Trialog-Akademie der Herbert Quandt-Stiftung schulinterne Lehrerfortbildungen Sommerprogramm 2014 Trialog-Akademie – Sommer 2014 Die Trialog-Akademie DAS FORMAT Für aktuelle und ehemalige Teilnehmerschulen des Trialog-Wettbewerbs bietet die Herbert Quandt-Stiftung eigens konzipierte Lehrerfortbildungen an – mit besonderen Themen und Referenten. Das Programm umfasst eine Vielzahl von schulinternen Veranstaltungen rund um die drei monotheistischen Weltreligionen, interkulturelles Lernen und das Leben und Zusammenleben in einer Gesellschaft der Vielfalt. Die Fortbildungen sind stark praxisorientiert, finden unter der Woche am Nachmittag statt und dauern drei Stunden. DAS PROCEDERE Nach dem „First-come, first-served“-Prinzip werden die Fortbildungen an die Trialog-Schulen vergeben, die sich zuerst anmelden. Bedingung ist eine gesicherte Teilnehmerzahl von mindestens 15 Lehrkräften oder Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern. Der Referent oder die Referentin kommt direkt an die Schule. Die Stiftung übernimmt das Honorar und die Reisekosten, die Schule stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung und bereitet einen kleinen Snack vor. Dafür bekommt sie einen Cateringzuschuss in Höhe von 50,00 Euro. Für die Anmeldung und nähere Informationen steht Cornelia Springer als Ansprechpartnerin per Telefon oder E-Mail zur Verfügung: 06172/404-107 bzw. [email protected] 1 Trialog-Akademie – Sommer 2014 Die Fortbildungen Pluralität im Islam Sexualmoral und Rollenverhalten bei muslimischen Jugendlichen Der Koran im Unterricht. Wegweiser zu freiem Denken oder Anleitung zum Fundamentalismus? Bild dir deine Meinung?! Das Islambild in den Medien Zwischen Islam und Islamismus. Fragen zu Identität, Religion und Gemeinschaft in der pädagogischen Arbeit mit jungen Muslimen Popkultur und Islam. Wie geht das zusammen? Liebe, Sexualität und Ehrbegriff bei muslimischen Jugendlichen Judentum kennenlernen Israel heute 1: Gesellschaft, Politik, Religion Israel heute 2: die Grundfragen des israelisch-palästinensischen Konflikts aus israelischer Sicht Es muss nicht immer Anne Frank sein: jüdische Kinderliteratur im Unterricht Gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Pädagogische Handlungsstrategien Geschichte zum Anfassen: Wie aus einer trialogischen Spurensuche ein Produkt wird Fremd und doch nah! Wie mit der „Fremdheit der Religionen umgehen? Vorsicht: Kulturalismusfalle! Über Länder, Grenzen und Sprachen hinweg. Eine interkulturelle Schreibwerkstatt 2 Trialog-Akademie – Sommer 2014 PLURALITÄT IM ISLAM Rabeya Müller | Institut für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik Muslime beten fünfmal am Tag, trinken keinen Alkohol und essen kein Schweinefleisch. Muslimische Mädchen müssen ein Kopftuch tragen und die Frau wird im Islam unterdrückt. Stereotype und Vorurteile prägen das öffentliche Bild vom Islam. Was den wenigsten bewusst ist: Islam ist nicht gleich Islam! Die muslimische Szene in Deutschland ist sehr vielfältig. In vielen Institutionen allerdings wird ein überwiegend traditioneller Islam vermittelt, der oft nicht mehr der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler entspricht. Besonders der häufig einseitigen Berichterstattung in den Medien kommt das entgegen. Rabeya Müller gibt zunächst einen allgemeinen Einblick in die Grundzüge des Islams und erläutert sie aus theologischer Sicht. Die Teilnehmenden erhalten einen Überblick über die verschiedenen Strömungen des Islams in der heutigen Bundesrepublik. In intensiven Diskussionen beschäftigen sie sich mit der Frage, wie sich muslimische und nicht-muslimische Schülerinnen und Schüler neue Perspektiven auf den Islam eröffnen können ohne die religiösen und kulturellen Traditionen zu vernachlässigen. Anhand lebensnaher Beispiele stellt die Referentin passende didaktische Methoden vor. 3 Trialog-Akademie – Sommer 2014 SEXUALMORAL UND ROLLENVERHALTEN BEI MUSLIMISCHEN JUGENDLICHEN Rabeya Müller | Institut