengeld spricht man, wenn Güter die Funktion von Geld und Gütern übernehmen. Charakteristisch für Warengeld ist, dass es zum einen zum Tausch genutzt, andererseits aber auch konsumiert werden kann. Im Zeitablauf (aber auch in verschiedenen Kulturen) konnten unterschiedliche Waren beobachtet werden, die diese Funktion übernahmen (Salz, Felle, Elfenbein, Kauri-Muscheln). Zwar sind die entwickelten Wirtschaften keine Warengeldwirtschaften mehr, in Zeiten hoher Unsicherheit bzw. fehlenden Vertrauens in die eigene Währung können einzelne Güter allerdings wieder den Status von Warengeld bekommen (bspw. Zigarettenwährung nach dem 2. Weltkrieg, Wodka in Russland der 90er Jahre). Als spezielle Form des Warengeldes können Stücke von Metallen oder Edelmetallen genannt werden. Die Prüfung der Edelmetalle war jedoch mit einem hohen Prüfaufwand verbunden (Reinheit, Gewicht, etc.). Um die Prüfung der Waren zu erleichtern kristallisierte sich im Zeitablauf die Nutzung von Münzen heraus. Im 7. Jahrhundert v.Chr. wurden in Lydien genormte Münzen geprägt (Krösos), die durch königliche Garantien in ihrer Zusammensetzung garantiert waren. Der Wert der Münzen wurde mit einem Gewichtsstempel markiert. Weite Verbreitung fand das Edelmetallgeld durch die Römer. Im gesamten Römischen Reich galten die aus Gold und Silber gefertigten Münzen als Zahlungsmittel. Allerdings wurden schon bald die Goldmünzen mit anderen Metallen verschmolzen und so in ihrem Wert verwässert. Dennoch behielten die Goldmünzen einen hohen Edelmetallanteil. Caesar machte diese Entwicklung rückgängig und lies eine Goldmünze aus reinem Gold prägen. Das Recht zur Prägung wurde durch das sog. Münzregal gesichert. Noch heute liegt das Münzregal bei den nationalen Regierungen. Demgegenüber liegt das Recht zur Geld/Notenausgabe bei der Notenbank (Notenbankmonopol). Zu beachten ist, dass das 7 Warengeld im Zeitablauf durch stoffwertarmes Zeichengeld (Banknoten) fast vollständig verdrängt worden ist. Endgültig aufgehoben wurde die Stofflichkeit mit der Einführung des Buchgeldes (Giralgeld, Depositengeld), das bspw. in Form von Bankeinlagen besteht. Da das Bargeld (genauer die Bargeldnachfrage) bei der noch zu erörternden Geldschöpfung eine hohe Bedeutung hat, sollen an dieser Stelle noch ein paar Worte darüber verloren werden. Seit der Einrichtung der Europäischen Währungsunion hat die Europäische Zentralbank, das alleinige Recht, die Ausgabe von Noten im Euroraum vorzunehmen, das Ausgabevolumen der Münzen muss von der EZB genehmigt werden. Geld ist heute „ein gesetzlich bestimmtes und/oder allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel, das einen Wert ausdrücken und zu übertragen vermag und das in einer engen Wertbeziehung zum realen Bruttoinlandsprodukt besteht". Die Entwicklung der Finanzmärkte in den achtziger Jahren, die durch eine starke Hervorbringung von Finanzinnovationen gekennzeichnet waren, macht aber eine Unterscheidung dessen was Geld ist, nicht immer besonders einfach. Folgende ausgewählte Anlageformen mit verschiedenen Funktionen können bspw. unterschieden werden: Sparguthaben, Geldmarktfondsanteile, Sparbriefe, Rentenfondsanteile, Floating Rate Notes, Reverse Floating Rate Notes . Für die wissenschaftliche Analyse ist die Definition des Geldbegriffes im jeweiligen Einzelfall notwendig. In der Theorie und Praxis wird i.d.R. mit verschiedenen Geldmengenaggregaten gearbeitet. Große Bedeutung hat dabei die - weiter unten näher erläuterte - Geldmengenabgrenzung M3. Eine in der Literatur häufig vorgenommene Charakterisierung des Geldes bezieht sich dabei auf die Unterscheidung nach den Geldfunktionen . 2.2 Die Geldfunktionen Nach Hicks (1967) ist Geld alles, was Geldfunktionen erfüllt. Folgende Geldfunktionen werden heute als üblich unterstellt. Geld als allgemeines Tausch- bzw. Zahlungsmittel Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, Güter gegen Geld hin zu geben; und sie tun dies im Vertrauen darauf, mit dem erworbenen Geld wieder Güter erhalten zu können. Entscheidend ist nicht, ob ein Gut zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, sondern ob es als Tauschmittel akzeptiert wird. 8 Geld als Recheneinheit Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, im Geld einen gemeinsamen (objektiven) Nenner zur Bewertung der angebotenen Waren und Dienste zu sehen, damit diese in ihrem Wert überhaupt verglichen werden können. Auch ökonomische Rechnungswesen, wie die VGR oder Betriebsbilanzen, werden hierdurch erheblich vereinfacht bzw. teilweise überhaupterst ermöglicht. Geld als Wertaufbewahrungsmittel (Thesaurierungsfunktion) Die Wirtschaftssubjekte müssen bereit sein, Geld auch aufzubewahren, d.h. zwischen früherem Verkaufsakt und späterem Kaufakt zu halten. Ob dies erfolgreich ist, um anhaltende Werte zu thesaurieren (Sparfunktion des Geldes) oder um sich lediglich zahlungsfähig zu halten (Liquiditätsfunktion des Geldes), ist unerheblich. Entscheidend ist die Bereitschaft selbst, andernfalls erfolgt eine Flucht in die Sachwerte. Die Vorteile von Geld liegen in der hohen Liquidierbarkeit und - bei „gutem“ Geld - in der Abwesenheit von Wertschwankungen (im Gegensatz bspw. zu Aktien). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Euro (wie zuvor die DM) alle drei Geldfunktionen wahr nimmt. Die Funktionsfähigkeit der Währung wird gestört, wenn Schwankungen der Kaufkraft des Geldes auftreten, das heißt, zu starke Preisniveauschwankungen sind schädlich für die Funktionsfähigkeit des Geldes. Bei einer (hohen) Inflationsrate und hohen Preisvolatilitäten verliert das Geld seine Geldfunktionen. Neben den Funktionen werden häufig weitere verschiedene Eigenschaften des Geldes herausgestellt, die sich aber zum Teil mit den Funktionen decken, bzw. die notwendig sind, damit die Funktionsfähigkeit des Geldes gewährleistet ist. daher gegenseitig austauschen (Fungibilität). werden. zugeordnet werden. 9 Neben den o.g. klassifizierenden Funktionen und Charakteristika existieren in den heutigen Geldwirtschaften der industrialisierten Länder eine kaum übersehbare Anzahl von Geldformen. Als (nicht annähernd vollständiges) Beispiel seien hier nur die folgenden Erscheinungsformen genannt: Bargeld: Noten und Münzen. Giralgeld: Buchgeld; Verfügung durch Überweisung. Schecks: Eurocheque, Barscheck, Verrechnungsscheck, Geldmarktfondsschecks (USA). Kartensysteme: Kreditkarten, electronic cash (EC), Kundenkarten. Chip-Systeme: aufladbare Geldchips mit weitgehenden Bargeldeigenschaften, bspw. auf den EC-Karten. Virtuelles Geld : Internet-Money. Diese Zunahme an neuen, privat emittierten Geldprodukten erschwert hierbei zunehmend eine Abgrenzung von Geld und Nicht-Geld nach den o.g. Kriterien. Man spricht bei diesen Geldformen auch von Geldsurrogaten oder Geldsubstituten. Die Qualität der Geldsurrogate wird durch: r Verzinsung der Geldanlage bestimmt. 2.3 Geldarten, Geldmengenbegriffe und Geldmengenabgrenzungen Um die verschiedenen Geldarten näher analysieren zu können, finden bei der Zentralbank Geldmengenaggregate Anwendung. Die Veränderung dieser Aggregate im Zeitablauf dient bspw. dazu geldpolitische Beschlüsse abzuleiten. Besondere Bedeutung im Bereich der Geldpolitik der Bundesrepublik Deutschland erlangten die Geldmengenabgrenzungen dadurch, dass die Entwicklung der Geldmenge sowohl Indikator als auch Zwischenzielgröße der Bundesbankpolitik bis Ende 1998 war. Im Rahmen der europäischen Geldpolitik hat die Geldmenge als Referenzwert Eingang in die sogenannte "Zwei-Säulen-Strategie" der EZB gefunden. 10 Damit die Geldmenge seine Aufgabe als Indikator und Zwischenziel erfüllt, können folgende Anforderungen formuliert werden: 1. Die Größe muss von der Notenbank mit Hilfe ihres Instrumentariums hinreichend genau gesteuert werden können. 2. Es muss ein stabiler Zusammenhang zwischen Zwischenziel- und Endzielvariable bestehen. Allgemeiner gesprochen eignet sich ein Geldmengenaggregat zur Abschätzung von Inflationsrisiken dann, wenn es einen engen Zusammenhang zur monetären Gesamtnachfrage aufweist. Dies ist aus theoretischen Überlegungen jedoch nicht immer eindeutig abzuleiten. Letztlich ist es deshalb eine empirische Frage, ob einem bestimmten Geldaggregat der Vorzug gegeben wird. Bei der EZB und der Bundesbank finden (fanden) drei aufeinander aufbauende Geldmengenaggregate Anwendung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von additiven Geldmengenaggregaten, da die einzelnen Komponenten additiv miteinander verknüpft sind. Auch wenn hier eine Analogie der Geldmengenaggregate zu den einzelnen Geldfunktionen besteht, beruht im einzelnen die Abgrenzung der Geldmenge auf Konventionen und gerade im Zusammenhang mit der noch zu behandelnden Notenbankkonzeption auf den zugrundeliegenden theoretischen Annahmen und empirischen Erkenntnissen. Die Geldmengenabgrenzungen wie sie bei der EZB derzeit Anwendung finden : M1: Bargeld (Noten und Münzen) sowie täglich fällige Einlagen. M2: M1 zuzüglich Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu 2 Jahren und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis zu 3 Monaten. M3: M2 zuzüglich Reprogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Schuldverschreibungen mit Ursprungslaufzeit bis zu zwei Jahren. Die Abgrenzung insbesondere der Geldmenge M3 hat sich dabei in den letzten Jahren geändert. So musste Finanzmarktinnovationen Rechnung getragen werden und auch in Zukunft werden sich Definitionsänderungen nicht vermeiden lassen, soll das Geldmengenaggregat M3 seine Steuerungs- und Zwischenziel- bzw. Referenzwertfunktion weiterhin sinnvoll erfüllen. 11 3 Theoretische monetäre Konzepte 3.1 Geldangebot Unter Geldangebot i.e.S. versteht man die Kreditschöpfung der Geschäftsbanken. Das Geldangebot wird im wesentlichen von dem Finanzsektor bestimmt. Vier Gruppen, können nach ihrem Status als Nettogläubiger bzw. Nettoschuldner unterschieden werden: A) Staat B) Unternehmen C) Private Haushalte D) Ausland Während der Staat und die Unternehmen typische Nettoschuldner und die privaten Haushalte typische Nettogläubiger sind, hat sich das Ausland (Stand 1997) bedingt durch die Entwicklungen seit Anfang der neunziger Jahre (Wiedervereinigung) zu einem Nettogläubiger entwickelt. Aus geldpolitischer Sicht interessant ist nun die Frage, inwieweit die Zentralbank Möglichkeiten hat, die Akteure derart zu beeinflussen, dass eine geldpolitisch gewünschte Geldmengenentwicklung resultiert. Dies betrifft die Frage nach der Steuerbarkeit der Geldmenge. Hierzu sind zwei Effekte zu unterscheiden, zum einen kontraktive monetäre Effekte, zum anderen expansive monetäre Effekte unterschieden werden. Kontraktive Determinanten bewirken eine Verringerungen der Geldmenge. Zu den kontraktiven Determinanten können bspw. folgende Transaktionen gezählt werden: Komponenten). Monaten. Kauf von Sparbriefen. erringerung des Kreditvolumens der Kreditinstitute an Nicht-Banken. Zu den expansiven Determinanten zählen: 12 Nettoverbindlichkeiten der Kreditinstitute an das Ausland. ditinstitute an inländische Nichtbanken, Unternehmen, Private oder den Staat. Verringerung der Bildung von Geldkapital. Ausschüttung des Gewinns der Zentralbank an den Staat . Betrachtet man die expansiven und kontraktiven Determinanten, der Geldmengenänderung, sieht man dass die Entwicklung wesentlich vom Verhalten der Marktakteure abhängt. Fokussiert man bspw. auf die Änderung des Kreditvolumens , so ist die Nachfrage und die Vergabe von Krediten im Bereich der Privaten und der Banken angesiedelt. Das Volumen hängt aus Sicht der Kreditnachfrager bspw. vom Zinssatz, von dem Konjunkturverlauf oder den Gewinnerwartungen ab. Wesentliche Ansatzpunkte für die Instrumente der Geldpolitik sind dementsprechend die Zinssätze, die das Verhalten der Marktakteure beeinflussen sollen. Sind die Gewinnerwartungen jedoch positiv, spielen die aus dem Zinsniveau resultierenden Kostenaspekte nur eine untergeordnete Rolle bei der Aufnahme eines Kredites. Eine besondere Rolle nimmt bei der Kreditaufnahme der Staat ein. Im Gegensatz zu privaten Marktakteueren, ist die Kreditaufnahme des Staates relativ zinsunelastisch, d.h. Zinserhöhungen wirken sich nur sehr wenig auf die Kreditnachfrage aus. Des Weiteren ist der Staat einer der größten Kreditnehmer, von dem meist ca. ein Jahr im voraus die zu erwartende Kreditnachfrage allgemein bekannt ist. Die Nettoposition gegenüber dem Ausland wird abhängig vom Wechselkurssystem mehr oder weniger stark von den Bewegungen auf dem Devisenmarkt bestimmt. Ebenso ist die Entscheidung zur Geldkapitalbildung nicht frei von den Liquiditäts- und Renditeüberlegungen der Marktakteure, die i.d.R. nicht unabhängig von der konjunkturellen Situation ist. Fest zu halten bleibt, dass die Komponenten der Geldmengenentwicklung oft außerhalb des Kontrollbereiches der Zentralbank liegen. Im wesentlichen spielen hier die Zusammenhänge zwischen Geldangebot und Geldnachfrage eine Rolle. Für die kritische Einschätzung der Steuerbarkeit der Geldmenge sprechen auch empirische Ergebnisse. Ein Blick auf die Entwicklung der Geldmengenaggregate in der Bundesrepublik zeigt, dass die Bundesbank nur in wenigen Fällen ihre 13 selbst gesteckten Geldmengenziele verwirklichen konnte. Von den seit 1974 veröffentlichten Geldmengenzielen wurden gut 50% nicht erreicht. Für den eigentlichen Prozess der Geldschöpfung soll folgendes Beispiel näher betrachtet werden. Vorab muss jedoch erwähnt werden, dass nur zwei Geldarten als Zahlungsmittel fungieren können. Zum einen ist es das Zentralbankgeld (Noten, Münzen, Sichtguthaben bei der Zentralbank), zum anderen das von den Kreditinstituten geschaffene Buchgeld. Um gleichzeitig institutionelle Regelungen und Kundenverhalten berücksichtigen zu können, sollen die Mindestreserve und die Barabzugsquote mit berücksichtigt werden. bei der nationalen Zentralbank aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Haltung von Liquiditätsreserven hinterlegen müssen. Die Kreditinstitute müssen demgemäss ihr Mindestreservesoll erfüllen. Das Mindestreserve -Soll ist der Prozentsatz (Mindestresevesatz) der Verbindlichkeiten aus reservepflichtigen Einlagen. Bei Unterschreitungen des Mindestreservesolls muss das Kreditinstitut einen Strafzins zahlen. Wirtschaftsubjekte zur Aufrechterhaltung des Barverkehrs in Anspruch nehmen. Beide Aspekte sorgen dafür, dass die Banken im Kreditschöpfungsprozess mit Liquiditätsproblemen konfrontiert werden, da sie Zentralbankgeld benötigen, das sie nicht selbst schaffen können. Dies soll an einem Beispiel erörtert werden: Annahme: Barabzugsquote 30%; Mindestreservesatz 10% Am Anfang des Geldschöpfungsprozesses soll eine Überweisung, die zu einer Sichteinlage (D) bei Bank B in Höhe von 100.000 Geldeinheiten führt, stehen. 30,000 GE werden gemäß den Annahmen an die Bankkunden ausgezahlt, so dass B 70.000 GE als Bankeinlage verbuchen kann. Hierauf müssen 7.000 GE als MR gehalten werden, so dass von Bank B 63.000 GE an Bank C weiter überwiesen werden können. Von diesen liquiden Mitteln werden wiederum 18.900 GE (=30%) sofort bar abgehoben und auf die verbleibenden 44.100 GE fallen 10% MR an, so dass im nächsten Schritt 39.690 GE an D überwiesen werden können. Im Zuge des Geldschöpfungsprozesses 14 vermindert sich die neugeschöpfte Geldmenge kontinuierlich. Insgesamt können ausgehend vom Ausgangsimpuls ca. 270.000 GE geschöpft werden, also ein Vielfaches des ursprünglich zur Verfügung stehenden Geldbetrages. Betrachtet man den Gesamtprozess, zeigt sich, dass die Kredit- und Giralgeldschöpfung von der Mindestreserve und der Barabzugsquote limitiert wird. Je höher diese sind, desto geringer ist der Kreditschöpfungsspielraum . 