DIE KREUZZÜGE

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DIE KREUZZÜGE
von Wolfgang Tietze
(von=geschrieben von; meine persönlichen „Kreuzzüge“ finden anderswo statt und
haben andere Ziele, sind aber schlußendlich ähnlich erfolglos wie die unten geschilderten)
Da ich laufend Bücher zum Thema lese (siehe Zusammenstellung am Ende des Textes) und ich somit von Tag
zu Tag (hoffentlich) klüger werde, erfolgen immer wieder Erweiterungen und Überarbeitungen des Textes !
(letzte Änderung: Sonntag, 02. Juli 2000)
1)
Einleitung
Die Kreuzzüge, anfangs noch "bewaffnete Wallfahrten" genannt, stellen ein interessantes
Kapitel der Menschheitsgeschichte dar. Es waren Aktionen, die von den vielfältigsten,
gegensätzlichsten und seltsamsten Motiven getragen wurden und unermeßliches Leid
über alle aktiv Beteiligten, aber noch mehr über die Unschuldigen gleich welcher Religion,
die zufällig in den betroffenen Regionen lebten, gebracht haben (Diese allgemeine
Formulierung ist notwendig, da es Kreuzzüge nicht nur im Heiligen Land, sondern auch in
Preussen, in Spanien, in Frankreich gegen die Albigenser (Katharer), u.a. gab).
Gerade dieser (dem mittelalterlichen Menschen offenbar gelungene) Versuch die
Gegensätzlichkeiten
von Gottesglauben und Mord an Unschuldigen,
von Idealismus und Brutalität,
von Religion und Kommerz ,
(Liste wird ev. noch erweitert)
unter einen Hut zubringen, hat mich fasziniert und zur Anfertigung des gegenständlichen
Machwerkes motiviert, wobei Stephen J. Rivelle mit seinen plastischen Schilderungen in
seinem Roman „Der Kreuzritter“ (Heyne, ISBN 3-453-14588-7) die ersten Anregungen
lieferte (Noch mehr könnte ich mich allerdings für das Thema begeistern, wenn die
Kreuzritter eine computergeplante Eisenbahnstrecke für Dampflokomotiven nach
Jerusalem gebaut und darüber auf ihrer Homepage www.deuslevolt.va laufend berichtet
hätten).
Ich bin kein Historiker, sondern Jurist, und sehe daher die Kreuzzüge mit den Augen
eines Laien, besser noch eines Dilettanten im wahren Sinn des Wortes. Juristische
Probleme gibt es im Prinzip ja nicht, da es sich (nicht nur aus arabischer Sicht) um einen
völkerrechtswidrigen, nicht provozierten Angriffskrieg des christlichen Abendlandes
handelte,
mit
sämtlichen
strafrechtlichen
Nebenerscheinungen
(wie
Mord,
Vergewaltigung, Raub, Diebstahl, Herabwürdigung religöser Symbole, .... - es wurde
sicher keine strafbare Tat ausgelassen).
Hätte es seinerzeit schon ein UNO-Tribunal gegeben, so hätten auf der Anklagebank
durchwegs Päpste, Kaiser und Könige Platz nehmen müssen.
Ich habe in letzter Zeit einige Bücher über die Kreuzzüge (und das Mittelalter) gelesen
und dabei festgestellt, daß es eine umfangreiche deutschsprachige Literatur zu diesem
Thema gibt, wobei ich sicherlich die meisten Bücher noch nicht einmal von außen kenne.
Als Laie kann ich natürlich wissenschaftlich nichts beitragen und möchte mich daher auf
eine populistische, d.h. für jedermann verständliche, Betrachtungsweise konzentrieren,
da ich aus der eigenen Erfahrung weiß, daß viele historische Themen aufgrund ihrer
trockenen wissenschaftlichen Darstellung einem Normalsterblichen, wie mir, nicht
wirklich rasch nähergebracht werden können.
Aber gerade die Beschäftigung mit der Geschichte sollte uns zu einer besseren
Gestaltung der Gegenwart und Zukunft verhelfen können, obwohl ich schon seit meiner
Jugend der Meinung bin, daß die Menscheit aus ihrer Geschichte nichts lernt, andererseits
bin ich aber auch noch immer Optimist !