für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik Pädagoginnen und Pädagogen stehen heute vor der großen Herausforderung, auch muslimischen Jugendlichen aus traditionellen Elternhäusern ein zeitgemäßes Sexualitäts- und Körperverständnis zu vermitteln. Gerade in diesen Elternhäusern wird die Sexualerziehung für Mädchen und Jungen nicht gleich gewichtet. Vermehrt sind eine unterschiedliche Bewertung der Geschlechter und starre Rollenzuweisungen die Folge. Der Umgang mit Sexualität wird häufig tabuisiert. Schwimm- oder Sexualkundeunterricht sind nur zwei Fälle, in denen diese Themen plötzlich in der Schule relevant werden. Rabeya Müller arbeitet die durchaus positive Haltung des Islams zur Sexualität heraus und versucht, die oft verschwimmenden traditionellen Annahmen von der koranisch-basierenden Realität zu trennen. Wie ordnet man das koranische Verbot von außerehelichem Geschlechtsverkehr in die heutige Lebenswirklichkeit der Jugendlichen ein, die immer später heiraten? Führt fehlende Aufklärung zu einer verfälschten Vorstellung von Sexualität und der körperlichen Beschaffenheit? Welche Rolle spielt die geringe Selbstbestimmung der Mädchen in dem oft zitierten "Ehr"-Begriff? Der Workshop thematisiert die Erziehungsmethoden in religiösen Familien sowie die Rolle der Religion im Allgemeinen. Ebenso befasst er sich mit den Herausforderungen, die die hiesige Gesellschaft an traditionell geprägte Familien und Jugendliche stellt und der Notwendigkeit einer zeitgemäßen Sexual- und Moralerziehung. 4 Trialog-Akademie – Sommer 2014 DER KORAN IM UNTERRICHT – WEGWEISER ZU FREIEM DENKEN ODER ANLEITUNG ZUM FUNDAMENTALISMUS? Rabeya Müller | Institut für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik Die weit verbreitete Wahrnehmung lautet, dass sich das Leben von Musliminnen und Muslimen nach dem Koran ausrichtet, und auch muslimische Jugendliche berufen sich sehr häufig im Alltag auf diese Grundlage des Islams. Welche Bedeutung aber hat dieses Buch konkret für muslimische Schülerinnen und Schüler? Kann es helfen den interkulturellen Dialog zu fördern oder bietet es einen perfekten Einstieg in extremistische Gefilde? Was steht wirklich darin und wie können Lehrkräfte mit koranischen Argumentationen der Jugendlichen im Schulalltag umgehen? In diesem Workshop erfahren die Teilnehmenden nicht nur etwas über die Inhalte und Bedeutung des Buchs der Musliminnen und Muslime, sondern sie spielen authentische Fallbeispiele durch und entwickeln mit der Referentin mögliche Reaktionen in realen Szenarien schulischer Erziehung. 5 Trialog-Akademie – Sommer 2014 BILD DIR DEINE MEINUNG?! – DAS ISLAMBILD IN DEN MEDIEN Aycan Demirel | Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) e.V. Ehrenmorde, Kopftuchmädchen, arrangierte Ehen. – Welches Bild von Islam und Muslimen haben die Menschen in Deutschland in ihren Köpfen? Und wie entsteht dieses Bild? Einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung hat die Berichterstattung in den deutschen Medien, und in dieser überwiegen bestimmte Klischees. Häufig kommen Muslime in negativen und konfliktbeladenen Zusammenhängen vor. Mittels ausgewählter Beispiele gibt Aycan Demirel einen Überblick über gängige Bilder und zeigt anhand von aktuellen Erkenntnissen aus der pädagogischen Forschung und Praxis, wie Muslime, insbesondere muslimische Jugendliche, diese Darstellung wahrnehmen. Anschließend lernen die Teilnehmenden ein pädagogisches Modul der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus kennen. Es gibt eine Anleitung für kritische und reflektierte Medienrezeption und liefert Methoden für den Unterricht, um sie mit Jugendlichen zu trainieren. Die Teilnehmenden analysieren exemplarisch einen Fernsehbeitrag und erproben den praktischen Einsatz des Moduls. 