3.2 Geldnachfrage 3.2.1 Die Quantitätsgleichung Am Anfang der meisten geldnachfragetheoretischen Überlegungen in den ökonomischen Lehrbüchern findet sich der Verweis auf die (tautologische) Verkehrs- oder Tauschgleichung nach der das Produkt aus realem Handelsvolumen und Preisniveau genau dem Produkt aus Geldmenge und Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes entspricht. Als Variante der Quantitätsgleichung findet die Cambridge -Gleichung Anwendung, die sich wie folgt darstellt: M * v = Yr * P Diese Identitätsgleichung postuliert somit, dass das Produkt aus Geldmenge (M) und Umlaufgeschwindigkeit (v) immer gleich dem Produkt aus dem realen Inlandsprodukt (Yr) und dem Preisniveau (P) ist. Setzt man k=1/v (k=Kassenhaltungskoeffizient) und löst nach M auf, erhält man eine Erklärung der Geldnachfrage: M = k* Yr * P Bei einer konstanten Kassenhaltung ist die Geldnachfrage gleich dem Produkt aus Preisniveau und realem Sozialprodukt. Zinssätze und Finanzinnovationen beeinflussen jedoch die Opportunitätskosten der Kassenhaltung, so dass hier Variationen auftreten können. k ist auch wesentlich von den Zahlungsgewohnheiten der Wirtschaftssubjekte abhängig (Bsp. Miet- und Lohnzahlungen einmal im Monat). Nimmt man die Umlaufgeschwindigkeit (v) in der kurzen Frist als konstant an und unterstellt, dass das Preisniveau (p) unverändert bleibt, so muss die Geldmenge in der Größenordnung verändert werden, wie sich das Inlandsprodukt verändert. Mit anderen Worten: Die Wachstumsrate der Geldmenge muss genauso groß sein wie die Wachstumsrate des realen Inlandsprodukts, wenn das Preisniveau stabil bleiben soll. Wächst 15 die Geldmenge schneller als das Inlandsprodukt, dann resultieren Preissteigerungen. Löst man die Gleichung nach der Inflationsrate auf, so erhält man im Kern den Ansatz einer Inflationstheorie, nach der Änderungen des Preisniveaus abhängig von den Änderungen des realen Sozialprodukts abzüglich der Änderungen des Geldmengenwachstums und der Änderung der Umlaufsgeschwindigkeit sind. Formal haben diese Zusammenhänge Einfluss auf Ableitung von Geldmengenzielen bspw. bei der Konzeption der Deutschen Bundesbank gehabt. Zu beachten ist, dass die Bundesbank bei der Ableitung des Geldmengenziels von einem unvermeidlichen (normativen) Preisanstieg von 2% ausgeht. Die gleiche Konzeption findet sich heute auch im wesentlichen bei der Ableitung der Geldmengenziele der EZB. Grundschema der Ableitung des Geldmengenziels (am Beispiel der Bundesbank für das Jahr 1995): 1) Wachstum des realen Produktionspotentials (Yr) + 2,75% 2) (Normativer) Preisanstieg (p) + 2,00% = Nominales Wachstum des Produktionspotentials (1+2) + 4,75% 3) Zu-/Abschlag für die längerfristige Veränderung der „Umlaufsgeschwindigkeit“ des Geldes + 1,00% = Potentialgerechtes Wachstum der Geldmenge (1+2+3) +5,75% (Zielkorridor 4 – 6 %) Quelle: Bundesbank (1995) Historisch betrachtet fanden in der Bundesrepublik Geldmengenziele seit 1974 Anwendung. Mit dem Übergang zur EWU ist die Ableitung von Geldmengenzielen auch eine Säule der Geldpolitik der EZB. Von der Europäischen Zentralbank wird jedoch explizit auf den Charakter der Geldmenge als Referenzwert hingewiesen. Der Blick auf die Elemente, die die Europäische Zentralbank bei der Ableitung ihres Referenzwertes berücksichtigt, zeigt eine große Übereinstimmung bezüglich des zugrundliegenden theoretischen Gerüstes. Der erste Referenzwert für das monetäre Wachstum für 2002 wurde auf 5,5% festgelegt. Der Referenzwert wird jährlich geprüft. Abweichungen des Geldmengenwachstums vom Referenzwert können auf eine Gefährdung der Preisniveaustabilität hindeuten. Im Gegensatz zur Bundesbank verzichtet die EZB auf die Bekanntgabe eines Zielkorridors, da eine solche Festlegung die Gefahr in 16 sich birgt, dass beim Erreichen der oberen bzw. unteren Grenze die Öffentlichkeit automatisch geldpolitische Regelungen erwartet. Der Charakter des Referenzwertes beinhaltet jedoch, dass Abweichungen bei den Geldmengenentwicklungen keine Verpflichtung zu einer mechanischen Korrektur in der kurzen Frist bedeuten. Abschließend kann man im Vergleich der Ableitung der Geldmengenziele sowohl bei der Bundesbank als auch bei der Europäischen Zentralbank von der Anwendung einer "naiven Quantitätstheorie" sprechen, da sich beide Institutionen des gleichen Schemas bedienen. Während auf der einen Seite die Transparenz bei der Ableitung der Geldmengenziele für die Verwendung derselben spricht, ist auf der anderen Seite ein stabiler Zusammenhang zwischen dem von der Zentralbank betrachteten Geldmengenaggregat und dem Preisniveau notwendig. Während ökonometrische Untersuchungen der Bundesbank für die Bundesrepublik den Zusammenhang bestätigen, bestehen Zweifel, ob dies im Zuge der steigenden Internationalisierung und der Entwicklung von Finanzinnovationen weiterhin möglich ist. Hier werden die aktuellen Entwicklungen seitens der Zentralbank mit Argusaugen überwacht. Die dahinterstehende Fragestellung ist, ob die Geldnachfragefunktion stabil ist? Laut ökonometrischen Untersuchungen der Bundesbank kann für die Bundesrepublik von einer stabilen Geldnachfragefunktion ausgegangen werden, für den Euroraum besteht dennoch Forschungsbedarf um zu eindeutigen Aussagen gelangen zu können. Grundlage für die Untersuchungen bilden Geldnachfragetheorien, wie sie jetzt beschrieben werden: 3.2.2 Die Keynesianische Geldnachfragetheorie Neben der o.g. Cambridge-Gleichung liefert die auf Keynes zurückgehende sogenannte Liquiditätspräferenztheorie einen anderen Erklärungsansatz der Geldnachfrage. Finanzielle Mittel können seitens der Marktakteure entweder als nachfragewirksame Mittel (aktive Kasse) oder als Anlagen (passive Kasse) gehalten werden. Für die volkswirtschaftliche Geldtheorie, die auf die Frage der Preisniveauveränderungen zielt, ist vor allem relevant, wie viele nachfragewirksame finanziellen Mittel seitens der Marktakteure gehalten bzw. nachgefragt werden. Die Nachfrage nach Kasse hängt dabei von drei Motiven ab: 17 1. Transaktionsmotiv beschreibt die Notwendigkeit der Kassenhaltung zur Betreibung der laufenden geschäftlichen und privaten Transaktionen. Jeder Marktakteur wird einen bestimmten Teil seines Einkommens zu diesem Zwecke als Zentralbankgeld nachfragen. 2. Vorsichtsmotiv berücksichtigt, dass über die laufenden Transaktionen hinaus eine bestimmte Menge an Zentralbankgeld für unvorhergesehene Ausgaben nachgefragt wird. Die Höhe dieser Vorsichtskasse hängt von der individuellen Risikoneigung ab und kann gesamtwirtschaftlich wiederum als Teil des Volkseinkommens beschrieben werden. 3. Spekulationsmotiv zielt auf die Anlageentscheidungen der Akteure. Spekulationskasse wird dann gehalten, wenn die Akteure auf bessere Anlagekonditionen (also höhere Zinsen bzw. höhere Renditen) warten bzw. spekulieren und Zentralbankgeld halten, um zu einem geeigneten Zeitpunkt dieses Geld anzulegen. Damit ist die Nachfrage nach Spekulationskasse (LS) vom Zins abhängig und zwar dahingehend, dass bei steigenden Zinsen die spekulative Kassenhaltung sinkt, weil die Opportunitätskosten der Geldhaltung zunehmen. Üblicherweise wird das Transaktions- und das Vorsichtsmotiv zusammen betrachtet, da beide einkommensabhängig sind, während das Spekulationsmotiv zinsabhängig ist. Formal kann man diese Überlegungen wie folgt darstellen: L=LT(Y) + LS(i) Die Nachfrage nach Kasse steigt demzufolge bei steigendem Einkommen und sinkt bei steigendem Zins. Während der Zusammenhang zwischen Geldnachfrage und Einkommen unmittelbar einsichtig erscheint, bedarf es bzgl. des Zinseinflusses eine detailliertere Betrachtung der Zusammenhänge. Dazu soll einerseits ein niedriges Zinsniveau und andererseits hohe Zinsen unterstellt werden. Sind im keynesianischen Modell die Zinsen niedrig, rechnen die Wirtschaftssubjekte auf mittlere Frist mit steigenden Zinsen. Dies ist jedoch gleichbedeutend mit sinkenden Wertpapierkursen, Kursverluste werden also befürchtet. Dementsprechend wird der Kauf von Wertpapieren zurückgestellt; insgesamt steigt die Nachfrage nach Spekulationskasse. Bei einem hohen Zinsniveau wird dementsprechend aufgrund des erwarteten Zinsanstieges mit Kursgewinnen gerechnet. 18 Die Wirtschaftssubjekte kaufen verstärkt Wertpapiere und die Nachfrage nach Spekulationskasse sinkt. Moderne (postkeynesianische) Theorien verfeinern diese Theorien um bspw. lagerhaltungstheoretische Aspekte, bzw. portfoliotheoretische Überlegungen. Darauf wird hier nicht näher eingegangen. 3.3 Transmission monetärer Impulse Ein zentraler Gegenstand der monetären Theorie ist die Frage, wie monetäre Impulse (insbes. Maßnahmen der Zentralbank) auf den realen Sektor übertragen werden. Dies ist die Domäne der Transmissionstheorien. Hierzu werden Geldmengen-, Zins- und Preisniveaueffekte aus dem Zusammenspiel von Geldangebot und -nachfrage hergeleitet, die im realen Sektor Anpassungsreaktionen auslösen. Typischerweise werden kredittheoretische und vermögenstheoretische Transmissionsmechanismen unterschieden. 1) Der kredittheoretische Transmissionsmechanismus Die Kredittheoretischen Ansätze betonen die Bedeutung der Kreditvergabe für die Transmission und sie betrachten im wesentlichen Stromgrößen in Form von kreditabhängigen Ausgaben. Wesentlich für den spillover auf den realen Sektor sind Kreditkosten- und Kreditrationierungsmechanismen. Während bei dem ersten Preisanpassungen bspw. über die Refinanzierungskosten der Banken, die Zinskosten der Banken oder internen Zinsfüßen als Renditevorgaben für Investitionsentscheidungen stattfinden, sind letztere durch Mengenanpassungen charakterisiert. Hier ist die These, dass bei einem gegebenen Zins das Kreditangebot oder die Kreditnachfrage beschränkt werden. Gründe hierfür können staatliche Reglementierungen (z.B. gesetzliche Regeln zur Beschränkung des Kreditvolumens), Anpassungsprozesse auf den Kreditmärkten (bspw. bei der Einführung von Finanzinnovationen), Gewinnüberlegungen der Kreditgeber und damit zusammenhängend die Verweigerung, den Kreditnehmern bestimmte Kreditwünsche zu erfüllen (bspw. die Einschränkung der Kreditvergabe an "gefährdete" Kreditnehmer in der Rezession aufgrund des höheren Ausfallrisikos) sein. Von großer Bedeutung für die Kredittheoretischen Vorstellungen der Bundesbank waren die freien Liquiditätsreserven. Dieser Ansatz geht davon aus, dass geldpolitische Maßnahmen vor allem über die freien Liquiditätsreserven der Geschäftsbanken (FLR) auf die Gesamt19 wirtschaft wirken. Je niedriger die FLR sind, umso weniger Kredite können die Geschäftsbanken (ohne weitere Einflüsse) ausgeben. Somit werden die Kredite teurer, woraufhin auch die Kreditnachfrage sinkt. Als Folge davon sinkt die kreditfinanzierte Investitionsgüternachfrage und der kreditfinanzierte private Konsum. Die Verteuerung der Kredite und die damit sinkende Kreditnachfrage dämpft den (Giral-) Geldschöpfungsprozess der Geschäftsbanken und begrenzt somit den Anstieg der Geldmenge. Die in der Folge sinkende gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirkt sich dämpfend auf die konjunkturelle Entwicklung aus und verringert damit einen aus einem gesamtwirtschaftlichen Nachfrageüberhang resultierenden Preisauftrieb. Dementsprechend führen hohe FLR über verbilligte Kredite zu expansiven Güternachfrageeffekten und somit zu einer Ausweitung der Geldschöpfung bzw. des Geldmengenwachstums. Will eine Zentralbank mit Blick auf den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus Geldpolitik machen, so muss sie also die FLR der Geschäftsbanken steuern. Dies geschieht über die Refinanzierung der Geschäftsbanken. Diese benötigen regelmäßig "frisches" Zentralbankgeld, da ihnen selbiges im Zuge der multiplen Giralgeldschöpfung entzogen wird. Dieses können sie in einer Monopolwährungsordnung nur von der Zentralbank erhalten, welche als Monopolist die Konditionen dieser Refinanzierung bestimmt. Ist die Refinanzierung für die Geschäftsbanken eher teuer (hohe Zentralbankzinsen, geringe Refinanzierungsmengen), so schlägt sich dies in geringeren FLR mit der Folge nieder, dass der "hohe Preis" der Zentralbankgeldbeschaffung auf die Kreditnachfrager überwälzt wird (steigende Kreditzinsen ). Umgekehrt gilt bei günstigen Refinanzierungsbedingungen, dass auch die Bedingungen der Kreditschöpfung sich verbessern ( sinkende Kreditzinsen). Die Refinanzierungsarten der Geschäftsbanken bei der Zentralbank werden in Kapitel 4 erläutert. 2) Der vermögenstheoretische Transmissionsmechanismus Dieser Ansatz geht davon aus, das geldpolitische Maßnahmen vor allem über die Vermögensdispositionen (Portfolios) der Marktakteure auf die Gesamtwirtschaft wirken. Ausgangspunkt ist die Erfassung des Geldes als Vermögensobjekt. Ökonomisch gesehen sind Vermögensobjekte Güter, die Nutzen über mehrere Perioden stiften. Nach Friedmann besteht das von den Wirtschaftssubjekten gehaltene Vermögen einerseits aus finanziellen Aktiva (Bargeld und Sichteinlagen, geldnahe Anlageformen, festverzins20 liche Wertpapiere und Anteilswerte) und aus Realvermögen (Sachkapital der Unternehmen, langlebige Konsumgüter der privaten Haushalte). Die Geldhaltung verschafft den Geldhalter den Vorzug, liquide zu sein und spart Transaktionskosten. Die Nachfrage nach Geld wird im transmissionstheoretischen Konzept als eine Entscheidung zwischen den Vermögensobjekten interpretiert. Eine Geldmengenänderung durch die Zentralbank bedeute im Sinne des vermögenstheoretischen Ansatzes eine Störung eines zuvor erreichten Vermögensgleichgewichts. Die sich daraus ergebenden Anpassungen können am besten am Beispiel einer expansiven Offenmarktpolitik verdeutlicht werden. Beabsichtigt die Notenbank im Wege der Offenmarktpolitik die Geldmenge zu erhöhen, so muss sie durch das Angebot höherer Ankaufskurse für die betreffenden Papiere erreichen und so die Halter dieser Papiere veranlassen, diese zu verkaufen. Bei gleichbleibender Nominalverzinsung bedeutet die Erhöhung der Kurse eine Senkung der Rendite. Die Geschäftsbanken verfügen nach dem Verkauf der Papiere an die Zentralbank über mehr Zentralbankgeld. Geld ist im Vergleich zu den anderen Vermögensarten im Überschuss vorhanden (Überschusskasse) und die Banken werden bestrebt sein, dieses Geld ertragsbringend anzulegen. Sie wenden sich anderen zinstragenden Anlagearten zu, die im Preis noch unverändert geblieben sind. Dies sind zunächst Wertpapiere, die von der Offenmarktoperation nicht direkt beeinflusst worden sind. Der Kauf dieser Papiere durch die Banken treibt c.p. die Kurse nach oben. Wegen der Substitutionsbeziehungen zwischen den verschiedenen Wertpapieren und anderen finanziellen Aktiva wird sich dieser Prozess der Umschichtung in der Vermögensstruktur über den gesamten Bereich der finanziellen Aktiva erstrecken. Entscheidend für die Übertragung des monetären Impulses auf den realwirtschaftlichen Bereich ist die Einbeziehung der Sachvermögensbestände in den Prozess der Umschichtung der Vermögensstruktur. Da sich die Wirkungskette bislang auf Finanzaktiva beschränkt hat, sind die Renditen der Sachvermögensbestände im Vergleich zu denen der im Preis gestiegenen Finanzaktiva günstiger. Dies wird die Wirtschaftssubjekte veranlassen, verstärkt Sachvermögensbestände nachzufragen. Die steigende Nachfrage nach den Sachvermögensbeständen bedeutet, dass von den Unternehmen zusätzliche Investitionen vorgenommen werden und die Haushalte zusätzliche lang- 21 lebige Konsumgüter nachfragen. Damit die Transmissionskette von monetären Impuls bis zur Ausgabenentscheidung der Wirtschaftssubjekte für Konsumgüter beendet. 3) Transmission und geldpolitische Maßnahmen Allgemein gilt, dass Transmissionstheorien Wirkungsketten beschreiben, wie geldpolitische Impulse übertragen werden und in welche Richtung sie auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bzw. auf das gesamtwirtschaftliche Angebot wirken. Ansatzpunkt geldpolitischer Maßnahmen ist dabei i.d.R. der Geldmarkt. Über die Beeinflussung der dortigen Zinssätze, die die Zentralbank relativ genau steuern kann, hoffen die geldpolitisch verantwortlichen Akteure über die Refinanzierungskosten der Geschäftsbanken , dass sich der geldpolitische Impuls auf die Kapitalmärkte durchschlägt und so das Verhalten der Nichtbanken beeinflusst. Versucht bspw. die Zentralbank ausgehend von einem preisniveaustabilen Umfeld eine expansive geldpolitische Maßnahme (im Gegensatz zu einer restriktiven Geldpolitik) durchzusetzen, die dazu dienen kann die Nachfrage zu stimulieren. Dazu senkt sie bspw. den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Dadurch wird die Refinanzierung der Banken günstiger und auch der Geldmarktzins sinkt. Da die Banken nun billiger an Geld kommen, hofft die Zentralbank dass die Banken die Zinssenkung an die Kunden weitergeben und die Zinssenkung auf die Kapitalmärkte abstrahlt. Wenn die Renditen sinken ist es für die Nichtbanken jedoch auch lohnend verstärkt Kredite nachzufragen und das so erhaltene Geld in Güterkäufe zu investieren. Die Nachfrage auf den Gütermärkten steigt also. Da mittelfristig eine erhöhte Nachfrage auf ein bestehendes Angebot trifft, wird sich auch der Preis der Güter erhöhen. Mit der Nachfragestimulierung ist also auch eine Preiserhöhung verbunden. Wie man leicht einsehen kann, ist das Erreichen des notenbankpolitischen Ziels auf dem Transmissionswege von vielen Faktoren abhängig. So setzt bspw. eine verstärkte Kreditnachfrage auch eine entsprechend Bereitschaft der Akteure voraus. Bleibt diese aus, weil bspw. die Erwartungen an die Zukunft negativ sind, so wird der Transmissionsprozess unterbrochen. Ein weiterer Punkt, der bei dem Einsatz geldpolitischer Maßnahmen zur Beseitigung von Störungen berücksichtigt werden muss ist die “lag-Problematik”. Darunter wird die Zeitspanne vom Erkennen einer gesamtwirtschaftlichen Störung über das Ergreifen von 22 Maßnahmen hin zum Wirken der Maßnahmen verstanden. Im Extremfall kann aufgrund prozyklischer Wirkungen der Geldpolitik der gewünschte politische Effekt konterkariert werden. 