Reisebericht

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„Die Weite des Meeres“
Mein Werden zum Seemann auf der Roald Amundsen
Reisetagebuch über die Segeltörns vom 14. Februar bis 21. März 20011
14. Februar 2001
Erster Eintrag. Sitze im Flieger und der Pilot erzählt gerade seine Reisestory
zum zweitenmal auf Englisch. Es ist losgegangen. Endlich. Gefühl: neutral, bin das
Fliegen als Streckenüberbrückung halt gewohnt. Ankommen ist wichtig – ich bin
gespannt.
Bin angekommen. Habe Siegfried Müller (zus. Stamm) am Busbahnhof St. Cruz
getroffen und sind zusammen zum Schiff gelaufen (ca. 30min.). Neue Leute aber
(fast) alle machen netten Eindruck.
Abends gleich „Küchendienst“ mit abtrocknen und rausspülen. Ein paar Bier
auf Deck (mild, tolle Luft) und dann ab in die Koje – erste Nacht.
15. Februar 2002
Erste Nacht perfekt geschlafen (noch durfte Bier getrunken werden – im Hafen).
Morgens teilt Kapitän „Arno“ ein: Reinschiff außen! Ich nehme den Schlauch und bin
gleich voll dabei. Jörg, einer der Toppsgasten (Maat) weist ein. Jörg ist ein Seebär,
wie man ihn sich vorstellt: breit, groß, bullig, sanft wenn er will – ich wird’ mich
wohl prima mit ihm verstehen.
Jeder packt an, um das Schiff „fein“ für die neuen Trainees zu machen, die am
Nachmittag eintrudeln sollen. Ich finde mich bereits sehr gut zurecht an Bord.
Trainees sind da – nette Leute, für die alles genau so neu ist wie für mich
(obwohl ich einen „Vorsprung“ habe). Wir waren auf 2 Bier in St. Cruz und dann mit
ein paar Leuten am Schiff noch am Pier (Zigarre + Bier).
So, morgen geht’s richtig los – gute Nacht!
16. Februar 2001
Gerade war ich das erste mal oben – muss ich gleich aufschreiben: geil geil geil
geil! Gleich Royal – das heißt auf der obersten Rah ganz außen. Gut gesichert – schön
langsam – aber oben. Und: im Hafen! Mal sehen, wie es beim auslaufen wird...
1
Dokumentiert vom 25. Dezember 2002 bis 04. Januar 2003. Unverfälschte Originalaufzeichnungen
übernommen. Aktuelle Ergänzungen nur in Fußnoten.
Da hieß es: Klarmachen Untermars und Obermars (jeweils Groß- und Fockmast,
ich bin auf dem Großmast eingeteilt). Freiwillige vor – ich bin Freiwilliger! Und ich
gehe auf die Obermars-Rah ganz außen (Rahnock) und löse die Bändsel die das Segel
an der Rah festhalten. Das äußerste wird um die Nock gebunden und die anderen
auf meiner Seite um die Rah mit Webeleinensteg. Dann Mittagessen.
Ich bin in die 00-04 Wache eingeteilt und ich habe „Dienst“ gleich nach dem
Mittagessen. Das Schiff schaukelt gleich nach dem Auslaufen recht stark. Oben in
den Rahen ist das noch heftiger aber ich nehme es nicht als schlimm wahr. Im
Gegenteil – ich lache oben vor Vergnügen und entschuldige mich bei Nancy
(Stamm), dass ich deswegen meine Arbeiten nicht so schnelle/konzentriert machen
kann.
Und so mache ich am ersten Tag bereits die „geilsten“ Erfahrungen, stehe sogar
am Nachmittag am Ruder. Kurs 120 Grad auf die Nordwestspitze von Gran Canaria
halten. Das bedeutet Kurbeln sanft aber mit Nachdruck, Schiff kommen lassen,
gegensteuern, ausbalancieren. Große Konzentration. Nach links und rechts wird
nicht geschaut, nur auf den Kreiselkompass. Der Ausguck ist das „Auge“ des
Schiffes – nicht der Rudergänger. Der Steuermann Wolfgang kontrolliert den Kurz
am Kompass und GPS und ist zufrieden. Und ich bin es auch.
Bin total happy – tolles Gefühl auf See (bin nicht [noch nicht?] seekrank...).
17. Februar 2001
Erste Nachtwache mit recht viel Arbeit und wenig Lohn vorbei (00-04). Bei
hartem Am-Wind-Kurs machen wir kaum Fahrt. Eine Halse und Segelmanöver2.
Zum Schluss noch Ruder gegangen. Langweilig war’s in den vier Stunden nicht.
Aber sehr windig. Bin jetzt kaputt und müde in der Koje. Gut nacht.
Bin grad’ aufgewacht: 10 vor 10. Frühstück verpasst. Wir motoren die Küste
von Teneriffa rauf, weil’s mit der Wind-Richtung nicht gepasst hat. Draußen ist
„Waschmaschine“, wie ich es nenne – das Bullauge wird vom Seewasser immer
wieder durchgespült (Schiff rollt bei recht ordentlichem See- und Wellengang).
So, heute war einiges los und ich will mal über das Wachegehen berichten. Bis
12 Kaffee getrunken und gelesen. Dann Wache 12-16 die mit dem aufrollen von
Löschwasserschläuchen begann (es gibt immer was zu tun). Dann: „Reinschiff
Keramik“ (Toiletten + Duschen). Das ist mir bei dem Seegang auch übel geworden.
Das Schiff schaukelte wie wild und dann saubermachen in der engen Duschkabine3.
Habe gedacht: muss das sein? Gehört das wirklich dazu, kann es nicht ohne? Aber
watt mutt datt mutt und gemeinsam geht’s auch recht schnell.
Dafür anschließend die Belohnung: Segelsetzen. Klarmachen Obermarssegel am
Großmast: Ich melde mich sofort freiwillig. Von oben sehe ich die Wachkollegen die
2
3
Üblicherweise Feinbrassen nach einer Halse und zuvor weggenommene Stagsegel wieder setzen.
Unter Deck ohne Blick nach draußen – sehr ungemütlich bei Seegang.
anderen Segel setzen. Vorstengestagsegel, Außen- und Innenklüver, Großstengestagsegel. Dann, als wir wieder unten waren, Gerhard und ich, wird das Obermars
gesetzt (Obermarsfall).
Zu Gerhard: A rechter Schwob, aus der Nähe von Pforzheim. War früher
Landvermessungsingenieur (Vermessungsamt). Jetzt ist er pensioniert und wandelt
sich zum urigen Seebär. Er ist ca. 65 Jahre4, vielleicht etwas älter, und bereits auf der
Sorlandet gesegelt. Wenn seine Frau ihn „springen“ lässt geht er segeln. Er ist so
nach meinem Geschmack, würde auch gut in die Kegeltruppe passen. Wir liegen in
der selben Kammer und gehen die selbe Wache und verstehen uns prima (ond
schwätza Schwäbisch dasses kracht).
Jetzt die Wache: es gibt drei Wachen: 00-04, 04-08 und 08-12. Für jede Wache
gibt es einen sog. Toppsgasten und einen wachhabenden Offizier, den Steuermann.
Es gibt insgesamt 4 Offiziere an Bord: Arno, der Kapitän, Wolfgang, 2. Steuermann,
Martin, 3. Steuermann sowie Gerd, 1. Offizier (Steuermann). Meine Wache führt
Wolfgang, unterstützt durch Uta, die Toppsgast“in“. Uta setzt die Befehle5 des
Steuermanns um, z.B. Brassen – die Trimmung der Segel verändern - oder Segel
bergen (niederholen).
In unserer Wache sind wir zu acht (Volker – der Zimmermann, Gerhard, Alia –
die Tiermedizinstudentin, Anne – die Tierärztin, Heiko – der „Forstverwalter“,
Nadja – die Architekturstudentin, Jonas – der undurchschaubare und ich). Es gibt
jeweils zwei feste Rollen an Bord, die jeweils durch die Wache im ½ Stunden
Rhythmus geleistet werden: Ausguck und Rudergänger. Der Ausguck sitzt auf dem
Vorschiff auf den vordersten Nagelbänken und hält Ausschau. Wenn etwas gesehen
wird, wird dem Steuermann Meldung gemacht (z.B. Segeljacht 2 Strich Steuerbord
voraus). Der Rudergänger hält das Schiff auf Kurs. Das ist schon alles eigentlich. Der
Steuermann gibt einen Kurs vor (z.B. 350 Grad) und der Rudergänger soll ihn halten.
Das heißt, man schaut eigentlich nur auf den Kreiselkompass und versucht durch
ausgleichende Ruderbewegungen das Schiff auf Kurs zu halten. Der Ausguck ist ja
das „Auge“ des Schiffs (daneben das Radar...).
So, nach der Wache habe ich noch mal Glück gehabt: ich hatte meinen Gurt
noch um, und die nachfolgende Wache suchte noch freiwillige für das Klarmachen
des Bram- und Royalsegels am Vortopp. Ich durfte dann mit auf die Bramrah.
Schwere Arbeit bei schlingerndem Schiff aber tolle Aussicht! Das Fußpferd6 war zu
lang für mich, so dass ich Schwierigkeiten hatte noch festzuhalten, die Zeiser 7
loszumachen und dann wieder unter dem Segel zu sichern.
Mit ein paar tollen Fotos, Segeleinweisung und Tagebuch schreiben geht ein
ereignisreicher Tag zu Ende.
4
Lt. Nachfrage am 18.01.01. ist er Baujahr 1925, also 76 Jahre alt. Alle Achtung!
Es gibt keine Befehle auf der Roald, nur Kommandos...
6
Das Fußpferd ist ein lederummanteltes Stahlseil, das unter den Rahen verläuft. Darauf wird gestanden, wenn
man in den Rahen Arbeit zu verrichten hat.