6 Trialog-Akademie – Sommer 2014 ZWISCHEN ISLAM UND ISLAMISMUS – FRAGEN ZU IDENTITÄT, RELIGION UND GEMEINSCHAFT IN DER PÄDAGOGISCHEN ARBEIT MIT JUNGEN MUSLIMEN Dr. Götz Nordbruch, Dr. Jochen Müller | ufuq.de Jung, deutsch und muslimisch – dies ist das Selbstverständnis vieler junger Muslime. Damit verbindet sich der Wunsch, die Gesellschaft aktiv mit zu gestalten. Zugleich betonen die Jugendlichen ihre religiöse Identität und leben auch in der Öffentlichkeit selbstbewusst ihren Glauben. Für viele Nichtmuslime ist dieses Selbstbewusstsein irritierend. Schulen und Jugendeinrichtungen berichten immer häufiger auch von Konflikten, die durch Abgrenzung und Missionierungsversuche einzelner Jugendlicher geschürt werden. Götz Nordbruch stellt pädagogische Umgangsweisen vor, die selbst ohne religiöses Fachwissen eine Auseinandersetzung mit den Themen Islam und Islamismus ermöglichen. Die Anerkennung von gläubigen muslimischen Schülerinnen und Schülern mit ihren biographischen Erfahrungen und Erwartungen steht dabei im Mittelpunkt. Es geht aber auch darum, demokratie- und freiheitsfeindliche Denk- und Verhaltensweisen zu erkennen und ihnen in der pädagogischen Arbeit zu begegnen. Offenheit und ein differenzierter Blick von Seiten der Pädagoginnen und Pädagogen sind hier wichtig, umso mehr wenn ihnen die Zusammenhänge persönlich fremd sind. Anhand von Musikvideos und Beispielen aus dem Internet veranschaulicht der Referent die besprochenen Phänomene. 7 Trialog-Akademie – Sommer 2014 POPKULTUR UND ISLAM. WIE GEHT DAS ZUSAMMEN? Dr. Götz Nordbruch, Dr. Jochen Müller | ufuq.de „Muslim Peace Power“ heißt ein Energy-Drink, den es in Berlin am Kiosk zu kaufen gibt. „Faszinierend und aufregend – wie geschaffen für die gerade erwachende Generation der jungen Muslime,“ lautet der dazugehörige Werbeslogan. Was macht diese Generation aus? Für viele muslimische Jugendliche spielt die Religion im Alltag eine wichtige Rolle. Als Quelle spiritueller Erfahrungen, Orientierungshilfe, aber auch als Grundlage von Identität und Gemeinschaft finden sie im Islam Antworten auf alltägliche Fragen. In einer mehrheitlich nichtislamischen Umgebung gewinnen Rituale und Bekenntnisse, die einen sichtbar als Muslim zu erkennen geben, an Bedeutung. Islam ist cool. Islam ist populär. Götz Nordbruch beleuchtet exemplarisch populärkulturelle Trends und Strömungen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Er bespricht das Selbstverständnis junger Muslime im Vergleich zu nichtmuslimischen Gleichaltrigen. Welche Rolle spielt dabei eine Prägung durch islamische Werte und Traditionen? Wie hat sich muslimisches religiöses Leben im Generationenverlauf verändert? Und wie vereinbaren die Jugendlichen ihre Religiosität mit Modebewusstsein, Popmusik und der Nutzung von Multimedia-Plattformen? 8 Trialog-Akademie – Sommer 2014 LIEBE, SEXUALITÄT UND EHRBEGRIFF BEI MUSLIMISCHEN JUGENDLICHEN Ahmad Mansour | HEROES - Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre In der prägenden Phase der Jugend spielen Partnerwahl und Sexualität eine große Rolle. Auch Geschlechter- und Rollenverständnisse sowie Einstellungen zu Homosexualität bilden sich in diesem Lebensabschnitt aus und werden von Gesellschaft, Kultur und Religion beeinflusst. Der aus Israel stammende arabische Psychologe Ahmad Mansour spricht ausführlich über Geschlechterrollen in der muslimischen Community und die sexuelle Erziehung von muslimischen Jungen und Mädchen. Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit der Tabuisierung von Sexualität, Kriterien der Partnersuche und Partnerwahl sowie dem Stellenwert der „Ehre“. Weiter werden die Erziehungsmethoden in muslimischen Familien und die Rolle der Religion für die Sozialisation und die Entwicklung von Identität und Weltanschauung religiöser muslimischer Jugendlicher erläutert. Was bedeuten diese Zusammenhänge für den Lern- und Lebensraum Schule? Was gilt es für Pädagoginnen und Pädagogen zu wissen und zu berücksichtigen? Diesen Fragen widmet der Referent intensive Diskussionszeit und erarbeitet Empfehlungen für den kompetenten Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt in der Schule. 