Es wird also eine drastische, sarkastische und zuweilen wahrscheinlich auch zynische
Darstellung werden, die manche Ereignisse überzeichnet, andere wieder ignoriert, je
nachdem wie es mir in den Kram paßt. Ich werde einigen Personen und Ideen vielleicht
unrecht tun und sichern nicht neutral oder ausgewogen berichten. Für den
Schulunterricht ist das Opus daher kaum geeignet !
Eine Anregung, kein eigentliches Vorbild, war mir die BBC Serie "Die Kreuzzüge" mit dem
Monty Python-Komiker Terry Jones.
Wer immer sich mit dieser meiner Einstellung nicht einverstanden erklären kann, sollte
dieses Dokument schließen (X im oberen rechten Eck (kleiner Ausflug in die
Computerfreak-Ecke meiner dunklen Seele)) und sich einem guten Buch zuwenden.
Allen anderen ist offenbar nicht zu helfen oder zu raten; also dann los .....
2)
Die Vorgeschichte
Das "Heilige Land" samt Jerusalem war in der Zeit nach Christi Geburt in oströmischer
(byzantinischer) Hand und konnte von Pilgern aller Religionen abgesehen von diversen
Schikanen seitens der Byzantiner ohne besondere Schwierigkeiten besucht werden,
wobei diese Reisen sicher kein Honigschlecken waren, da es weder um die Straßen, die
Hotels, die Verpflegung und die Verkehrssicherheit gut bestellt war. Wer heute die Länder
der Levante bereist, wird wahrscheinlich auch noch diverse Abenteuer erleben, aber es
ist sicher kein Vergleich mit damals (insbesondere da es das Handy noch nicht gab, mit
dem man die Pepi-Tant in Mistelbach live an den Mießlichkeiten der Verdauung nach
Genuß von lokalem Speiseeis teilhaben lassen kann) !
Hatte man aber schlußendlich auch die Seeräuber lebend überstanden, wurde man
wahrscheinlich auf der Rückreise in Italien von einem arbeitslosen, aber stets auf der
Suche nach Trainingsmöglichkeiten befindlichen, Ritter erschlagen. Dies würde auch
erklären, warum im Abendland keine Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse
im Heiligen Land vorhanden waren, sondern so seltsame Vorstellungen über Jerusalem,
wo angeblich Milch und Honig fließen sollen, die Runde machten (daß dort außer Schweiß
überhaupt nichts fließt, nicht einmal Wasser, haben unsere blauäugigen Helden des 1.
Kreuzzuges dann später erkennen müssen, als sie mehrere Male buchstäblich am
Verdursten und Verhungern waren).
Diese quasi paradiesischen Zustände unter Christen änderten sich im Jahre 637 aufgrund
der Eroberung des Heiligen Landes durch die Moslems - nicht.
Ja, richtig gelesen, sie
verbesserten sich sogar, da die Schikanen der Byzantiner zum Teil wegfielen !
Der Islam tolerierte in allen unterworfenen Ländern gegen Zahlung einer Steuer (quasi
einer Kirchensteuer der anderen Art !) die einheimischen christlichen und jüdischen
Bekenntnisse, da in den Anfangszeiten nur Heiden bekehrt werden sollten. Eine
Zwangsbekehrung von Christen und Juden kam schon aus religiösen Gründen, da sie für
den Islam keine Heiden waren, überhaupt nicht in Frage und hatte nebenbei auch noch
die vorgenannten fiskalischen Vorteile (hoffentlich liest dies nicht unser Finanzminister,
sonst kommt er auf gute Ideen und dann spricht nicht einmal mehr Heider (vormals
Kreisky) - Intimus Gadaffi mit uns).
Diese Toleranz hat sich bis zur Zeit der Kreuzzüge - nicht zuletzt aufgrund der ständigen
Provokationen des christlichen Abendlandes - leider verflüchtigt und Zwangsbekehrungen
wurden als politisches Druckmittel verwendet. Trotzdem blieb der Islam bis zur
Machtergreifung durch die Mameluken um 1250 immer noch wesentlich toleranter, als
das christliche Abendland bis zum 18. Jahrhundert.