7
Eigentlich „Zeising“, allgemeiner Fachbegriff an Bord der Roald Amundsen für Sicherungsseile mit einem
Auge.
5
18. Februar 2001
Zweite Nachtwache 00-04. Es versprach recht ereignislos zu werden. Bin
Ausguck gegangen und zweimal Ruder. Dazwischen Witze und ein Gespräch mit
dem Steuermann Wolfgang – ein pensionierter Theologe (Berufsschule), der die
Liebe zum Meer/Segeln entdeckt hat. Dann um ½ Fünf todmüde ins Bett.
Jetzt sitze ich in der schwankenden Messe – 6 Windstärken, 7 ½ Knoten, starker
Seegang. Gleicht gibt’s Mittag – danach Wache.
Oops, jetzt ist es doch passiert – war zu lange unter Deck (s. obige Zeilen) und
Kaffee auf nüchtern Magen – da hing ich über der Keramik. Das gute daran:
anschließend hab’ ich Rouladen mit Rotkraut und Kartoffeln und Soße gegessen und
das blieb drin (hatte ja auch Hunger).
Die Wache 12-16 Uhr verlief „arbeitslos“. Ich bin über 1 Std. Ausguck
gegangen: Die weite des Meeres, unendliches Blau. Der Seegang ein ständiges Auf
und Ab und Links und Rechts. Stehe auf dem vorderen Niedergangshaus und trotze
dem Wind und „fliege“. Ein irres Gefühl. Hab’ die ganze Wache fast nur
rausgeschaut.
Auch heute wieder hieß es nach meiner „offiziellen“ Wache: Segelsetzen. Ich
bin (freiwillig gemeldet) auf die Vor-Royal-Rah (ganz ganz oben8). Habe Fotos
gemacht von oben, hoffe, die werden was! Ich war mit Victor oben (aus
Friedrichshafen – Maschinenbauer) der etwas Schwierigkeiten hatte (er ist zu groß...).
Aber nach einiger Zeit war auch das geschafft.
Es schaukelt irre da oben9 – das ist toll – und die Aussicht rundum und nach
unten ist atemberaubend. Man ist ganz sich selbst überlassen da oben. Und die Weite
gibt einem das Gefühl von schier grenzenloser Freiheit. Und unten wartet die kleine
Heimat.
Jetzt ist bald Abendessen. Danach duschen. Morgen hab’ ich den ganzen Tag
Backschaft.
19. Februar 2001 „Backschaft“
Backschaft. Ich wusste vorher nur ungenau was das heißt. Jetzt weiß ich es.
Und: der einzige Vorteil ist, dass man wachfrei hat und ich bis 05:45 durchschlafen
konnte.
Und nach frischer Luft schnappen ging es auch schon los (ohne Kaffee ohne
alles). Frühstück machen: Tisch decken, Kaffee und Tee kochen, Wurst, Käse, Butter,
8
9
Mastspitze über Wasserlinie 34 Meter.
Geschätzte 6 Meter Ausschlag zu jeder Seite bei entsprechendem Seegang.
Obst, Tomaten und Paprika. Zu dritt geht es schnell: Barbara, 38 Jahre alte GrafikDesignerin aus Köln10 und Siegfried, 47 Jahre alter Chemiker aus Bad Homburg11.
Dann, nachdem wir auch
allerdings Vorbereitung zum
schneiden, Kartoffeln schneiden
Käse. Und das alles in zwei
Großküche!
gefrühstückt hatten, kurze Pause. Kurz danach
Mittagessen. Kartoffeln schälen, Blumenkohl
– Auflauf mit Bechamel-Soße und überbackenem
großen Backformen für 37 hungrige Mäuler –
Das war sehr schweißtreibend in einer sehr schwankenden Küche. Es ging im
hinteren Deckshaus, wo sich die Kombüse befindet, wild hin und her. In der
Kombüse sind zwei Strecktaue gespannt, wo man sich festhalten kann. Da der Boden
glitschig ist, rutschen wir in der Küche (Kombüse) hin und her. Es ist witzig und
anstrengend zugleich, da alles länger dauert und man ständig Gefahr läuft, dass
etwas verschüttet wird oder ausläuft. Aber wir sind ein gutes Team, das in zwei
Fuhren das Mittagessen an den „Mann“ bringt – etwas später als sonst (12 Uhr). Und
wir bekommen Lob für das Essen.
Am Abend werden wir auch noch vom Kapitän (Arno) gelobt – für eine tolle
Backschaft. Nach dem Mittag lege ich mich ziemlich erschöpft auf Deck in die Sonne.
Bekomme dadurch reichlich der solchen auf die Haut. Danach Abwaschorgie Nr. 2
(insg. 4 mal an dem Tag). Darauffolgend muss Kaffee (und Kuchen vom Smut12)
gemacht werden. Der Kaffee wird um 15:30 Uhr an Deck serviert (sofern das Wetter
es zulässt).
Während dem Kaffee laufen wir in Sta. Cruz de la Palma ein. Alle Segel werden
geborgen (von der Wache...) und das Schiff am Kai festgemacht. Der Kapitän hält
eine kurze Ansprache – lobt alle Beteiligten für den tapferen Einsatz drei Tage und
Nächte auf See und gibt ein „Hafenbier“ aus! Das schmeckt!
Aber dann muss noch das Abendbrot gerichtet werden. Wieder für 37 „Mann“,
die Essen wie die Scheunendrescher (am besten geht Hering in Tomatensoße). Nach
dem Abwasch ist allerdings alles für heute getan. Nach 14 Stunden Backschaft-Dienst
beginnt dann auch für mich der Landgang.
Jetzt sitze ich an der Pier vor der Roald und schreibe Tagebuch. Habe
Hafenwache von 00-02 Uhr. Auch das noch... Aber Nancy singt mit ihrer Gitarre
Lieder auf dem Poller – dann geht’s.
20. Februar 2001
Heute Landgang. Wir sind zu siebt (Jörg, der Toppsgast, Sebastian, Nancy, Jens,
Lars, Alia und ich) mit einem Hyundai Galopper über die Insel La Palma. Eine
wunderschöne Insel auf der ich noch mal mehr Zeit verbringen möchte. Jörg zeigte
uns eine Schlucht, in der wir ca. 1,5 Std. gewandert und geklettert sind (Los Tilos).
10
Hatte an dem Tag auch noch Geburtstag
War mit Heiko bereits segeln... andere Geschichte
12
Smut war auf dieser Fahrt Andreas, der Maschinist
11
Dann sind wir in San Andres zum Mittagessen in eine Bar – auch Jörg’s Tip, der
die Insel von Törns in den vergangenen Jahren noch kennt. Wir saßen mit
wunderschönem Blick auf die Iglesia de San Andres und das Meer, leicht erhöht. Ein
ruhiger (verträumter) Ort – kaum bzw. keine Touristen außer uns.
Wir sind anschließend in einer langen Tour der Nordküste entlang
(wunderschön grün, zerklüftet) nach Westen gefahren. Im Auto haben wir gesungen:
den Text am besten Lars und Nancy, alle anderen die Refrains – toll! Wir hatten viel
Spaß im Auto. Zum Abschluss sind wir noch an den Calderra-Krater gefahren, ein
implodierter Vulkan hat eine beeindruckende Landschaft hinterlassen. Sehr
pflanzenreich (überwiegend Pinien). Dort sind wir ein bisschen umhergewandert,
um anschließend zum Schiff zurück zu kehren.
Abschluss mit Rum-Cola auf der Pier. Toller Tag!
21. Februar 2001
Ich sitze gerade auf der ersten Saling13 des Vortopps und lasse es mir nach der
12-16 Wache gut gehen! Wir motoren die Süd-/West-Küste von La Palma hoch
(Windschatten) und hier oben hat man einen schönen Blick auf die Küste. Ich habe
meinen Belegplan mitgenommen und lerne. Will ja schließlich Stammcrew-Mitglied
werden.
Nach dem auslaufen haben wir Segel gesetzt (war wieder „oben“ zum
Klarmachen) und an die Südspitze von La Palma (Leuchtturm) gesegelt. Von da ab
sind wir „motort“. Es gabv viel zu tun: Brassen und alle Segel wegnehmen. Das
dauert so alles in allem 1 Stunde inkl. aufklaren, d.h. aufschießen allen laufenden
Gutes auf die Belegnägel14.
22. Februar 2001
00-04 Wache verläuft ereignislos. Das aufstehen fällt mir recht schwer (wen
wundert’s). Ich gehe so gegen 19 Uhr ins Bett und um 23:30 Uhr ist wecken. Nach der
Wache schlafe ich über das Frühstück hinweg bis ca. 09:30 Uhr. Während der Wache
passiert nicht viel. Bin 1 Std. Ausguck gegangen. Ich war zwar müde aber das
beobachten der Sterne und des Wassers macht Spaß. Mit Gerhard habe ich den
großen Wagen, den Polarstern, den kleinen Wagen, den Orion, den Sirius, die Vega
(„Himmels-W“) gefunden.
Die Ablösung vom Ausguck war endlich um 2 Uhr mit Mousse-au-chocolat
(„Querfraß“, was eigentlich verboten ist). Mit Schwätzchen vergeht die Zeit so
langsam bis wir um 04:15 Uhr ins Bett fallen können.
Plattform am Mast – nicht zu verwechseln mit dem Ausguck oder „Krähennest“, wie fälschlicherweise
angenommen wird.
14
Auch der Begriff „aufschießen“ ist nicht allgemein verständlich: damit ist einfach „aufräumen“ an Deck
gemeint.
13
Der Wachwechsel verläuft übrigens so: die beiden Wachen stellen sich
gegenüber auf und der Wachführer15 der noch aktiven Fahrwache berichtet über die
vergangenen 4 Stunden (Kurs, zurückgelegte Strecke, Wind- und Wetterverhältnisse,
durchgeführte Manöver sowie besondere Vorkommnisse). Dann wünscht „die
aufziehende Wache der abziehenden Wache“ eine „gute Wacht“, wonach die
aufziehende Wache der abziehenden Wache eine „gute Ruh“ wünscht.