9 Trialog-Akademie – Sommer 2014 JUDENTUM KENNENLERNEN Dr. Esther Graf, Manja Altenburg | Agentur für Jüdische Kulturvermittlung Was genau bedeutet eigentlich koscher und wo ist der Unterschied zu halal? Tragen nur Männer oder auch jüdische Frauen eine Kopfbedeckung? Wie viele Juden leben heute in Deutschland? Das sind Fragen, auf die auch Lehrerinnen und Lehrer häufig keine genaue Antwort haben. Was also müssen sie wissen, wenn sie mit Jugendlichen jüdische Kultur behandeln? Im ersten Teil des Workshops erörtert die Referentin Grundlagen des Judentums und beantwortet Fragen zu Religion, Kultur und Geschichte. Basierend auf Tora und Talmud lernen die Teilnehmenden die Vielfalt jüdischer Kultur kennen, u.a. Feiertage, Essensvorschriften (Kaschrut) und Wohltätigkeitsregeln. Gegenstände zum Anfassen machen die religiöse Praxis erlebbar und werden durch persönliche Erfahrungen und Berichte aus jüdischen Gemeinden abgerundet. Anschließend machen die Teilnehmenden eigene Erfahrungen mit der hebräischen Sprache, koscherem Essen und israelischem Tanz. Sie lernen geeignete Materialien kennen, die einen Unterrichtseinstieg ins Thema ermöglichen. Zum Abschluss werden verschiedene Zugänge und Möglichkeiten der Projektarbeit mit Schülerinnen und Schülern zum Thema Judentum vorgestellt und ihre Anwendung in verschiedenen Klassenstufen diskutiert. 10 Trialog-Akademie – Sommer 2014 ISRAEL HEUTE 1: GESELLSCHAFT, POLITIK, RELIGION Torsten Reibold | Givat Haviva Die israelische Gesellschaft ist geteilt in eine jüdische Mehrheit und eine arabische Minderheit sowie einige weitere ethnisch-religiöse Gruppierungen. Aber auch die beiden großen Blöcke sind keinesfalls monolithisch, sondern zerfallen ihrerseits wieder in einzelne Teile, jeder mit seiner eigenen Historie und politischen Agenda. In der alltäglichen Berichterstattung kommen diese oftmals nicht zur Geltung, sondern entsteht der Eindruck einer geschlossenen und homogenen Gesellschaft. Torsten Reibold beschreibt in seinem Vortrag die israelische Sozialstruktur und deren innere Diversifizierung sowie die Bruchlinien, anhand derer gesellschaftliche Abgrenzungen und Interessenkonflikte deutlich werden. Er lädt die Teilnehmenden auf eine Reise in Geschichte, Gegenwart und Zukunft der israelischen Zivilgesellschaft ein und diskutiert kritisch ihre Nachhaltigkeit. Er beleuchtet Grundfragen des jüdisch-arabischen Gegensatzes in Israel und des israelisch-arabischen Konflikts im internationalen Umfeld. 11 Trialog-Akademie – Sommer 2014 ISRAEL HEUTE 2: DIE GRUNDFRAGEN DES ISRAELISCHPALÄSTINENSISCHEN KONFLIKTS AUS ISRAELISCHER SICHT Torsten Reibold | Givat Haviva Ist Frieden im Nahen Osten überhaupt möglich? Im Jahr 2013/14 konzentrierten sich die direkten israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen zum ersten Mal seit Langem wieder auf die Grundfragen des Konflikts. Beide Seiten stellen explizite Forderungen zu deren Lösung. Was wurde vordringlich verhandelt und welche Positionen vertreten die Verhandlungspartner? Der israelisch-palästinensische Konflikt reduziert sich oftmals auf vier basale Fragestellungen: Grenzen, Siedler, Jerusalem und Flüchtlinge. Torsten Reibold stellt diese Fragen und ihre grundlegende historische Entwicklung dar. Er analysiert vor allem die israelische Position anhand einer Untersuchung der Partner der im April 2013 neu gebildeten 33. israelischen Regierung. Dabei geht er ausführlich auf das Scheitern der Verhandlungen und die Aussichten auf einen neuerlichen Anlauf im Friedensprozess ein. 12 Trialog-Akademie – Sommer 2014 ES MUSS NICHT IMMER ANNE FRANK SEIN: JÜDISCHE KINDERLITERATUR IM UNTERRICHT Eva Lezzi | Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk Eva Lezzi ist Kinderbuchautorin. Humorvoll beschreibt sie in ihren Geschichten den jüdischen Alltag in Deutschland – 60 oder 70 Jahre nach dem Holocaust. Sie erzählt vom Feste-Feiern und Bräuche-Pflegen, vom Erinnern und Vergessen und vom nicht immer einfachen, aber liebevollen