23 4 Geldpolitik der Bundesbank und der EZB Zwischenziel der Geldpolitik – Begriffliche Grundlagen Zwischen den wirtschaftspolitischen Zielen (Preisniveaustabilität (Inflation), Wachstum, Zahlungsbilanzgleichgewicht, Vollbeschäftigung) des sog. magischen Vierecks und den geld- bzw. kreditpolitischen Maßnahmen bestehen in Gestalt der Transformationsmechanismen komplexe Wirkungszusammenhänge. Eine unmittelbare Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Ziele ist in der Geld- und Kreditpolitik nicht möglich; sie bedient sich deshalb sog. monetärer Zwischenziele, deren Erreichen sie anhand von monetären Indikatoren überprüft. Ein Zwischenziel ist eine Größe, die eine im geldpolitischen Transmissionsprozess eine Zwischenstellung zwischen den auf bestimmte Variablen zielenden Instrumenteneinsatz (operating targets wie Geldbasis, Geldmarktzins) und dem geldpolitischen Endziel beinhaltet. Vor dem Hintergrund der komplexen Wirkungszusammenhänge von geldpolitischen Instrumenteneinsatz und Endziel, sowie aufgrund der bereits beschriebenen Wirkungsverzögerungen scheint es sinnvoll, die Geldpolitik auf Zwischenziele auszurichten. Maßgeblich für die Festlegung von Zwischenzielen und Indikatoren ist dabei die Beurteilung der Steuerungsmöglichkeiten durch die Geldpolitik. Die Geldmenge als Zwischenziel Ein typisches geldpolitisches Zwischenziel ist die Geldmenge. Auf der Ebene der Zielsteuerungsgröße bedeutet eine Strategie der Geldmengensteuerung, dass die Veränderung einer definierten Geldmenge die dominierende Entscheidungs- und Handlungsgröße für die Zentralbank darstellt. In dieser Strategie kommt der Geldmengenabgrenzung eine zentrale Bedeutung zu. Sie ist nur dann sinnvoll durchführbar, wenn auf der einen Seite ein eindeutiger und steuerbarer Zusammenhang zwischen Zentralbankgeldmenge und Zielgeldmenge (bspw. M3 erweitert) besteht und auf der anderen Seite die gewählte Geldmengenabgrenzung mit der tatsächlichen Geldnachfrage in einem stabilen Zusammenhang steht, so dass Veränderungen dieser Geldmenge auch tatsächlich Inflationstendenzen indizieren. Beides war in Deutschland aufgrund des wettbewerbspolitischen Ausnahmestatus der Geldwirtschaft lange Zeit 24 gegeben, so dass die Bundesbank eine (weitgehend) regelgebundene Geldmengensteuerung praktizieren konnte. Diese sah einen vorab publizierten Zielkorridor der Geldmengenentwicklung vor, bei dessen Nicht-Einhaltung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollten. Im Zuge der stärkeren Verbreitung von Finanzinnovationen insbesondere in den 1990er Jahren verwischen Transaktions- und Anlagemotiv der Geldhaltung zunehmend, so dass eine Geldmengensteuerung immer problematischer wird (zunehmende Instabilität der Geldnachfrage, nachlassender Zusammenhang von Zentralbankgeldmenge und Zielgeldmenge). Die aus den Innovationen resultierende "Aufweichung" und Erschwerung einer Geldmengensteuerung führte dazu, dass viele Zentralbanken von der Zwischenzielstrategie Abstand nahmen und zu alternativen Konzepten übergingen. Hier ist vor allem die "direkte" Inflationssteuerung zu nennen. Die damit zusammenhängenden Politikvariablen finden sich teilweise auch in der Strategie der EZB wieder. In den späten 1980er und 1990er Jahren gingen eine ganze Reihe von Zentralbanken u.a. in den USA, in Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland usw. - zur "direkten " Inflationssteuerung ( inflation targeting) über. Das inflation targeting stellt einen von der Zentralbank veröffentlichter Zielwert oder Zielkorridor einer Inflationsrate dar, die noch mit dem Ziel der Geldwertstabilität vereinbar scheint. Da die Inflationsrate nicht unmittelbar ansteuerbar ist, sind Inflationsprognosen und verlässliche Transmissionsmodelle wesentlich, um das geldpolitische Instrumentarium adäquat einsetzen zu können. Den Inflationserwartungen kommt dabei eine zentrale Rolle im Preisbildungsprozess zu. Hier sind besondere Verfahren notwendig, um darüber Rückschlüsse zu erlangen (bspw. Befragungen oder Analysen der Zinsstruktur), Bei einer erwarteten Rate über dem Zielwert schlägt die Zentralbank einen restriktiven Kurs ein und versucht so die Zielvariable zu erreichen. Neben der Abgrenzung der relevanten Inflationsrate und den Wirkungsverzögerungen geldpolitischer Maßnahmen, ist problematisch, dass die Inflationsrate ein sogenannter Spätindikator ist, der geldpolitische Mitteleinsatz bei einer ungenauen Prognose somit prozyklisch wirken kann. Deshalb ist es notwendig, andere Indikatoren als die Inflationsrate indikativ, das heißt mit von Fall zu Fall (situativ) wechselndem Gewicht heranzuziehen. Eine Regelbindung ist dann direkt auf die Einhaltung eines vorab verkündeten Inflationsziels (bspw. Inflationsrate = 1%) gerichtet. Zwar haben die Notenbanken, die sich auf ein Inflationsziel festgelegt haben, eine durchaus erfolgreiche 25 Bilanz aufzuweisen, doch ist dies in dem Umfeld einer weltweiten Inflationsentspannung zu beurteilen, so dass eine systemimmanenter Vorteil des inflation targeting gegenüber der Geldmengensteuerung nicht abzuleiten ist. Die mögliche performance dieser Zentralbankstrategie wird allerdings auf Kosten der Transparenz dieses Verfahrens erkauft, denn im Einzelfall ist es für außenstehende schwer verständlich, die vielfältigen Indikatoren, die in diesem Ansatz die Zentralbank beeinflussen, nachzuvollziehen. 4.1 Geldpolitisches Instrumentarium der Deutschen Bundesbank Die Geldpolitischen Steuerungsinstrumentarien folgten marktwirtschaftlichen Prinzipen. So sollten sie kein Finanzinstitut benachteiligen (oder bevorzugen) sowie den Wettbewerb im Finanzsektor fördern. Dabei bediente sich die Bundesbank Mitteln, die zur Grobsteuerung und zur Feinsteuerung der geldpolitischen Rahmenbedingungen dienten. 4.1.1 Diskont- und Lombardpolitik Die Diskont und Lombardpolitik stellte über lange Zeit das zentrale geldpolitische Steuerungsinstrument dar. So bildete der Diskontsatz die Untergrenze des von der Bundesbank definierten Zinsrahmens. Bei der Diskontpolitik konnten Geschäftsbanken Wechsel an die Bundesbank verkaufen, wobei der Diskontsatz den Abzinsungssatz zum Nominalwert darstellte. Die Diskontpolitik war für die Banken lange Zeit die maßgebliche Möglichkeit Zentralbankgeld zu erhalten. Allerdings schrumpfte seine Bedeutung an der Finanzierung der Geschäftsbanken seit den 80er Jahren kontinuierlich. So sank der Anteil der Diskontgeschäfte an der gesamten Refinanzierung bspw. von ca. 72% im Jahr 1982 auf ca. 26% 1997. Bei der Lombardpolitik handelt es sich um die Beleihung von Wertpapieren, wie es später in ähnlicher Form und in größerem Umfang durch Wertpapierpensionsgeschäfte im Rahmen der Offenmarktpolitik betrieben wurde. Die Lombardpolitik war im Vergleich zur Diskontpolitik stets von quantitativ geringer Bedeutung und diente in erster Linie zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Kreditwirtschaft. Der Lombardsatz stellte die Obergrenze des Zinsrahmens der Bundesbank dar und lag in der Regel 1,5 % bis 2 % höher als der Diskontsatz. 26 In den letzten Jahren setzte die Bundesbank zunehmend Wertpapierpensionsgeschäfte als wichtiges Instrument der Refinanzierung ein, so dass Lombardgeschäfte nur noch bei sehr angespannter Liquiditätslage vorkamen. 4.1.2 Offenmarktpolitik Diese stellen Wertpapiertransaktionen mit Rückkaufverpflichtung dar und sind von so her strikt befristet. Sie bestehen aus einem Kassageschäft und einem Termingeschäft, welche zeitgleich abgeschlossen werden. Beim Kassageschäft verpflichtet sich die Zentralbank (als Pensionsnehmer) ein Wertpapier (bspw. festverzinsliche Staatspapiere; Pensionsgegenstand) vorübergehend anzukaufen (in Pension zu nehmen) und der (verkaufenden) Geschäftsbank (Pensionsgeber) eine Gutschrift auf Zentralbankkonto zu gewähren. Das Termingeschäft verpflichtet die Geschäftsbank zur Rücknahme des Wertpapiers zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis. Der Rückkaufpreis liegt hierbei stets über dem Ankaufpreis, da er den Zinssatz (Preis) für die befristete Überlassung von Liquidität durch die Zentralbank an eine Geschäftsbank (Pensionssatz) enthält. Wertpapierpensionsgeschäfte können wahlweise als Mengentender oder als Zinstender zugeteilt werden. Beim Mengentender gibt die Zentralbank einen Zinssatz (Pensionssatz) vor und holt zu diesem Satz Mengengebote der Geschäftsbanken ein. Die Zentralbank teilt dann die von ihr vorgesehene Liquiditätsmenge durch die sogenannte Repartierung zu, das heißt, alle Gebote (der Geschäftsbanken) werden anteilsmäßig berücksichtigt. Eine Geschäftsbank bekommt von ihrem Gebot den Prozentsatz zugeteilt, der sich aus der Relation der (von der Zentralbank bestimmten) Zuteilungsmenge zur Summe aller Gebote ergibt, so dass alle Gebote prozentual gleich berücksichtigt werden. Zinstender gibt die Zentralbank keinen Zinssatz vor, sondern holt kombinierte Mengen- und Zinsgebote ein. Die Gebote werden der gebotenen Zinshöhe nach in fallender Reihenfolge gestaffelt; der Pensionssatz ergibt sich nach dem gebotenen Zinssatz, bei welchem die vorgesehene Zuteilungsmenge gerade erreicht wird (Grenzzinssatz). Alle Gebote mit höherem Zinssatz werden in voller Höhe zugeteilt; die Gebote zum Grenzzinssatz werden repartiert (s.o. Mengentender). Beim amerikanischen Zinstender zahlt jede Geschäftsbank den von ihr gebotenen Zinssatz (es gibt also eine 27 Bandbreite an Pensionssätzen); beim holländischen Zinstender zahlen alle Geschäftsbanken hingegen den Grenzzinssatz, der somit den Pensionssatz determiniert. Da Wertpapierpensionsgeschäfte Refinanzierungsgeschäfte darstellen, sind die potentiellen Geschäftspartner der Zentralbank auf Geschäftsbanken und andere Kreditinstitute beschränkt. Als Refinanzierungsgeschäfte zielt dieses Instrument auf den kredittheoretischen Transmissionsmechanismus das heißt, die Zentralbank bestimmt die Konditionen der Refinanzierung der Geschäftsbanken und beeinflusst dadurch die Kreditkosten und somit über das Kreditvolumen die Giralgeldschöpfung. Soll diese gedämpft werden, wird die Zentralbank die Zuteilungsmenge gering halten bzw. den Pensionssatz relativ hoch festsetzen, so dass die nachfragerelevante Geldmenge begrenzt wird und damit inflationäre Prozesse bekämpft werden. 4.1.3 Mindestreservepolitik Die Mindestreservepolitik dient zur Grobsteuerung der Geldmenge. Eine Mindestreservepflicht liegt vor, wenn die Geschäftsbanken verpflichtet sind, bestimmte Prozentsätze ihrer Einlagen von Nichtbanken - verzinslich oder unverzinslich - bei der Zentralbank zu halten. Dadurch wird der Prozess der Giralgeldschöpfung beeinflusst: Eine hoher Mindestreservesatz verringert die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken und wirkt so dämpfend auf das Wachstum der Geldmenge. Darüber hinaus verstärkt eine Mindestreservepflicht für die Geschäftsbanken den Zwang zur Refinanzierung bei der Zentralbank und erhöht somit tendenziell die Nachfrage nach Zentralbankgeld. Allerdings ist eine Variation der Mindestreservesätze mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden, weswegen dieses Instrument nicht zur geldpolitischen Feinsteuerung taugt. Darüber hinaus erleiden Geschäftsbanken in einem Mindestreservesystem Wettbewerbsnachteile gegenüber Geschäftsbanken ohne eine solche Pflicht, da ihre Kreditpolitik eingeschränkt wird. Die Bundesbank hat über lange Jahre eine sehr komplexe Mindestreservepolitik betrieben. So wurde je nach Anlageform der Nichtbanken ein unterschiedlicher Mindestreservesatz der Geschäftsbank zu Grunde gelegt und z.B. Tagesgelder oder Giralkontengelder mit einem deutlich höheren Mindestreservesatz versehen als Termingelder. Erst in den letzen Jahren wurde der Mindestreservesatz vereinheitlicht und deutlich gesenkt, da er in vielen europäischen Staaten nicht erhoben wurde und somit 28 als Wettbewerbsnachteil empfunden wurde. Ende der 90er Jahre betrug er schließlich nur noch 2 %. 4.1.4 Theorie der Preislücke Aus Kapitel 3.3 sind bereits einige Transmissionsmechanismen zwischen der Geldpolitik und der realen Wirtschaftsentwicklung erläutert worden. In diesem Zusammenhang auch auf die zeitliche Verzögerung der Wirkung der Geldpolitik hingewiesen. Die Bundesbank hat daher bei der Beurteilung des Inflationspotenzials nicht nur die aktuelle Geldmengenentwicklung zu berücksichtigen, sondern auch das sich aus dem Geldmengenwachstum der letzten Jahre aufgestaute Potenzial. Ausgehend von der Cambridge-Gleichung (Quantitätsgleichung) M*u = P*Y ermittelt die Bundesbank in wieweit das Geldmengewachstum durch das reale Wirtschaftswachstum und der Verringerung der Umlaufgeschwindigkeit gerechtfertigt ist. Die Bundesbank analysierte über einen längeren Zeitraum das verbleibende jährliche Inflationspotenzial mit der tatsächlichen Inflationsentwicklung und stellte dabei fest, dass ein durch stärkere Geldmengensteigerung aufgebautes Inflationspotenzial sich über mehrere Jahre abbaut. Ursachen für den verzögerten Inflationsanstieg sind durch eine Vielzahl von andere Faktoren (bspw. Kurzfristige Kostenschwankungen, Nachfrageveränderungen) begründet, die die direkten Zusammenhänge zwischen Geldmenge und Inflation überlagern. Sogar mehrjährige Geldmengesteigerungen, die nicht durch Veränderungen in der Umlaufgeschwindigkeit oder im Wirtschaftswachstum von Nöten waren, können so zunächst mit Preisstabilität einhergehen erst nach zwei bis vier Jahren zu erheblichen Preissteigerungen führen. Aus diesen Erkenntnissen wurde das Konzept der Preislücke entwickelt, bei dem das tatsächliche Preisniveau mit dem „rechnerischen“ langfristigen Preisniveau, das sich aus Sozialprodukt, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit ergibt, verglichen wird. Die dabei entstehende Differenz bezeichnet man als Preislücke. 4.2 Konzept und Instrumente des Eurosystems 4.2.1 Die institutionelle Betrachtung Der organisatorische Aufbau Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) wurde am 01.06.1998 als Nachfolgeorganisation des Europäischen Währungsinstituts (EWI), welches zu der Vorbereitung 29 des ESZB geschaffen wurde, gegründet. Es besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt a.M. und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der europäischen Währungsunion, welche nun als ausführende Organe oder Zweigstellen der EZB fungieren (vergleichbar der Funktion der Landeszentralbanken in Deutschland) , sowie den EU Zentralbanken der Nicht-EWU-Mitgliedsländer. Zentrales Entscheidungsgremium des ESZB ist der EZB-Rat, der die geldpolitische Strategie und Art und Dosierung des Instrumenteneinsatzes festlegt. Er setzt sich aus dem Direktorium der EZB und den Gouverneuren/Präsidenten der nationalen Zentralbanken der EWU-Teilnehmerstaaten zusammen, wobei das Direktorium aus dem Präsidenten der EZB (z.Zt. Wim Duisenberg ), dem Vizepräsidenten und maximal vier weiteren Mitgliedern besteht. Für nahezu alle Entscheidungen gilt das einfache Mehrheitsprinzip, wobei jedes EZB-Ratsmitglied genau über eine Stimme verfügt. Dem Erweiterten EZB-Rat gehören zusätzlich noch die Zentralbankgouverneure -präsidenten der Staaten an, die bereits Mitglied der EU, aber noch nicht der EWU sind. Seine Aufgabe liegt in der Festlegung der Rahmenbedingungen und des Ablaufes bei der Aufnahme neuer EWU-Mitglieder. Eine Ausnahme stellt die Entscheidung über die Verwendung des Zentralbankgewinns dar, bei welcher eine Zweidrittelmehrheit der gewichteten Stimmen (nach wirtschaftlicher Größe) der Gouverneuren bzw. Präsidenten erforderlich ist. Die Aufgaben des Eurosystems bestehen in (Art. 105, Abs. 2 EG-Vertrag): EU. ESZB und Unabhängigkeit Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die institutionellen Voraussetzungen für die Erreichung der Ziele gegeben sind. An erster Stelle der Überlegungen steht die Frage nach der Unabhängigkeit der Notenbank. Eine Zentralbank betreibt unabhängig von Weisungen der Politik (Regierungen, Parlamente) ihre Geldpolitik, wobei sie vorrangig auf dem Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet ist. Dies wird als 30 notwendige institutionelle Voraussetzung für Geldwertstabilität betrachtet, da Politiker insbesondere in Wahlkampfzeiten in Versuchung geraten könnten, Inflation zuzulassen, um einen vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen. Dagegen wird kritisiert, dass regierungsunabhängige Zentralbanken keiner genügenden demokratischen Kontrolle unterliegen. Die ausschließliche Fixierung auf das Ziel der Preisniveaustabilität vernachlässigt unter Umständen andere wirtschaftspolitische Ziele (z.B. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit) und erschwert deren Verfolgung. Zur besseren Charakterisierung des Unabhängigkeitsbegriffes werden in der Literatur typischerweise vier Arten der Unabhängigkeit unterschieden: Institutionelle Unabhängigkeit . Zum einen muss der Auftrag zur Sicherung der Preisniveaustabilität festgeschrieben sein, zum anderen muss die Notenbankspitze unabhängig von den Weisungen der Regierungen sein. Personelle Unabhängigkeit Berufung der Mitglieder des EZB-Rates für einen möglichst langen Zeitraum erfolgen sollte. Abberufung nicht von den nationalen Regierungen möglich Finanzielle Unabhängigkeit Funktionelle Unabhängigkeit Neben der Bereitstellung eines geeigneten Instrumentariums und der Autonomie über den Mitteleinsatz ist hierbei auch darauf zu achten, dass die Geldpolitik nicht durch Tatbestände gestört wird, die außerhalb der Kontrolle der Geldpolitik liegen. Denkbar wären bspw. Festlegungen des Zinsniveaus wie sie in Deutschland bis 1967 (allerdings unter anderem währungspolitischen Rahmenbedingungen) existiert haben oder die Pflicht zu Notenbankkrediten an den öffentlichen Haushalt. Vergleicht man die theoretischen Unabhängigkeitskriterien mit den tatsächlich realisierten, so stellt man einen hohen Stand der Zentralbankautonomie fest. Gemäß dem EG Vertrag müssen sowohl die EZB als auch die nationalen Zentralbanken unabhängig sein. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen einholen oder entgegennehmen. Diese institutionelle Unabhängigkeit wird durch eine personelle Unabhängigkeit der EZB-Ratsmitglieder ergänzt, welche durch lange Amtszeiten (5 - 8 Jahre), 31 eine Begrenzung auf eine Amtszeit und einer Abberufung ausschließlich über den Europäischen Gerichtshof bei schweren Verfehlung gekennzeichnet ist. 4.2.2 Strategien und Konzept der EZB Im Allgemeinen ist eine geldpolitische Strategie definiert als ein Verfahren, das - einmal von der Zentralbank festgelegt - über einen längeren Zeitraum von der Notenbank angewendet wird, um basierend auf einer umfassend systematischen Analyse relevanter Indikatoren transparent und regelmäßig über den Einsatz geldpolitischer Instrumente zu entscheiden. Bei einer Klassifizierung geldpolitischer Strategien können grundsätzlich zwei Klassifizierungsmerkmale unterschieden werden. Zum einen ist eine Unterscheidung nach der handlungsleitenden Selbstbindung der Zentralbank möglich. Hier unterscheidet man zwischen regelgebundener und diskretionärer Geldpolitik. Zum anderen kann von einer zielgebundenen Selbstbindung ausgegangen werden. Hier ist zu unterscheiden, ob sich die Geldpolitik bspw. auf eine strategische Steuerung der Geldmenge, auf eine direkte Inflationssteuerung (inflation targeting) oder auf ein Wechselkursziel konzentriert. Handlungsleitende Selbstbindung Bei einer diskretionären Geldpolitik entscheiden die geldpolitischen Entscheidungsträger (also die Zentralbanken) von Fall zu Fall, welche Politikmaßnahme sie zur Realisierung ihres Zieles (Preisniveaustabilität) ergreifen. Die Geldpolitik erfolgt somit situativ (in Abhängigkeit der jeweiligen Besonderheiten der Problemsituation) und muss im Zeitablauf nicht zwingend konsistent sein. Der wesentliche Vorteil einer diskretionären Strategie liegt in ihrer hohen Flexibilität, das heißt, es ist den geldpolitischen Akteuren (den Zentralbanken) möglich, auf unterschiedliche Problemursachen (differierende Inflations- oder Deflationsursachen) mit unterschiedlichen Mitteln bzw. Politikmaßnahmen zu reagieren. Als Nachteil ist festzuhalten, dass eine diskretionäre Geldpolitik aus der Sicht der Marktakteure unberechenbar ist und damit für Erwartungsunsicherheit sorgt, so dass sie keine transparente und zuverlässige Basis für die individuellen ökonomischen Pläne der Akteure liefert. Dies ist regelmäßig nicht dazu geeignet, Vertrauen in die Geldpolitik zu schaffen. 32 Eine strikt regelgebundene Geldpolitik (open-loop -policy) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zentralbank verpflichtet ist, eine bestimmte Handlungsregel ohne Rücksicht auf die Spezifika der jeweiligen Handlungssituation auszuführen. Ein Beispiel einer solchen starren Regel wäre: "Erhöhe die Zentralbankgeldmenge jährlich um die konstante Rate k %." Damit ist die Handlungsweise der Zentralbank exakt festgelegt und selbige verfügt nicht mehr über einen eigenen (diskretionären) Handlungsspielraum. Hiermit ist eine absolute Erwartungssicherheit seitens der Marktakteure verbunden, die nun im voraus exakt wissen, wie sich die Zentralbankgeldmenge verändert und dies in ihren individuellen ökonomischen Plänen berücksichtigen können. Damit wird eine hohe Glaubwürdigkeit der Geldpolitik bewirkt, die Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Geldordnung schaffen kann. Die Befürworter einer solchen starren Regelbindung (vor allem die Monetaristen um Milton Friedman) vertreten die Auffassung, dass eine Marktwirtschaft selbstregulierend und somit ohne Politikeingriffe optimal funktioniert. Wirtschaftspolitische Akteure (bspw. eben auch Zentralbanken mit diskretionärem Handlungsspielraum) verfügen dieser Auffassung nach jedoch nicht über genügend Kompetenz und Willen, um im Sinne des Allgemeinwohls richtige Entscheidungen zu treffen, so dass ihr Verhalten strikt an Regeln zu binden ist. Der wesentliche Nachteil einer starren Regelbindung liegt darin, dass nicht differenziert auf unterschiedliche Inflations- oder Deflationsursachen reagiert werden kann; eine solche Geldpolitik also nicht situationsflexibel ist. Nicht zufällig wird diese geldpolitische Strategie überwiegend von Monetaristen befürwortet, welche ja auch sehr stark auf eine monokausale Inflationserklärung fokussieren (Dominanz der monetären Inflationsursache) und Deflationsprobleme wenig thematisieren. Auch die Annahme, dass Marktwirtschaften grundsätzlich ohne politische Interventionen optimal funktionieren, ist unter Ökonomen stark umstritten. Darüber hinaus ist es geldtheoretisch zweifelhaft, ob eine langfristig konstante Wachstumsrate der Geldmenge tatsächlich für Preisniveaustabilität sorgen kann, da das Produktionspotential (als - vereinfachend formuliert – konjunkturbereinigte Sozialproduktsgröße) einer Volkswirtschaft durchaus nicht zwangsläufig einer konstanten Wachstumsrate unterliegt. Dies gilt umso mehr als Wissen über zukünftige ökonomische Entwicklungen heute nicht bzw. kaum in sicherer Weise verfügbar ist. 33 Eine weitere Variante regelgebundener Geldpolitik stellt die Feedback-Regel (closedloop -policy) dar. Hierbei ist die Ausführung der Handlungsregeln an den Eintritt spezifischer Ereignisse gebunden, so dass eine Rückkopplung (closed loop) zwischen Zielgröße und Instrumentenwahl bzw. -einsatz integriert ist. Ein Beispiel einer solchen Feedback-Regel könnte wie folgt formuliert werden : "Erhöhe das Zentralbankgeldangebot um 4 % pro Jahr, zuzüglich 1% für jede n Prozentpunkt Arbeitslosenquote oberhalb von 5%, abzüglich 0,5% für jeden Prozentpunkt Inflation oberhalb von 2%." Ist die Feedback-Regel den Marktakteuren bekannt, so ist Erwartungssicherheit bezüglich der Geldpolitik gegeben. Gleichzeitig ist eine solche Regelbindung relativ flexibel gegenüber unterschiedlichen Inflations- oder Deflationssituationen und -ursachen; dies gilt freilich nur insoweit, als das alle relevanten Situationsparameter in der Regel erfasst sind. Damit bleibt auch diese Strategie regelgebundener Geldpolitik unflexibel gegenüber nicht erwarteten Ursachen von Fehlentwicklungen, welche bei einer prinzipiell offenen Zukunft dennoch auftreten können (bspw. in Form exogener Schocks - Ölpreiskrise - oder Innovationen an den Finanzmärkten). Insgesamt wird es sich in der Realität nicht vermeiden lassen, den geldpolitischen Akteuren (den Zentralbankern) gewisse (jedoch deutlich beschränkte) diskretionäre Spielräume zu belassen, um auf unerwartete Zukunftssituationen reagieren zu können. Somit können Regelbindungen real nur unvollständige Regelbindungen sein. Damit kann die institutionelle Ausgestaltung der Geldpolitik nur eine notwendige nicht aber eine hinreichende Bedingung für Vertrauen in die Geldpolitik liefern. Glaubwürdigkeit wird auch zu einem Aspekt der Reputation einer Zentralbank , das heißt, sie hängt nicht unwesentlich von dem tatsächlichen Verhalten der Zentralbankakteure in der jüngeren Vergangenheit ab. Diesbezüglich hat die Deutsche Bundesbank durch ihre - in der öffentlichen Meinung sowie im dominierenden Teil der Fachwelt - erfolgreiche Tätigkeit ein hohes Vertrauenspotential geschaffen, welches sich das ESZB als (geschichtslose) neue Organisation erst noch erarbeiten muss. Zielgebundene Selbstbindung Eine wesentliche Frage, die bei der Wahl der Strategie dabei beantwortet werden muss, ist die des geldpolitischen Ziels. Je nach den Vorstellungen über die zugrundeliegenden 34 Transmissionsmechanismen sind verschiedene Ziele vorstellbar. Wichtig für die EZB war und ist dabei, dass sie erst einen Grundstock an Glaubwürdigkeit aufzubauen hat. Daher stand und steht die Entwicklung in der Währungsunion und die Europäische Zentralbank schon in der Startphase unter besonders strenger Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Bei der Suche nach der geeigneten geldpolitischen Strategie für die Europäische Zentralbank stellten die von den nationalen Notenbanken der EU praktizierten Ansätze mit Blick auf Glaubwürdigkeit, Transparenz und Kontinuität einen wichtigen Ansatzpunkt zur Strategiewahl dar. Es ließen sich hier im Prinzip drei Konzepte unterscheiden: Einige Zentralbanken verfolgten ein "direktes" Inflationsziel (inflation targeting, z.B. die Bank of England und die Sveriges Riksbank). Andere banden sich über den Wechselkurs eng an die Anker-Währung D-Mark an (so vor allem die De Nederlandsche Bank und die Österreichische Nationalbank). Der dritte Ansatz ist an der Geldmengensteuerung ausgerichtet. Dieses Konzept wurde von der Deutschen Bundesbank mit einer im internationalen Vergleich großen Kontinuität praktiziert. Wichtig dabei ist, dass die Bundesbank die Geldmenge als geldpolitisches Zwischenziel eingestuft hat. Demgegenüber berücksichtigt die EZB Geldmengenänderungen im Rahmen eines Referenwertansatzes. Hier sind die Selbstbindungskräfte geringer als bei einem offenbarten Geldmengenziel. Dennoch besteht vor dem Hintergrund, dass die Finanzmärkte mit dem von der Bundsbank praktizierten Ziel eine große Erfahrung hatten für die EZB bei einer Überschreitung des Referenzwertes eine Verantwortung die Überschreitung den Marktakteuren transparent darzustellen und auf die Konsequenzen der "Zielverfehlung" hinzuweisen. Inwieweit die Geldmenge als Zwischenziel der Geldpolitik angesehen werden kann, wurde bereits erläutert. Die Strategie der EZB In Anbetracht der hohen Innovationsdynamik auf den Finanzmärkten und der Unsicherheit über die geldpolitischen Transmissionszusammenhänge im Euroraum hat die EZB eine Mischstrategie aus Geldmengensteuerung und direkter Inflationssteuerung gewählt, welche als unvollständige closed loop regelgebundene Geldpolitik charakterisiert werden kann. In der Literatur wird von der sogenannten "zwei-Säulen-Strategie" gesprochen, die jedoch drei Hauptelemente umfasst. Es zeigt sich, dass sowohl Elemente der Geldmengensteuerung als auch des inflation targeting wieder auftauchen: 35 1. Es wird eine Zielinflationsrate quantitativ festgelegt und für jedes Jahr im voraus publiziert. Sie wird anhand des harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI) ein Laspeyres-Index für das gesamte Währungsgebiet - gemessen und derzeit mit "unter 2% gegenüber dem Vorjahr" angegeben. Dieser normative Preisniveauanstieg dient dazu, realistische Inflationsziele festzulegen (bspw. ist es in einer gedachten Inflationssituation mit einer Rate von 25% unrealistisch für die nächste Periode 2% erreichen zu wollen). Hierin liegt ein diskretionärer Spielraum, der Handlungsfähigkeit schafft für Situationen, in denen Inflation nicht vollständig vermeidbar ist (bspw. exogene Schocks wie ein Ölpreisschock). Mit der Vorabveröffentlichung dieses Wertes werden die Erwartungen der Marktteilnehmer dennoch stabilisiert (sofern, wie bisher, die Ankündigungen auch exekutiert werden). 2. Zum zweiten kommt der Geldmenge in einer relativ breiten Definition (M3 mit einigen, von Jahr zu Jahr variablen Erweiterungen) eine besonders gewichtige Rolle zu. Hierfür wird jeweils ein Referenzwert festgesetzt (+4,5%), der sich aus dem mittelfristig erwarteten Anstieg des Produktionspotentials (gegenwärtig 2 bis 2,5%), dem normativen Preisniveauanstieg und einer mittelfristigen Trendschätzung der Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit (derzeit -0,5%) zusammensetzt. Darüber hinaus wird die Geldmengenentwicklung statistisch geglättet, um kurzfristige Volatilitäten auszuschalten. Der so berechnete Referenzwert ist dabei weniger verpflichtend als das Geldmengenziel in einer reinen Geldmengensteuerung. 3. Drittens wird eine breit angelegte Beurteilung der Aussichten für die zukünftige Preisniveauentwicklung vorgenommen, welche sich auf eine Reihe verschiedener finanzieller und realwirtschaftlicher Indikatoren (u.a. Löhne, Wechselkurse, Zinsentwicklungen und Zinsstrukturen, Sozialprodukt, Kostenindizes und Branchenbzw. Verbraucherumfragen) stützt. Dies ist ein Element der direkten Inflationssteuerung, welches die Kennzeichnung der ESZB-Strategie als Mischstrategie rechtfertigt. Welche Elemente (Geldmengen- oder Inflationssteuerung) in Zukunft die dominierende Rolle im ESZB spielen werden, ist gegenwärtig noch nicht endgültig absehbar und wird auch durch die Innovationsdynamik auf den Finanzmärkten mitbestimmt. Die (unvollständige) Regelbindung des ESZB ist dadurch 36 gekennzeichnet, dass bei einer (drohenden) Überschreitung des Inflationsziels ein restriktiver Instrumenteneinsatz erfolgt, während bei einer Unterschreitung tendenziell expansiv gesteuert wird. Wie die geldpolitischen Instrumente im einzelnen wirken (sollen), ist Gegenstand des nächsten Abschnittes. Als geldpolitische Instrumente stehen die Mindestreservepolitik, die Offenmarktpolitik und die Fazilitätenpolitik zur Verfügung. 4.2.3 Das Instrumentarium der EZB Mit dem Übergang von der nationalen Geldpolitik (z.B. durch die Deutsche Bundesbank) zur europäischen Geldpolitik durch das ESZB haben sich auch instrumentelle Veränderungen ergeben. Insbesondere sind zwei traditionelle Instrumente der bundesdeutschen Geldpolitik, die Diskontpolitik (Rediskontierung sogenannter "guter" Handelswechsel) und die Lombardpolitik (Verpfändung von Wertpapieren), weggefallen. Zum einen war deren Bedeutung allerdings auch in der Bundesbankpolitik rückläufig, zum anderen verfügt das ESZB über - von der Wirkungsweise (Markierung eines Zinskorridors) her ähnliche Instrumente. Auch bezüglich der Gewichtung der Instrumente im "geldpolitischen Tagesgeschäft " ist eine ähnliche Abstufung erkennbar. Die wichtigste Instrumentengruppe findet sich in der Offenmarktpolitk. An zweiter Stelle rangiert die Zinspolitik, die Mindestreservepolitik dient der geldpolitischen Grobsteuerung. Im Gegensatz zur Bundesbank hat das ESZB jedoch die Möglichkeit, mit einer Zweidrittelmehrheit im EZB-Rat neue Instrumente zu implementieren, das heißt, der folgende Instrumentenkatalog entspricht der gegenwärtigen ESZB-Praxis, ist aber damit nicht für die Zukunft determiniert. Diese Öffnung des Instrumentenkatalogs begründet sich in der hohen Innovationsdynamik der globalisierten Finanzmärkte: Das ESZB soll so in die Lage versetzt werden, auf neue Instrumente seitens der privaten Marktakteure reagieren zu können, um seine Steuerungskompetenz beizubehalten. Das aktuelle geldpolitische Instrumentarium des ESZB lässt sich also in fogende drei Gruppen aufteilen, die nachfolgend näher behandelt werden: Offenmarktpolitik. 