Während der 12-16 Wache war heute einiges los. Der Kapitän hat uns heute
eine Fotosafari ermöglicht. Das heißt mit dem Dingi16 ausfahren und von See aus
Fotos vom Schiff unter vollen Segeln machen können. Das hört sich einfach an,
erfordert aber viel Arbeit, da wir insgesamt 4 Fuhren machen, um allen die
Schnappschüsse zu ermöglichen.
Folgendes Vorgehen17, nachdem das Dingi ausgesetzt worden ist:
1.
2.
3.
4.
5.
Großtopp Backbrassen, um Fahrt raus zu nehmen.
Dingi ausfahren lassen
Großstengestagsegel und Bramstagsegel setzen
Großtopp anbrassen
Fock setzen
Um das Dingi wieder anfahren zu lassen wird das ganze wieder umgekehrt
durchgeführt (rückgängig gemacht), um Fahrt raus zu nehmen. Aber abgesehen
davon, dass das Erlebnis das Schiff von außen zu sehen toll ist, machen die Manöver
Spaß und üben in der Seemannschaft. Lieber was zu tun als während der Wache nur
rumsitzen.
Alles andere als rumsitzen nach 16 Uhr. Bei gutem Wind (4-5) und allen Segeln
stand vor Teneriffa eine Wende an. Ein schwieriges Manöver, da alles sehr schnell
gehen muss. Es galt „all hands“ und alle waren auf vorher abgestimmte Positionen
eingeteilt. Dirk (Briggsegel), Großtopp-Brassen, Vortopp-Brassen und VorsegelSchoten.
Ich war an den Brassen zum überholen der Rahsegel eingeteilt. Insgesamt
standen wir zu siebt an den Brassen. Auf Kommando ging dann alles recht gut. Auch
einige von den erfahreneren Nautikern hatten mit der Roald noch keine Wende
gefahren und man war recht zufrieden. Aber erledigt – war ganz schön anstrengend.
Aber als dann gewendet war lag das Schiff hart am Wind – fantastisch! Das ist
Segeln – unter Vollzeug! Dann war aber noch nicht Schluss: bei strammem Wind
erforderte das Trimmen des Schiffs alle verfügbaren Kräfte. Zum Abschluss war ich
dann noch mal auf der Royal zum Segel wegnehmen. Mit dem Kapitän! Der hat mir
auch gleich lautstark Tips gegeben (man könnte auch „Anschiss“ sagen?).
15
Steuermann und Toppsgast teilen sich das auch auf: Steuermann zu Navigation, Toppsgast zu Seemannschaft.
Beiboot
17
insgesamt natürlich 4 mal mit „all hands“
16
Nach dem Abendbrot endete der Tag mit einem stimmungsvollen
Sonnenuntergang vor Wolken und vor dem weiten Meer und dem Schattenriss von
La Gomera.
Das einmalige an diesem Törn ist auch, dass ich vieles zum ersten Mal in
meinem Leben erlebe.
23. Februar 2001
Die 00-04 Wache verläuft ereignislos – zumindest bis 4 Uhr. Dann wird mit der
nachfolgenden Wache noch eine Halse gefahren und wir können (endlich) ins Bett.
Der nächste Morgen beginnt windig und bedeckt. Ich gehe in meiner aktiven
Wache 1 ½ Stunden Ruder – macht großen Spaß! Und ich spare mir Reinschiff!
Wir laufen am Abend La Gomera an, den Hafen San Sebastian. Nach getaner
„all hands“ Aufräumarbeit gibt’s wieder ein „Hafenbier“. Mit Victor ziehe ich dann
los ins Städtle (Victor kommt aus Friedrichshafen – segelt aber nicht. Sollte ich doch
meinen alten Plan wiederbeleben und nach Friedrichshafen ziehen?).
Im Städtle treffen wir noch nach einigen Irrungen und Wirrungen Anne,
Barbara, Andreas und Siegfried und verleben nette Stunden bei Wein und Käse in
einer Bar. Wache habe ich keine!
24. Februar 2001
Ich habe am Vorabend mit Heiko ausgemacht, dass wir wandern gehen. Route
nach Empfehlung von Andreas. Es werden dann mit Jens, Lars und Daniela 5 und
wir lassen uns von einem Taxi zum Ausgangspunkt „Pajero“ auf 1.200m bringen.
Und dann begann einer der schönsten Wandertage, die ich je erlebt habe! Wir
beginnen mit dem Aufstieg auf den Garajonay auf 1.486m bei Nebel. Über dem
Lorbeer- und Zedernwald hängt ein feuchtkühler Nebel, der dort oben alles recht
feucht hält. Deshalb sind die Bäume von Moosen und Flechten überzogen. Es sieht
alles sehr „urwaldmäßig“ aus.
Vom Gipfel (ohne Aussicht) geht’s bergab nach El Cedro wieder auf ca. 1.100m.
Dort angekommen, öffnet sich das Tal. Wir verlassen den Wald und haben einen
prächtigen Ausblick auf das Tal und dahinter das Meer. Im Hintergrund sieht man
Teneriffa! Während ich dies schreibe kann ich gar nicht die Freude und Entzückung
wiedergeben die ich dort hatte. Ich war begeistert und ließ es alle wissen (übrigens
gutes Team – nette Leute). Die lächelten ob meiner ausgesprochenen Begeisterung,
die ich immer wieder kund tat.
Wir machten Rast bei einer Bar mit besagtem Ausblick. Bei Vino Tinto und
Thunfisch a la plancha ging es uns fabelhaft. Von dort ging es eine atemberaubende
Schlucht hinunter auf einem schmalen Serpentinenweg, der mit schweren
Bruchsteinen ausgelegt war. Mit Blick zurück auf die Steilwand mit ca. 300m tiefem
Wasserfall und Blick voraus auf das Tal und das Meer stockte uns allen der Atem.
Jeder war begeistert! Vor allem Heiko und ich waren einig in unserer Freude.
Der Abstieg war schwierig weil sehr steil (gutes Oberschenkel-Training –
morgen werde ich es spüren). Wir gingen immer weiter bergab bis El Cabo auf ca.
500m. Die Vegetation hatte sich komplett geändert auf Subtropisch (Palmen,
Kakteen, Schilf, Orchideen, Bananen – ein unermesslicher Pflanzenreichtum).
Unten angekommen sahen wir den Bus gerade davonbrausen und gingen
davon aus (lt. Reiseführer), dass der nächste erst gegen 19 Uhr kommt. Das wäre zu
spät für das Schiff. Also entschlossen wir uns zu trampen und teilten uns in 2
Gruppen. Jens und ich hatten Glück – es kam doch noch ein Linienbus. Die anderen
wurden nicht mitgenommen, fanden aber eine Mitfahrgelegenheit.18
Am Schiff angekommen hieß es nach kurzer Ruhe und Abendbrot „klar zum
auslaufen“ und um 21 Uhr (jetzt) sind wir bereits wieder auf dem Meer mit Ziel Gran
Canaria.19
25. Februar 2001
00-04 Wache verläuft ruhig, nachdem wir Segel weggenommen haben, um um
die Südspitze von Teneriffa herum zu motoren. Am morgen nach einer erfrischenden
Dusche wache ich so langsam auf bis zum Mittagessen. Dann Wache.
Wir müssen alle Segel bergen und verpacken. Dabei hilft unserer Wache
niemand (sonst immer mit Freiwache oder „all hands“) und es wird eine Plackerei.
Danach Reinschiff „Messen und Niedergänge“. Danach wegnehmen der restlichen
Segel (Vorsegel, Stagsegel). Wieder hilft niemand mit, sondern sie sonnen sich und
singen Lieder. Ich bin echt sauer und K.O. Dann gehen endlich vor Port Mogán auf
Gran Canaria die Anker zu Wasser und meine Wache ist beendet.
Hm- obwohl das Wetter super ist kann ich mich nach der Arbeit nicht so recht
freuen. Werde wohl schwimmen gehen und danach ins „Städtle“ mit dem Dingi an
Land gehen.
Das Baden war toll! Tarzan-Sprung mit der Fock-Schot über die Rah-Nock und
Sprung von der Spitze des Klüverbaums (9 Meter, in Worten: neun) – das
entschädigt.
Um 18 Uhr dann ins „Städtle“. Port Mogán ist eine Marina, die extra angelegt
wurde. Obwohl architektonisch durchdesigned wie einst Karlsruhe oder Mannheim,
Wir überholten die andere Gruppe mit dem Bus aber der Busfahrer wollte nicht anhalten auf unser rufen – er
meinte (und damals konnte ich noch kein Spanisch) irgendetwas von „umsonst mitfahren geht nicht“ ... ?
19
Es passiert und ich erlebe so viel, ich könnte noch viel mehr schreiben – aber es soll reichen... muss halt im
Kopf bleiben – wird’s auch!
18
ist es sehr nett dort. Der Tag schließt mit einem guten Essen (Gambas al Ajillo und
Calamares a la Plancha) und reichlich Rotwein von Gran Canaria.20
26. Februar 2001 „Rosenmontag“
Rosenmontag bei strahlendem Sonnenschein und 23 Grad am morgen.
Postkarten Sonnenaufgang durch das Bullauge der Kombüse: habe Backschaft!
Nancy malt uns karnevalistisch an und wir haben alle Kombüsenjacken an.
Arno macht Pfannkuchen und singt zu Freddy Quinn – wir haben riesen Spaß!
Danach sonnen und baden... ums Mittag muss ich mich nicht kümmern, erst zum
Kaffee bin ich wieder aktiv.
Zwischendurch ist „Eimerwaschen“ dran. An langer Leine die Abfalleimer
auswaschen. Beim „aufditschen“ geht mir ein Eimer verloren, da der Henkel gerissen
ist (Knoten haben gehalten!).21
Das Abendessen erfordert noch mal all unsere „Backschaftskraft“ und gegen 20
Uhr sind wir endlich fertig – nach Hunderten von Tellern, Tassen und Besteck.