Miteinander der Generationen. So erhalten die Leser ganz nebenbei Einblicke in Besonderheiten und Alltägliches einer jüdischen Familie von heute. In ihrem Workshop stellt Eva Lezzi aktuelle jüdische Kinderbücher von unterschiedlichen Autoren vor und zeigt, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Dabei schulen die Teilnehmenden ihren Blick dafür, wie diese Bücher gemacht sind. Sie analysieren in Gruppenarbeit ausgewählte Texte und vergleichen ihre Ergebnisse anschließend im Plenum. Neben Aspekten von Textkomposition, bildlicher Darstellung und Adressatenkreis steht die Frage nach den Möglichkeiten einer didaktischen Einbindung in den Unterricht im Zentrum. Eva Lezzi möchte einen Anstoß geben – für eine neue Sicht auf mögliche Schullektüren und den Mut zu einer Weitung des Kanons. Denn: Zeitgeschichtliches Lernen darf sich nicht auf ein nationalgeschichtliches Narrativ beschränken, sondern muss den Fragen, Erfahrungen und Familienerzählungen aller Schülerinnen und Schüler Raum geben. 13 Trialog-Akademie – Sommer 2014 GEGEN GRUPPENBEZOGENE MENSCHENFEINDLICHKEIT, RECHTSEXTREMISMUS UND RECHTSPOPULISMUS – PÄDAGOGISCHE HANDLUNGSSTRATEGIEN Manuel Glittenberg | Bildungsstätte Anne Frank Menschenfeindliche oder rechtsextreme Haltungen und Äußerungen können teils verdeckt, teils offen an Schulen kursieren. So ist es für den Umgang damit wichtig, die Wahrnehmung für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu stärken und problematische Haltungen frühzeitig zu erkennen. Manuel Glittenberg bespricht die Zusammenhänge zwischen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Ideologieelementen und Strategien der extremen Rechten. Im Fokus stehen aktuelle Erscheinungsformen und Bezüge zu rechtspopulistischen Tendenzen, die Anschlussfähigkeiten zu alltäglichen Formen der Diskriminierung verdeutlichen. Ziel der Fortbildung ist es, mit den Teilnehmenden Handlungsstrategien im Umgang mit menschenfeindlichen oder rechtsextremen Tendenzen zu entwickeln und ihnen Sicherheit in einer Positionierung für Menschenrechtsschutz und Extremismusprävention zu geben. Dafür ist es von zentraler Bedeutung, die Perspektiven der von Rechtsextremismus Betroffenen zu kennen, ihre Wünsche und Bedürfnisse im Blick zu haben sowie Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen. 14 Trialog-Akademie – Sommer 2014 GESCHICHTE ZUM ANFASSEN: WIE AUS EINER TRIALOGISCHEN SPURENSUCHE EIN PRODUKT WIRD Dr. Stephanie Kowitz-Harms | Institut für die Geschichte der deutschen Juden Welche Geschichte erzählt der Stolperstein vor meiner Haustür? Nach wem wurde die Straße benannt, in der ich wohne? Warum steht ein Denkmal vor dem Rathaus? Wer mit offenen Augen durchs Quartier oder die Stadt geht, entdeckt an unerwartet vielen Stellen Spuren jüdischen, christlichen und muslimischen Lebens. Im Unterricht beschäftigen Lehrende sich mit den Weltreligionen und ihrer Rolle für unsere Gegenwart. Sie gehen der Frage nach, was unsere gemeinsame Identität ausmacht und übertragen diese auf schulische Projektarbeit. Am Ende steht häufig ein Produkt – zum Beispiel ein trialogischer Reiseführer. Oder ein digitaler Stadtplan. Stephanie Kowitz-Harms geht auf eine Reihe praktischer Fragen bei der Umsetzung ein: Welche Themen bieten sich vor Ort für eine Recherche an? Was benötigen die Schülerinnen und Schüler, um ein Interview zu führen? Welche Ansprechpersonen gibt es für die inhaltliche Ausgestaltung und die praktische Durchführung? Am Beispiel von Schülerprojekten zur jüdischen Geschichte bespricht die Referentin technische und methodische Aspekte der Reiseführererstellung. Zum Abschluss entwickeln die Teilnehmenden eigene Ideen für die Umsetzung an ihrer Schule oder arbeiten gemeinsam an bereits vorhandenen Konzepten. 