Bei der Eroberung Jerusalems (samt aller dort befindlichen Reliquien, insbesondere der
Reste des Kreuzes Christi) hat es sich sicherlich um die größte Katastrophe des
christlichen Welt gehandelt. Die Reaktion erfolgte umgehend. Bereits knapp nach dem
Jahr 1000 machten sich die ersten Gedanken hinsichtlich einer Rückeroberung breit. Ich
meine, eine lange Leitung mag schon mal vorkommen, aber gleich 400 Jahre ? Das wäre
so, als wenn wir heute beschlössen, für den 30-jährigen Krieg an Schweden Rache zu
nehmen !
Es bleibt ungeklärt, warum so lange zugewartet wurde, außer man tritt der Theorie von
Heribert Illig näher, die besagt, daß rund 300 Jahre des Mittelalter einfach erfunden sind,
sodaß sich die lange Leitung des Abendlandes doch sehr verkürzen würde. In diesem
Zusammenhang kann ich nur das Buch "Das erfundene Mittelalter" von Illig (ECONVerlag, ISBN 3-430-14953-3) empfehlen.
Nun zu den Zuständen im Abendland: Nachdem die Germanen mit der weströmischen
Welt tabula rasa gemacht hatten und außer Klump und Asche nicht viel zurückgelassen
haben, tauchte das Abendland in seine dunkelste Epoche ein, aus der lediglich Karl der
Grosse wie ein einsames Licht aus der Finsternis aufleuchtet und ebenso schnell wieder
erlischt. Erst unter den Ottonen gibt es dann wieder gesicherte Erkenntnisse. Folgt man
der Theorie Illigs, so hat es Karl den Großen überhaupt nicht gegeben und das schwarze
Loch des Mittelalters würde wegfallen. Unsere heurige Milleniumsfeier wäre dann aber
etwas verfrüht gewesen, da wir uns erst um etwa 1700 n.Chr. befinden würden. In der
Folge bleibe ich aber bei der konventionellen Zeitrechnung.
Wir befinden uns daher im 11. Jahrhundert. West- und Mitteleuropa sind grob gesagt
aufgeteilt in Frankreich und das deutsche Reich, Die Normannen sind gerade dabei von
Frankreich aus England und Süditalien samt Sizilien (im Auftrage des Papstes und zu
Lasten des Kaisers von Byzanz) zu erobern. Spanien ist zum größten Teil noch im Besitz
der Sarazenen und Ort von ständigen Kämpfen, an denen schon Schlachtenbummler aus
Frankreich und Deutschland teilnehmen. Im Osten regiert auf der Balkanhalbinsel und in
einem mehr oder minder großen Teil Kleinasiens der byzantinische Kaiser.
Insbesondere in Frankreich dürfte es wirtschaftlich gar nicht so schlecht gewesen sein, da
hier Probleme zu Tage treten, welche wir eher aus unserer Wohlstandsgesellschaft
kennen: Nämlich Langeweile gepaart mit Brutalität.
Die Menschen seinerzeit waren sehr fruchtbar, da die Frauen größtenteils mit dem
Kinderkriegen beschäftigt wurden ("zwei Einkommen, kein Kind", war damals sicher kein
Problem und auch die Pensionsversicherungsanstalten hätten sich sehr gefreut,
insbesondere da nur wenige das Pensionsantrittsalter (selbst unserer Eisenbahner) erlebt
haben).
Besonders der Nachwuchs im Adelsstand war recht zahlreich. Da aber nur der Älteste
dem Vater nachfolgte, für den einen oder anderen eventuell noch irgendein
Versorgungsplätzchen bei der Kirche gefunden werden konnte, so blieb doch noch eine
Menge an Jungrittern über, die eigentlich keinen Job und daher auch kein Einkommen
hatte, die nichts gelernt hatte, außer sich zu prügeln, und die sich für jede andere Arbeit
einfach zu gut war. Diese hoffnungsvollen (manchmal schon etwas ältlichen) Jünglinge
zogen nunmehr durch die Gegend, prügelten Wehrlose (was etwas ungefährlicher war,
als sich zum Beispiel mit den spanischen Sarazenen zu schlagen) überfielen Dörfer und
auch Klöster und bereiteten weder Papst noch König besonders viel Freude.