Das Wasser ist am Abend spiegelglatt – kein Wind. Im Licht des
Sonnenuntergangs sieht das Meer grünblauviolett aus mit langgezogenen
Spiegelwellen. Ein Schiff erscheint aus der Ferne. Der Unterschied zwischen Wasser
und Himmel ist fast nicht zu erkennen und so meint man, das Schiff erscheint aus
dem Nichts – grandios. Auf dem Atlantik ein seltenes Schauspiel, wie auch die
„Altvorderen“ meinen. Saumüde falle ich in die Koje.
27. Februar 2001
Ich werde zur Wache geweckt. Wir treiben auf dem Spiegelmeer – fast
regungslos ohne Wind. Verkürzte Wache. Gerhard, Uta und ich bis 2 Uhr. Die Sterne
„waschen“ sich im Meer – ein tolles Schauspiel. Der Mond und der Abendstern (?)
kristallklar . Beim einwerfen des Wasserthermometers entsteht ein Feuerwerk aus
phosphorisierten Leuchtalgen – „Kinoprogramm an Bord“.
Der Wind ist auch am morgen noch nicht da... wir dümpeln und alle sind träge.
Blöde Sprüche werden gemacht, da gehe ich unter Deck lesen. Was ist das für ein
Unterschied für die „Moral“ an Bord, wenn richtig Wind ist und gearbeitet werden
muss!
14:45 Uhr. Jetzt ham’ wir die Segel weggepackt und liegen wieder im Hafen von
Sta. Cruz. Nach dem Hafenbier noch mal „Reinschiff Keramik“. Stimmungsdrücker.
Heute Abend ist grillen angesagt – Abschiedsstimmung.
Mit Barbara, Andreas, Siegfried, Wolfgang, Victor und Anne. Später kommt Gerhard noch auf ein „Viertele“
dazu...
21
Wir sind bereits wieder auf See...
20
Nach dem grillen (nett) sind wir noch nach Sta. Cruz zum „Carneval“
gegangen. Wir mussten feststellen, dass a) alles schon vorbei war (Umzug, Kostüme),
b) überalle die gleiche, viel zu laute Musik gespielt wurde und c) es fast leer und
müllig war. Na ja, nach einiger Zeit bin ich zurück zum Schiff. Da habe ich noch
Siegfried und Gerhard getroffen. Wir haben eine selbstgedrehte Zigarette geraucht,
uns gut unterhalten (Gerhards Erlebnisse der letzten Kriegswochen +
Gefangenschaft) und dann bin ich um 2 Uhr ins Bett.
28. Februar 2001
Aus die Maus. Verabschiedungen und formell-feierliche Kapitänsübergabe.
Walter22 verliest die Übergabe von Arno and Gerd und die Besatzung steht in einer
Reihe Spalier.
Ja und dann geht der Tag vorbei – irgendwie. Neuer Stamm kommt und die
alte Crew geht (schluchz – ich hasse Abschiede). Abends zwangssaufen, aus dem ich
micht raushalte. 00-02 Wache und noch’n Feuerwerk.
Postamt-Odyssee Teil I. Am Nachmittag habe ich mich zu Fuß noch auf den Weg
gemacht zum Postamt. Poste-Restante, also postlagernde Briefe hatte ich meine
Freunde und Familie motiviert mir zu senden. Doch das Hauptpostamt am Plaza
Major hatte wegen Umbau geschlossen und so musste ich unverrichteter Dinge
wieder umkehren (Teil II siehe 01. März).
01. März 2001
Am morgen fahren Andreas und ich zum Supermarkt – Bunkern ist angesagt.
Mit einem uralten Fiat Fiorentino Kastenwagen geht es los (eine Frechheit für das
alte Teil einen vollen Mietpreis zu verlangen).
Die Proviantliste siehe separat. Wir waren einen ganzen Tag beschäftigt. Mit
zwei großen Einkaufswagen sind wir 10 mal zum Auto gegangen mit einem
Zwischenstopp beim Schiff (Der Fiat drohte uns unter dem Gewicht
zusammenzubrechen und so haben wir erst mal einen Teil zum Schiff gefahren).
Aber es war hochinteressant das Proviantbunkern mitzuerleben. Harte Arbeit – habe
geschwitzt wie ein Ochs und war richtig fertig.
Dann nach dem Abendbrot – die Postamt Odyssee ist zu Ende. Mit dem Fahrrad
der Roald das Oficina de Correos gefunden, das die postlagernden Briefe hat. Zwei
für mich – von Mum und von Antje Kelm. Toll!!!
Dann an Bord noch mit ein paar neuen Leuten zusammengesessen – machen
einen netten Eindruck. Bald sicher wird man alle wieder gut kennen. Ich bin
gespannt. Habe 04-06 Wache mit Claudia – sehr nettes Mädel. Mal sehen...
02. März 2001
22
Bootsmann auf diesem Törn
Üble Hafenwache 04-06 Uhr. Am morgen der Entscheid: wir laufen wegen
zuviel Wind nicht aus – Mist! Dröges Gammeln an Deck. Am Nachmittag weiterer
Entscheid (mein eigener): ich packe den Sportboot-Führerschein See an und nicht
zeichnen. War das richtig? Bin eigentlich zum Segeln da.
03. März 2001
Endlich wieder auf See aber bei wenig Wind. Nach all-hands Segel setzen kehrt
jetzt der ordentliche Schiffsbetrieb wieder ein.
Ich merke schon, dass ich mich gut auskenne und die Stammcrew bei der
Einweisung der Trainees unterstützen kann. Ich werde von einigen bereits auch
schon gefragt.
04. März 2001
Auf diesem Törn habe ich 04-08 Wache. Das bedeutet um 3:40 Uhr geweckt zu
werden (ächz). Dafür aber wieder “Stern- und Wassermeer“. Heute klarste Nacht seit
Anbeginn meiner Seemannschaft mit sichtbarem Milchstraßengürtel! Wie bei der
Hafenwache bereite ich den Brötchenteig zu (mit Horst). 23
Dann heißt es „klarmachen der Vorbram und Vor-Royal“ und ich erlebe dort
oben den Sonnenaufgang – genial!
Danach Frühstück, Duschen und Sportboot-Führerschein-See (SBS) sowie
Zeitung vom 2. März lesen. Ich stelle fest, das mich das überhaupt nicht interessiert –
Sport/Fußball noch am meisten! Zum Thema Uhrzeit und Tag: ich weiß zumeist
nicht, welcher Wochentag es ist. Heute ist z.B. Sonntag – es gab Ei zum Frühstück.
Und ich habe selten eine Uhr an, so dass ich auch selten weiß, wie viel Uhr es genau
ist. Zur Wache werde ich geweckt und auch die Ablösung ist klar. Tagsüber Glasen
und „Bimmeln“ mit der Schiffsglocke zum Essen. Das es mir egal sein kann, wie viel
Uhr an welchem Wochentag es ist, ist ein schönes Gefühl. Das Gefühl von
Ungebundenheit in Verbindung mit der schier grenzenlosen Freiheit des Meeres!
Jetzt liegen wir vor Fuerteventura auf Anker. Nach einem Nachmittag bei
schönem Segelwetter (gut Wind) sind wir durch die Meerenge zwischen Fuerte und
Lanzarote durch. Dies ist nur ein Zwischenstopp (aber immerhin gab es ein
Ankerbier von Karin und Manni).24 Morgen früh geht es weiter nach Norden zu
einem Ankerplatz von Lanzarote. Bin gespannt, würde aber lieber mehr segeln...
05. März 2001
23
Haben Wale gesichtet: zwei (kleinere) Pottwale waren schnaufend nur etwa 150-200m vom Schiff entfernt.
Mein erstes Mal. Später auf der Walkarte erkenne ich allerdings, dass es auch Grindwale gewesen sein könnten...
24
Viel Arbeit beim Segelbergen, ich bin richtig müde (wie so oft).
Die Pläne haben sich aufgrund des Wetters geändert. Der Wind hat gedreht
und wir haben bereits in der Bucht strammen Südwind. Der würde uns zwar nach
Lanzarote bringen, aber dort an der Ostseite zu Ankern wäre bei dem heftigen SüdSchwell (Seegang durch Südwind) nicht gut möglich. Also dampfen wir südwärts,
um um die Südspitze von Fuerteventura nach Gran Canaria zu kommen.
Unter Motor ist es gegen die Dünung recht ruppig und als wir die Vorsegel
sowie das Großstengestag setzen, um einen schnelleren Kreuzkurs zu fahren,
kommen sogar Seen über. Das so recht ruppig anmutende Wetter (was es eigentlich
gar nicht ist) macht Spaß. Ich helfe in meiner Regenkombi bei einer Halse und mache
dann nach dem Mittagessen ein Schläfle...
Wir haben bereits seit zwei Tagen einen Gast an Bord25. Eine Taube stapft recht
zutraulich auf der Suche nach Futter auf dem Deck herum. Der Bootsmann Jens-Peter
hat sich ihr angenommen und versorgt sie entsprechend.
Abends spielen wir UNO. Ich verliere . Wünsche der neuen Wache
fälschlicherweise „gute Ruh“. Alles lacht und wir wiederholen die Übergabe .
06. März 2001
In der Nacht haben wir erneut vor Fuerte geankert, da der Wind zu stark
nachgelassen hat und der Kapitän nicht die ganze Nacht durchmotoren wollte. Wir
sind heute morgen noch etwas näher gekommen, um die badewilligen auszulassen.