15 Trialog-Akademie – Sommer 2014 FREMD UND DOCH NAH! WIE MIT DER „FREMDHEIT DER RELIGIONEN“ UMGEHEN? Prof. Dr. Karlo Meyer | Universität des Saarlandes In den Klassenzimmern deutscher Großstädte lernen Kinder und Jugendliche mit verschiedensten kulturellen Wurzeln zusammen. Selbstverständlich sitzt Lea neben Kazim und Murat neben Jenny. Kazims Gebet ist für Lea fremd und umgekehrt. Die Unterschiede zwischen Christentum und Islam werden auch in Schule und Unterricht bleiben. Doch wenn die Schülerinnen und Schüler über ihre Religionen ins Gespräch kommen, können sie Befremdung und Unsicherheiten artikulieren und daran arbeiten. Karlo Meyer macht in seinem Workshop deutlich, wie in schulischen Materialien häufig eine Distanzierung von „fremder Religion“ erfolgt. Er präsentiert eigene Vorschläge, um religiöse und kulturelle Verschiedenheit produktiv für den Unterricht aufzunehmen. In seinen Materialien stehen die beiden Figuren Lea und Kazim im Mittelpunkt. Die Lerner begleiten sie in ihrer religiösen Praxis, beobachten und vergleichen. Die Kinder bewerten die je andere Religion nicht, sondern gehen auf eine Entdeckungsreise. Unterschiede sind wichtig – solange man nicht darüber streiten muss, wer Recht hat. 16 Trialog-Akademie – Sommer 2014 VORSICHT: KULTURALISMUSFALLE! Dr. Arata Takeda | Universität Paderborn Menschen definieren sich über ihren Beruf, ihre Sprache, ihre Hobbies, vielleicht über ihre Religion oder über ihr Land, ihre Stadt, ihren Stadtteil. So vielfältig wie Identitäten sind, so komplex ist menschliche Kommunikation. Doch Handlungen oder Aussagen werden häufig mit „der Kultur“ der Sprecher erklärt. Das führt zu handfesten Problemen – nicht nur auf dem Schulhof. Wer komplizierte Zusammenhänge schlicht mit kulturellen Differenzen begründet, tappt leicht in die „Kulturalismusfalle“. Arata Takeda geht auf die Gefahren weit verbreiteter Zugehörigkeitsordnungen ein. Wann sprechen „wir“ über „sie“? Was bedeutet das für den Umgang miteinander – in einer Gesellschaft, die unübersehbar von Migration geprägt ist? Was können und müssen Lehrende daraus für die Praxis im Schulalltag ableiten? Ziel ist es, Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen, Stereotypen zu entlarven, denen Lehrkräfte im Schulalltag begegnen und manches Mal ratlos gegenüberstehen. Wie können sie kompetent und konstruktiv mit solchen Situationen umgehen? Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle der Sprache, die kulturelle Differenzen nicht nur beschreibt, sondern auch herstellen kann. Die Teilnehmenden erarbeiten Perspektiven und Strategien, die über kulturelle Differenzen hinausdenken helfen. 17 Trialog-Akademie – Sommer 2014 ÜBER LÄNDER, GRENZEN UND SPRACHEN HINWEG – EINE INTERKULTURELLE SCHREIBWERKSTATT Nevfel Cumart | Schriftsteller Nevfel Cumart hat kein starres Konzept in der Tasche. Der deutschtürkische Schriftsteller gestaltet den Ablauf seiner Vorträge und Schreibwerkstätten flexibel. Dabei richtet er sich nach den Voraussetzungen in der Teilnehmergruppe – die ganze Veranstaltung ist ein Experiment. Hier werden nicht nur unentdeckte Literatur-Talente wach, die Teilnehmenden durchlaufen eine intensive Reflexion und führen en passant einen Diskurs über Identität und Kulturen. Wo ist „Zuhause“? Was bedeutet „Heimat“, und wie verändert und entwickelt sich der Begriff im Laufe der Zeit? Wie lebt es sich in der Fremde, zwischen den Kulturen? Wie gestaltet sich das Leben in Deutschland mit den Menschen, deren Familien nicht schon immer „hier“ waren? Diesen und anderen Fragen wird mit literarischen Texten nachgegangen. Nach einer kurzen Lesung von Gedichten gibt Nevfel Cumart gezielt Impulse für ein bewusstes Schreiben. Mit verschiedenen korrespondierenden Schreibspielen sollen kreative Fähigkeiten freigelegt und ein Zugang zum eigenen literarischen Schreiben ermöglicht werden. Und wie können Lehrende ihre Schülerinnen und Schüler dafür begeistern? Für Nevfel Cumart ist sicher: „Wenn man ein weißes Blatt Papier mit der Aufforderung zum Schreiben hinlegt, wird das nichts. Inspiration kann man nicht erzwingen.“ Er vermittelt verschiedene Schreibmethoden und gibt Tipps für eine gezielte Umsetzung im Unterricht. 