Zur gleichen Zeit fand auch eine Emanzipation des Papsttums statt. Der Papst wurde auf
Grund der Konstantinischen-, der Pippinschen- und der Karlischen-Schenkung (alle
durchwegs gefälscht) Territorialherr des Kirchenstaates und fühlte sich daher nicht mehr
dem Kaiser unterstellt, sondern sich sogar über ihn gestellt. Ein weiterer Dorn in seinem
Fleische waren die oströmischen Ketzer (Schisma von 1054), die bekehrt und seiner
Oberhoheit wieder unterstellt gehörten.
Bei den Päpsten begann daher gegen Ende des Jahrhunderts langsam ein interessanter
Gedanke, der alle drei Probleme lösen sollte, Gestalt anzunehmen: Man könnte doch die
fränkischen Hooligans versehen mit der Idee des Ablasses aller Sünden (dessen die
Knaben sicher reichlich bedurften) in Richtung Jerusalem am Landweg in Gang zu setzen.
Diese nunmehr zwangsläufig bewaffneten (kein Ritter ging ohne sein Werkzeug außer
Haus) Wallfahrter würden dabei zufällig auch beim byzantinischen Kaiser vorbeikommen
und ihn vielleicht durch Hilfe im Kampf gegen die Ungläubigen zu einer
Wiedervereinigung der Kirchen überreden können (im 4. Kreuzzug haben sie es dann mit
Waffengewalt gemacht). Wenn man böswillig ist kann man durchaus die Ansicht
vertreten, daß der eigentliche Gegner der Kreuzfahrer nicht die Moslems, sondern die
orthodoxen Christen Ostroms waren. Dies würde auch die Verachtung, das Mißtrauen und
den Hass der Kreuzritter gegenüber allen Byzantinern erklären. Die Geschichte ist dann
aber etwas anders gelaufen, da den Kreuzrittern wider Erwarten die Befreiung
Jerusalems gelang.
Die Idee war geboren, das Terrain aufbereitet, es fehlte also nurmehr ein Anlaß das
Ganze in die Tat umzusetzen. Diesen Vorwand lieferte der byzentinische Kaiser Alexios I.
Komnenos indem er Papst Urban II. im Jahre 1095 um Hilfe im Kampf gegen die Moslems
in Kleinasien ersuchte. Alexios hatte keine Ahnung, was er damit losgetreten hat. Er
rechnete mit der Beistellung einer kleinen Söldnertruppe, nicht jedoch mit einer
derartigen Massenbewegung, die ihm in der Folge noch gröbere Schwierigkeiten
verursachen sollte.
3)
Der erste Kreuzzug (1096-1099)
a)
Der Aufruf
Die Vorplanung der Aktion seitens des Papsttums wird durch die rasche Reaktion auf die
Bitte Alexios im März 1095 mit dem Kreuzzugsaufruf am Konzil in Clermont im November
des selben Jahres, belegt. Die Rede Papst Urbans soll so feurig und schaurig (es war von
muslimischen Greueltaten, die in Wirklichkeit nicht stattgefunden haben und eine
schlichte Lüge des Kirchenoberhauptes waren, die Rede) gewesen sein, daß spontan viele
Menschen sofort das "Kreuz nahmen" und sich auf den Weg machten.
Leider waren das aber gerade die Falschen die losmarschierten. Nicht die Jungritter, die
von einem wohl langen und beschwerlichen Kriegszug eigentlich nicht besonders
begeistert waren, wo man sich doch auch daheim genügend amüsieren konnte, sondern
die Armen, Gesetzlosen und Unterdrückten gingen auf - in diesem Fall zum größten Teil
"unbewaffnete" - Wallfahrt um aus ihrem Elend herauszukommen. Sie hatten aber außer
ihrem Leben, das allerdings auch in der Heimat wahrscheinlich nicht viel wert war, nichts
zu verlieren, was sich in der Folge dann auch verwirklichte und in einem Totalverlust
endete.
Befeuernder auf die Jungritter dürfte allerdings die Erweiterung der Kreuzzugsidee um
das Recht, alle eroberten Gebiete als Eigentum behalten zu dürfen, gewesen sein (daß da
der Papst Gebiete großzügig verschenkte, die eigentlich dem Kaiser von Byzanz
gehörten, scheint, außer Kaiser Alexios, niemanden gestört zu haben).