Ich durfte heute Nacht durchschlafen, hatte keine Ankerwache. Bin also
ausgeschlafen, werde aber an Bord bleiben. In ca. 3-4 Stunden soll es weitergehen,
um unter Segeln Gran Canaria anzulaufen.26
Um 13 Uhr hieß es all-hands zum Segelsetzen. Inkl. Brassen, Vorsegel, aller
Rahsegel und wieder Brassen hat das ganze ca. 2 Stunden gedauert. Und das war gut
– der Kapitän hat uns anschließend gelobt. Ich war wieder auf der Royal – ein geiles
Gefühl.
Endlich wieder unter Segel – bin richtig süchtig danach! Aber nur kurz war die
Freude, schon nach kurzer Zeit war nach des Käpt’ns Meinung27 der Wind zu stark,
dass wir die Royals und die Bramen wegnehmen mussten (meine Meinung: Wind
war gerade richtig).
Beim einholen der Vor-Royal hatte sich was verklemmt. Ich hatte es gesehen
und durfte rauf zur Behebung! Dann einpacken Royal und Bram. Kurz darauf war
der Wind völlig eingeschlafen!! Also wieder rauf und restliche Segel einpacken. Das
ist richtig schwere Arbeit da oben, vor allem wenn man so oft und so viel rauf muss
und wegpacken muss. Als dann nach dem Abendbrot noch die Vorsegel wieder
gesetzt werden mussten (ok – nur das Vor- und Großstengestagsegel) war ich so
richtig groggy!
Blinder Passagier – eine Brieftaube.
Hat nicht geklappt mit dem Baden. Anker hält nicht im Sand...
27
Käpt’n war ultra vorsichtig, hat jedes Risiko ausgeschlossen.
25
26
Und dann noch der Lohn der harten Arbeit (wurde von mehreren als sehr
engagiert bezeichnet): der Kapitän Gerd nimmt mich zur Seite und sagt: „also auf
dem nächsten Törn fährst Du garantiert als Stamm, das wollte ich Dir mal sagen.
Was Du geleistet hast...“. Und da ich erst als Stammanwärter fahren sollte, ist das
eine große Auszeichnung, wie ich finde. Die Umstehenden waren beeindruckt – und
ich nehme das ja doch gerne an und zur Kenntnis. Aber ich selbst habe auch das
Gefühl, viel zu leisten, sehr einsatz- und lernwillig zu sein, und bereits über das
Schiff und wie es zu segeln ist viel gelernt zu haben. Bin ja auch bereits aktiv in die
Stammcrew eingebunden: bei den Wachen, dem Verschlusstrupp, der Backschaft, bei
Manövern nimmt sogar mancher Stamm mal hin und wieder meinen Rat in
Anspruch. Mit diesen Gedanken kann ich jetzt zufrieden und todmüde in den Schlaf
sinken.
07. März 2001
In der Nacht haben wir vor Las Palmas geankert (vor der Hafeneinfahrt).28 Den
ganzen Vormittag liegen wir dröge auf Reede und warten auf Einfahrterlaubnis.
Beschäftigungstherapien.
So, die Hafenbehörden wollen 7.800 DEM für 2 Liegetage an der Pier. Der
Kapitän wurde herbeizitiert. Der lehnt diesen Wegelagererpreis ab und so sind wir
unverrichteter Dinge wieder auf See. Auch gut – gleich heißt es wieder: „Segel
setzen“. Ziel: Puerto de Mogán. Nach einer Runde UNO falle ich ins Bett.
08. März 2001
„Backschaft“ – wieder einmal. Ziemlich zerknautscht begrüße ich Gisela und
Ulla, mein Team. Frühstück klappt prima, Brötchen sind gut. Mittagessen
Hühnerfrikassee mit Hilfe von Smut Karin. Am Nachmittag bekommen wir frei, da
wir am morgen bereits vor Puerto de Mogán Anker geworfen haben und die ganze
(fast) Crew auf Landgang ist.
Ich war heute der „Held der Dosenlast“. 7 mal musste ich da runter in das enge
Proviantloch! Die Dosenlast ist lang und niedrig - man kann gerade drin sitzen. Aber
muffig, kompliziert einzusteigen und einfach unbequem29. Jeder hasst es. Ich auch –
aber es gehört dazu.
Nach der Backschaft durfte ich mich in das Dingi einweisen lassen! Das hieß
das Tina Sebastian und mich zu „Fährenkapitänen“ ausbildete. Ich kam sehr gut mit
dem Boot zurecht: Ablegen, Passagiere aufnehmen. Anlegen am Steg, Anlegen am
Schiff, allgemeine Manöver etc. Die erste Fahrt war den Kapitän und den 2.
Steuermann an Land zu bringen. Prompt kam eine Welle über und machte den
Kapitän nass. „Musst Du üben, Frank, sagte er, kein Vorwurf“. Aber ich bin stolz das
28
29
Gran Canaria bei steifer Brise, das Schiff hat ganz schön an der Ankerkette gezogen...
Bei einem Ausstieg verletze ich mich am Schienbein. Noch heute (21.03. im Flugzeug) spüre ich den „Burren“.
so gut gemeistert zu haben30 – wurde gelobt von Tina und das abholen von Kapitän
und Steuermann klappte hervorragend, so dass sich die beiden bedankten.
Jetzt habe ich noch 2 Bier getrunken und werde gut schlafen. Das Schiff
schaukelt sanft unter dem Vollmond. Das war vom Dingi aus ein toller Anblick.
Morgen noch ein Liegetag und ich hab’ komplett frei (nach der Wache 04-06). Will
den Sonnenaufgang erleben und dann mal sehen...
09. März 2001 (Mutter’s Geburtstag nicht vergessen...)
Heute hab’ ich frei und nach einer großen Portion Müsli lasse ich mich an Land
bringen. Habe mir einen Weg ausgeguckt, den ich zu einem Aussichtspunkt gehen
will. Es ist ca. 11 Uhr und bereits recht heiß (da Windstill). Zuvor gehe ich aber noch
ins Internet-Cafe und ein Versuch Mutter anzurufen (besetzt). Dann los.
Der Weg führt mich außerhalb des kleinen „Dorfs“ bis ich eine
Serpentinenstraße links abgehen sehe. Das ist der Weg. Ich muss jedoch feststellen,
dass der Zugang für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Zunächst bin ich unschlüssig was
ich tun soll – sehe Menschen den Weg31 rauf- und runtergehen. Also entschließe ich
mich auch für den Aufstieg. Wieder mal ein guter „Frank-auf-eigene-Faust“
Entschluss.
Auf dem Weg treffe ich ein Deutsches Paar, das mir bestätigt, dass der Aufstieg
ein lohnendes Ziel hat. [Einschub: sitze gerade auf der Treppe des SteuerbordSchanzkleids und der Wind ist so toll, das sich das Schiff recht stark krängt – endlich
wieder richtiges Segeln mit 7 Knoten]
Auf den nicht zu steilen Weg brennt die Sonne nieder. Oben angekommen
stoße ich zu drei weiteren Deutschen, die sich über das Für und Wieder des
gesperrten Fahrwegs unterhalten. Es ist eine Zufahrtsstraße, die für eine geplante
Hotelanlage auf dem Gipfel angelegt wurde. Durch einen Baustopp blieb es bei der
Straße, die rechts und links von künstlich bewässerten Palmen gesäumt ist. Oben
steht dann auf einem Schild in vier Sprachen: „Privatweg – Zugang für Fußgänger
erlaubt“. Na also!
Ich laufe einen Fußweg an der Felskante Richtung Puerto de Mogán entlang
und dann öffnet sich der Blick auf den Hafen, Kliffs, das Meer und die Roald,
eingerahmt von weiteren Yachten. Ein grandioser Anblick! Und Ausblick! [erneuter
Einschub: gerade war ich bei besagten 7 Knoten zum beifangen des Segels auf der
Royalrah! Vor mir die See mit weißen Schaumkronen aufgewühlt und im
Hintergrund der Pico del Teide. Hinter mit die See und die sich entfernende Küste
Gran Canarias im Schattenriss. Und das Schaukeln und die Sonne – geil!] Ich bin
oben noch etwas herumgelaufen. Einsame, trockene Ödnis. Verzweifelt halten
zahlreiche knorrige Sträucher dagegen. Unter einer Abrisskante und später unter
dem Leuchtturm suche ich Schutz und Schatten.
30
31
Aber ultra peinlich war es schon...
eigentlich eine gut ausgebaute Fahrstrasse, aber eben abgesperrt.
Nach dem Abstieg muss ich erst mal was Essen und mich mit einem Eis
belohnen. Wasser hatte ich zum Glück ausreichend dabei. Dann rief ich Mutter an,
um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Sie zu erreichen hat mich sehr gefreut. Auch
Petra zu sprechen und die Kids im Hintergrund zu hören war schön. Abends (nach
Dingi-Dienst – „Frank Olsen Express“) bin ich mit ein paar anderen (u.a. Rolf und
Wolfgang) zum Essen gegangen. Das selbe Restaurant wie beim vorigen Törn.
Thunfischsalat (reichlich) und Schwertfisch-Filet von der Küste von Mogán – sehr
lecker. Dazu Canaria-Wein. Todmüde falle ich ins Bett.
10. März 2001
Traumwetter und Wind (siehe Einschübe vom 09. März 2001). Wir segeln! Ich
genieße und bleibe an Deck. Später bleibt der Wind weg und wir ankern über Nacht
vor Los Christianos32. Ich kann durchschlafen, obwohl wie gegen 7 Uhr bereits auf
dem Weg nach La Gomera sind (meine Wache).
11. März 2001
Gegen 10 Uhr laufen wir im Hafen von La Gomera ein (San Sebastian, der mir
vom vorigen Törn bekannte kleine Hafenort). Ich werde von Tina und Mathias und
Udo mit dem Dingi an der Pier ausgesetzt, damit wir die Festmacherleinen entgegen
nehmen können. Sie werden uns mit Wurfleinen zugeworfen und es muss alles
schnell gehen. Alles geht gut und Gerd unser Kapitän ist froh über sein erstes (!)
Anlegemanöver als Kapitän.