18 Trialog-Akademie – Sommer 2014 Die Referenten Manja ALTENBURG verband ihr Studium der Fächer Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaft und Jüdische Studien mit kuratorischen Tätigkeiten in Deutschland und Israel. Im Anschluss war sie gemeinsam mit Esther Graf für die Neukonzeption der Abteilung Jüdisches Museum im Braunschweigischen Landesmuseum verantwortlich. Als Kuratorin im Jüdischen Museum Berlin vertiefte sie ihre Kenntnisse über museale Vermittlungsarbeit zur jüdischen Geschichte und Kultur. Seit 2010 unterrichtet Manja Altenburg wöchentlich israelische Tänze in der Gemeinde in Mannheim und leitet das Jugendzentrum. Nevfel CUMART Nevfel Cumart konzipiert und leitet seit über 20 Jahren kreative Schreibwerkstätten für Jugendliche und Erwachsene. Er studierte Turkologie, Arabistik und Islamwissenschaft und arbeitet seit 1992 als freiberuflicher Schriftsteller, Übersetzer und Journalist. Er veröffentlichte 16 Gedichtbände und eine Sammlung mit Erzählungen. Darüber hinaus gab er mehrere Bücher mit Texten aus Werkstatt-Projekten heraus. Für sein literarisches Werk erhielt er diverse Literaturpreise und Auszeichnungen, zuletzt die Poetik-Professur der Universität Innsbruck in 2012. Seine Leseund Vortragsreisen führten ihn vielfach ins Ausland, darunter Irland, Polen, Italien, Dänemark, Türkei und die Schweiz. Aycan DEMIREL ist Mitbegründer der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) und Vorstandsvorsitzender des Trägervereins KIgA e.V.. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus, Islamismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland sowie Gesellschaft und Politik in der Türkei, wobei die Auseinandersetzung um Islamismus und Antisemitismus im Vordergrund steht. Seit dem Bestehen der KIgA hat er verschiedene Projekte geleitet, zuletzt das Bundesmodellprojekt „Präventive Bildungsprozesse zum Islamismus in der Schule gestalten“. An der wissenschaftlichen Debatte um eine zeitgemäße Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaft hat er sich mit zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen 19 Trialog-Akademie – Sommer 2014 beteiligt. Seit August 2009 ist er Mitglied des unabhängigen Expertengremiums des Deutschen Bundestags zur Bekämpfung des Antisemitismus. Manuel GLITTENBERG ist Sozialwissenschaftler, er hat in Gießen und Frankfurt Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Seit 2012 leitet er in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt Workshops zu aktuellen Themen politischer Bildung. Seit Kurzem ist er zudem in der Beratungsarbeit von Menschen aktiv, die Unterstützung im Umgang mit Rechtsextremismus brauchen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind aktuelle Formen von Antisemitismus und Rechtsextremismus. Dr. Esther GRAF ist promovierte Judaistin und Kunsthistorikerin und hat sich als praktizierende Jüdin bereits während ihres Studiums im interreligiösen Dialog engagiert. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Jüdische Kunst an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg nahm sie Lehrverpflichtungen wahr und veröffentlichte Beiträge zu Themen der Jüdischen Kunst. In Mannheim vertritt sie die jüdische Gemeinschaft in der Alhambra-Projektgruppe, die trialogische Veranstaltungen mit Juden, Christen und Muslimen organisiert. Die Historikerin Dr. Stephanie KOWITZ-HARMS ist spezialisiert auf die Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur in Hamburg. Sie leitet das Geschichts- und Kulturvermittlungsangebot „Geschichtomat“ am Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGDJ) und arbeitet in der jüdischen Abteilung im hamburgmuseum sowie auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg-Altona. Dr. Eva LEZZI ist in New York geboren und in Zürich aufgewachsen, hat in Berlin promoviert und sich in Potsdam habilitiert. Sie unterrichtet an der Universität Potsdam und der NYU Berlin Germanistik und Jüdische Studien und hat mehrere literaturwissenschaftliche Bücher veröffentlicht. Darüber hinaus ist Eva Lezzi beim Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) als Referentin für Promovierendenförderung und Programmkonzeption 20 Trialog-Akademie – Sommer 2014 beschäftigt. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin und schreibt Kinderbücher zu jüdischem Leben in Deutschland, die die Berliner Künstlerin Anna Adam illustriert. Die Geschichten spielen in Deutschland und haben stets ein Glossar, in dem wichtige Begriffe zur jüdischen Kultur erklärt werden. Ahmad MANSOUR, 1976 in Tira (einem kleinen arabischen Dorf in Israel) geboren, ist Diplom-Psychologe und lebt seit 2006 in Deutschland. Er studierte Psychologie, Soziologie und Philosophie in Tel Aviv und klinische Psychologie in Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Gruppenleiter bei „HEROES, gegen die Unterdrückung im Namen der Ehre und für Gleichberechtigung“ arbeitet Ahmad Mansour als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt „ASTIU“ (Auseinandersetzung mit Islamismus und Ultranationalismus). Außerdem ist er Mitglied der Arbeitsgruppe „Präventionsarbeit mit Jugendlichen“ der Deutschen Islam-Konferenz und berät die European Foundation for Democracy zu den Themen Integration, Radikalisierung, Antisemitismus und Erziehungsmethoden in muslimischen Familien. Prof Dr. Karlo MEYER ist Professor für Religionspädagogik an der Universität des Saarlandes. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. interreligiöses Lernen im konfessionellen Religionsunterricht und Liturgie als pädagogische Aufgabe. Dr. Jochen MÜLLER und Dr. Götz NORDBRUCH sind Islamwissenschaftler und Mitarbeiter des Vereins ufuq.de – Jugendkultur, Medien und politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft. Der Verein engagiert sich u.a. in der Präventionsarbeit gegenüber Rassismus und Islamismus und führt Workshops und Seminare mit Jugendlichen und Multiplikatoren durch. Zudem entwickelt der Verein Lehr- und Lernmaterialien zu den Themen Islam und Islamismus. Rabeya MÜLLER ist Islamwissenschaftlerin, muslimische Theologin und Religionspädagogin. Als langjährige Leiterin des Instituts für interreligiöse Pädagogik und Didaktik in Köln gestaltete sie Lehrbücher für den 21 Trialog-Akademie – Sommer 2014 islamischen Religionsunterricht, entwickelte Unterrichtsmaterialien und Lehrplaninhalte, erarbeitete interreligiöse und interkulturelle Bildungstheorien und Unterrichtskonzepte. Sie ist u.a. stellvertretende Vorsitzende des Zentrums für islamische Frauenforschung und Frauenförderung und Vorsitzende des religiösen Beirats des Departements für Islamisch-Religiöse Studien an der FAU Erlangen-Nürnberg. Torsten REIBOLD ist Europa-Repräsentant von Givat Haviva, der größten und ältesten Bildungs- und Dialoginstitution in Israel. Er studierte Politikwissenschaften in Mainz, war von 2003 bis 2009 zunächst Koordinator, danach Manager des European Desk für Havatzelet, der Kulturund Bildungsstiftung der Kibbuzbewegung. Seine Arbeitsschwerpunkte waren der jüdisch-arabische Dialog und Kooperationsprogramme in Israel sowie die Vernetzung mit europäischen Förderern. Im Anschluss war er drei Jahre in der israelischen Privatwirtschaft beschäftigt. Seit 2012 arbeitet Torsten Reibold wieder bei Havatzelet/Givat Haviva. Er lebt und arbeitet in Wiesbaden und hält regelmäßig Vorträge zum Thema Israel, Nahost und israelischpalästinensischer Konflikt, außer in seiner Funktion für Givat Haviva auch für die israelische Botschaft, die DIG oder in der beruflichen Bildung. Dr. Arata TAKEDA ist Literatur- und Kulturwissenschaftler und Experte im Bereich transkulturelle Erziehung. Er hat in Tokio, Tübingen und Venedig studiert und in Neuerer deutscher Literatur und Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft promoviert. Nach Lehraufträgen in Tübingen und Wien hat er zwei Jahre an der University of Chicago geforscht. Aktuell lehrt und forscht er an der Universität Paderborn. 22