Wie sicher auffällt, war bisher von Religion noch kaum die Rede. Ich möchte keinesfalls
ausschließen, daß nicht auch tiefe Frömmigkeit und fester Glaube Motivation für eine
Kreuzzugsteilnahme waren. Es dürfte sich aber doch um einen etwas anderen Glauben
als den des Neuen Testamentes, wie wir ihn heute verstehen, bzw. zumindest verstehen
sollten, handeln, da damals von Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Hinhalten der anderen
Wange etc. keine Rede war.
Auch wird man zwischen dem "Fußvolk" und den "Großkopfigen" unterscheiden müssen,
da bei letzteren zumeist die politischen Absichten im Vordergrund standen. Insbesonders
die normannischen Totschläger Bohemund von Tarent und Tankred waren selbst für ihre
christlichen Mitstreiter reine Barbaren ohne wahren Glauben und Moral. Nur ein Beispiel:
Bohemund hatte eine Spezialität: er ließ (zum Entsetzen seiner fränkischen Mitstreiter)
gefangene Muslims aufspießen und über kleiner Flamme braten. Als er dann "sein"
Fürstentum Antiochia durch mehrfachen Verrat und Gelöbnisbruch erobert hatte, war ihm
der restliche Kreuzzug völlig egal und fand ohne seine weitere Beteiligung statt. Bei ihm
war es sicherlich keine Angelegenheit des Glaubens, keine Wallfahrt sondern vielmehr
eine Raubfahrt.
Für mich ist der Glaube der damaligen Zeit ein nicht ganz verständliches Phänomen:
Einerseits ermöglichte er es dem Gläubigen unvorstellbare Strapazen ohne Aussicht auf
ein gutes Ende über mehrere Jahre zu ertragen, andererseits ließ er auch unvorstellbare
Greueltaten nicht nur an den Ungläubigen, sondern auch an den christlichen Minderheiten
im Heiligen Land zu, sodaß letztere den Moslems später für die Rückerobung durchaus
dankbar waren.
b)
Der Aufbruch
Wie bereits vorher geschildert machte sich noch im Jahre 1095 der Volkskreuzzug auf
den Weg nach Jerusalem. Angeführt wurde der militärisch nur mangelhaft ausgerüstete
Haufen von Peter von Amiens, auch Peter der Einsiedler genannt, der es scheinbar mit
seinem Glauben nicht vereinbaren konnte, sich zu waschen. Er soll furchtbar gestunken
haben, dürfte aber außer seiner Ausdünstung auch eine gewisse Ausstrahlung besessen
zu haben, da ihm doch Zehntausende ohne viel Nachdenken gefolgt sind. Peter hatte
außer seinem Ziel Jerusalem eigentlich weder Plan noch Organisation für seine Wallfahrt.
Offenbar verließ er sich auf Gottes Hilfe und die Plünderung der Länder durch die er
ziehen würde.
Zur ersten Lösung seines Finanzproblemes erpreßte er unter der Androhung von
Pogromen von den rheinischen Juden erhebliche Geldbeträge und zog Anfang 1096 in
Richtung Ungarn und Byzanz ab.
Später losmarschierende Volkshaufen, zumeist aus Deutschen bestehend, ließen es nicht
bei der Androhung von Pogromen, sondern setzten sie gleich in die Tat um. Die
Judengemeinden mehrerer Städte wurden völlig ausgelöscht. Letztere Haufen waren
offensichtlich wirklich der letzte Ausschuß, da sie sich auch in Ungarn trotz der Zusage
der kostenlosen Verpflegung nicht besser aufführten. Als sie jedoch bemerkten, daß die
Ungarn sich im Gegensatz zu den Juden nichts gefallen ließen, war es bereits zu spät. Die
Ungarn kannten keinen Spaß, sie metzelten alle ohne Gnade nieder. So folgte die Strafe
der bösen Tat direkt auf dem Fuße und die abendländische Kultur muß den Ungarn
dankbar sein, daß die Moslems dieses Gesindel nicht zu Gesicht bekommen haben.