Nachdem ich geduscht hatte (war nötig) bin ich mit Rolf und Roland ins Städtle
gepilgert. Es war ja Sonntag und zur Siesta-Zeit (gegen 14 Uhr), so dass alles
gähnend leer war. Im einzigen offenen Cafe/Bar trifft „man“ sich auf ein Bier. Es ist
bestes Wetter, sehr heiß.
Auf dem Rückweg zum Schiff (16-18 Uhr Wache) lasse ich mir noch ein Eis
schmecken. Nach der Wache gehen Roland und ich zum „Parador“, einem
Aussichtsplateau und Hotel33, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Der
Sonnenuntergang war längst nicht so spannend wie die Wolkenformation, die sich
wie ein gigantischer Wasserfall ins Tal von San Sebastian zu wälzen schien.34 Noch
nie zuvor...
Nach einem weniger guten Essen im „Gomera Garden“ (nie mehr hingehen!)
mit gepanschtem Wein (Wasser) und mäßigem Fisch trinken wir noch einen
Absacker (Arehucas-Rum) in der „Grottenbar“. Auch das nicht so toll – aber die
Stimmung war gut (Rolf, Roland, Katharina, Claudia, Silke und ich). Danach falle ich
in die Koje – habe 04-06 Wache...
32
Südspitze von Teneriffa
Erhöht über San Sebastian – eigentlich irgendwie logisch...
34
Wie ich später höre, ein deutliches Zeichen für Schlechtwetter auf Gomera und La Palma. Und das Wetter
wurde ja auch richtig schlecht...
33
12. März 2001
Nach der Wache (langweilig – Fehler beim Brötchenteig machen) haue ich mich
nochmals hin, bis mich der Ruf „all hands an Deck“ aus dem Schlaf reißt. Ohne
Frühstück an Deck – mit etwas schlechter Laune. Aber ein großartiger Tag wartet!
Gemeinsam mit Mathias, Rolf und Roland (aus Biberach) ziehen wir los, um die
gleiche Tour zu machen, die ich bereits am 24. Februar entdecken durfte. Ich habe
damals schon gesagt: „die Tour laufe ich gleich noch mal“!
Diesmal hatten wir durchgehend Nebel und Regen – sogar der Aussichtspunkt
„Restaurante la Vista“ war in Nebel und Nieselregen gehüllt. Keine Aussicht in Tal
und Meer aber das Essen (Kressesuppe und Bauernsalat) hat trotzdem geschmeckt!
Auch der Abstieg beginnt neblig. Aber wir haben Glück – der Nebel reißt
kurz´auf und gibt den (Foto-) Blick auf den Wasserfall frei! Dann erwischt uns noch
ein heftiger Regenguss, der bis unten nach El Cabo anhält. Tolle „Dunst-NebelRegen-Palmen“ Stimmung! Die durchnässten Wanderer Mathias und Rolf sind
pitschnass – tragen es aber mit Fassung – ich und Roland haben wasserdichte Jacken
an, da werden nur die Hosen nass. Ein Hoch auf meine Jack Wolfskin – sie hält dicht
(für das Geld erwarte ich das natürlich – aber ein guter Test). In El Cabo rufen wir
uns mit „Mit-“ Wanderern Patrick und Kerstin (?35) ein Taxi zurück nach San
Sebastian.
Am Abend dann die Entscheidung des Kapitäns: Wegen starken Fallwinden
laufen wir nicht wie geplant am Abend aus – wir würden gar nicht von der Pier
wegkommen, der Wind drückt uns gegen die Pier.
Im Moment sitze ich in der Messe und die Fallwinde erreichen beständige 8
Windstärken. Im Hafen ist Sturm!! Es spielen sich unheimliche Szenen ab: eine Yacht
kommt kaum gegen den Sturm in die Marina und muss einer Fred. Olsen Express
ausweichen, die der Yacht ein internationales Notsignal tutet (7x kurzer Ton). Alle
aus der Messe kommen da an Deck – es könnte ja uns betreffen! Eine andere Fähre
hatte den Steuerbord-Anker ausgelegt, um von der Pier loszukommen. Unter großer
Anstrengung kommt schließlich auch das Heck frei – und das bei dieser großen
Fähre! Wenn das so anhält, kommen wir auch morgen nicht los. Es ist geplant, um 8
Uhr nach der Alex auszulaufen – mal sehen.
Apropos Alex: Alexander von Humboldt. Das „Becks-Schiff“ hat am morgen
direkt vor uns festgemacht. Am Abend bekomme ich Gelegenheit zu einer Führung
mit Sebastian, Babs und Manni. Wir werden ausführlich herumgeführt vom
Steuermann (Werner) und einem Stamm’ler (Stephan). Alles ein „bisschen“ größer
und feiner als auf der Roald. Insgesamt 57 „Mann“ Besatzung, schöne Messen,
Becksbier im Kühlschrank aber einiges wie auf der Roald. Viel mehr Stahl, weniger
„handgemachtes“. Die Oberdecks-Aufbauten lassen die ca. 15 Meter längere Alex
mächtiger erscheinen. Sie hat ja auch einen Besanmast mehr. Ein besonderes Erlebnis
– auf der Sail in Flensburg konnte man nicht an Bord, aber als Seglerkamerad...
35
Die beiden haben wir auf dem Weg getroffen, sie gehören nicht zum Schiff. Nette Rückfahrt.
Ein wunderschöner Tag ist zu Ende. Ich bin glücklich, dankbar und müde!
13. März 2001
So, da der Wind in der Nacht auf 11 Windstärken zugenommen hat (im Hafen!)
und auch am morgen noch Sturm herrscht, laufen wir auch heute noch nicht aus.
Die Schiffsführung ist in Aufregung um das Schiff. Die abreisenden
Besatzungsmitglieder in Sorge um die Heimreise. Bei den herrschenden
Windverhältnissen gibt es keine Chance Teneriffa bis zum nächsten morgen zu
erreichen. Diejenigen, die bereits am 14. März ab Teneriffa abfliegen, werden wohl
mit dem Fred. Olsen Express übersetzen müssen.
Der Kapitän entscheidet: wie bleiben auf La Gomera, auch der Crewwechsel
findet hier statt. Das bedeutet, die neuen Leute müssen auch von Teneriffa nach hier
übersetzen. Man ist halt abhängig vom Wetter [diese Zeilen schreibe ich im
halbdunkel der Kammer, da ich nicht zum Decksdienst „shangheit“ werden will –
ich habe so viele Dienste schon geschoben und um 10 Uhr gehe ich an die Pier
Trainees einfangen; 15.03.01, 09:15 Uhr].
Am Nachmittag laufe ich durchs „Städtchen“, bin ca. 1 Stunde in der Kirche
und denke an Vater, Mutter, Petra und familiy, meinen zukünftigen Wohnort
(München, Friedrichshafen oder Reutlingen) nach. Dann laufe ich gegen den Sturm
zum Leuchtturm (Faro). Da draußen tobt es und man hat Blick über die rauschende
See bis zum Pico del Teide (wie so oft ).
Am Abend dann das Captain’s Dinner. Wegen Wind unter Deck. Der Captain
gibt die Seemeilenbestätigungen aus. Meine ganz zuletzt mit besonderer Belobigung
und Aufnahme in die Stammcrew. Bekomme Applaus – bin stolz und freue mich. Als
Geschenk erhalte ich das offizielle Crew-T-Shirt in Blau mit weißer Schrift. Sieht gut
aus. Nach ein paar Bier bin ich müde und gehe zur Ruh.
14. März 2001 - BACKSCHAFT
Mit Claudi der Chaos-Frau habe ich Backschaft, nur zu zweit. Um 15 Uhr
wollen wir auslaufen. Die Alex läuft um 10 Uhr aus und ich schaue ihr auf der Mole
hinterher, wie sie mit gesetzten Untermarsen durch die Wellen peitscht. Tolles Bild!
Bei unserem auslaufen hangeln wir uns mühsam bis ans Ende der Pier, da der
Wind uns immer noch randrückt. Aber schließlich kommen wir los und die offenen
Wellen schließen uns (endlich) wieder ein. Ich gehe Ruder und bei dem extrem
starken Wellengang ist das wie das Reiten eines wilden Pferdes – toll, toll, toll!
Wir gehen mit Motor und Stagsegeln nach Los Christianos auf Teneriffa, um
die Trainees (und Rest-Stamm) abzuholen (bis nach Sta. Cruz schaffen wir’s nicht in
der Zeit). Nach bereits 4 Stunden sind wir da. Ich bin wieder Backschafter im weißen
Koch-Kittel und mache gemeinsam mit Mareike und Karin (Smut) Abendbrot. Als
neues Stammcrew-Mitglied spendiere ich das Ankerbier, das dankend und erneut
mit Applaus angenommen wird.
Dann bin ich so fertig, dass ich nur noch mit Mühe die Backschaft zu Ende
machen kann, dankenswerterweise von Ulla, Werner und Mareike unterstützt. Ich
falle todmüde ins Bett...
15. März 2001
06-08 Wache mit Sonnenaufgang und einem Ständchen (Let It Be) von Tina mit
Gitarre nur für mich! Gegen 10 Uhr soll ich zum Pier-Dienst von Bord: Dann mal
los...
Nix war! Das mit dem Pier-Dienst verzögerte sich und ich wurde zum Kojen
klarmachen (Betten beziehen) einberufen. Bin total sauer a) habe ich wirklich jeden
Dienst in den letzten 24 Stunden gemacht, sogar während der Backschaft und b) ist
das reine ABM, als ich an Bord kam, musste ich meine Koje selbst beziehen.36 Aber
ich lerne dazu und tue beschäftigt und diensteifrig – renne mit Eimer und Besen
durch die Gegend, so dass jeder mich gesehen hat.