37 Die Reihenfolge der Bearbeitung entspricht dabei in etwa der Bedeutung der Instrumente. In einem ersten Schritt sollen die Offenmarktpolitik und die Fazilitätenpolitik näher beschrieben werden. Grundsätzlich dienen die Instrumente dabei, Liquidität aus dem Markt abzuschöpfen, bzw. bereit zu stellen. Über verschiedene Laufzeiten und Zuteilungsrhythmen soll dabei eine möglichst hohe Flexibilität der Geldmarktsteuerung erreicht werden. Neben der Wirkung der Instrumente ist auch zu berücksichtigen, dass der Instrumenteinsatz im "Einklang mit der in Art. 3a des EG -Vertrages genannten Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb " steht. Dies ist bspw. einer der Gründe warum die Mindestreserve abweichend von der Bundesbankregelung im Euroraum verzinst wird. Die Offenmarktpolitik im ESZB Die Offenmarktpolitik des ESZB umfasst als Hauptrefinanzierungsinstrument sogenannte Wertpapierpensionsgeschäfte (befristete Transaktionen) sowie ergänzend definitive Wertpapiergeschäfte, die Emission von Schuldverschreibungen , Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen. Befristete Transaktionen Das Hauptrefinanzierungsinstrument der europäischen Geldpolitik sind sogenannte Wertpapierpensionsgeschäfte. Das ESZB verwendet zwei Arten von Wertpapierpensionsgeschäften: kurzfristige Wertpapierpensionsgeschäfte mit einer Laufzeit von zwei Wochen. Sie werden wöchentlich ausgeschrieben, so dass jede Woche die Hälfte des gesamten Volumens neu konditioniert werden kann. Das Ausschreibungsverfahren (sogenannter Standardtender) kann als Mengen- oder als Zinstender erfolgen, wobei bei letzterem das holländische Verfahren angewendet wird. Die kurzfristigen Wertpapierverfahren wurden durch den EZB-Rat 1999 durchgehend als Mengentender ausgeschrieben. Im Jahr 2000 ist ab Juni auf den Zinstender übergegangen worden. Die EZB begründete dies mit "technischen" Argumenten. Da beim Mengentenderverfahren ein gewisser Anreiz zum "Überbieten" über den tatsächlichen Liquiditätsbedarf hinaus besteht, ist der tatsächliche Bedarf seitens der Zentralbank schwerer abzuschätzen. Bei 38 den Tenderzuteilungen, die die Zentralbank im Mai 2000 durchführte konnten lediglich weniger als 1% der Gebote berücksichtigt werden. Der ESZB-Standardtender beinhaltet, dass die Wertpapierpensionsgeschäfte innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntmachung des Tenders durchgeführt werden. Die Bekanntgabe der Zuteilungsergebnisse erfolgt dabei sehr kurzfristig (innerhalb von ca. zwei Stunden) nach Ablauf der Gebotsfrist. Ihre Abwicklung erfolgt regelmäßig am ersten Geschäftstag nach dem Abschlusstag. Der große geldpolitische Vorteil dieses Instruments liegt in seiner hohen Flexibilität: Dadurch, dass jede Woche die Hälfte des gesamten Refinanzierungsvolumens dieser Geschäfte neu konditioniert werden kann, ist es der Zentralbank möglich, sehr schnell auf Änderungen in den geldpolitischen Indikatoren zu reagieren und somit schnell auf beginnende inflatorische oder deflatorische Prozesse zu reagieren. längerfristige Wertpapierpensionsgeschäfte durch, welche für eine dreimonatige Laufzeit ausgeschrieben werden. Diese Geschäfte werden monatlich durchgeführt, und dienen einer Verstetigung der Geschäftsbankenrefinanzierung als Ergänzung zu den kurzfristigen - und damit aus der Sicht der Geschäftsbanken bezüglich der Konditionen eher unsicheren Refinanzierungsgeschäften; sie sind quantitativ aber weniger bedeutend als die zweiwöchigen Geschäfte. Form unregelmäßiger, in der Laufzeit nicht standardisierter Wertpapierpensionsgeschäfte zu ergreifen. Nur diese Geschäfte können dabei auch den befristeten Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank an Geschäftsbanken (also den Entzug von Liquidität aus dem Bankensystem) beinhalten. Sie werden in der Regel als Schnelltender durchgeführt, das heißt, innerhalb einer Stunde nach der Tenderankündigung wird das Zuteilungsergebnis bestätigt. Diese Sondergeschäfte dienen dazu, die Steuerungsfähigkeit der Zentralbank in geldpolitischen Problemlagen zu verstärken. Definitive Transaktionen Bei definitiven Transaktionen kauft oder verkauft die Zentralbank Wertpapiere ohne Rückkaufverpflichtung, dabei wird bei Wertpapierkäufen Geld in den Umlauf gebracht, 39 während bei Wertpapierverkäufen dem Markt Liquidität entzogen wird. Das ESZB setzt dieses Instrument unregelmäßig ein, wobei die Wahl der Geschäftspartner in der Regel nicht begrenzt ist. Definitive Wertpapiergeschäfte des ESZB dienen generell der Beeinflussung der strukturellen Liquidität und können in Ausnahmefällen auch zur Feinsteuerung eingesetzt werden. Sie zielen auf den vermögenstheoretischen Transmissionsmechanismus. Emission von EZB-Schuldverschreibungen Zur (längerfristigen) strukturellen Beeinflussung der Liquidität kann die EZB regelmäßig oder unregelmäßig Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von unter 12 Monaten emittieren. Diese dienen der Liquiditätsabschöpfung und werden als Standardtender ausgeschrieben, wobei nur Geschäftsbanken als Geschäftspartner zugelassen sind. Devisenswapgeschäfte Das ESZB setzt zur ergänzenden Feinsteuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt fallweise Devisenswapgeschäfte ein. Dabei kauft (verkauft) das ESZB von (an) Geschäftsbanken Devisen (Fremdwährung) und vereinbart gleichzeitig einen späteren Rückverkauf (Rückkauf) zu einem festgelegten Datum und zu festgelegten Konditionen. Somit stellen auch Devisenswapgeschäfte befristete Transaktionen dar; sie sind jedoch bezüglich ihrer Laufzeit nicht standardisiert. Der Rückverkaufspreis (Rückkaufspreis) enthält den Swapsatz (Differenz zwischen Termin- und Kassakurs), der analog zum Pensionssatz bei Wertpapierpensionsgeschäften den Preis des Geschäftes darstellt. Werden durch die Zentralbank per Rückkaufverpflichtung Devisen angekauft, so wird den Geschäftsbanken befristet Liquidität zur Verfügung gestellt; bei befristeten Devisenverkäufen wird dem Markt vorübergehend Liquidität entzogen. Neben der europäischen Geldmenge wird durch Devisenswapgeschäfte auch der Wechselkurs des Euro beeinflusst, weswegen dieses Instrument in Abstimmung mit den wechselkurspolitischen Erfordernissen einzusetzen ist. Hereinnahme von Termineinlagen Das ESZB kann den Geschäftsbanken die Hereinnahme verzinslicher Termineinlagen anbieten und damit Liquidität abschöpfen. Je höher der angebotene Zins ist, umso 40 attraktiver ist das Angebot und umso stärker werden die freien Liquiditätsreserven der Zentralbank verringert, so dass steigende Termineinlagenzinsen der Zentralbank eine inflationsbekämpfende Maßnahmedarstellen. Dieses Instrument ist nicht standardisiert und wird unregelmäßig eingesetzt. Es dient vornehmlich der Verstärkung der ESZBPolitik in problematischen geldpolitischen Situationen. Fazilitätenpolitik Mit den ständigen Fazilitäten markiert das ESZB einen Zinskorridor, welcher für den Geldmarkt vor allem auch eine Signalfunktion ausübt. Die tatsächliche Bedeutung dieses Instruments ist jedoch geringer als die Bedeutung der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte. Das ESZB hat zwei ständige Fazilitäten definiert: Die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist zur Deckung kurzfristiger, vorübergehender Liquiditätsengpässe bei den Geschäftsbanken gedacht und markiert im allgemeinen die Obergrenze der Geldmarktzinsen (bzw. genauer des Tagesgeldsatzes). Die Geschäftsbanken können diese Fazilität entweder als Übernachtpensionsgeschäft (Vermögensübertragung mit Rückkaufverpflichtung) oder als Übernachtpfandkredit (Lombardgeschäft) in Anspruch nehmen. Der Zinssatz wird vom ESZB im voraus bekannt gegeben und kann jederzeit geändert werden; die Laufzeit beträgt prinzipiell einen Geschäftstag (Übernachtfazilität). Normalerweise ist die auf diesem Wege zur Verfügung gestellte Liquiditätsmenge nicht begrenzt; in Ausnahmefällen kann die Spitzenrefinanzierungsfazilität aber auch ausgesetzt werden. Die Einlagenfazilität ist zur Abschöpfung von kurzfristig freier Liquidität (Übernachtliquidität) gedacht und kann von den Geschäftsbanken als verzinsliche Übernachteinlage ohne Besicherung bei der Zentralbank in Anspruch genommen werden. Der Zinssatz wird vom ESZB im voraus festgelegt und bildet im allgemeinen die Untergrenze für die Geldmarktzinsen (bzw. den Tagesgeldsatz), für seine Festlegung und Änderung gelten die gleichen Regelungen wie zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Auch die Einlagenfazilität stellt eine Übernachtfazilität dar. Im Gegensatz zur Spitzenrefinanzierungsfazilität wird die Einlagenfazilität jedoch nur gemäß den allgemeinen geldpolitischen Erwägungen des ESZB gewährt und kann jederzeit geändert oder ausgesetzt werden. 41 Mindestreservepolitik Im Gegensatz zur Bundesbank ist das ESZB nicht verpflichtet, ein EWU-weites Mindestreservesystem einzuführen. Der EZB-Rat hat dies jedoch im Juli 1998 beschlossen, wobei es sich jedoch - anders als bei der Bundesbank - um eine marktgerecht verzinste Mindestreservepflicht für die Geschäftsbanken handelt. Die Mindestreserveverzinsung erfolgt dabei zum jeweils gültigen Zinssatz der kurzfristigen Wertpapierpensionsgeschäfte. Für die Einrichtung einer Mindestreserve wurden drei Begründungen genannt: 1. Die Mindestreserve soll als Instrument einer Grob- oder Niveausteuerung zu einer Stabilisierung der Geldmarktzinssätze beitragen. 2. Die Mindestreserve steigert bzw. sichert die Zentralbankgeldnachfrage der Geschäftsbanken und soll damit eine effiziente und wirksame Steuerung der Geschäftsbankenliquidität (kredittheoretischer Transmissionsmechanismus) sicherstellen bzw. ermöglichen. 3. Die Mindestreserve steigert die Zinselastizität der Geldnachfrage. Hält ein Kreditinstitut die Mindestreserveanforderungen nicht ein, so hat es mit Sanktionen zu rechnen, die ausgehend von der Zahlung eines Strafzinses (5 Prozentpunkte über den Spitzenrefinanzierungssatz) auf die Höhe der Mindestreserveverfehlung über die Verpflichtung zur Zwangseinlage bei der Zentralbank bis hin zu der Möglichkeit, dass das KI von den Offenmarktgeschäften der Zentralbank ausgeschlossen wird, reichen. Folgende Wirkungen sind im Zusammenhang mit der Mindestreserve zu sehen: Zentralbankgeldnachfrage, da das Mindestreservesoll lediglich Monatsdurchschnitt zu erfüllen ist. Derzeit sind folgende Mindestreserveregelungen relevant: A: Einlagen mit positiven Reservesatz ndigungsfrist von bis zu zwei Jahren 42 im B: Einlagen, die zur MR zählen und die Reservesatz von Null haben Einlagen mit vereinbarter Laufzeit über zwei Jahren ndigungsfrist über zwei Jahren C: Von der Reservepflicht ausgenommene Einlagen sind. Es lässt sich feststellen, dass die EZB ein geeignetes Instrumentarium besitzt, das eine flexible Geldmarktsteuerung ermöglicht. Hinsichtlich der Signalfunktion von Zinssatzänderungen, die insbesondere der Hauptrefinanzierungssatz auf die Finanzmärkte hat, kann folgender Zusammenhang abgeleitet werden. Eine restriktive Geldpolitik führt zu Zinserhöhungen auf dem Geldmarkt eine expansive Geldpolitik zu Zinssenkungen. 4.2.4 Die Wechselkurspolitik in der EWU Auch das EWS wird nach dem Beginn der EWU fortgesetzt. Im EWS II werden die bisher nicht an der EWU teilnehmenden EU-Währungen integriert, d.h. die Währungen dieser Länder werden mit einer Bandbreite an einen Leitkurs zum Euro gekoppelt. Für die dänische Krone wurde hierbei eine Bandbreite von +/- 2,25% und für die anderen Währungen von +/- 15% festgelegt. Die Verantwortung für eine Einhaltung der Bandbreiten liegt dabei nicht beim ESZB (also keine Interventionspflicht für das ESZB). Neue EU-Mitglieder nehmen mit ihrem EU-Beitritt bis zur Qualifikation zur EWU ebenfalls am EWS II teil. Der Euro befindet sich gegenüber anderen Währungen (mit Ausnahme der weiteren EUWährungen) in einem System flexibler Wechselkurse (bspw. gegenüber dem US-$, dem Schweizer Franken oder dem Yen) ohne jegliche Interventionspflicht seitens des ESZB. Allerdings besitzt das ESZB ein Interesse daran, dass der Außenwert des Euro nicht wesentlich und nicht dauerhaft von seinem theoretischen Kurs (gemäß der ökonomischen Fundamentaldaten) abweicht, so dass entsprechende Interventionen nicht prinzipiell ausgeschlossen sind; sie liegen im Ermessen des EZB-Rates. Ein stabiler (nominaler) Eurokurs gegenüber wichtigen Fremdwährungen wie dem US-$ ist also nur dann wünschenswert, wenn auch die ökonomische Entwicklung in beiden Währungsgebieten ähnlich verläuft. Die Entscheidung über eine eventuelle Festkurs- oder Band43 breitenbindung des Euro gegenüber Fremdwährungen trifft der Europäische Rat nach Anhörung der EZB. Entsprechend der bisherigen Praxis im EWS ist den anderen EU-Staaten die aktive Teilnahme am neuen Wechselkursmechanismus grundsätzlich freigestellt. Länder, die sich nicht von Anfang an beteiligen, können dies zu einem späteren Zeitpunkt tun. Der Europäische Rat hat allerdings zum Ausdruck gebracht, dass von den Ländern, für die eine Ausnahmeregelung gilt, erwartet wird, dass sie sich dem Wechselkursmechanismus anschließen. Die Teilnahme ist für diejenigen Unionsländer obligatorisch, die die Einführung des Euro in absehbarer Zeit anstreben, da sie gemäß Artikel 109 j EG-Vertrag das Konvergenzkriterium einer mindestens zweijährigen abwertungsfreien Mitgliedschaft im Wechselkursmechanismus mit „normaler“ Bandbreite erfüllen müssen. Einzelne Mitgliedstaaten widersprechen zwar dieser Vertragsauslegung mit der Begründung, dass dieser Passus durch die im August 1993 erfolgte Erweiterung der EWSBandbreiten von +-2,25 % auf 15% gegenstandslos geworden sei. Auf eine stringente Auslegung und einheitliche Anwendung der Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages auf alle Unionsländer, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintritts in den EuroWährungsraum, sollte jedoch schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verzichtet werden. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem bestehenden EWS wurde der neue Wechselkursmechanismus in mehrfacher Hinsicht mit einer höheren Flexibilität ausgestattet. Kerngedanke dabei war, das Ziel der Preisstabilität, welches von der EZB und den nationalen Zentralbanken vorrangig verfolgt wird, unter keinen Umständen zu gefährden. So kann die grundsätzlich automatische und betragsmäßig unlimitierte Verpflichtung zu kursstützenden Interventionen bei Erreichen der Bandbreitengrenzen ausgesetzt werden, wenn Gefahr besteht, dass dadurch dieses Primärziel des ESZB beeinträchtigt wird. Zu dem haben alle an Leitkursbeschlüssen beteiligten Parteien, einschließlich der EZB, das Recht, ein vertrauliches Verfahren zur Überprüfung der Leitkurse einzuleiten, damit erforderliche Kursanpassungen rechtzeitig vorgenommen werden können. Leit- und Interventionskurse sind ausschließlich gegenüber dem Euro definiert. Durch diese Beschränkung auf die sogenannte Mengennotierung wird das System gegenüber dem heutigen EWS vereinfacht, und es werden mögliche Rundungsdifferenzen zwischen den originären und den inversen Kursen vermieden. 44 5 Internationale Währungssysteme und die Entstehung der Europäische Währungsunion (EWU) Die monetäre Politik kann ihre Maßnahmen nicht allein binnenwirtschaftlich ausrichten. Dies liegt daran, dass vom freien internationalen Handel mit Gütern und Diensten sowie vom freien internationalen Geld- und Kapitalverkehr erhebliche Einflüsse und Rückwirkungen auf eine binnenwirtschaftlich orientierte Geld– und Kreditpolitik ausgehen. Die starken außenwirtschaftlichen Verflechtungen werden heute zunehmend mit dem Begriff “Globalisierung” gekennzeichnet. Insbesondere die Kapitalmärkte sind international ausgerichtet. So werden täglich rund 1500 Mrd. US-Dollar an den Devisenmärkten gehandelt, was einem Vielfachen des realen Warenhandels zwischen den Staaten entspricht. Da je nach zugrundeliegendem Wechselkurssystem unterschiedliche Konsequenzen für die nationalen Geldpolitiken resultieren, soll nun eine kurze Begriffsklärung erfolgen, die an dieser Stelle lediglich einen definitorischen Charakter hat. 5.1 EXKURS: Die Zahlungsbilanz Die Zahlungsbilanz stellt die wertmäßige Erfassung der Güter- und Vermögenstransaktionen dar, die zwischen In- und Ausländern in einer bestimmten Periode vorgenommen wurden. Sie unterteilt sich in Leistungs-, Kapital- und Devisenbilanz. Häufig wird in der Öffentlichkeit nur die Handelsbilanz wahrgenommen, die in Deutschland traditionell einen positiven Saldo, d.h. mehr Exporte von Waren als Importe, aufweist, während die breiter gefasste Leistungsbilanz nur einen leichten Überschuss aufwies. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands ist das Ergebnis der Deutschen Leistungsbilanz negativ. Langfristig sollte die Leistungsbilanz eines Staates ausgeglichen sein. So hat Deutschland die Überschüsse der 80er Jahre in den 90er Jahren vollständig verbraucht. Besteht längerfristig ein Defizit in der Leistungsbilanz kommt es zu einer erheblichen Verschuldung der Volkswirtschaft bei anderen Volkswirtschaften. Dies spiegelt sich in der Kapitalbilanz und Devisenbilanz wider. Insbesondere Schwellenländer mit begrenzter Bonität kann dann Zahlungsunfähigkeit drohen, da keine Devisen vorhanden sind, um benötigte Importe zu bezahlen. Einen Sonderstatus scheint hier die USA zu 45 genießen. Obwohl seit Jahrzehnten die Leistungsbilanz ein erhebliches Defizit aufweist ( ca. 4,5 % des BIP in 2002) wird hier keine Zahlungsunfähigkeit erwartet, da der USDollar als Zahlungsmittel bisher sehr angesehen ist. Der Status als Weltreservewährung wird aber auch die USA nicht dauerhaft schützen können. Komponenten der Zahlungsbilanz (DA = Devisenangebot steigt; DN = Devisennachfrage steigt) Leistungsbilanz: 1) Handelsbilanz a) Wareneinfuhr (DN) b) Warenausfuhr (DA) 2) Dienstleistungsbilanz Exporte von Dienstleistungen (DA) a) Reiseverkehr b) Kapitalerträge c) Transportleistungen d) Versicherungsleistungen e) Einnahmen von ausländischen militärischen Diensten f) Provisionen g) Werbe- und Messekosten h) Lizenzen und Patente i) Übrige Dienstleistungen 3) Übertragungsbilanz (empfangene Übertragungen DA) a) Überweisungen an ausländische Arbeitskräfte b) Zahlungen an die Europäische Gemeinschaft c) Zahlungen an sonstige internationale Organisationen d) Entwicklungshilfe e) Wiedergutmachungsleistungen f) Renten und Pensionen Kapitalbilanz: 1. Bilanz des langfristigen Kapitalverkehrs (Kapitalimporte = DA) a) Direktinvestitionen b) Wertpapieranlagen 46 c) Langfristige Kredite d) Privater Grunderwerb e) Übrige Anlagen 2) Bilanz des kurzfristigen Kapitalverkehrs a) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Banken b) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Nichtbanken c) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen Unternehmen und Privatpersonen d) kurzfristige Kredite zwischen in- und ausländischen öffentlichen Stellen Devisenbilanz: (Veränderungen der Verbindlichkeiten der Zahlungsbilanz gegenüber dem Ausland) a) Gold b) Devisen und Sorten c) Reservepositionen im IWF und Sonderziehungsrechte d) Forderungen an den Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit e) Auslandverbindlichkeiten f) Kredite und sonstige Forderungen an das Ausland Nicht berücksichtigt: Vermögensübertragungsbilanz Die Vermögensübertragungen umfassen im Gegensatz zu den laufenden Übertragungen diejenigen unentgeltlichen Leistungen, die nicht direkt das Einkommen oder den Verbrauch der beteiligten Länder verändern (z.B. Schuldenerlass). Die Zahlungsbilanz ist per Definition immer ausgeglichen. Unterschiedliche Salden können sich nur für die Teil- bzw. Unterbilanzen ergeben. Aus geldpolitischer Sicht ist die Devisenbilanz von zentraler Bedeutung. In ihr werden die mengenmäßigen Veränderungen der Auslandposition der Zentralbank erfasst. Hinter fast allen Bewegungen in den Zahlungsbilanzen stehen Devisentransaktionen, die das Devisenangebot bzw. die Devisennachfrage erhöhen. 5.2 Wechselkurssysteme In diesem Kapitel steht nun der Außenwert einer Währung im Zentrum der Betrachtung. Die ökonomische Größe, die hierbei von zentraler Bedeutung ist, ist der Wechselkurs. 47 Der Wechselkurs (e, exchange rate) repräsentiert das Austauschverhältnis zweier Währungen. Wenn er in Inlandswährung (Inlandsnotierung) dargestellt wird, stellt er den Preis dar, der für eine Einheit Auslandswährung in Inlandswährung gezahlt werden muss (Euro/$). Steigt dieser Wechselkurs, so muss mehr Euro für einen $ bezahlt werden, so dass die Euro im Vergleich zum $ an Wert verloren hat; die Euro wurde abgewertet .Umgekehrt bedeutet ein sinkender Wechselkurs in dieser Notierung eine Aufwertung der heimischen Währung. Der Preisnotierung steht die Mengennotierung (Auslandsnotierung) gegenüber. Diese stellt den Kehrwert der Preisnotierung dar und kennzeichnet den Betrag an ausländischen Währungseinheiten, der für eine inländischen Währungseinheit bezahlt werden muss ($/Euro). Der Euro wird in Mengennotierung angegeben. In dieser Notierung bedeutet ein sinkender Wechselkurs eine Abwertung (heimische Währung wird billiger) und ein steigender Wechselkurs (Devise wird teurer) eine Aufwertung. 5.2.1 Systeme fester Wechselkurse In einem System fester Wechselkurse werden die Wechselkurse politisch ausgehandelt und bilateral (oder multilateral) festgelegt. Dabei wird den jeweiligen Zentralbanken durch eine Interventionspflicht an den Devisenmärkten die Verantwortung für die Stabilisierung der Wechselkurse zugewiesen. Es werden in der Regel keine oder nur sehr geringe Schwankungsbreiten festgelegt, die die Wechselkurse nicht verlassen sollen. Steht die heimische Währung unter Aufwertungsdruck, so tritt die Zentralbank als Anbieter heimischer Währung auf dem Devisenmarkt auf und stabilisiert über den Ankauf von Devisen den Wechselkurs. Kommt es hingegen zu einem Abwertungsdruck, so tritt die Zentralbank als Nachfrager nach heimischer Währung auf und verkauft Devisen. Der zentrale Vorteil fester Wechselkurse liegt in der Planungssicherheit für die international agierenden Marktakteure und Investoren. Wechselkursschwankungen erschweren grenzübergreifende Transaktionen, weil die Kalkulationsgrundlagen unsicher werden; die Höhe des Erlöses (bzw. der Kosten) in heimischer Währung wird ungewiss. Feste Wechselkurse reduzieren somit die Transaktionskosten und fördern somit die internationale Arbeitsteilung und die Intensität des internationalen Handels und sorgen so für Wohlfahrtseffekte. 48 Das System von Bretton Woods Auf Grund dieser Vorteile trafen sich 1944 in Bretton Woods führende Wirtschafts- und Finanzpolitiker der damals freien Welt und schufen eine neue Weltwährungsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg, Inflationsgefahren und Wirtschaftskrisen verhindern sollten. Aufbauend auf den klassischen Goldstandart – von 1880 bis 1914 galt:1/136 kg Feingold entspricht brit. Pfund – bei dem die Zentralbank sich verpflichtete, Geldnoten in Gold in einem bestimmten Verhältnis umzutauschen, wurde nun festgelegt, dass 35 USDollar genau in eine Feinunze Gold (ca. 32 Gramm) getauscht werden kann. Auch für die anderen Währungen sollten feste Umtauschverhältnisse zum US-Dollar und damit auch zum Gold festgelegt werden. Der US-Dollar wurde somit zur Leit- bzw. Reservewährung, da die amerikanische Notenbank den Dollar-Gold Umtausch in beliebiger Höhe granierte. Die Exportüberschüsse der Westeuropäischen Staaten und insbesondere der BRD sowie die erheblichen Ausgaben der US-Regierung für den Vietnam-Krieg, die teilweise durch die Notenpresse finanziert wurden, führte schließlich Anfang der 70er Jahre zum Ende der festen Wechselkursrelationen. Obwohl die DM mehrfach aufgewertet worden war, lagerten bereits 1971 mehr US-Dollar aus Interventionen der Bundesbank in ihrem Keller, als die USA überhaupt an Gold hatte. Die Nachteile eines festen Wechselkurssystems bei konvertiblen Währungen traten deutlich zu Tage. Wenn die Wirtschaftsentwicklungen (insbesondere Inflationsrate und Wirtschaftswachstum) in den jeweiligen Ländern unterschiedlich verlaufen (divergieren), dann ändern sich auch die ökonomisch "richtigen" Wechselkursrelationen. Da eine Anpassung über die Änderung der bilateralen Verträge eher als schwerfällig einzuschätzen ist, kommt es dann zu permanenten Interventionen der Zentralbank in die gleiche Richtung. Zusammenfassend sind folgenden Probleme bei festen Wechselkursen und unterschiedlicher Wirtschaftsentwicklung erkennbar: Bei permanentem Abwertungsdruck erschöpfen sich die Devisenvorräte der Zentralbank, so dass der Kurs nicht auf Dauer gehalten werden kann. Es droht die Zahlungsunfähigkeit, da die Devisen auch für den Kauf von ausländischen Produkten benötigt werden. 49 Bei permanentem Aufwertungsdruck erhöhen die Zentralbankinterventionen die Geldmenge (heimischer Währung) und bewirken damit tendenziell Inflationsgefahren. Generell entfällt bei festen Wechselkursen somit die Möglichkeit einer eigenständigen, nur auf die Binnenwertstabilität der Währung ausgerichteten Geldpolitik. 5.2.2 Systeme flexibler Wechselkurse Bei Systemen flexibler Wechselkurse bildet sich der Wechselkurs durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten. Die Zentralbanken intervenieren grundsätzlich nicht, sondern akzeptieren den am Markt gefundenen Wechselkurs. Damit liegt ein relativ flexibles System vor und zudem findet tendenziell ein automatischer Leistungsbilanzausgleich statt: Ein Leistungsbilanzüberschuss bewirkt Aufwertungstendenzen, welche selbigen wiederum abbauen und umgekehrt. Jedoch sind mit Systemen flexibler Wechselkurse auch Nachteile verbunden: Aufgrund divergierender Wirtschaftsentwicklungen aber unter Umständen auch aufgrund erwartungsbedingter, psychologischer und spekulativer Einflüsse kann es zu einer relativ hohen Volatilität der Wechselkurse kommen. Dies wiederum bewirkt Unsicherheit im Außenhandel und steigert die Transaktionskosten (bspw. müssen Ressourcen für Kurssicherungsgeschäfte aufgewendet werden). Insbesondere (reale) Über- und Unterbewertungen der heimischen Währungen können dabei im Inland erhebliche konjunkturelle und strukturelle Effekte bewirken - positiv wie negativ. 5.2.3 Bandbreitensysteme Bandbreitensysteme stellen einen Kompromiss aus festen und flexiblen Wechselkursen dar. Es wird bi- oder multilateral ein Leitkurs sowie eine (weitere oder engere) Schwankungsbreite vereinbart. Damit ergeben sich Interventionspunkte (Schranken), an denen die jeweiligen Zentralbanken eingreifen müssen. Im Korridor zwischen diesen Schranken können sich die Kurse frei bewegen. Mit einem solchen Bandbreitensystem sollen die Vorteile von Systemen fester und flexibler Wechselkurse kombiniert werden. Problematisch hierbei ist die Wahl des "richtigen" Leitkurses bzw. der Mechanismen zu seiner Veränderung. Stabil wird ein Leitkurs vor allem dann sein, wenn sich beide Volkswirtschaften relativ ähnlich entwickeln, was 50 somit wichtig für die Stabilität eines solchen Bandbreitensystems ist. Bezüglich der Schwankungsbreite gilt: Je enger sie gewählt wird, umso eher sind die Probleme eines Festkurssystems zu erwarten und je breiter sie gewählt wird, umso eher ist mit den Nachteilen eines Systems flexibler Kurse zu rechnen. Wie lässt sich nun die Ausgangsposition im Euroraum charakterisieren? Mit der dritten Stufe der EWU, sind im europäischen Währungsraum die Währungen der Mitgliedsländer festgeschrieben. Gegenüber den potenziellen Beitrittsländern existiert ein modifiziertes Bandbreitensystem (EWS II), wobei aufgrund der weiten Bandbreiten (+- 15% Schwankungen sind zulässig), die Frage gestellt werden kann, ob man tatsächlich noch von einem Bandbreitensystem sprechen sollte oder ob nicht vielmehr der Tatbestand eines flexiblen Wechselkurssystems vorliegt wie es gegenüber der restlichen Welt besteht. Insbesondere die Entwicklung des Außenwertes wird in der Öffentlichkeit seit Einführung des Euros negativ wahrgenommen. Verstärkt wurde auf die Gefahren einer “importierten Inflation” aufmerksam gemacht. Verkürzt versteht man darunter die Übertragung einer ausländischen Inflation auf das Inland. Je nach Wechselkurssystem sind unterschiedliche Übertragungswege relevant, von denen hier nur einige und auch nur im System der festen Wechselkurse skizziert werden sollen. Grundsätzlich gilt, dass der Inflationsimport in einem System fester Wechselkurse als wahrscheinlicher als in einem System flexibler Wechselkurse angesehen wird. Im Rahmen des Geldmengen-Liquiditäts Mechanismus laufen die Anpassungsprozesse wie folgt ab. Ein steigender Auslandpreis bewirkt, dass die Güterströme (Exporte) steigen und die Importe sinken. C.p. nimmt der Außenbeitrag zu. Bei höheren Exporten als Importen steigt das Devisenangebot, die Zentralbank muss intervenieren, indem sie Devisen gegen Abgabe eigener Währung ankauft, d.h. die Geldmenge steigt. Dem kann zwar der Zinseffekt der Inflation entgegenstehen, letztlich ist aber aufgrund der Geldmengensteigerungen das inländische Preisniveau erhöht worden. Als nächste Ursache für die Anpassungsprozesse kann der Kostenmechanismus genannt werden. Hier gehen die vom Ausland importierten Güter als Input in einheimische Güter ein, bzw. werden direkt weiterverkauft, ohne das Anpassungen des Wechselkurses für einen Ausgleich sorgen können. 51 Kommt es zu einer durch das inländische Preisniveau nicht gerechtfertigten längerfristigen Abwertung einer Währung - die Spekulationsvolumen übersteigen heutzutage bei weitem die real notwendigen Devisengeschäftsvolumina – gegenüber ihren wichtigsten Handelspartner, wie dies zur Zeit zwischen den USA und der Euro-Zone der Fall ist, so besteht auch bei flexiblen Wechselkursen die Gefahr einer importierten Inflation. Allerdings sind die Auswirkungen geringer,da es nicht zu einem Liquiditätsschub auf Grund Deviseninterventionen der Zentralbank kommt. 5.2.4 Leit- und Reservewährungen Von Reservewährung spricht man, wenn diese Währung von öffentlichen Instanzen aber auch von Banken und Nichtbanken als Reserven für Transaktionen gehalten und verwendet werden. Als maßgeblich für ein Leitwährung wird angesehen, wenn fremde Länder ihre Währung an diese Leitwährung koppeln. Alle Leitwährungen sind auch Reservewährung, allerdings sind nicht alle Reservewährungen Leitwährungen. Die zentrale Leitwährung ist der US-Dollar. Allerdings erfüllte auch die DM in Europa die Funktion einer „regionalen Leitwährung“. Während der Euro als zukünftige Leit- und Reservewährung nahezu gleichberechtigt neben dem US-Dollar sich etablieren soll, ist die Funktion des japanischen Yen durch die anhaltende Wirtschaftsflaute auf die Funktion einer Reservewährung begrenzt geblieben. Leit- bzw. Reservewährung müssen die Grundgeldfunktionen (Tauschmittelfunktion, Rechengröße, Wertaufbewahrungsmittel) erfüllen. Weiterhin erwartet man als eine Art Mindestvoraussetzung eine ökonomische Stabilität, was auch Preisstabilität im Inland umfasst. Wesentlich ist auch das die Währung über einen längeren Zeitraum bereits konvertibel sein muss. Die Grundvoraussetzung eines politisch stabilen Systems sei hier nur aus Vollständigkeitsgründen erwähnt. Diese Grundbedingungen erfüllen auch heut erst einige Industrienationen sowie wenige Schwellenländer. Wird eine Währung eines kleinen Landes an eine Leitwährung gebunden, bedeutet dies, die weitgehende Aufgabe einer selbständigen Geldpolitik. Allerdings sind insbesondere für kleinere Länder die Vorteile einer Währungsanbindung an eine Leitwährung von großen Vorteil. So steigert dies die Reputation der eigenen Währung und eröffnet neue Handelsmöglichkeiten. Erfolgt die Anbindung der Währung an die Währung eines großen Handelspartners, verringern sich zusätzlich die Preisrisiken für Exporteure und 52 Importeure erheblich. Allerdings sind Preisvorteile durch kontinuierliches Abwerten der Währung ausgeschlossen, da hierdurch die Reputation der Währungsanbindung starken Schaden nehmen würde. Das die Anbindung einer Währung nicht nur Vorteile haben kann, zeigt das aktuelle Beispiel Argentinien: Hier wurde nach einer mehrjährigen wirtschaftlichen Blütephase, die Wirtschaftskraft überschätzt. Dabei erwies sich das Festhalten an eine Dollar-PesoParität zunächst als Stabilitätsanker. Die Fehler in der Wirtschaftspolitik konnten dadurch jedoch nicht dauerhaft ausgeglichen werden. Das Currency Board- System Das System wurde während der britischen Kolonialzeit entwickelt und diente zur geldpolitischen Steuerung der z.T. autonomen Gebiete. Heutzutage wird das Currency Board- System meist von Ländern eingerichtet, die sich nach einer Hyperinflation gegen weiteren Preisverfall schützen wollen. Aber auch die Staaten Mittel- und Osteuropas nutzen dieses Konzept um ihren Transformationsprozess mit möglichst geringen Preissteigerungen durchführen zu können. Grundlage des Currency Board ist die Haltung eines gewissen Menge an Bargeld des Reserve- bzw. Leitwährungslandes, an dem man seine eigene Währung binden möchte. Durch die gehaltene Währungsreserven der sogenannten Ankerwährung wird die eigene Geldmenge determiniert. Eie Ausweitung der Geldmenge kann somit nur erfolgen, wenn dem eine entsprechende Ausweitung an Reservewährung durch eine positive Zahlungsbilanz zugrunde liegt. Dabei ist es irrelevant, ob diese Ausweitung durch einen Leistungsbilanzüberschuss oder durch Kapitaltransfer zustande gekommen ist. Richtet ein Land ein Currency Board ein, so besteht seine Aufgabe – vergleichbar zu der einer Zentralbank – in der Ausgabe des Zentralbankgeldes bis zu der Höhe der Währungsreserven. Meist sitzen in einem Currency Board neben den Mitgliedern der Notenbank auch Wirtschaftswissenschaftler aus dem Ankerwährungsland, um die Glaubwürdigkeit bei der Geldmengenbestimmung zu stärken. Die DM und mit deren Abschaffung der Euro dient für mehrere Staaten Osteuropas (Bulgarien, Litauen, etc.) als Ankerwährung. Neben dem Euro dient nur doch der USDollar als Grundlage für Currency- Borads. 53 5.3 Währungsunionen und optimale Währungsräume in den 30er Jahren entwickelte der Wirtschaftswissenschaftler Mundell seine Theorie der optimalen Währungsräume. Die Frage wie Groß ein Währungsraum sein soll wurde insbesondere in den 70er Jahren nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems diskutiert. In dieser Debatte wurden ausschließlich ökonomische Aspekte betrachtet, obwohl auch politische Aspekte – wie bei der EWU gesehen – eine zentral Bedeutung haben können. Das Hauptkriterium in der ursprünglichen Theorie war die sogenannte „Faktormobilität“ Wenn die Variabilität der Wechselkurse einen Anpassungsmechanismus darstellt, so stellte sich Mundell die Frage, welche anderen Mechanismen wirken in einem Währungsraum? Hierbei wurde die Arbeitsmobilität (einzeln) und die Arbeits- und Kapitalmobilität (zusammen) betrachtet. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass Währungsräume eher klein sein sollten, da hier die Faktormobilität am höchsten ist. Allerdings ist insbesondere der Faktor Kapital deutlich mobiler als noch vor wenigen Jahren und auch die Mobilität von Arbeitnehmern hat zugenommen. Gegen möglichst kleine Währungsräume spricht der sogenannte „Offenheitsgrad“ einer Volkswirtschaft. Ein hoher Offenheitsgrad bedeutet das ein wesentlicher Anteil des BIP exportiert wird bzw. eine große Importabhängigkeit besteht. Daher sind solche Volkswirtschaften sehr viel anfälliger für exogene Schocks, wie sie bspw. durch plötzliche Wechselkursänderungen ausgelöst werden können. Um die Abhängigkeiten zu verringern empfiehlt sich daher ein zusammengehen mit anderen Währungsgebieten, sofern die fundamentalen Wirtschaftsdaten dies erlauben. 5.4 Der Weg zur EWU - ein Überblick 5.4.1 Nutzen und Kosten eines europäischen Währungsraumes Mit dem Beginn der dritten Stufe der EWU ist ein einheitlicher europäischer Währungsraum geschaffen worden, von dem sich die Befürworter positive ökonomische Effekte erhoffen. Die Kritiker verweisen auf der anderen Seite auf die noch ungelösten Probleme wie bspw. die fehlende politische Konvergenz der Teilnehmerländer. Aus wirtschaftstheoretischer Sicht haben wir diese Diskussion unter dem Stichwort des "optimalen Währungsraumes" kennengelernt. Geldpolitisch resultiert der wesentliche Nutzen einer Europäischen Währungsunion aus dem größeren Währungsraum, in welchem die Transaktionskosten dadurch erheblich 54 sinken, dass die Geldfunktionen nun uneingeschränkt in ihm gelten. Dies bedeutet sinkende Kosten für Umtauschgebühren, für die Abwicklung grenzüberschreitender Geldgeschäfte, Kurssicherungsgeschäfte und Kalkulationsinformationen sowie eine Vereinfachung des betrieblichen Rechnungswesens, verringerte Devisenhaltung usw. Der Wegfall des Wechselkursrisikos dürfte zudem den Binnenhandel im Währungsraum verstärken und damit positive Wohlfahrtseffekte bewirken. Die grundlegenden Vorteile eines einheitlichen Geldes in Form einer massiven Senkung der Transaktionskosten (Informationskosten, Umtauschkosten, Kosten von Kurssicherungsgeschäften, Verringerung von Risiken usw.) und damit einer wohlstandssteigernden Intensivierung des Handels sind dann auch als zentrale Motivation für die Europäische Währungsunion (EWU) zu sehen. Dem entgegen stehen die Umstellungskosten, die aus der Umstellung der Datenverarbeitung und des Rechnungswesens, den Kosten der Einführung der neuen Währung, Umschulungen von Mitarbeitern, eventueller zeitlich begrenzter Doppelauszeichnung von Preisen usw. bestehen. Im Gegensatz zu den positiven Transaktionskosteneffekten fallen diese Umstellungskosten jedoch einmalig an und dürften sich innerhalb weniger Jahre amortisieren. Politisch entsteht mit dem Übergang zum ESZB ein Autonomieverlust der Nationalstaaten, den man je nach ideologischem Standpunkt positiv oder negativ bewerten kann. Die Verlagerung der Geldpolitik auf die europäische Ebene bietet die Chance, eine glaubwürdige und stabilitätsorientierte Geldpolitik für die gesamte EU zu erzielen. Auf der anderen Seite ist die Gefahr zu konstatieren, dass der erheblich größere Euro Raum geldpolitisch schwerer zu steuern ist. Vieles hängt hier davon ab, ob das ESZB eine stabilitätsorientierte und glaubwürdige Geldpolitik durchsetzen kann. Mit der Größe des europäischen Binnenmarktes ist die Chance verbunden, dass der Euro zu den wichtigsten Weltwährungen (Reservewährungen) zählen wird. Aus der Sicht außereuropäischer Investoren werden Direktinvestitionen im Euro-Raum attraktiver (Größe des Binnenmarktes), womit positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte einher gehen können. Aus den o.a. Gründen wird die EWU häufig auch als notwendig angesehen, um Europas Position in der Globalisierung zu sichern. Dass höhere Wettbewerbsintensität und stärkerer Effizienzdruck insgesamt vorteilhaft sind, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass einzelne Branchen und Bereiche, insbesondere solche, die bisher stark national geschützt wurden (Protektion), mit nachteiligen Effekten 55 rechnen müssen. Auch wird der Druck auf hohe oder überhöhte Sozialstandards sowie ineffiziente Steuer- und Sozialsysteme unter Umständen zunehmen (Verschärfung des Standortwettbewerbs). Kritisch anzumerken ist, dass die EWU nicht durch eine politische und soziale Union begleitet wird, so dass eine mangelnde Koordination der Wirtschafts- und Sozialpolitiken in der EU u.U. geldpolitische Erfolge gefährden kann. Auf der anderen Seite kann die Existenz der EWU auch Reformen in den anderen Bereichen erzwingen und sich somit als Motor einer weitergehenden Europäischen Union erweisen. Zusammenfassend lassen sich also folgende wesentliche Punkte feststellen: • Verlust des Wechselkurses als Anpassungsinstrument • Verzicht auf autonome Geldpolitik • Eingeschränkte Autonomie der Fiskalpolitik • Verzicht auf Phillipskurven Trade-off • Anpassungskosten • Wegfall von Transaktions- und Informationskosten = handelsschaffender Effekt • Wegfall von Wechselkursrisiken = handelsumlenkende Effekt • erhöhte Anziehungskraft von Auslandsinvestitionen 5.4.2 Exkurs: Vorgeschichte Die Errichtung der EWU ist der Endpunkt ein längeren Entwicklung, die schon Anfang der sechziger Jahre begann. Schon 1962 wurde im sogenannten Kampen Bericht vom Europäischen Parlament eine gemeinsame Währungspolitik gefordert. 1968 wurden im Werner Bericht die Ziele der Währungsunion präzisiert. Im Bericht wird vorgeschlagen, die Währungsunion in drei Phasen bis Ende 1980 zu realisieren. Grundlegende Gedanken des Werner Plans fanden später Eingang in den Delors Bericht und damit in den Vertrag zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Mit dem Scheitern von Bretton Woods wurde ein europäischer Wechselkursverbund gegründet, der 1979 durch das Europäische Währungssystem (EWS) abgelöst wurde. Im EWS waren zwölf Staaten (anfangs acht) mit dem Ziel zusammengeschlossen, durch ein System anpassungsfähiger Wechselkurse eine stabile Währungszone zu schaffen. Bestandteile des EWS waren ein Wechselkurs- und Interventionssystem, sowie die Kreditfazilitäten. Das EWS war lange Zeit sehr erfolgreich in den Jahren 1992 und 1993 56 traten jedoch verstärkt Spekulationsbewegungen gegen einzelne Währungen auf in dessen Zuge die Bundesbank in der Spitze bis zu 93 Mrd. DM an Mittelzuflüssen sterilisieren musste. Als Antwort darauf wurden die Bandbreiten erweitert und einige Staaten (England, Italien) nahmen nicht mehr am Wechselkurssystem teil. Die Entwicklung zu einer gemeinsamen Geldpolitik - Überblick Ein weiterer Schritt in Richtung EWWU wurde mit der einheitlichen Europäischen Akte von 1987 geschaffen. Mit ihr wurde in der Europäischen Union die Vollendung des Binnenmarktes bis 1992 gesetzlich verankert. Die vier Freiheiten von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital wurden als wesentliche Stabilitätsvoraussetzungen genannt. Bedingungen für eine Währungsunion waren nun noch: 1. Umfassende und unwiderrufliche Konvertibilität. 2. Vollständige Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs. 3. Ein Wechselkurssystem ohne Bandbreiten und mit unwiderruflich festgelegten Paritäten. Mit dem Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag, Vertrag von Maastricht) vom 01.11.1993 wurden die Rahmenbedingungen für alle bisherigen rechtlichen Regelungen vorgegeben. Zentraler Bestandteil ist die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene EWWU. Besonderes Augenmerk gilt dabei der EWU. Per 1.1.1999 ist hier die geldpolitische Verantwortung von den nationalen Notenbanken auf die Europäische Zentralbank (EZB) übergegangen. Formal können dies Phasen der Entwicklung in drei Stufen unterteilt werden. In der ersten Stufe (Beginn 01.01.1990), die der Vorbereitung diente, wurde die Freiheit des Kapitalverkehrs institutionell festgeschrieben und die Rahmenbedingungen zur Vollendung des Binnenmarktes gelegt. Mit Beginn der zweiten Stufe am 01.01.1994 wurde das Europäische Währungsinstitut (EWI) als Vorläufer der EZB gegründet und über die Zielerfüllung der Teilnehmerländer bzgl. der sogenannten Konvergenzkriterien entschieden. Mit dem 01.01.1999 wurden die Wechselkurse der Teilnehmerländer in bezug auf den Euro festgeschrieben. Die dritte Stufe der EWU endet am 01.07.2002. 5.4.3 Der Vertrag von Maastricht und die Konvergenzkriterien 57 In die erste Stufe der EWU fiel der Vertrag von Maastricht. Die Geldordnung der Europäischen Union ist durch den sog. Maastrichter Vertrag (1991, Ratifizierung 1992) festgelegt. Aus der Konkurrenzwährungsordnung mit 14 voneinander - zumindest formell - unabhängigen Zentralbanken sollte eine Monopolwährungsordnung mit einer einheitlichen Währung (Euro, Cent) für alle Mitgliedstaaten der EU entwickelt werden. Monopolwährungsordnung besitzt eine (in der Regel) staatliche Zentralbank das ausschließliche Recht, Bargeld (bzw. das gesetzliche Zahlungsmittel) in den Umlauf zu bringen; sie verfügt also über ein Emissionsmonopol bei Noten und Münzen. Damit wird die Bargeldmenge durch die Zentralbank festgelegt, und diese entscheidet auch, zu welchen Konditionen. Basierend auf ökonomischen Erkenntnissen letztlich aber als Ergebnis eines politischen Verhandlungsprozesses wurden Kriterien entwickelt, die über eine hinreichende Kompatibilität der teilnehmenden Volkswirtschaften Auskunft geben sollen und deren Erfüllung als Eintrittsbedingung für die Europäische Währungsunion definiert wurde (sog. Konvergenzkriterien). Aus den Theorien optimaler Währungsräume zog man im Maastrichter Vertrag die Konsequenz, dass eine hinreichende Konvergenz der Währungen und Volkswirtschaften eine notwendige Voraussetzung für eine Währungsunion darstellt. Da zudem Einigkeit darüber herrschte, dass die gemeinsame europäische Währung eine stabile Währung werden sollte, wurden sogenannte Konvergenzkriterien beschlossen, deren Erfüllung zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an der EWU sind. Ziel der Konvergenzkriterien ist die Sicherstellung, das die Voraussetzungen für Gelingen einer dauerhaften monetären Stabilität erreicht werden können. Es handelt sich um folgende fünf Kriterien: Vorbedingung: 2 Jahre vor Eintritt in die EWU: spannungsfreie Mitgliedschaft im „normalen“ EWS-Band. (Teilnahme an Wechselkursverbund) 1. Kriterium: Veränderung der Verbraucherpreise maximal 1,5%-Punkte über dem Durchschnitt der drei preisniveaustabilsten Länder. 2. Kriterium: Rendite langfristiger öffentlicher Anleihen maximal 2%-Punkte über dem Durchschnitt der drei preisniveaustabilsten Länder. 3. Kriterium: Bruttoschuldenstand der öffentlichen Haushalte maximal 60% des Brutto- Inlands -Produkts. 58 4. Kriterium: Finanzierungs-Saldo der öffentlichen Haushalte maximal 3% des Brutto- Inland-Produkts. 5.4.4 Die Teilnehmerländer der EWU Die Auswahl der ersten an der EWU teilnehmenden, qualifizierten Mitgliedstaaten erfolgte auf der Grundlage der volkswirtschaftlichen Ist-Daten des Jahres 1997. Hierbei qualifizierten sich Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien für die Teilnahme an der EWU von Anfang an. Griechenland (bezüglich aller Kriterien) Großbritannien und Schweden (formale Gründe) qualifizierte sich vorerst nicht; Dänemark (trotz Qualifikation) nahm auf eigenen Wunsch zunächst nicht teil. Ab dem 01.01.2001 ist Griechenland nun auch vollwertiges Teilnehmerland der EWU. Der nähere Blick auf die Erfüllung der Konvergenzkriterien zeigt, dass auch von den Teilnehmerländern nicht alle Teilnehmerländer die Konvergenzkriterien erfüllt haben. Insbesondere bei den Fiskalkriterien (Verschuldungskriterien) sind Abweichungen zu beobachten. Relevant für die Entscheidung war jedoch, dass eine hinreichende Bewegung zu der Erfüllung der Konvergenzkriterien gewährleistet ist. So lag Italien mit einer öffentlichen Verschuldung von 121,6% zwar deutlich über den Konvergenzwert, es war aber eine deutliche Entschuldungspolitik erkennbar. 5.4.5 Die Dritte Phase der EWU Wie bereits öfter erwähnt wurde mit dem 1.1.1999 die dritte Phase der EWU eingeleitet. Diese dauert wiederum drei Jahre und wird spätestens am 01.07.2002 beendet sein. Mehrere Teilphasen können in dieser Stufe unterschieden werden. Wesentliche Punkte der ersten Stufe sind die Fixierung der Wechselkurse, der Übergang der geldpolitischen Verantwortung auf die EZB und die Inbetriebnahme von TARGET (Trans-European Automated Realtime Gross Settlement Express Transfer system) . Ab 1.1.1999 wurden die Wechselkurse der an der EWWU teilnehmenden Währungen auf den Stand vom 31.12.1998 (Endnotierungen an den Devisenbörsen) endgültig und unwiderruflich fixiert. Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Korbwährung ECU wandelte sich mit der Fixierung in die eigenständige Währung Euro (Cent) um. Der Euro 59 soll auch die Tauschmittel- und Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes wahrnehmen. Zunächst als reines Giralgeld ersetzte ab dem 01.01. 2002 der Euro die DM Münzen und Noten. Ein weiterer Aspekt, der in der Umstellungsphase berücksichtigt werden muss, dass die öffentlichen Haushalte, die Kreditinstitute, die Unternehmen und die privaten Haushalte ihr Rechnungswesen auf den Euro umstellen. In der Übergangsphase herrscht für Privatpersonen noch die Wahlfreiheit, ob die Konten in Euro oder in der Heimatwährung geführt werden sollen. Durch die individuelle Option hat in einem gewissen Sinne auch der wettbewerbliche Charakter Einzug in das Übergangsszenario gehalten, da eine Umstellung i.d.R. nur bei einer Attraktivität des Euro für den jeweiligen Akteur vorgenommen wird. Vor allem Großunternehmen haben davon Gebrauch gemacht. Neuemissionen der öffentlichen Hand sind in Euro vorzunehmen. Das Ende der Umstellung wurde mit der Ausgabe von Bargeld eingeläutet. Der aus geldpolitischer Sicht entscheidende Schritt war in der dritten Stufe die Übernahme der Verantwortung für die Geldpolitik durch die ESZB bzw. die EZB. 60 6 Begründung geldpolitischer Maßnahmen - das Ziel der Preisniveaustabilität 6.1 Inflationsmessung und –wirkung Der europäischen Geldpolitik ist durch Art. 105 (1) EG -Vertrag ("Vertrag von Maastricht") das Ziel der Preis(niveau)stabilität als absolut vorrangig vorgegeben. Nur wenn dieses Ziel nicht gefährdet ist, darf die europäische Geldpolitik die Verfolgung anderer Ziele (bspw. Verringerung der Arbeitslosigkeit, konjunkturelle Ziele, Strukturpolitik usw.) unterstützen. Das Ziel der Preisniveaustabilität kann insofern im Kontext der Ziele des "magischen Vierecks" [neben der Preisniveaustabilität sind dies: angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum, ein hoher Beschäftigungsstand und das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts] gesehen werden. Im Sinne einer wirtschaftspolitischen Arbeitsteilung obliegt dabei die Sicherung der Preisniveaustabilität einer speziellen Institution. Träger der europäischen Geldpolitik ist das Eurosystem (bzw. das Europäische System der Zentralbanken (ESZB)), welches unabhängig von den sonstigen Akteuren der Wirtschaftspolitik ist. In den folgenden Ausführungen wird erläutert, was Preisniveaustabilität ist und warum diesem Ziel absolute Priorität in der europäischen Geldpolitik eingeräumt wird. Zur genaueren sprachlichen Unterscheidung soll dabei zwischen zwei Begriffspaaren Preis und Preisniveau auf der einen Seite und Nominalwert und Realwert auf der anderen Seite unterschieden werden. Der Preis ist (für Deutschland) definiert als [Dp] = [Euro/x]. Er gibt an, wie viel Euro für eine Einheit eines Gutes bezahlt werden müssen. Das Preisniveau bezieht sich auf den gewichteten Durchschnitt der Güterpreise einer Volkswirtschaft. Preisstabilität bedeutet mikroökonomisch, dass ein einzelner Preis konstant ist, und makroökonomisch, dass sich alle Preise nicht verändern. In der Marktwirtschaft werden über die Veränderung der Preise aber das Angebot und die Nachfrage gesteuert. Hier ist es wichtig, dass die Einzelpreise sich frei bewegen können, da sie Informationen über Knappheiten der Güter an den einzelnen Märkten beinhalten. Preisniveaustabilität bedeutet demgegenüber, dass ein gewichteter Durchschnitt der Preise einer Volkswirtschaft weder dauerhaft (über mehrere Perioden) steigt noch dauerhaft sinkt. Ist dies gewährleistet, so bleibt der Binnenwert des Geldes stabil (es kann also auch von (Binnen-) Geldwertstabilität gesprochen werden), das heißt, die 61 Kaufkraft einer Währung verändert sich nicht; in unterschiedlichen Perioden können vergleichbare Gütermengen mit Hilfe konstanter Geldeinheiten gekauft werden. Dies ist nicht mit Preisstabilität zu verwechseln: Stabile Preise sind üblicherweise ein Charakteristikum zentralverwaltungswirtschaftlicher Ordnungen wie bspw. früher in der DDR. Um Geldwertstabilität zu erreichen, müssen demzufolge nicht die Preise, sondern das Preisniveau bei fluktuierenden Preisrelationen stabil sein. Steigt das Preisniveau einer Volkswirtschaft über mehrere Perioden an, spricht man von Inflation (Prozess der Geldentwertung6); sinkt das Preisniveau hingegen über mehrere Perioden, so spricht man von Deflation (Prozess der Geldaufwertung). Beide Phänomene haben negative Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Märkte und sind deshalb durch die Geldpolitik zu vermeiden. Der Prozess moderater Preisniveausteigerungen ist der Regelfall in den Volkswirtschaften. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es kaum Zeiträume, in denen das Preisniveau gesunken ist, dennoch galt die DM international als eine der wertstabilsten Währungen. Dies ist darin begründet, dass im Vergleich zum Ausland die durchschnittlichen Inflationsraten der Bundesrepublik geringer waren als in den meisten anderen Ländern. Verbunden mit de n Preisniveauänderungen sind auch Interdependenzen zwischen dem Nominal- und dem Realbereich. Ein Beispiel das dies verdeutlichen soll ist eine die Inflation nicht berücksichtigende Lohnfestschreibung. Während im Zeitablauf sich der Lohn nominal nicht ändert (da er festgeschrieben ist), sinkt die Kaufkraft, d.h. der Reallohn sinkt (mit dem gleichen Lohn können weniger Güter gekauft werden). Wenn eine Inflation eine Änderung der realen Kaufkraft bedeutet führt uns dies zu der nächsten Frage, nämlich die wie die Inflation gemessen wird. 6.1.1 Inflationsmessung Die Veränderung des volkswirtschaftlichen Preisniveaus wird als Veränderung eines gewichteten Durchschnitts aller relevanter Verbraucherpreise von einer Periode zur nächsten gemessen. Die Gewichtung erfolgt dabei anhand der Mengen, die ein typischer privater Haushalt im Schnitt eines Monats konsumiert; es wird ein Warenkorb zusammengestellt und die Veränderung des Preises dieses Korbs ermittelt. Üblicherweise wird der Lebenshaltungskostenindex nach Laspeyres verwendet, der die konsumierten Mengen auf ein Basisjahr normiert: (P = Preisniveau, p = Einzelpreise, q = 62 Mengen, (i,...,n) = Güter im Warenkorb, t = aktuelle Periode). Das Basisjahr wird hierbei aus Gründen der Praktikabilität nicht jährlich aktualisiert, sondern ca. alle 3 bis 5 Jahre. Dies hat den Nachteil, dass Veränderungen in den Kaufgewohnheiten nur mit Verzögerung im Lebenshaltungskostenindex berücksichtigt werden. Da der dargelegte Index einen Maßstab für Inflation darstellt, wird die Änderung des Index auch als Inflationsrate bezeichnet. Bei einem anderen Index, dem Paasche Index, werden die Mengen des Berichtsjahres als Warenkorb benutzt. Da der Paasche -Index das sich jeweils verändernde Berichtsschema der Berichtsperiode misst, ist er für einen periodischen Preisniveauvergleich ungeeignet. In der Regel werden Inflationsraten nach dem Laspeyres-Index berechnet. Preisniveaustabilität liegt nach üblicher Auffassung dann vor, wenn die Inflationsrate über -2% und unter +2% liegt; andernfalls kann bei anhaltenden Prozessen von Deflation (unter -2%) oder Inflation (über +2%) gesprochen werden. Ein Grund für die Berücksichtigung einer derartigen Spanne liegt darin, dass der Laspeyres-Index ein konstantes Wägeschema hat. Da i.d.R. jedoch Güterarten und Güterqualitäten sich laufend ändern, kann das Schema veralten. Man geht davon aus, dass bspw. Qualitätsverbesserungen häufiger und gewichtiger sind als Qualitätsverschlechterungen. Aufgrund der unterstellten Qualitätsverbesserungen bei Konstanthaltung der Güter im Warenkorb überschätzt der Laspeyres-Index die tatsächliche Preisentwicklung. Im Euroraum findet der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) Anwendung, der ein auf einer einheitlichen Ermessungsgrundlage berechneter Index der Lebenshaltungskosten für die Staaten der Europäischen Union sowie Norwegen und Island ist. Er wurde mit dem Ziel entwickelt, unverzerrte Inflationsvergleiche zwischen den EUMitgliedsstaaten zu ermöglichen. Formal ist der HVPI ein Laspeyres-Index. Aufsehen erregten Studien der Deutschen Bundesbank und der Federal Reserve Bank Ende der 90er Jahre, die zu dem Schluss kamen, dass das deutsche Preisniveau in Relation zum US-Preisniveau um bis zu 0,75 % überzeichnet, d.h. zu hoch sei. Wesentlicher Aspekt war die unterschiedliche Bewertung von Innovationen insbesondere bei Software- und Hardwareprodukten. 63 6.1.2 Inflationswirkungen Aus den Inflationswirkungen werden die Berechtigungen für die Maßnahmen zum Ergreifen von Anti-Inflationspolitiken gewonnen. Folgende Wirkungen können genannt werden. 1. Verzerrung der Preisrelationen : Das System der relativen Preise wird durch eine Art "Nebel" oder "Schleier" verzerrt, so dass die Marktakteure zu Fehlinterpretationen von Preissignalen neigen. Dadurch wird die Allokationseffizienz erheblich gestört und es resultieren Fehlinvestitionen, die schließlich rezessive Tendenzen auslösen können. Bspw. können inflationsbedingte Preissteigerungen auf Einzelmärkten als Nachfragesteigerungen (und damit als Änderungen im System der relativen Preise) missverstanden werden und somit zu Erweiterungsinvestitionen führen, die durch die Marktentwicklung nicht gerechtfertigt sind. Dies kann zwar kurzfristig einen positiven konjunkturellen Impuls bewirken; da sich die Investitionen jedoch auf Dauer nicht rentieren (Fehlinvestitionen), folgen erhebliche negative ökonomische Effekte (Deinvestition, u.U. Konkurse, Beschäftigungsabbau usw.). 2. ihre Einkommen über die Tarifverhandlungen erst mit Verzögerung an den inflationären Prozess angepasst werden und somit ihre Kaufkraft (zumindest vorübergehend) sinkt (negative Folgen für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage). 3. ann über eine Lohn-Preis-Spirale den inflationären Prozess verstärken. Diese Lohnsteigerungen stellen für die Unternehmen Kosten dar, die entweder über Preissteigerungen weitergegeben werden können (Kostendruckinflation) oder über arbeitssparende Rationalisierungsmaßnahmen den Anstieg der Arbeitsproduktivität beschleunigen (Verringerung der Beschäftigung mit entsprechend negativen Folgen). 4. Entwertung von Ersparnissen: Personen mit Geldvermögen erfahren eine Entwertung dieses Vermögens und sind daher durch Inflation benachteiligt gegenüber Personen, die über Sachvermögen (Grundstücke, Wertpapiere usw.) verfügen. Dies gilt insbesondere für solche kleine und mittlere Vermögen, die sich nicht sinnvoll in Sachvermögen umwandeln lassen. Besondere Probleme resultieren, wenn diese Vermögen die wesentliche Alterssicherung der Betroffenen darstellen. 64 5. ne Flucht in die Sachwerte, das heißt, viele Akteure "tauschen" ihr Geldvermögen in Sachvermögen, vor allem Edelmetalle (bspw. Gold) und Immobilien. Dies kann auf beiden Märkten zu gravierenden Verzerrungen führen, die sich in einer zunächst überhöhten Nachfrage manifestieren, die insbesondere am Bau eine Sonderkonjunktur mit dem Aufbau von Überkapazitäten auslöst, welche dann schließlich zu krisenhaften Erscheinungen führen. Eine inflationsbedingte Flucht in die Sachwerte schützt dabei die Akteure nur bedingt vor einer Entwertung ihres Vermögens, da die große Nachfrage zunächst den Preis für Sachwerte stark ansteigen lässt, wobei dieser später, wenn eine – zumindest partielle - Rückkehr in Geldwerte stattfindet, deutlich fällt, so dass in der Regel die Erlöse aus dem Verkauf der Sachwerte deutlich unterhalb dessen liegen, was in sie investiert wurde. 6. Inflation benachteiligt Gläubiger und begünstigt Schuldner, da letztere ihre Schulden nominal zurückzahlen müssen und somit Gläubiger real weniger zurückerhalten, als sie ursprünglich verliehen oder angelegt haben. Dies gilt insbesondere bei Festzinsvereinbarungen, da dann bei Inflation die Wahrscheinlichkeit einer negativen Realverzinsung steigt. Als wesentliche Schuldner profitieren daher oftmals der Staat und die Unternehmen zumindest von leichten Inflationsprozessen. 7. en (Hyperinflation) kommt es schließlich zu einer massiven Störung der Geldfunktionen. Die Instabilität des Geldwertes verringert die Eignung des Geldes als Rechenmittel, da sich die Wertrelationen ständig ändern und zudem "verschleiert" sind (s.o.). Verlieren die Marktakteure aufgrund des schwindenden Geldwertes das Vertrauen in die inflationäre Währung, so sinkt seine Akzeptanz und damit wird seine Funktion als allgemeines Tauschmittel beeinträchtigt; es bilden sich (bspw. auf Schwarzmärkten) Ersatzwährungen heraus (Devisenwährungen, Zigarettenwährungen usw.). Die Wertaufbewahrungsfunktion wird durch Inflation weitgehend außer Kraft gesetzt. 8. Erwartungsunsicherheiten: Die inflationsbedingte Störung der Funktionsfähigkeit des Systems der relativen Preise verunsichert die Marktakteure und fügt ihren Entscheidungen eine weitere Unsicherheitskomponente 65 hinzu. Dies kann weitgehende Zurückhaltung marktlicher Transaktionen induzieren und damit rezessive Tendenzen auslösen bzw. verstärken. 9. weiteres an die Geldentwertung angepasst werden, bspw. Sozialhilfe, (u.U.) Renten, Beamtenentgelte, weitere Sozialtransfers (Kindergeld usw.). 10. Existiert eine progressive Einkommensbesteuerung (wie in Deutschland), dann geraten die Akteure wenn die Nominallöhne der Inflationsrate angepasst werden aufgrund der steigenden Nominaleinkommen in höhere Progressionsstufen und müssen real mehr Steuern zahlen, obwohl sich ihre Realeinkommen nicht erhöht haben. 11. - anpassungen bspw. das Warenangebot neu ausgezeichnet werden muss, Preislisten neu ausgedruckt oder Automaten neu eingestellt werden müssen. Die Transaktionskosten steigen. Die Verringerung des Binnenwertes einer Währung bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf den Außenwert der jeweiligen Währung. Es drohen Abwertungen und damit entsprechende Veränderungen der Wechselkurse. Dies verteuert Importe, eröffnet andererseits jedoch bessere Exportmöglichkeiten. Dem wechselkursbedingten Preissenkungseffekt auf ausländischen Märkten stehen jedoch die inländischen Preissteigerungen auf den Faktormärkten gegenüber, so dass der Gesamteffekt ungewiss ist. Während die negativen Wirkungen von Geldentwertungsprozessen (Inflation) intuitiv einleuchten, liegt die Schädlichkeit von Geldaufwertungsprozessen (Deflation) heutzutage oftmals nicht so auf der Hand. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bis Mitte des 20. Jahrhundert nahezu alle schweren Wirtschaftskrisen Deflationskrisen waren – auch die Great Depression der Weltwirtschaft in den späten 1920er und 1930er Jahren. Deflation führt in der Regel zu schweren Wirtschaftskrisen, weil sich die (Faktor-) Kosten der Unternehmen - wenn überhaupt - nur verzögert an den Preisverfall anpassen (bspw. Löhne bleiben nach unten starr oder werden nur mit erheblicher Verzögerung gesenkt; Abhängigkeit von Rohstoffimporten). Dies führt dazu, dass viele Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten; es kommt zu Konkurswellen, wodurch eine Vielzahl von Arbeitskräften freigesetzt wird. Diese Entwicklung wird durch die Nachfrageseite noch verstärkt: Da das Geld im Zeitablauf real immer mehr Wert wird, sinkt der Anreiz 66 zu aktueller Nachfrage und steigt der Anreiz zur Ersparnisbildung, welcher u.U. durch drohende Arbeitslosigkeit (Konkurswelle) noch verstärkt wird. Damit jedoch entsteht tendenziell ein Angebotsüberhang auf den Märkten, welcher weiteren Druck in Richtung Preissenkungen ausübt und die prekäre Lage der Unternehmen weiter verschärft - eine schwere Konjunkturkrise ist regelmäßig die Folge. Als aktuelles Beispiel kann Japan dienen. Hier lassen sich deutliche Ansätze einer Deflation erkennen. Obwohl die Notenbank seit Jahren mit einer 0-Zinspolitik die Investitionen fördern will und der Staat durch insgesamt über 1000 Mrd. Euro schweren Konjunkturprogrammen die Wirtschaft zu beleben versucht, ist die wirtschaftliche Entwicklung schlecht. Japan gilt mittlerweile als Beispiel für die von Keynes beschriebene Liquiditätsfalle. 6.2 Ursachen der Inflation Die Ursachen von Inflation sind in der politischen Diskussion wie in der wissenschaftlichen Analyse umstritten. Es besteht jedoch weitgehender Konsens, dass es zur Erklärung einer konkreten Inflation meist nicht ausreicht, sich auf eine Ursache zu konzentrieren oder bei der Ursachenanalyse allein auf die augenscheinlichsten Ursachen abzustellen. Eine eingehende Ursachendiagnose ist von entscheidender Bedeutung für die Ausgestaltung einer angemessenen Inflationsbekämpfungspolitik. Als keynesianische Ursachen werden bspw. folgende Aspekte als inflationsverursachend genannt: Nach Friedmann (der zu den Monetaristen gezählt wird) ist Inflation letztlich ein gesamtwirtschaftliches monetäres Phänomen, das notwendig an die Existenz von Geld verbunden ist. Vergegenwärtigt man sich, dass in einem Wirtschaftskreislauf die wertmäßigen Güterströme definitionsgemäß den Geldströmen entsprechen, so kommt man zu der (tautologischen) Verkehrsgleichung. M*v = H*P. 67 Wobei M die Geldmenge, v die Geldumlaufsgeschwindigkeit, p das Preisniveau und H das Handelsvolumen einer Volkswirtschaft repräsentieren. Anstelle des Handelsvolumens tritt in den theoretischen Betrachtungen das reale Sozialprodukt (Yr), so dass folgende Gleichung aufgestellt werden kann: M*v = p* Yr Demnach können Preisniveausteigerungen c.p. aus einer Geldmengenerhöhung , Konjunkturschwankungen resultieren. ERGÄNZUNG 6.3 Die Phillips-Kurve und Trade-off Probleme der Geldpolitik In der heutigen geldtheoretischen Diskussion ist der Phillips-Zusammenhang ein wesentlicher Bestandteil bei der Betrachtung von Inflation. Deswegen soll er an dieser Stelle erwähnt werden. Kaum ein Aufsatz im Bereich der Nationalökonomie löste eine derartige Flut von Folgeveröffentlichungen aus wie der 1958 von Alban W. Phillips verfasste Artikel „The Relation between Unemployment and the Rate of change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1861 – 1957“. Während Phillips den Schwerpunkt seiner Untersuchungen in der quantitativen Analyse des Zusammenhanges zwischen Arbeitslosigkeit und Lohnänderungsrate setzte, lieferte Lipsey später eine theoretische Fundierung des Zusammenhanges, indem er die Lohnsatzänderungen in Verbindung mit den Angebots- und Nachfrageüberschüssen auf dem Arbeitsmarkt brachte. Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Phillipskurve wurde entscheidend durch den Beitrag von Samuelson und Solow beeinflusst. Hier wurde eine stabile inverse Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und Inflationsrate abgeleitet (modifizierte Phillips-Kurve). Die Verbindung von Lohnsatz und Preisniveau wird über die Annahme hergestellt, dass Unternehmen abweichend vom Maximierungsprinzip durch Zuschlagskalkulation (mark-uppricing) ihre Gewinnziele zu erreichen suchen. Hiernach verfügen die Unternehmen über soviel Marktmacht, dass sie einen von der Güternachfrage unabhängigen - im Zeitablauf konstanten - Gewinnzuschlag auf die Lohnstückkosten aufschlagen. Der Aufschlagsatz muss dabei so bemessen sein, dass die fixen Stückkosten abgedeckt und ein geplanter Stückgewinn möglich sind. Aus der originären Phillips-Kurve kann also unter Berücksichtigung des Produktivitätszuwachs einer Volks68 wirtschaft die modifizierte Phillips –Kurve hergeleitet werden. Bei der Beurteilung der Preisentwicklung im Euroraum berücksichtigt die Europäische Zentralbank neben dem HVPI auch die Entwicklung der Lohnstückkosten und der Produktivitätsentwicklung, um zu einer fundierteren Beurteilung der geldpolitischen Situation zu gelangen. In der Theorie der Wirtschaftspolitik gilt die Phillips-Kurve als Paradebeispiel eines konkurrierenden Zielbündels. Die Attraktivität einer vermeintlichen wirtschaftspolitischen „Speisekarte" gipfelte in der vielzitierten Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der fünf Prozent Inflation gegenüber fünf Prozent Arbeitslosigkeit vorzog. Wenn heute von der Phillips-Kurve die Rede ist, werden damit i.d.R. die Austauschbeziehungen im Inflations- Arbeitslosenzusammenhang verbunden. Im Rahmen dieser (keynesianischen) Schule kann eine sinkende Arbeitslosigkeit nur zu Lasten einer steigenden Inflationsrate „erkauft“ werden. Eine Begründung liegt bspw. darin, dass durch eine Erhöhung der Nachfrage die Preise steigen, bevor Vollbeschäftigung erreicht ist. 69