Der Haufen des stinkenden Peter hatten sich mittlerweile geteilt. Der erste Teile unter
der Führung Walter Sansavoir (welch ein sprechender Name: "Walter ohne Habe", er
hatte offensichtlich auch nicht viel zu verlieren) marschierte voran und erreichte ohne
gröbere Schwierigkeiten byzantinisches Gebiet, wo er noch nicht erwartet wurde, daher
zu randalieren begann, von den Byzantinern (!!!) ziemlich dezimiert und schließlich unter
strenger Bewachung nach Konstantinopel transportiert wurde.
Zwei Monate später kam der Haufen von Peter in Ungarn an, wobei sich nach
Mißverständnissen gleich einmal eine Schlacht mit den Ungarn entwickelte, bei der es
tausende Tote gegeben hat. Die Kämpfe setzten sich auch nach Betreten des
byzantinischen Hoheitsgebietes mit den Grenzsoldaten des Kaisers fort. Nach der
Plünderung des christlichen Belgrad durch die allerchristlichen Wallfahrern, erreichten sie
auch Byzanz, wo Kaiser Alexios die ganze Meute so rasch als möglich über den Bosporus
setzte um eine Plünderung der Hauptstadt zu verhindern. Alexios gewann also sofort den
besten Eindruck von den Kreuzfahrern, die seinem seinerzeitigen Hilfeersuchen
überhaupt nicht entsprachen. Er wollte eine kampfkräftige Söldnertruppe und bekam
einen mehr oder minder unbewaffneten und undisziplinierten Haufen, mit dem man
miltärisch überhaupt nichts anfangen konnte. Also fort mit Schaden, wobei er
anständigerweise die "Wallfahrer" vor den in der Nähe befindlichen Seldschuken warnte
und empfahl auf das zur gleichen Zeit in Aufbruch befindliche Ritterheer zu warten. Aber
bei Idioten ist es nun einmal so, wie wenn man gegen eine Wand redet, sie wissen es
immer besser !
Die soeben erwähnten Ritter hatten es ruhiger angehen lassen. Nachdem sich durchaus
reputierliche Anführer wie Raimund von Toulouse, Gottfried von Bouillon, Robert II. von
Flandern, Stephen von Blois, der nicht freiwillig das Kreuz nahm, sondern dem es von
seiner Frau umgehängt wurde, und Hugo von Vermandois, der Bruder des französischen
Königs, gefunden hatten, brachen vier Heere unabhängig von einander im Sommer 1096
nach Byzanz auf, wo sie im ersten Halbjahr 1097 nach manigfaltigen Problemen wie
Schiffbruch, Seuchen und Kämpfen auch wirklich, zumeist dezimiert, aber mit Weib und
Kind (!!!), einlangten.
Dort stießen auch die bereits erwähnten süditalienischen Normannen unter dem
berüchtigten Bohemund von Tarent zum Kreuzzugsheer, die zwar in einer Schlacht gut zu
brauchen waren, sich sonst aber wie die Axt im Walde aufführten.
Was sich dann abspielte, war hohe Politik, da der Kaiser der Ansicht war, daß die
Kreuzfahrer die erbetenen Hilfstruppen wären, die unter seinem Kommando stehen
müßten und alle eroberten Gebiete, die ja ursprünglich byzantinisch waren auch wieder
an ihn zu fallen hätten. Das gab nun einige Schwierigkeiten, da der Papst den
Wallfahrern eigentlich etwas anderes versprochen hatte. Der Kreuzzug wurde also unter
falschen Voraussetzungen begonnen und hätte abgebrochen werden müssen.
Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, und die meisten hatten sowieso ein sehr
weites Gewissen und waren jederzeit bereit den vom Kaiser gewünschten Treueid zu
leisten und in der Folge auch zu brechen. Für die Anständigeren gab es da aber noch
einen kleinen Ausweg: Der byzantinische Kaiser war ja eigentlich ein Ketzer, dem
gegenüber man gar keine gültigen Eide ablegen konnte. Das war zwar spitzfindig,
eröffnete aber gewisse Optionen für die Zukunft. Als Jurist würde ich noch hinzufügen,
daß der Eid nicht gültig war, da er unter Zwang abgelegt wurde. Der Kaiser verweigerte
einerseits die Überfuhr nach Kleinasien, andererseits die Versorgung der Kreuzfahrer mit
Lebensmitteln. Sie konnten also nur zwischen Eid und Verhungern wählen.