Dann erwischt mich doch noch das Glück und ich werde zum Dingi-Dienst
eingeteilt. Das übt das Motorbootfahren und macht Spaß. Von 12:30 Uhr bis 14:30
Uhr habe ich dann mit Mareike Hafen-Dienst. Da stehen wir beim Fähranleger und
wollen neue Trainees abfangen. Wir haben einen „Roald Amundsen“ Rettungsring
dabei und ich bin in offizieller Montur. Habe mein neues blaues Crew-T-Shirt an,
meine Roald-Mütze (auch blau) sowie meine schwarze Cordhose an. Dazu noch ein
hochprofessionelles Funkgerät mit Lederriemen umgehängt: eine Frau spricht mich
an, ob ich für die Fährangelegenheiten zuständig sei...
Danach wieder Dingi-Dienst abwechselnd bis 22 Uhr (rauche ein abgebrochenes
Zigärrchen und trinke eine Dose Bier an der Pier – bis Sebastian mich ablöst). Nach
einem guten Gespräch mit Sebastian (über Magdeburg) gehe ich gegen Mitternacht
ins Bett.37
16. März 2001
Konnte durchschlafen. Am nächsten Morgen Rigg-Einweisung. Ich bin für die
Einweisung von Trainees zuständig und erkläre auf der Bramrah das auspacken der
Segel bzw. davor das aufentern. Auch sonst kann ich (fast) alles erklären und bin
erstaunt über meine Entwicklung an Bord – die Begeisterung macht’s wohl.
Wir laufen gegen 11:30 Uhr unter Motor aus Richtung Puerto de Mogán (again).
Ohne Wind dümpeln wir dahin...
36
Später erfahre ich, das das doch wegen der hässlichen Matratzen als Service für die neuen Trainees üblich ist.
Geärgert hat es mich aber trotzdem. Ich reiß mir den „A....“ auf...
37
Habe gerade auch die neuen Trainees kennengelernt. Wieder eine auf den ersten Blick nette Claudia an Bord.
Außerdem zwei Engländer, Craige und Simon aus La Palma, für die ich die Kapitänsrede (Begrüßung) übersetze.
Dann die Überraschung: Badestopp mitten auf dem Atlantik – 2.400 Meter
Wasser unter uns – irre! Ich bin der zweite, der reinspringt – nach dem Käpt’n. Ein
tolles Gefühl, angenehmes Wasser und Abkühlung nach der Hitze. Dann der Ruf:
„Delfine“! Und wahrhaftig: ein kleiner Schwarm Delfine kommt näher, um
nachzusehen, was da für Gestalten so einen Lärm im Wasser machen. Mein erster
Instinkt: raus aus dem Wasser. Dann aber denke ich: „die sind ja friedlich“ und
schwimme näher. Als wir38 etwa auf 5 – 10 Meter näher gekommen sind, fangen zwei
mit ihren Schwanzflossen auf dem Wasser an zu patschen. Ob sie uns begrüßen oder
warnen wollen? „Kommt nicht näherf“? Oder „Hallo, Ihr 4-Füßler“? Die Delfine, ca.
2m lang – also klein, halten uns auf Abstand und ziehen dann von dannen. Ein ganz
ganz außergewöhnliches Ereignis. Wir sind alle ergriffen und freuen uns!
Am Abend kommt dann Wind auf. Wir müssen Vorsegel einpacken und
umbrassen. Nach Einbruch der Dunkelheit nimmt der Wind zu und die StammcrewMitglieder der zwei angrenzenden Wachen müssen aufentern, um die am morgen
„unnütz“ losgemachten Segel beizufangen. Anfangs ärgere ich mich – nicht gesegelt
und dann noch Überstunden und bei Dunkelheit und Wind Segel wegpacken! Aber
es ist ein Ereignis. Der Wind tost, die Sterne prangen und unter uns tobt die See. Eine
schwere Welle schießt über Deck und macht die paar Seelen da unten nass...
Anschließend kenne ich nur ein Ziel: ins Bett. Was für ein Tag mal wieder!
Einschub: „Roald-Fotos“ oder ... „Frank’s Bilder-Dienst“
Auf Teneriffa habe ich die Bilder vom ersten Törn entwickelt. Dabei sind von
der „Foto-Safari“ so tolle Bilder entstanden, dass alle (viele) begeistert sind und
Abzüge haben wollen. Also fertige ich Listen von 4 der besten Bilder an und lege sie
aus.
Die Bilder finden so guten Zuspruch, dass ich in Puerto de Mogán 116 Kopien
in Auftrag gebe plus 10 Großformate! Als ich die Bilder abhole, quält mich die Frage
des Abgabepreises, den ich verlangen will. Ich habe pro 10x15 PTS 50,00 bezahlt.
Aber ich habe ja auch den Aufwand der Nachbestellung gehabt und bin der
„Künstler“. Hin und Her. Ich bin für mich zur Überzeugung gekommen, nur den
Einstandspreis zu verlangen und auf Trinkgeld zu hoffen.
An Deck fragt mich daraufhin eine Gruppe von Leuten nach dem Preis und ich
berichte von meinem Entschluss. Sie reden mir zu (!) und ich verlange dann DEM
1,00 pro Bild (DEM 1,50 pro Großformat). Der Preis wird easy akzeptiert und ich
habe über DEM 50,00 Gewinn gemacht . Das gleicht die teure Entwicklung meines
Films wieder aus!
17. März 2001
38
Etwa 4 bis 6 von uns noch im Wasser.
Ein geruhsamer Tag beginnt mit 04-06 Wache und Brötchenteig machen. Von
06-08 lege ich mich noch mal hin, nur um richtig „angematscht“ zum Frühstück zu
erscheinen.39
Danach einpacken (Hafenfein) des Bramstengestagsegels, das Mareike und ich
vor ein paar Tagen so hässlich beigefangen haben (immerhin hat das 11 Windstärken
ausgehalten!). Unter theoretischer Anleitung von Klaus, dem Toppsgasten, falten
und binden Sebastian und ich in luftiger Höhe bei strahlendblauem Sonnenhimmel
einen prima Segelsack – bene!
Nach dem Mittagessen versuche ich Claudia auf die erste Saling des Vortopps
zu verhelfen. Ihre Höhenangst bringt sie nicht ganz so weit. Danach habe ich (jetzt
gleich) Dingi-Dienst (yippieee).
Apropos Essen: Es gibt 4 mal Essen an Bord. Sobald sich ein Hunger meldet,
bekommt man prompt Nachschub – das ist sehr angenehm. Frühstück (mit frischen
Brötchen jeden Tag) ist von 7:30 bis 8:30 Uhr. Es gibt Nutella, Marmeladen,
Streichkäse (Philadelphia) sowie Käse, Wurst und sogar Gemüse und Obst. Mittag ist
von 11:30 bis 12:30 Uhr mit einer warmen Mahlzeit, die an einer Durchreiche zur
Kombüse ausgegeben wird. Ab und zu gibt es auch Salat oder Dessert dazu. Um
15:30 Uhr ist Kaffee-Stündchen (wie dahoim) mit Kaffee, Tee und Keksen, manchmal
auch Kuchen. Von 17:30 bis 18:30 ist bereits Abendbrot bereitgestellt. Es gibt
Aufschnitt, eingelegte Heringe, Thunfisch, Corned Beef, Jagdwurst, selbstgebackenes
Vollkorn-Krustenbrot (sehr herzhaft und lecker) sowie Gemüse (Tomaten, Gurken,
Paprika). Manchmal auch Reste vom Mittag oder Salate (Nudel- oder ThunfischSalat, zum Beispiel). All das bereitet die Backschaft mit großer Mühe für bis zu 40
Leute – alle Achtung (aber das Thema hatte ich ja schon).
Dingi-Dienst: Ab 14 Uhr bis 18 Uhr. Vor der 18 Uhr Fahrt nehme ich ein kurzes
Bad („Tarzan“). Dann geht es wieder los – ich will meinen Flug bestätigen und
Mutter benachrichtigen – was mir beides nur halb gelingt: Mutter spreche ich auf den
AB und den Condor-Flug bekomme ich nur über www.flughafen-stuttgart.de
bestätigt – was nicht 100%ig sicher ist. Ich bin unzufrieden.
Abends gehe ich dann mit Claudia, Thomas und Peter zum Essen. Thomas ist
zwar ein komischer Typ und in Konkurrenz40 zu mir gegenüber Claudia (!) aber es
wird trotzdem ein lustiger Abend. Ich falle etwas betrunken41 zu Bett...
18. März 2001
Der Tag beginnt verkatert und mit einem „all-hands“ zum auslaufen. Aber als
ich oben auf der Rah bin, Rolf und Peter in die Segelarbeit einweise, genieße ich den
Ausblick auf die Steilküste von Gran Canaria.
39
Wir liegen vor Puerto de Mogán, wo wir in der Nacht angekommen sind.
Natürlich nur in der Rolle als Gentleman.
41
Köstlicher Rioja...
40
Dann gehe ich unter Deck zum Tagebuch schreiben und SBS lernen (jetzt).
Danach gehe ich an Deck und stelle fest: Wind! Da eile ich los, um beim Segelsetzen
mitzuhelfen – das tue ich bis auf 1 Stunde Mittagspause dann ununterbrochen bis
nach Ende meiner Wache um 20 Uhr.
Dazwischen gab’s viel Arbeit: ein Mann-über-Bord Manöver (das erste an Bord
– sehr interessant – und es lief recht gut in 11 Minuten, wir haben nur vergessen,
einen Rettungsring hinterherzuschmeissen – nicht so gut), sowie eine Foto-Safari mit
Brassen, Bergen, Setzen von Segeln etc.
Dazu ein Word zu Gerd, dem Kapitän: bei allem, was gemacht wird, hat man
den Eindruck, das er mit allem unzufrieden ist. Nach den Manövern hat er auch
immer was zu meckern an der Stammcrew. Er sagt dann „es sei keine Kritik, er will
es sacken lassen“ aber in Wirklichkeit ist es immer ein Anschiss. Dadurch verliert er
den Anschluss an die Stammcrew und er wird in seiner Entscheidungsfunktion
immer einsamer – und mit sich selbst und allen anderen vermutlich stets
unzufriedener. Da sucht er sich dann ein paar Vertraute, die ihm sicher sind und
nicht weh tun (z.B. Tina die „Toppsgästin“ oder Andreas, den Maschinisten). Wenig
echtes Lob kommt von Gerd, wenig echte Anerkennung. Die größte kann evtl. sogar
ich beanspruchen, da er mich offiziell zum Stamm ernannt hat?
Auf jeden Fall schließt mit einer abendlichen Halse ein schöner, ereignisreicher
Segeltag42, mit all den wunderbaren Facetten, die ich bereits früher schon berichtet
habe. Ein gelungener Abschluss einer Segelreise.
19. März 2001
Die 04-08 Wache verläuft ereignislos. Ich muss beim an Deck kommen
feststellen, dass wir ohne Wind mit aufgegeiten Segeln auf offener See dümpeln.
Langeweile und der Gedanke: „ich will ins Bett“ machen sich breit. Die Zeit bis zum
Sonnenaufgang vergeht aber doch recht schnell. Zum Sonnenaufgang klettere ich auf
die Vor-Royal und genieße!
An Deck scheißt mich Jens-Peter mal wieder an, ich solle Mareike helfen einen
Feuerwehrschlauch (klein) wegzustauen. Ich sage „Mareike wir das schon alleine
schaffen“, was ihn sehr ärgert. Ich mag es nicht, wenn jeder meint er könne jeden
zum arbeiten einteilen, insbesondere Jens-Peter, der zu allem seine schlauen SeebärKommentare abgibt, den ich aber selten arbeiten sehe (der Bootsmann Walter auf
dem ersten Törn war ständig mit irgendwas beschäftigt). Ich muss mir wahrlich
keine Vorwürfe machen, zu wenig zu arbeiten oder nicht mit anzupacken! Das kann
Jens-Peter gar nicht beurteilen. Und wenn er das tun sollte, kann er was erleben!43
42
Habe ganz vergessen: Foto-Session: Sebastian macht von der Bram Fotos während ich Titanic-mäßig auf dem
Klüverbaum stehe. Genieße lange den „Augen-Blick“!
43
Hier war ich offensichtlich sehr „uneins“ mit Jens-Peter (und mir). Mittlerweile habe ich aber gelernt: „man
muss sich Respekt an Bord verdienen“. Insbesondere bei Jens-Peter, der (fast) ständig an Bord ist und Trainees
(Neue) ohnehin mit kritischen Augen sieht (Kurzzeitpiraten). Und so braucht man seine Zeit. Mittlerweile kennt
mich Jens-Peter und wir kommen ganz gut zurecht – da bin ich auch froh!
Nach einer „Morgenpause“ mit Sebastian ziehe ich mich zum Tagebuch
schreiben und SBS lernen in die Messe zurück. Wir laufen gegen 14 Uhr im Osthafen
von Sta. Cruz ein. Ich bin wieder Voraustrupp zum Vorleine aufnehmen. Die
Nummerierung am Kai ist verwirrend, so dass wir unsere Poller erst suchen müssen.
Dann stellen wir fest, dass an unseren Pollern zwei Schlepper liegen. Die werden von
der Hafenpolizei verjagt, während die Roald im Hafenbecken einen Kreis fährt –
schön anzuschauen.
Nach dem anlegen müssen die Segel noch hafenfein gepackt werden. Zuerst
helfe ich noch Tina auf der Untermars-Rahnock sitzend eine Schot-Rolle zu
reparieren und dann zum letzten Mal Packen bzw. sogar das letzte mal im Rigg! Das
das ein Abschied war, lerne ich erst später, als ich Wolfgang den Gurt zurückgeben
muss.
Das Hafenbier macht mich so müde, dass ich nur bis 22 Uhr aushalte und zu
Bett gehe – außerdem habe ich Backschaft morgen.
20. März 2001
Ein letztes mal Backschaft. Frühstück machen. Der erste morgen ohne frische
Brötchen, das das Mehl ausgegangen ist.
Gegen Mittag fahre ich mit dem Fahrrad zur Post: für mich ist NICHTS da! Wie
kann das sein? Aber es wird wohl so sein, wie Peter sagte: man darf auf solchen
langen Reisen keine (großen?) Erwartungen an Briefe etc. hegen. Man ist doch aus
dem Sinn der meisten und wenn dann kommt eine Email. Da habe ich ja auch einige
bekommen.
Auf dem Rückweg mache ich noch mal eine Tour rund um den Stadtkern mit
seiner weitläufigen und langgezogenen Lorbeerbaum-Allee, prächtigen Villen und
Parks. Besonders der Stadtpark ist wunderschön mit Palmen haushoch, Schilfallee,
Lorbeerbäumen mächtig und tropischen Blumen sowie Anlagen von Springbrunnen
und Wasserspielen. Ein schöner Abschied auch hier, Sta. Cruz zeigt sich von seiner
Schokoladen(eis)-Seite. Souvenirs (Arehucas-Ron Oro und Mojo-Sauce für Mutter)
kaufe ich später noch ein.
Nach dem aufklaren des Abendbrots und einer Dusche gehen Sebastian,
Norbert, Mareike, Kerstin und ich noch mal zum Tapas-Abschieds-Essen los. Norbert
gibt sich sehr klug. Ich halte mich zurück – habe in den vergangenen 5 Wochen
ohnehin eine andere Rolle gespielt... bin gut damit gefahren, nicht den
Unternehmensberater raushängen zu lassen. Alle haben mich jünger geschätzt und
für einen Studenten gehalten. Nur in einzelnen Gesprächen, wenn also jemand
konkret gefragt hat, habe ich mich erklärt. Da haben sich alle immer gewundert. Nur
Sebastian meinte einmal zu mir: „Unternehmensberater – das passt zu Dir“ !??!
Mit Manfred, dem Steuermann, saß ich am Nachmittag zu „Fachgesprächen“
bzgl. SBS zusammen. Er ist Prüfer und sehr erfahren. Das Wissen gibt er gerne in
seiner Dortmunder netten Art weiter („woll“...). Ich bin ohnehin der einzige, der sich
in den SBS reingehängt hat. Er bittet mich, ihm nach bestandener Prüfung dies
Wissen zu lassen, als er mir die Übungsprüfungsbogen als Leihgabe überreicht. Ein
sehr netter und angenehmer Mensch und in bewundernswerter Harmonie mit seiner
Frau Karin (die „Smut“), die mindestens ebenso freundlich und natürlich ist.
Müde und ein bisschen betrunken vom Rotwein und der Abschiedsstimmung
sinke ich in meine Bettstatt – ohne Wache in der Nacht – goude Ruh!44
21. März 2001 „Packen und Weg“
Um 10 Uhr geht unser Bus. Sebastian und ich fahren gemeinsam. Ich habe mich
dazu entschlossen, einen schnellen Abschied zu wählen obwohl mein Flug erst um
16:20 Uhr geht. Norbert fährt uns zum Busbahnhof. Ein letzter Blick zur Roald
zurück und weg.
Nach 5 Wochen räume ich meine „Wohnung“ aus, in der ich mich so gut
eingerichtet hatte. Mit den Gedanken voran („schneller Abschied“) geht es recht
leicht.
Im Flughafen, als Sebastian schon weg war, beginne ich das schaukeln auf dem
Meer und das Deck der Roald bereits zu vermissen. Ausführlich habe ich mich
verabschiedet von Gerd, Andreas, Manfred, Wolfgang, Klaus (obwohl ich anfangs
dachte, er sei ein komischer Vogel, wäre ich gerne länger als nur 1 Woche mit ihm
gefahren). Im vorbeifliegen von Tina (für die ist Abschied Routine geworden) und
der süßen Mareike, da sie zum einkaufen weg müssen.
Und jetzt sitze ich am Flughafen als ich diese Zeilen nachtrage. Vielleicht fange
ich im Flugzeug bereits an, das Tagebuch zu lesen – das wird den Wehmut noch
vergrößern. Aber ich denke auch schon voraus: Geldwechsel (Sprachschule, Spende),
Steuererklärung, Impfung, Kegeln, Post, Besuch in Allendorf, wo Petra mit den
Kinder ist etc.
So geht das – es ist Schluss, Fin, Ende!? Nein, es geht jetzt erst richtig los... Jetzt
sehe ich das Meer vom Flughafen aus, an dem wir ein paar mal vorbeigesegelt sind...
Ich fühle mich ganz komisch – etwas schwindelig, saumüde, seltsam im Magen. Die
Sonne von gestern? Oder etwas „landkrank“? Das soll es ja geben... Na ja, das wird
schon, vielleicht ist es auch der „gefühlte“, unbewusste Trennungsschmerz vom
Schiff?
Jetzt sitze ich im Flieger, in einer Stunde werden wir bereits in Stuttgart landen.
Ich habe gerade 5 Wochen Erlebnisse Revue passieren lassen. Das hat den Wehmut
nicht vergrößert, sondern die Freude verstärkt, so etwas erlebt zu haben!
Einmal sprach mich Manfred auf meine sichtbare Begeisterung an. Ich
erwiderte ihm, dass ich schon lange an Windjammern interessiert bin, von der
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Manuel verabschiedet sich und schenkt mir sein wertvolles SKS/SBS Buch! Da muss ich mir was als Dank
überlegen!
Kindheit an45. Und nun erst erfülle ich mir diesen in mir ruhenden Traum und es löst
sich quasi ein Stau, es bricht aus mir heraus die Begeisterung und Freude.
Ich habe das Meer gefunden. Ich weiß nun, dass ich lange diese Sehnsucht hatte,
die mich nun nie mehr verlassen wird. Ich werde immer wieder aufs Wasser
zurückkehren.
– FIN –
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Gorch-Fock, Basteln, Bücher, Bildbände, zu „Feige“ zur Marine zu gehen...
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