Der Vollständigkeit halber sei jedoch erwähnt, daß einige Kreuzritter, wie zum Beispiel
Raimund von Toulouse, ihren Eid trotzdem gehalten haben. Im übrigen glaube ich nicht,
daß Kaiser Alexios, nachdem er unsere Helden persönlich kennengelernt hatte, sich
besonderer Illusionen hinsichtlich der Treue seiner neuen Vasallen hingegeben haben
dürfte, sondern sicher vielmehr froh gewesen war, die Barbaren relativ glimpflich
losgeworden zu sein. Er expedierte in der Folge im Eilzugstempo die Kreuzritter samt
ihrem Anhang über den Bosporus und versorgte sie mit guten Ratschlägen, an die sie
sich nicht hielten, und einer Hilfstruppe unter der Führung des Generales Tatikios, auf
den sie nicht hörten und dem sie nicht trauten, da für sie alle Byzantiner präsumptive
Verräter waren.
c)
In Feindesland
Nun zurück zu Peter dem Stinker. Der saß nun in Kleinasien und wußte nicht so recht
weiter, weshalb sich in seinem Haufen zuerst die Franzosen selbständig machten und zu
Plünderungen ausrückten. Da sie dabei durch den Überraschungseffekt auch etwas Erfolg
hatten, beschlossen die Deutschen, "det können wir ooch" und zogen los. Leider waren
die Seldschuken diesmal aber bereits gewarnt und gingen auf die Deutschen los, die sich,
aufgrund einer wahren Intelligenzleistung, in einer Burg ohne Brunnen verschanzten !
Was diese Helden schlußendlich getrunken haben, bevor sie sich ergaben und in die
Sklaverei verkauft wurden, möchte ich nicht näher beschreiben, es war jedenfalls kein
Blasentee, obwohl es sehr wohl etwas mit der Blase zutun hatte.
Als die Zurückgebliebenen von diesem Debakel erfuhren, traf man eine popolistische
(kein Schreibfehler) Entscheidung, die wie alle derartigen Entscheidungen, bei denen der
Kopf abwesend ist (Peter war nach Byzanz "verduftet"), entsprechend für den A... war.
Man beschloß nämlich Schadensmaximierung in Form eines kopf- und somit auch
hirnlosen Angriffes auf die Seldschuken. Das Ende ist leicht vorstellbar. Lediglich 3000
Kreuzfahrer konnten von der byzantinischen Flotte gerettet werden. Die Knochen der
zigtausenden Toten, bleichten noch in der Sonne, als das Ritterheer nach rund einem
Jahr an die Stelle des Massakers kam.
Ach ja, überlebt hatte (natürlich) auch die Stinkbombe Peter, die sich derweilen in
Konstantinopel befand und mit dem Ritterheer wieder am Schauplatz erschien. Ob er
wohl Gewissensbisse hatte, als er die Knochenberge derer sah, die er zu dieser von
Anfang an aussichtslosen "Wallfahrt" aufgehetzt hatte ?
d)
Der Feind
Nachdem wir uns nunmehr immer weiter ins Feindesland wagen, wird es Zeit sich etwas
näher mit diesem Feind zu beschäftigen. Wer waren nun diese Ungläubigen, für die alle
Kreuzfahrer, gleichgültig woher sie wirklich kamen, immer nur "Franken" waren und bis
heute geblieben sind ?
Anfangs waren es hauptsächlich Seldschuken, auf die die Kreuzritter trafen, wobei deren
Geschichte nicht uninteressant ist. Der Koran verbietet Moslems gegen Moslems zu
kämpfen. Was macht man also, wenn man seinem Glaubensbruder eine überbraten
möchte ? Nun man besorgt sich Nichtmoslems als Krieger. So kam unter anderem auch
das Turkvolk der Seldschuken als Söldner nach Bagdad, wo es mit der Zeit den
sunnitischen Islam an- und die Macht von den Abbasiden übernahm. Ähnliches passierte
später in Ägypten, wo die schiitischen Fatimiden von den Mameluken abgelöst wurden,
was den Anfang vom Untergang der letzten Kreuzfahrerbesitzungen in der Levante
bedeutete, aber das ist wieder eine andere Geschichte ...
Abgesehen von den grundsätzlichen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, die
einander zumeist mehr hassten als die Franken, waren auch die Seldschuken selbst ein
sehr zerstrittener und aufeinander eifersüchtiger Haufen, der jede wirklich konzertierte
Aktion gegen die Kreuzritter unmöglich machte. Zum Teil verbündeten sich Seldschuken
sogar mit den Franken nur um ihren Verwandten eines auszuwischen.
Charakteristisch ist das Verhalten der ägyptischen Fatimiden beim Einmarsch der
Kreuzritter in Kleinasien: Nicht nur, daß sie keine Hilfe leisteten, benützten sie diese
Ablenkung sogar noch um den Seldschuken im Jahre 1098 Jerusalem abzunehmen. Dafür
hatten sie ein Jahr später dann die Kreuzritter am Hals. So folgte auch hier die Strafe der
bösen Tat am Fuße.
Wenn die Moslems auch moralisch nicht viel höher standen als die Kreuzritter, die ein
ebenso zerstrittener Verein waren, der aber bei Gefahr doch zumindest vorübergehend
zusammenhielt, so waren sie kulturell doch weit überlegen. Für sie waren die Franken,
gerade indem sie sich nicht sehr oft wuschen, Barbaren reinsten Wasser (welch ein
Wortspiel !). Auch pflegten Moslems ihr Wort zu halten, was man nicht von allen Franken
sagen kann. In mehr als einem Fall wurde die Bevölkerung einer Stadt trotz der Zusage
eines freien Abzuges von den Kreuzfahrern niedergemetzelt. Diese kulturelle
Überlegenheit machte die Seldschuken aber auch unvorsichtig. Sie nahmen die
Kreuzfahrer anfangs, insbesondere nach der Vernichtung des Volkskreuzzuges, nicht für
voll, was sie dann in mehreren Schlachten, in denen sie der Brachialgewalt der
Kreuzritter nichts Gleichweriges entgegensetzen konnten, büßen mußten.
Die von mir gelesene Literatur:
Das erfundene Mittelalter
Heribert Illig
ECON-Verlag, ISBN 3-430-14953-3
Der Deutsche Orden
Franz Kurowski
Nikol, ISBN 2-933203-27-9
Der Heilige Krieg der Barbaren
Amin Maalouf
Diederichs, ISBN 3-424-01250-5
Die Kreuzzüge
Martin Erbstösser
Bastei-Kübbe, ISBN 3-404-64159-0
Die Kreuzzüge
Jonathan Riley-Smith
Herder, ISBN 3-451-04755-1
Die Kreuzzüge, eine Kulturgeschichte
Martin Erbstösser
Bastei-Lübbe, ISBN 3-404-64159-0
Geschichte der Kreuzzüge
Steven Runciman
C.H. Beck, ISBN 3-406-39960-6
Illustrierte Geschichte der Kriegszüge im Mittelalter
Hannesjoachim Wilhelm Koch
Bechtermünz Verlag, ISBN 3-8289-0321-5
Leben im Mittelalter
Hans-Werner Goetz
C.H. Beck, ISBN 3-406-37970-2
Ritter, Mönch und Bauersleut
Dieter Breuers
Baste-Lübbe, ISBN 3-404-12624-6
Taschenlexikon Kreuzzüge
Reinhard Barth
Piper-Verlag, ISBN 3-492-22794-5
Wallfahrt in Waffen
Jörg Dendl,
Langen Müller, ISBN 3-7844-2724-3
Romane (zur Illustration)
Die Johanniter
Gerhard Ellert
Universitas, ISBN 3-8004-1385-X
Der Kreuzritter
Stephen J. Rivelle
Heyne, ISBN 3-453-14588-7
In meiner Lesequeue stehen zu diesem Thema derzeit:
Der Kreuzzug der keiner war
Allan Oslo
Artemis & Winkler, ISBN 3-538-07095-4
Die Kirchen im Zeitalter der Kreuzzüge
Friedhelm Winkelmann
Evangelische Verlagsanstalt, ISBN 3-374-01^465-8
Frauen im Mittelalter
Edith Ennen
C.H. Beck, ISBN 3-406-37799-8
Johanniter und Templer
Ernst Staehle
Weishaupt-Verlag, ISBN 3-7059-0060-9
Die Templer
Alain Demurger
C.H. Beck, ISBN 3-406-38553-2
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